Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung einer Ausgleichsquittung wegen Drohung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. In einem Sozialplan darf die Zahlung von Abfindung zwar nicht davon abhängig gemacht werden, daß die wegen der Betriebsänderung entlassenen Arbeitnehmer gegen ihre Kündigungen keine gerichtlichen Schritte unternehmen (Bestätigung von BAG 20.12.1983 1 AZR 442/82 BAGE 44, 364).

2.Zulässig ist aber eine Vereinbarung in einem Sozialplan, nach der die Fälligkeit der Abfindung auf den Zeitpunkt des rechtskräftigen Abschlusses eines Kündigungsrechtsstreites hinausgeschoben und bestimmt wird, daß eine Abfindung nach den §§ 9, 10 KSchG auf die Sozialplanabfindung anzurechnen ist.

 

Normenkette

BGB §§ 134, 123; ZPO § 286; BetrVG § 112

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 10.05.1984; Aktenzeichen 7 Sa 103/83)

ArbG Mannheim (Entscheidung vom 06.06.1983; Aktenzeichen 3 Ca 25/83)

 

Tatbestand

Der Kläger war seit dem 9. Juni 1981 bei der Beklagten als Dreher und Maschineneinrichter tätig. Unter dem 23. Dezember 1982 vereinbarten die Beklagte und der bei ihr gebildete Betriebsrat einen Interessenausgleich wegen der beabsichtigten Reduzierung des Personalbestands um etwa 165 Beschäftigte durch Kündigungen und andere Maßnahmen. Dazu wurde eine "Betriebsvereinbarung über einen Sozialplan" zum Ausgleich der sozialen Härten bei den Kündigungen abgeschlossen. Die Bestimmungen dieses Sozialplans lauten, soweit sie für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits von Interesse sind, wie folgt:

"II. d

Die Zahlung einer Abfindung setzt voraus, daß

der betreffende Arbeitnehmer in einem Aufhe-

bungsvertrag oder durch eine Ausgleichsquit-

tung auf weitere Ansprüche aus dem Arbeitsver-

hältnis und aus Anlaß seiner Beendigung ver-

zichtet, ausgenommen tarifliche oder zwingende

gesetzliche Ansprüche.

III. Kündigungsschutzklage

Erhebt ein Mitarbeiter gegen die Kündigung

Klage, so ruhen die Ansprüche aus diesem

Sozialplan bis zum rechtskräftigen Abschluß

des Kündigungsschutzprozesses. Wird im Kün-

digungsschutzprozeß eine Abfindung zuerkannt

oder im Vergleichswege vereinbart, so wird

diese Abfindung auf Leistungen nach diesem

Sozialplan angerechnet.

IV. Ausgleichsquittung

Die Abfindungen aus diesem Sozialplan werden

nur gegen Unterzeichnung einer Ausgleichs-

quittung gewährt, in der der Empfänger er-

klärt, daß ihm aus der durch die Betriebs-

änderung bedingten Auflösung seines Arbeits-

verhältnisses weitere Ansprüche nicht mehr

zustehen und er das Fortbestehen des Arbeits-

verhältnisses nicht geltend machen wird."

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 28. Dezember 1982 ordentlich zum 16. Januar 1983. Am 14. Januar 1983 erschien der Kläger wegen verschiedener mit der Kündigung zusammenhängender Fragen im Lohnbüro der Beklagten. Nach einer Auseinandersetzung unterzeichnete der Kläger eine "Ausgleichsquittung", die unter anderem folgenden Wortlaut enthält:

"...

Ich erhebe gegen die Kündigung keine Einwendungen

und werde mein Recht, das Fortbestehen des Arbeits-

verhältnisses geltend zu machen, nicht wahrnehmen

oder eine mit diesem Ziel bereits erhobene Klage

nicht mehr durchführen."

Anschließend erhielt er die ihm nach dem Sozialplan zustehende Abfindung in Höhe von 3.388,05 DM ausgezahlt. Mit der am 17. Januar 1983 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage hat der Kläger vorgetragen, er habe die Ausgleichsquittung aus einer der Beklagten bekannten und auch von ihr ausgenutzten Notsituation und unter der Drohung unterschrieben, ohne diese Unterschrift weder Arbeitspapiere noch Geld zu erhalten. Die Nrn. II d, III und IV der Betriebsvereinbarung, auf der die angefochtene Ausgleichsquittung beruhe, seien wegen Gesetzesverstoßes und Sittenwidrigkeit nichtig, weil sie dem Recht des Arbeitnehmers widersprächen, die Berechtigung einer Kündigung im Kündigungsschutzverfahren geltend zu machen. Dringende betriebliche Erfordernisse für die Kündigung seien nicht ersichtlich.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis

zwischen ihm und den M

durch die Kündigung der Beklagten vom

28. Dezember 1982 zum 16. Januar 1983 nicht

aufgelöst ist, sondern über diesen Zeitpunkt

hinaus ungekündigt fortbesteht;

2. die Beklagte zu verurteilen, bei Meidung

eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung

festzusetzenden Zwangsgeldes, dessen Höhe

in das Ermessen des Gerichts gestellt wird,

ihn zu den bisherigen Arbeitsbedingungen

weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und vorgetragen, die Klauseln II d und IV des Sozialplanes seien nicht sittenwidrig und nichtig. Sie hätten lediglich verhindern sollen, daß ein Arbeitnehmer nach Erhalt der Abfindungssumme aus dem Sozialplan die in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindliche Beklagte nochmals mit einer Forderungsklage überziehe und/oder die Betriebsänderung mit einer Kündigungsschutzklage angreife. Die Ausschlußklausel sei im Zweifel dahin auszulegen, daß nur Arbeitnehmer nicht in den Genuß der Leistungen aus dem Sozialplan hätten kommen sollten, die durch die Nicht-Rücknahme einer bereits eingereichten Klage dem Betrieb weitere Schwierigkeiten und Kosten bereiten würden. Ziffer III sei die Öffnungsklausel für den Sozialplan. Die Ausgleichsquittung habe keinen Verzicht auf individualrechtliche Ansprüche bedeutet. Der Kläger sei nicht unter Druck gesetzt worden, die Ausgleichsquittung zu unterschreiben.

Das Arbeitsgericht hat nach Vernehmung des Personalleiters E als Zeugen die Klage insgesamt abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die auf den Klageantrag zu 1) beschränkte Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Klageantrag zu 1) weiter, während die Beklagte um Zurückweisung der Revision bittet.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet.

A. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, der Kläger habe durch die Unterzeichnung der Ausgleichsquittung vom 14. Januar 1983 auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage verzichtet. In der Ausgleichsquittung komme zweifelsfrei und auch für den Laien ohne weiteres verständlich zum Ausdruck, daß der Kläger mit der ihm gegenüber ausgesprochenen Kündigung einverstanden gewesen sei und er den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nicht gerichtlich geltend machen werde. Sie enthalte also einen Klageverzichtsvertrag. Der Kläger habe seine Erklärung nicht anfechten können. Der Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts werde beigetreten. Der Kläger habe zwar weitere Beweisanträge angekündigt, diese aber nicht gestellt. Auch die Betriebsvereinbarung, auf der der vom Kläger erklärte Verzicht beruhe, sei nicht unwirksam. Zwar dürfe nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Dezember 1983 (- 1 AZR 442/82 - AP Nr. 17 zu § 112 BetrVG 1972) ein Sozialplan die Zahlung von Abfindungen nicht davon abhängig machen, daß die infolge einer Betriebsänderung entlassenen Arbeitnehmer gegen ihre Kündigung keine gerichtlichen Schritte unternähmen. Dort sei aber ausdrücklich angeordnet gewesen, daß die Zahlung der Abfindungen abhängig davon sei, daß die betroffenen Mitarbeiter eine Ausgleichsquittung unterschreiben würden, welche u.a. zum Ausdruck gebracht hätte, daß der Mitarbeiter gegen die Kündigung gerichtliche Schritte nicht einleiten werde. Auch im vorliegenden Fall heiße es zwar in dem Abschnitt IV des Sozialplans, Abfindungen aus dem Sozialplan würden nur gegen die Unterzeichnung einer Ausgleichsquittung mit Klageverzicht gewährt werden. Entscheidend sei aber im Unterschied zu jenem Sozialplan die Regelung des Abschnittes III. Danach würden die Ansprüche aus dem Sozialplan bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsschutzprozesses ruhen, wenn ein Mitarbeiter gegen die Kündigung Klage erhebe. Würden die Regelungen der Abschnitte III und IV zusammen gesehen, so zeige sich, daß die hier in Rede stehende Betriebsvereinbarung den Arbeitnehmer nicht vor die oben beschriebene Alternative stelle. Vielmehr bleibe das Recht des Arbeitnehmers, sich gegen die ausgesprochene Kündigung zu wehren, unberührt. Es werde lediglich die Fälligkeit der Abfindung hinausgeschoben. Die vom Bundesarbeitsgericht beanstandete, funktionswidrige Verknüpfung individualrechtlicher und betriebsverfassungsrechtlicher Elemente finde sich bei dem hier vorliegenden Sozialplan nicht. Soweit der Kläger geltend mache, die Regelung in der Betriebsvereinbarung führe zu wirtschaftlichen Nachteilen bei Erhebung der Kündigungsschutzklage, weil die Verzögerung in der Zuwendung der Abfindungssumme einen Zins- und Entwertungsverlust bedeute, verknüpfe er zwei Umstände, die nicht zusammengehörten. Da auch eine Abfindung nach §§ 9, 10 KSchG erst nach Abschluß des Kündigungsschutzprozesses bezahlt werde, entstünden aus dem vorliegenden Sozialplan durch die Klageerhebung keine Nachteile.

B. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts wird im Ergebnis und in der Begründung gefolgt.

I. Der Kläger hatte zwar aufgrund seiner Betriebszugehörigkeit und der Größe des Betriebes der Beklagten gemäß § 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1 KSchG Kündigungsschutz. Das Landesarbeitsgericht hat aber zutreffend die Sozialwidrigkeit der ordentlichen Kündigung vom 28. Dezember 1982 und die Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 Abs. 1 und 2 BetrVG nicht geprüft. Es ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger habe durch die Unterzeichnung der Ausgleichsquittung vom 14. Januar 1983 mit der Beklagten einen Klageverzichtsvertrag geschlossen.

1. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung anerkannt, daß der Arbeitnehmer in einer Ausgleichsquittung auf das Recht, Kündigungsschutzklage zu erheben, verzichten kann (BAG 32, 6, 10 = AP Nr. 6 zu § 4 KSchG 1969 mit zust. Anm. von Grunsky = EzA § 4 KSchG n.F. Nr. 15 mit Anm. von Herschel; zuletzt Urteil vom 24. Januar 1985 - 2 AZR 317/84 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, unter I 2 b der Gründe). Auch in der Literatur ist die rechtliche Möglichkeit, die Beendigung eines meistens vom Arbeitgeber gekündigten Arbeitsverhältnisses durch Unterzeichnung einer Ausgleichsquittung außer Streit zu stellen, heute im Grundsatz unbestritten (vgl. KR-Becker, 2. Aufl., § 1 KSchG Rz 14; Hueck, KSchG, 10. Aufl., § 1 Rz 164; Herschel/Löwisch, KSchG, 6. Aufl., § 7 Rz 5 f.; alle m.w.N.).

2. Bei der Erklärung des Klägers vom 14. Januar 1983 handelt es sich um eine typische Erklärung, nämlich um die Unterzeichnung eines von der Beklagten für eine Vielzahl von Fällen vorgesehenen vorgedruckten Formulars, die der unbeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt (vgl. statt vieler BAG 32, 6, 9 f. mit insoweit zust. Anm. von Herschel in EzA § 4 KSchG n.F. Nr. 15, unter I 2). Auch bei Anlegung dieses Prüfungsmaßstabes ist die Auslegung des Landesarbeitsgerichts nicht zu beanstanden.

Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, daß die Erklärung des Klägers vom 14. Januar 1983, er erhebe gegen die Kündigung keine Einwendungen und werde sein Recht, das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses geltend zu machen, nicht wahrnehmen, die Anforderungen erfüllt, die das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung an die Eindeutigkeit eines in einer Ausgleichsquittung enthaltenen Klageverzichts erhoben hat (Urteile vom 6. April 1977 - 4 AZR 721/75 - und 29. Juni 1978 - 2 AZR 681/76 - AP Nr. 4 und 5 zu § 4 KSchG 1969; BAG 32, 6, 11 f.). Eine besondere Hinweispflicht besteht bei eindeutiger Formulierung nicht (BAG 32, 6, 12; Urteil vom 20. August 1980 - 5 AZR 759/78 - AP Nr. 3 zu § 9 LohnFG, unter II 2 e der Gründe). Dem Kläger selbst war nach seinem eigenen Vortrag auch völlig klar, welche Tragweite seine Erklärung hatte, die er zuerst gar nicht unterschreiben wollte.

In der Ausgleichsquittung ist vorliegend ein "pactum de non petendo" zu sehen (BAG 32, 6, 11; Herschel, Anm. zu BAG AP Nr. 4 zu § 4 KSchG 1969, unter I 2 a), ein prozeßrechtlicher Vertrag, das Recht, Klage zu erheben, nicht wahrzunehmen, mit der Folge der Wirksamkeit der Kündigung von Anfang an.

II. Dem Landesarbeitsgericht ist im Ergebnis und in der Begründung auch darin zu folgen, daß der Klageverzichtsvertrag vom 14. Januar 1983 wirksam ist.

1. Die Ausgleichsquittung ist nicht gemäß § 134 BGB wegen Gesetzesverstoßes nichtig.

Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, der vorliegende Sozialplan sei auch insoweit rechtlich unbedenklich, als er die Zahlung der Abfindung von einer Ausgleichsquittung abhängig gemacht habe.

a) Zwar darf nach dem Urteil des Ersten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Dezember 1983 (- 1 AZR 442/82 - EzA § 112 BetrVG 1972 Nr. 29 mit ablehnender Anm. von Kreutz) ein Sozialplan die Zahlung von Abfindungen nicht davon abhängig machen, daß die infolge der Betriebsänderung entlassenen Arbeitnehmer gegen ihre Kündigung keine gerichtlichen Schritte unternehmen. Nach Auffassung des Ersten Senats widerspräche es dem Sinn und Zweck des Sozialplans, wenn seine Leistungen von dem Verzicht der betroffenen Arbeitnehmer auf die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes und damit von der Hinnahme auch rechtswidriger Maßnahmen des Arbeitgebers abhängig gemacht werden könnten. Der Sozialplan, der die nachteiligen wirtschaftlichen Folgen der auf einer Entscheidung des Unternehmers beruhenden und von ihm zu verantwortenden Betriebsänderung für die betroffenen Arbeitnehmer erträglicher machen soll, würde dazu benutzt, ihnen gleichsam als Gegenleistung neue Nachteile aufzubürden, die sie ohne den Sozialplan nicht hinzunehmen brauchten.

b) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, die Regelung über Kündigungsschutzklage und Ausgleichsquittung im vorliegenden Sozialplan stelle die gekündigten Arbeitnehmer gerade nicht vor die Alternative, entweder die Abfindungen anzunehmen und damit auf die Chance zu verzichten, diesen Arbeitsplatz über eine Kündigungsschutzklage zu erhalten, oder aber diese Chance wahrzunehmen, aber auf das Risiko hin, nicht einmal die Abfindung zu erhalten.

aa) Zwar enthält der Sozialplan im Abschnitt IV eine Regelung, die für sich allein genommen der dem Urteil des Ersten Senats zugrunde liegenden entspricht. Danach werden die Abfindungen aus dem Sozialplan nur gegen Unterzeichnung einer Ausgleichsquittung gewährt, in der der Empfänger erklärt, daß ihm aus der durch die Betriebsänderung bedingten Auflösung seines Arbeitsverhältnisses weitere Ansprüche nicht mehr zustehen und er das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses nicht geltend machen wird.

Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht aber vorliegend dem Gesamtzusammenhang der Abschnitte III und IV entnommen, nur die Fälligkeit der Abfindung werde auf den rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsschutzprozesses hinausgeschoben. Nach dem Abschnitt III ruhen nämlich die Ansprüche aus dem Sozialplan bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsschutzprozesses, wenn ein Mitarbeiter gegen die Kündigung Klage erhebt. Wird im Kündigungsschutzprozeß eine Abfindung zuerkannt, oder im Vergleichswege vereinbart, so wird diese Abfindung auf Leistungen nach diesem Sozialplan angerechnet. Aus dem Abschnitt III ergibt sich also, daß der Arbeitnehmer nicht vor die Alternative gestellt wird, entweder die Abfindung zu erhalten oder Kündigungsschutzklage zu erheben. Vorliegend wird vielmehr nur die Fälligkeit der Abfindung nur auf den Zeitpunkt des rechtskräftigen Abschlusses des Kündigungsschutzprozesses hinausgeschoben und geregelt, daß eine Abfindung in einem Kündigungsschutzprozeß auf die Sozialplanabfindung angerechnet wird. Der gekündigte Arbeitnehmer erhält also in jedem Falle eine Abfindung, für den Fall der Klageerhebung allerdings erst nach rechtskräftigem Abschluß des Kündigungsschutzprozesses.

bb) Eine solche Sozialplanregelung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Es ist funktionsgerecht, wenn die Fälligkeit von Abfindungen, die institutionell für den Verlust eines Arbeitsplatzes vorgesehen sind, erst dann eintritt, wenn der Verlust des Arbeitsplatzes auch tatsächlich feststeht. Eine solche Regelung liegt in der betriebsverfassungsrechtlichen Kompetenz der Betriebsparteien - anders als bei einer Regelung, bei der dem Arbeitnehmer der Verzicht auf individualrechtliche Ansprüche als Gegenleistung für im Betriebsverfassungsrecht wurzelnde Ansprüche abverlangt wird.

2. Entgegen der Ansicht der Revision hat der Kläger die Ausgleichsquittung auch nicht gemäß § 123 Abs. 1 BGB wegen widerrechtlicher Drohung wirksam angefochten.

a) Es ist in Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannt, daß das in einer Ausgleichsquittung liegende Angebot bzw. die Annahme vom Erklärenden angefochten werden kann, wenn die Voraussetzungen der §§ 119, 123 BGB vorliegen (BAG Urteil vom 25. September 1969 - 2 AZR 524/68 - AP Nr. 36 zu § 3 KSchG und Urteil vom 6. April 1977 - 4 AZR 721/75 - AP Nr. 4 zu § 4 KSchG 1969; KR-Friedrich, 2. Aufl., § 4 KSchG Rz 310; Stahlhacke, Kündigung und Kündigungsschutz, 4. Aufl., Rz 537).

b) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, der Kläger habe in erster Instanz vorgetragen, er habe die Ausgleichsquittung unter der Drohung unterschrieben, ohne diese Unterschrift weder Arbeitspapiere noch Geld zu erhalten. Zwar hat der Kläger nicht ausdrücklich erklärt, er fechte die in der Ausgleichsquittung liegende Klageverzichtserklärung an. Das ist jedoch nicht erforderlich, wenn nur erkennbar ist, daß der Erklärende das Geschäft wegen eines Willensmangels nicht gelten lassen wolle (BGH Urteil vom 28. September 1954 - I ZR 180/52 - LM § 119 BGB Nr. 5; RGZ 158, 166, 168). Das Landesarbeitsgericht ist mit dem Arbeitsgericht davon ausgegangen, der Kläger habe eine Anfechtung erklärt, indem es dem Arbeitsgericht folgend einen Grund zur Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung verneint hat. Diese nur der beschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegende Auslegung einer nichttypischen Willenserklärung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

c) Das Landesarbeitsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, es habe vorliegend an einer widerrechtlichen Drohung gefehlt.

aa) Das Berufungsgericht hat bezüglich der Beweiswürdigung der Vernehmung des Zeugen E durch das Arbeitsgericht von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen und in seinem Urteil ausgeführt, es folge insoweit der angefochtenen Entscheidung des erstinstanzlichen Urteils. Das Arbeitsgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger habe nicht bewiesen, daß der Zeuge E die Herausgabe der Arbeitspapiere von der Unterschrift unter die Ausgleichsquittung abhängig gemacht habe. Gegen diese Würdigung hat die Revision Verfahrensrügen gemäß § 554 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b, § 286 ZPO nicht erhoben. Soweit sie der Ansicht ist, mit der Aussage des Zeugen sei der eindeutige Beweis für eine sittenwidrige Drohung erbracht, nimmt sie nur eine andere Beweiswürdigung als das Arbeitsgericht vor, ohne Verfahrensrügen zu erheben.

bb) Ihre vorsorgliche Rüge, das Landesarbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, weiteres Beweisanerbieten sei nicht erfolgt, ist unbegründet, weil der Kläger am Schluß der Berufungsverhandlung seinen Beweisantritt nicht wiederholt hat, so daß das Landesarbeitsgericht davon ausgehen durfte, dieser sei erledigt (BAG 14, 206, 211 = AP Nr. 4 zu § 276 BGB Verschulden bei Vertragsabschluß).

cc) Entgegen der Auffassung der Revision ist auch nicht von dem Vortrag des Klägers auszugehen, er habe unter der Drohung unterschrieben, ohne Unterschrift erhalte er auch kein Geld. Das Arbeitsgericht hat in seiner Beweiswürdigung, der das Landesarbeitsgericht beigetreten ist, nur als bewiesen angesehen, der Zeuge E habe den Kläger vor die Alternative gestellt, entweder die Ausgleichsquittung zu unterschreiben und den Abfindungsbetrag s o f o r t ausgezahlt zu erhalten, oder mit der Auszahlung des Abfindungsbetrages so lange zu w a r t e n, bis der Kündigungsschutzrechtsstreit abschließend erledigt sei. Auch an diese Feststellung ist der Senat gemäß § 561 Abs. 2 ZPO gebunden, weil der Kläger auch insoweit keine begründete Prozeßrüge erhoben hat. Selbst wenn im Hinblick auf den Zinsverlust mit dem Kläger davon ausgegangen wird, die Erklärung des Zeugen E sei eine Drohung gewesen, so ist die Anfechtung unbegründet, weil die Drohung nicht widerrechtlich gewesen ist. Weder der Zweck, den Arbeitnehmer zu veranlassen, eine Ausgleichsquittung zu unterzeichnen, noch das Mittel hierzu, das Aufschieben der Auszahlung der Abfindung, sind widerrechtlich. Daher könnte sich die Rechtswidrigkeit nur aus einer von der Rechtsordnung mißbilligten Verknüpfung beider ergeben. Das ist erst dann der Fall, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Verknüpfung nicht ernsthaft in Erwägung gezogen hätte. Hingegen kommt es nicht darauf an, ob sich die Verknüpfung in einem späteren Rechtsstreit tatsächlich als rechtsbeständig erwiesen hätte (BAG 32, 194, 196 = AP Nr. 21 zu § 123 BGB, mit ablehnender Anm. von Kramer; zuletzt Urteil vom 24. Januar 1985, aaO, zu III 1 der Gründe; BGHZ 25, 217, 220). Die Beklagte durfte zum einen durch ihren Angestellten E davon ausgehen, daß sie entsprechend der Nr. III des Sozialplanes vom 23. Dezember 1982 die Sozialplanabfindung nicht auszahlen mußte, solange der Kläger gegen die Kündigung Kündigungsschutzklage erheben wollte oder konnte. Zum anderen ergibt sich die fehlende Rechtswidrigkeit aber auch aus dem Zweck des Sozialplanes gemäß seinem Vorspruch und seiner Nr. II in Verbindung mit § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, demzufolge die Abfindung aus dem Sozialplan der Ausgleich der sozialen Härten u.a. bei Kündigungen dienen sollte. Das setzt aber voraus, daß der Arbeitnehmer überhaupt durch die Betriebsänderung betroffen ist, also eine wirksame Kündigung vorliegt (BAG Urteil vom 3. August 1982 - 1 AZR 77/81 - AP Nr. 5 zu § 113 BetrVG 1972, unter 2 der Gründe; Urteil vom 25. Oktober 1983 - 1 AZR 260/82 - AP Nr. 18 zu § 112 BetrVG 1972, unter I 4 b der Gründe). Es kann deshalb dem Arbeitgeber nicht verwehrt werden, sich darauf zu berufen, die Fälligkeit der Ansprüche aus dem Sozialplan für den Fall des Arbeitsplatzverlustes durch Kündigung trete erst ein, wenn die Wirksamkeit der Kündigung feststehe. C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Hillebrecht Triebfürst Dr. Weller

Jansen Dr. Bächle

 

Fundstellen

Haufe-Index 437908

DB 1985, 2357-2358 (LT1-2)

NJW 1986, 2785

ARST 1986, 67-68 (LT1-2)

NZA 1986, 258-259 (LT1-2)

RdA 1986, 64

RzK, I 11e Nr 1 (LT1-2)

AP § 112 BetrVG 1972 (LT1-2), Nr 33

EzA § 4 KSchG Ausgleichsquittung, Nr 1 (LT1-2)

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