Entscheidungsstichwort (Thema)

Jahressonderzahlung - Gleichbehandlung in gemeinsamen Betrieb verschiedener Unternehmen

 

Leitsatz (redaktionell)

In einem von zwei verschiedenen Unternehmen gemeinsam geführten Betrieb können die Arbeitnehmer des einen Unternehmens nicht Gleichbehandlung mit den Arbeitnehmern des anderen Unternehmens verlangen. Hat der Arbeitgeber über mehrere Jahre vorbehaltlos eine Gratifikation an Angestellte und Arbeiter in unterschiedlicher Höhe gezahlt, so kann der Arbeiter unter Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz eine Gratifikation in der an die Angestellten gezahlten Höhe auch erstmals für ein Jahr verlangen, in dem der Arbeitgeber keine Angestellten (mehr) beschäftigt.)

 

Normenkette

BGB §§ 242, 611

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 16.04.1991; Aktenzeichen 8 Sa 103/91)

ArbG Wesel (Entscheidung vom 22.11.1990; Aktenzeichen (5) 2 Ca 277/90)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der an den Kläger zu zahlenden Jahressonderleistung 1989.

Der Kläger ist seit 1973 als Berufskraftfahrer bei der Beklagten beschäftigt; seine monatliche Vergütung beträgt 3.700,-- DM brutto.

Im Jahr 1988 hatte der Kläger als gewerblicher Arbeitnehmer eine Jahressonderzahlung von 740,-- DM und eine Tantieme von 376,-- DM, die Angestellten eine Jahressonderleistung in Höhe eines Monatsgehalts erhalten. Nach der rechtskräftigen Verurteilung in einem über die Jahressondervergütung 1988 geführten Rechtsstreit (ArbG Wesel - 1 Ca 413/89 -; LAG Düsseldorf - 15 Sa 761/89 -; BAG - 6 AZN 661/89 -) zahlte die Beklagte auch dem Kläger und allen anderen gewerblichen Arbeitnehmern für das Jahr 1988 eine Jahressonderleistung in Höhe eines Monatslohns.

Im Jahre 1989 wurde als reines Speditionsunternehmen zur Vermittlung von Frachtführerleistungen die Firma H gegründet; die Beklagte führt weiterhin ein Frachtführerunternehmen. Die Firma H übernahm bis auf ein oder zwei Ausnahmen die Angestellten der Beklagten. Die Arbeitnehmer beider Unternehmen haben gemeinsam einen Betriebsrat gewählt.

Im Jahre 1989 zahlte die Firma H ihren Angestellten eine Jahressonderzahlung in Höhe eines Monatsgehalts. Die Beklagte hingegen gewährte ihren Arbeitnehmern nur eine Jahressonderzahlung in Höhe eines Teils ihrer Monatsvergütung, dem Kläger in Höhe von 1.295,-- DM.

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte müsse auch den gewerblichen Arbeitnehmern die Jahressonderzahlung in Höhe einer Monatsvergütung gewähren. Die Beklagte und die Firma H führten einen gemeinsamen Betrieb. In diesem einheitlichen Betrieb sei der Gleichbehandlungsgrundsatz anzuwenden, so daß alle Arbeitnehmer auch hinsichtlich der Jahressonderzahlung gleichbehandelt werden müßten. Der Kläger hat daher im vorliegenden Verfahren beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.405,-- DM

brutto nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu

zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht, der Kläger könne sich nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz berufen. Auch in einem gemeinsamen Betrieb könnten zwei Arbeitgeber unterschiedliche Sozialleistungen gewähren.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß Zinsen aus dem Nettobetrag zu zahlen sind. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter; der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann der Klage nicht stattgegeben werden.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dem Kläger stehe ein Anspruch auf eine Jahressonderzahlung in Höhe eines Monatslohnes aus Gründen der Gleichbehandlung zu, weil die Angestellten der Firma H eine solche in Höhe eines Monatsgehalts erhalten hätten. Der Kläger könne Gleichbehandlung mit den Angestellten der Firma H verlangen, da ein einheitlicher Betrieb vorliege, auf den der Gleichbehandlungsgrundsatz Anwendung finde. Der Zweck der Jahressonderzahlung rechtfertige es nicht, hinsichtlich der Höhe der Jahressonderleistung zwischen Arbeitern und den Angestellten zu differenzieren.

II. Der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann nicht gefolgt werden. 1. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Zahlung eines vollen Monatslohns als Jahressondervergütung 1989 ergibt sich nicht aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz.

a) Dabei ist das Landesarbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen, daß sich der Kläger nicht darauf berufen kann, die Beklagte sei schon deswegen zur Zahlung einer Jahressonderleistung in Höhe eines Monatslohns verpflichtet, weil sie an die bei ihr verbliebenen Angestellten eine Jahressonderleistung in Höhe eines Monatsgehalts erbringe. Es hat festgestellt, daß die bei der Beklagten weiterbeschäftigten Angestellten eine Zahlung in dieser Höhe nicht erhalten haben. An diese Tatsachenfeststellungen ist das Revisionsgericht gebunden (§ 561 Abs. 2 ZPO).

b) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist der Gleichbehandlungsgrundsatz auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Auch wenn die Beklagte und die Firma H , wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat, einen gemeinsamen Betrieb führen, folgt daraus nicht, daß die in diesem gemeinsamen Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer der Beklagten und der Firma H gleichzubehandeln sind.

Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz darf ein Arbeitgeber gleichliegende Fälle nicht aus unsachlichen oder sachfremden Gründen ungleich behandeln (BAGE 52, 380 = AP Nr. 6 zu § 1 TVG Tarifverträge: Seniorität). Insbesondere dürfen einzelne oder Gruppen von Arbeitnehmern nicht ohne sachlichen Grund von allgemein begünstigenden Regelungen des Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen oder schlechtergestellt werden (BAG Urteil vom 4. Februar 1976 - 5 AZR 83/75 - AP Nr. 40 zu § 242 BGB Gleichbehandlung).

Danach ist der Gleichbehandlungsgrundsatz auf einen Arbeitgeber bezogen; dahinstehen kann, ob er über einen Betrieb des Arbeitgebers hinaus anzuwenden ist oder nicht (vgl. dazu BAG Urteil vom 26. April 1966 - 1 AZR 242/65 - BAGE 18, 278 = AP Nr. 117 zu § 1 TVG Auslegung; BAG Urteil vom 25. August 1976 - 5 AZR 788/75 - AP Nr. 41 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; BAGE 52, 380 = AP, aaO; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl., § 112 II 1 c, S. 864). Jedenfalls kann der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz dann keine Geltung beanspruchen, wenn die Arbeitnehmer von verschiedenen Unternehmern bzw. Arbeitgebern beschäftigt werden, sei es auch in einem gemeinsamen Betrieb. Aufgrund der rechtlichen und wirtschaftlichen Selbständigkeit der in dem gemeinsamen Betrieb zusammenwirkenden Unternehmen können für die Arbeitnehmer der beteiligten Unternehmen unterschiedliche Arbeitsbedingungen und auch verschiedene Tarifverträge gelten (BAGE 52, 380 = AP, aaO). Der Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet einen Arbeitgeber nicht, die Arbeitsbedingungen seiner Arbeitnehmer den für Arbeitnehmer eines anderen Arbeitgebers geltenden Arbeitsbedingungen anzupassen.

Darauf, daß in dem von der Beklagten und der Firma H geführten Betrieb ein gemeinsamer Betriebsrat gewählt worden ist, kommt es nicht an, da es vorliegend nicht um evtl. Mitbestimmungsrechte geht, sondern um die Anwendung des dem Individualarbeitsrecht angehörenden Gleichbehandlungsgrundsatzes.

2. Der Senat kann in der Sache selbst nicht abschließend entscheiden, so daß der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen ist.

Das Landesarbeitsgericht hat - von seinem Standpunkt aus konsequent - keine Feststellungen darüber getroffen, ob der Kläger nicht schon vor der Betriebsaufspaltung einen vertraglichen Anspruch auf eine Jahressonderzahlung in Höhe einer Monatsvergütung deswegen erworben hatte, weil die Beklagte wiederholt und vorbehaltlos Jahressonderzahlungen geleistet hatte, die bei den Angestellten schon vor 1988 ein Monatsgehalt betrugen. Dafür spricht nach dem Sachvortrag der Parteien einiges. Ist das aber der Fall, dann steht dem Kläger schon vor der Betriebsaufspaltung ein Anspruch auf eine Jahressonderzahlung in Höhe einer Monatsvergütung aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu. Daß er diesen Anspruch erstmals für das Jahr 1988 geltend gemacht hat, ist insgesamt ohne Bedeutung.

Das Landesarbeitsgericht hat daher entsprechende Feststellungen nachzuholen. Ob diese letztlich dem Kläger einen Anspruch auf eine Jahressonderleistung in Höhe eines Monatslohns aus betrieblicher Übung in Verbindung mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben, wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben.

III. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die in der Revisionsinstanz entstandenen Kosten zu entscheiden haben.

Matthes Richter Dr. Freitag Hauck

ist an der Unterschrift

durch Urlaub verhindert.

Matthes

Stabenow Paul

 

Fundstellen

Haufe-Index 436612

BB 1993, 942

BB 1993, 942 (LT1)

DB 1993, 843 (LT1)

DStR 1993, 1035 (K)

NJW 1993, 1813

NJW 1993, 1813-1814 (LT1)

EBE/BAG 1993, 51-52 (LT1)

AiB 1993, 560-561 (LT1)

BetrR 1993, 126-127 (LT1)

ARST 1993, 116-117 (LT1)

NZA 1993, 405

NZA 1993, 405-406 (LT1)

SAE 1994, 20-21 (LT1)

ZAP, EN-Nr 476/93 (S)

AP § 611 BGB Gratifikation (LT1), Nr 145

AP, 0

AR-Blattei, ES 800 Nr 93 (LT1)

EzA § 242 BGB Gleichbehandlung, Nr 54 (LT1)

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