Entscheidungsstichwort (Thema)

Weihnachtsgratifikation - Rückzahlungsklausel

 

Orientierungssatz

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind einzelvertraglich oder in Betriebsvereinbarungen vereinbarte Rückzahlungsklauseln wirksam, die bei einer Gratifikation von mehr als 200,-- DM bis zu einem Monatsbezug eine Bindung des Arbeitnehmers bis zum 31. März des Folgejahres bezwecken.

 

Normenkette

BGB § 611

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Entscheidung vom 08.01.1991; Aktenzeichen 7 Sa 734/90)

ArbG Wetzlar (Entscheidung vom 09.04.1990; Aktenzeichen 1 Ca 20/90)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung einer betrieblichen Sonderzahlung für das Jahr 1989.

Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 10. Juli 1989 als Verkäuferin beschäftigt. Ihr Gehalt betrug 1.847,-- DM brutto. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis am 28. November 1989 aus Gründen, die im Bereich der Klägerin lagen, zum 31. Dezember 1989. Die von der Klägerin erhobene Kündigungsschutzklage blieb ohne Erfolg.

Mit dem Novembergehalt zahlte die Beklagte ein Weihnachtsgeld in Höhe von 923,50 DM brutto. Diesen Betrag zog sie wegen des Ausscheidens der Klägerin zum 31. Dezember 1989 vom Dezembergehalt ab.

Rechtsgrundlage für die Sonderzahlung (Weihnachtsgeld) war die zwischen dem Gesamtbetriebsrat und der Beklagten abgeschlossene Sozialordnung vom 12. Dezember 1984/8. Dezember 1988. In dieser ist, soweit hier von Interesse, bestimmt:

"2. Sonderzahlung

2.1

Voraussetzung Eine Sonderzahlung (Weihnachts-

geld) erhalten alle Mitarbeiter

gemäß Ziffer 1, die am 1. De-

zember eines Jahres dem Unter-

nehmen mindestens drei Monate

in einem unbefristeten Arbeits-

verhältnis angehören und zum

Zeitpunkt der Auszahlung in un-

gekündigtem Arbeitsverhältnis

stehen.

Ist diese Voraussetzung nicht

erfüllt, gelten lediglich die

tarifvertraglichen Vorschriften

über Sonderzahlungen...

2.3.1 Die Sonderzahlung besteht aus

einem Grundbetrag gemäß Ziffer

2.2.1 und einem Steigerungsbe-

trag, der sich an der Dauer der

Betriebszugehörigkeit orien-

tiert...

2.5.3 Mitarbeiter, die eine Zahlung

gemäß Ziffer 2.1 erhalten

haben, ohne darauf einen

Rechtsanspruch zu haben, sind

verpflichtet, den zuviel ge-

zahlten Betrag an das Unterneh-

men zurückzuzahlen. Das Unter-

nehmen kann diesen Betrag wie

Vorschuß von anderen noch zu

leistenden Zahlungen in Abzug

bringen.

2.5.4 Mitarbeiter, die vor dem 31.

März des Folgejahres aus dem

Unternehmen ausscheiden und die

nach den tarifvertraglichen

Vorschriften über Sonderzuwen-

dungen keinen Anspruch auf die

tarifliche Sonderzuwendung

haben, sind verpflichtet, die

Sonderzahlung gemäß Ziffer

2.3.1 in voller Höhe zurückzu-

zahlen."

Auf das Arbeitsverhältnis fand aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit der Tarifvertrag über Sonderzahlung (Urlaubsgeld und Sonderzuwendung) für die Arbeitnehmer im Hessischen Einzelhandel (TV) vom 10./11. Juli 1989 Anwendung. Dieser bestimmt u.a.:

"§ 4

Sonderzuwendung

...

2. Anspruchsberechtigung

a) Anspruchsberechtigt auf die tarifliche Son-

derzuwendung sind Arbeitnehmer, Auszubildende

und diesen Gleichzustellende, die am 1. 12.

des Kalenderjahres dem Betrieb/Unternehmen

mindestens 12 Monate ununterbrochen angehört

haben...

5. Anrechnung

Die im laufenden Kalenderjahr erbrachten

Sonderleistungen des Arbeitgebers, wie Jahres-

abschlußvergütungen, Weihnachtsgeld, Gratifi-

kationen, Jahresergebnisbeteiligungen, Jahres-

prämien und ähnliche, gelten als Sonderzuwen-

dungen im Sinne dieses Tarifvertrages und er-

füllen den tariflichen Anspruch, soweit sie

die Höhe der tariflich zu erbringenden Lei-

stung erreichen."

Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, das Weihnachtsgeld von ihrem Dezembergehalt wieder abzuziehen. Die Rückzahlungsklausel in Abschnitt 2.5.4 der Sozialordnung sei rechtsunwirksam.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 923,50 DM

brutto nebst 4 % Zinsen aus dem entsprechenden

Nettobetrag seit dem 1. Januar 1990 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie vertritt die Auffassung, die Klägerin sei nach Abschnitt 2.5.4 der Sozialordnung zur Rückzahlung des Weihnachtsgeldes verpflichtet gewesen, da sie aufgrund der Kündigung zum 31. Dezember 1989 vor dem 31. März 1990 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sei. Ein tariflicher Anspruch auf die Sonderzahlung habe nicht bestanden, da die Klägerin am 1. Dezember 1989 dem Betrieb noch nicht 12 Monate angehört habe.

Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe von 461,75 DM stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage in vollem Umfange abgewiesen. Mit der Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, soweit es der Klage stattgegeben hat. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht angenommen, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Zahlung des restlichen Dezembergehaltes nicht zu, da die Beklagte berechtigt gewesen sei, insoweit mit ihrem Anspruch auf Rückzahlung des Weihnachtsgeldes aufzurechnen.

I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Klägerin sei nach Abschnitt 2.5.4 der Sozialordnung zur Rückzahlung des Weihnachtsgeldes verpflichtet gewesen, da sie vor dem 31. März 1990 ausgeschieden sei. Nach den tariflichen Bestimmungen habe ihr kein Anspruch auf die Sonderzahlung zugestanden, da sie am 1. Dezember 1989 dem Unternehmen noch nicht 12 Monate angehört habe.

Die Rückzahlungsklausel in Abschnitt 2.5.4 der Sozialordnung sei rechtswirksam. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seien einzelvertraglich oder in Betriebsvereinbarungen vereinbarte Rückzahlungsklauseln wirksam, die bei einer Gratifikation von mehr als 200,-- DM bis zu einem Monatsbezug eine Bindung des Arbeitnehmers bis zum 31. März des Folgejahres bezweckten. Der Rückzahlungsvorbehalt in Abschnitt 2.5.4 der Sozialordnung habe dieser Rechtsprechung entsprochen. Auch wenn mit einer Weihnachtsgratifikation geleistete Arbeit vergütet und zukünftige Betriebstreue belohnt werden solle, könne für den Fall fehlender Betriebstreue die Rückzahlung der Gratifikation nicht nur zur Hälfte, sondern in vollem Umfange vereinbart werden.

II. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist in vollem Umfange zuzustimmen. Der Klägerin steht ein Anspruch auf ein restliches Dezembergehalt in Höhe von 461,75 DM brutto nicht zu. Der Anspruch ist durch die von der Beklagten erklärte Aufrechnung mit ihrem Anspruch auf Rückzahlung des Weihnachtsgeldes erloschen (§ 389 BGB).

1. Die Voraussetzungen für einen Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung des Weihnachtsgeldes nach Abschnitt 2.5.4 der Sozialordnung waren erfüllt. Der Klägerin stand ein tariflicher Anspruch auf die Sonderzahlung nicht zu, da sie am 1. Dezember 1989 dem Unternehmen noch keine 12 Monate angehörte (§ 4 Ziff. 2 Buchst. a TV). Durch die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 1989 ist sie vor dem 31. März 1990 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden.

2. Zutreffend nimmt das Landesarbeitsgericht an, daß durch Abschnitt 2.5.4 der Sozialordnung eine Rückzahlungsverpflichtung der Klägerin rechtswirksam begründet worden ist. Das der Klägerin in Höhe von 923,50 DM brutto gewährte Weihnachtsgeld erreichte nicht die Höhe eines Monatsbezuges. Mit einer einzelvertraglich oder durch eine Betriebsvereinbarung begründeten Verpflichtung zur Zahlung einer entsprechenden Weihnachtsgratifikation kann deshalb nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der das Landesarbeitsgericht gefolgt ist, eine Rückzahlungsklausel, wie in Abschnitt 2.5.4 der Sozialordnung, verbunden werden, die den Bestand des Arbeitsverhältnisses bis zum 31. März des Folgejahres erfordert (BAGE 13, 129 = AP Nr. 22 zu § 611 BGB Gratifikation; BAGE 38, 178 = AP Nr. 110 zu § 611 BGB Gratifikation; BAG Urteil vom 16. November 1967 - 5 AZR 157/67 - AP Nr. 63 zu § 611 BGB Gratifikation).

3. Die Rückzahlungsklausel ist auch insoweit wirksam, als sie eine Rückzahlungsverpflichtung nicht nur an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem 31. März des Folgejahres durch eine Kündigung des Arbeitnehmers knüpft, sondern eine solche auch im Falle einer Kündigung durch den Arbeitgeber begründet.

Die Rückzahlungsklausel in Abschnitt 2.5.4 der Sozialordnung, die von der Beklagten mit dem Gesamtbetriebsrat als Betriebsvereinbarung abgeschlossen worden ist, unterliegt der gerichtlichen Inhaltskontrolle auf ihre Übereinstimmung mit der Verfassung, den Gesetzen, den guten Sitten und der Billigkeit gem. § 75 BetrVG. Danach sind Bindungsklauseln grundsätzlich zulässig, die nach einem bestimmten Stichtag ausscheidende Arbeitnehmer vom Bezug der Gratifikation ausschließen. Dies beruht darauf, daß bei einer Gratifikation, die als Belohnung bisheriger Dienste und zugleich in Erwartung zukünftiger Betriebstreue gezahlt wird (Gratifikation mit Mischcharakter; vgl. BAG Urteil vom 25. April 1991 - 6 AZR 532/89 - AP Nr. 137 zu § 611 BGB Gratifikation, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen), beide Voraussetzungen von den Betriebspartnern als gleichwertig ausgestaltet werden können. Eine zukunftsbezogene Stichtagsregelung muß nicht nur Anreiz für die Nichtausübung des Kündigungsrechts seitens des Arbeitnehmers sein. Die Betriebspartner können die fortdauernde Betriebszugehörigkeit als solche über den Stichtag hinaus, unabhängig vom Verhalten des Arbeitnehmers, belohnt wissen wollen, weil allein die fortdauernde Betriebszugehörigkeit über einen nahen Zeitraum die Gegenleistung für die Leistung Gratifikation darstellen soll (BAG Urteil vom 25. April 1991 - 6 AZR 183/90 - AP Nr. 138 zu § 611 BGB Gratifikation, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen).

Dem entspricht die Regelung über das Weihnachtsgeld in der Sozialordnung. Es handelt sich um eine Gratifikation mit Mischcharakter. Einerseits soll eine am Stichtag, dem 1. Dezember, mindestens dreimonatige Arbeitsleistung belohnt werden, andererseits verlangen die Betriebspartner den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum 31. März des Folgejahres. Ist letztere Voraussetzung nicht erfüllt, so ist das Weihnachtsgeld auch dann zurückzuzahlen, wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund einer Kündigung durch den Arbeitgeber endet. Dabei kommt es auf den Grund der Kündigung, der nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zudem nicht im Bereich der Beklagten lag, nicht an. Allein die fehlende fortdauernde Betriebszugehörigkeit bis zum 31. März führt zur Rückzahlungsverpflichtung.

4. An den Grundsätzen der bisherigen Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Rückzahlungsklauseln ist festzuhalten. Soweit das Arbeitsgericht meint, im Hinblick auf den Entgeltcharakter von Weihnachtsgratifikationen seien Rückzahlungsklauseln außerhalb von Tarifverträgen unwirksam, die eine Rückzahlungsverpflichtung in der vollen Höhe der gezahlten Gratifikation begründeten, fehlt es für diese Rechtsfolge an einer Rechtsgrundlage. Die aus dem Betriebsverfassungsgesetz folgende Normsetzungsbefugnis der Betriebspartner erlaubt diesen im Rahmen der Verfassung und der Gesetze und in den Grenzen von Recht und Billigkeit Voraussetzungen für den Bezug von freiwilligen Leistungen zu setzen. Dazu gehört auch die Voraussetzung einer zukünftigen Betriebszugehörigkeit. Auf die Art der Verhinderung dieser Voraussetzung kommt es nicht an, sofern diese selbst nicht rechtswidrig ist (BAG Urteil vom 25. April 1991 - 6 AZR 183/90 - AP Nr. 138 zu § 611 BGB Gratifikation). Dafür sind vorliegend Anhaltspunkte nicht gegeben.

5. Aus der tariflichen Regelung, die keine über den Stichtag hinausgehende Betriebszugehörigkeit erfordert, folgt nicht die Unzulässigkeit der Rückzahlungsklausel in der Sozialordnung. Die betriebliche Regelung gilt nur für Arbeitnehmer, die keinen tariflichen Anspruch auf eine Sonderzahlung haben. Bei der Festlegung der Voraussetzungen für einen über den tariflichen Anspruch hinausgehenden Anspruch auf ein Weihnachtsgeld sind die Betriebspartner demgemäß an die tariflichen Voraussetzungen nicht gebunden.

III. Die Kosten der Revision trägt die Klägerin gemäß § 97 Abs. 1 ZPO.

Matthes Dr. Freitag Hauck

Stabenow Paul

 

Fundstellen

Dokument-Index HI436604

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