Verfahrensgang

LAG München (Urteil vom 01.03.1990; Aktenzeichen 4 Sa 314/89)

ArbG München (Urteil vom 23.02.1989; Aktenzeichen 30 Ca 6250/88)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 1. März 1990 – 4 Sa 314/89 – aufgehoben.

2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 23. Februar 1989 – 30 Ca 6250/88 – wird zurückgewiesen.

3. Die Klägerin trägt auch die Kosten der Berufung und Revision.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung durch den Beklagten vom 19. Mai 1988.

Der Beklagte – ein eingetragener Verein – betrieb bis Ende September 1988 in M. eine Sprachschule, in der Deutschunterricht für Ausländer erteilt wurde. Der Kundenkreis setzte sich aus ausländischen Managern des VW-Konzerns, aus Asylantragstellern sowie aus ausländischen Schülern und Studenten zusammen. Der Beklagte beschäftigte unstreitig zuletzt zumindest 19 Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden.

Die Mitgliederversammlung des Beklagten beschloß am 26. April 1988 wegen der seit Jahren aufgelaufenen Verluste und des auch für 1988 zu erwartenden negativen Betriebsergebnisses, den Schulbetrieb zum 30. September 1988 einzustellen, und ermächtigte den Vorstand, die Einstellung durchzuführen. Mit Schreiben vom 19. Mai 1988 kündigte der Beklagte seinen Arbeitnehmern zum 30. September 1988 und stellte zu diesem Zeitpunkt den Schulbetrieb ein. Die Kundenkartei und ein sog. Gastfamilien-Verzeichnis veräußerte der Beklagte im August 1988 nach seiner Behauptung an die D. GmbH i. G. S., nach dem Vortrag der Klägerin an die E. GmbH in M. Das Mobiliar erwarb im Herbst 1988 ein Rechtsanwalt in M. für ein dortiges Sprachzentrum.

Die seit dem 1. November 1979 als Sprachlehrerin beschäftigte Klägerin hat die ihr am 19. Mai 1988 zugegangene Kündigung als sozial ungerechtfertigt angegriffen und geltend gemacht, die Kündigung sei bereits gem. §§ 17 ff. KSchG und § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam. Der Beklagte habe die Kündigungen vorher dem Arbeitsamt – unstreitig – nicht angezeigt und seine Sprachschule nicht stillgelegt, sondern veräußert. Die Kündigung sei wegen des Betriebsüberganges erfolgt. Dem Arbeitsamt gegenüber seien die Entlassungen anzuzeigen gewesen, da der Beklagte außer den 19 weitere fünf Arbeitnehmer (Studenten) beschäftigt habe. Letztere hätten genau das gleiche getan wie die anderen Sprachlehrer auch, sie hätten sich mit diesen beim Unterricht nach dem gleichen Lehrbuch und den gleichen Konzepten abgewechselt, der Arbeitgeber habe sie lediglich nach außen als freie Mitarbeiter behandelt und deshalb keine Lohnsteuern abgeführt. Sie hätten im Winter verhältnismäßig wenig unterrichtet, im Sommerhalbjahr ungefähr 20 Stunden wöchentlich.

Der Beklagte habe schon im August 1988 Verhandlungen über die Veräußerung der Kundenkartei, des Gastfamilien-Verzeichnisses und des Mobiliars aufgenommen. Bereits Ende August 1988 sei bekannt geworden, daß die Schule nun doch verkauft werden solle und die „E.-Schule” der Käufer sei. In der letzten Augustwoche 1988 seien Abgesandte des Käufers erschienen und so auf getreten, als ob der Vertrag bereits geschlossen sei, denn sie hätten Informationen und Konzepte mitgenommen. Der Beklagte habe außerdem auch sein Mittelstufenlehrbuch für Deutsch als Fremdsprache, die Schülerfragebögen, den DaF-Einstufungstest für Einzel- und Kleingruppenkurse und den VW-Report 9 „So wird ein Auto gebaut” an die E.-Sprachenschule veräußert. Der Übernehmer betreibe die Sprachschule des Beklagten allerdings ohne die Lehrkräfte weiter. Der Schulleiter und die Sekretärin des Beklagten hätten ab Ende August 1988 alle Interessenten darauf hingewiesen, daß die Sprachkurse des Beklagten von der E.-Sprachschule fortgesetzt würden. Der Beklagte habe sein wesentliches Betriebsvermögen, nämlich das betriebsspezifische Know-how, den Firmenwert (good-will) und seine Geschäftsbeziehungen veräußert. Für den Betriebsübergang gem. § 613 a BGB sei rechtsunerheblich, daß die Arbeitnehmer von dem Erwerber nicht übernommen worden seien. Nach einem entsprechenden Auflagenbeschluß des Landesarbeitsgerichts hatte die Klägerin – anders als der Kläger im Parallelprozeß 2 AZR 127/91 – ursprünglich weiter vorgetragen, bei Ausspruch der Kündigungen hätten einzelne Lehrer den Plan erwogen, die Schule in eigener Verantwortung fortzusetzen und daher beim Vorstandsmitglied V. des Beklagten angefragt, ob unter den Umständen, daß die Schule vollständig aufgelöst werden solle, nicht dem Kollegium unentgeltlich der Firmenname überlassen werden könne. Dies sei bereits Mitte Mai 1988 – nach anfänglichem Zögern – von Herrn Vetter verneint worden mit der Begründung, daß noch nicht abschließend geklärt sei, ob nicht ein Verkauf der Schule erfolgen würde (Beweis: Zeugin V.).

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß die Kündigung des Beklagten vom 19. Mai 1988 unwirksam sei.

Der Beklagte hat mit seinem Klageabweisungsantrag geltend gemacht, die Kündigung sei wegen der Stillegung der Sprachschule zum 30. September 1988 aus betriebsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt. Über den Stillegungsbeschluß vom 26. April 1988 und die Kündigungen vom 19. Mai 1988 hinaus sei bis zu diesem Zeitpunkt die Stillegungsabsicht nicht nach außen verlautbart worden. Er habe die Sprachschule nicht veräußert, sondern allein das Mobiliar an den Rechtsanwalt und die Kundenkartei sowie das Gastfamilien-Verzeichnis an die D. GmbH i. G. verkauft. Ferner habe er alle über den 30. September 1988 hinausreichenden Verträge gekündigt und nicht an einen anderen Interessenten weitergegeben. Die D. GmbH i. G. habe mit der erworbenen Kundenkartei und dem Gastfamilien-Verzeichnis seinen Betrieb nicht fortsetzen und keine Sprachschule betreiben können.

Eine Entlassungsanzeige nach § 17 KSchG an das Arbeitsamt sei nicht erforderlich gewesen, weil er nur 19 Arbeitnehmer beschäftigt habe. Die von der Klägerin namentlich aufgeführten weiteren fünf Kräfte seien Studenten gewesen, deren Arbeitszeit wechselte und die auf Stundenbasis abgerechnet wurden. Sie hätten jederzeit das Recht gehabt, einen Kurs abzulehnen und in anderen Sprachenschulen Unterricht zu erteilen. Einem Wettbewerbsverbot hätten sie nicht wie die anderen Lehrer unterlegen. Die Unterrichtsleistung sei von Monat zu Monat, ja von Woche zu Woche in völlig unterschiedlichem Umfang erbracht worden. Die Einteilung sei zwar nach dem Bedarf, aber auch nach Verfügbarkeit der Studenten erfolgt. Eine genauere Aufgliederung der Arbeitsleistung könne aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht ohne entsprechende Auflage des Gerichts erfolgen. Der Student A. z.B. habe im Januar 1988 nur acht Stunden, im März aber 55 Stunden gearbeitet. Zwar sei es richtig, daß ein Student, wenn er einen Kurs übernommen habe, auch zu den vereinbarten Stunden hätte arbeiten müssen. Hieraus ergebe sich aber noch keine persönliche Abhängigkeit.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen; das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung nach dem Klageantrag erkannt. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten, um deren Zurückweisung die Klägerin bittet.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Kündigung vom 19. Mai 1988 sei sozial nicht gerechtfertigt, da die Absicht des Beklagten, seine Sprachschule zum 30. September 1988 stillzulegen, bei Ausspruch der Kündigung noch keine greifbaren Formen angenommen habe.

Unter Betriebsstillegung sei die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin finde, daß der Arbeitgeber die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstelle, den bisherigen Betriebszweck dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen. Die Stillegung des Betriebes sei ein dringendes betriebliches Erfordernis i. S. des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG. Der Beklagte habe nach seinem Vortrag die Sprachschule Ende September 1988 stillgelegt. Gekündigt habe er der Klägerin bereits am 19. Mai 1988, vier Monate vor der behaupteten Betriebsstillegung. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sozialwidrigkeit sei der Zugang der Kündigungserklärung. Daher könne die Kündigung nur auf solche Gründe gestützt werden, die sich bis zu diesem Zeitpunkt ereignet hätten. Nachträglich entstandene Kündigungsgründe könnten nur insofern herangezogen werden, als sie die bis zum Zugang der Kündigungserklärung vorgefallenen Gründe aufhellten und ins rechte Licht setzten. Da der Beklagte der Klägerin vier Monate vor der behaupteten Betriebsstillegung gekündigt habe, und die Gründe, die die Kündigung rechtfertigen sollten, bereits bei deren Zugang vorliegen müßten, könne die angegriffene Kündigung auf die angeblich spätere Betriebsstillegung nicht gestützt werden. Aus diesem Grunde sei es nicht entscheidungserheblich, ob der Beklagte, wie die Klägerin behaupte, entgegen dem Beschluß seiner Mitgliederversammlung vom 26. April 1988 die Sprachschule nicht stillgelegt, sondern auf einen neuen Betreiber übertragen hätte. Der Arbeitgeber sei zwar nicht gehalten, eine Kündigung erst nach der Durchführung der Betriebsstillegung auszusprechen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könne auch eine vor der Betriebsstillegung deswegen erklärte ordentliche Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen sozial gerechtfertigt sein. Werde die Kündigung nicht auf die bereits durchgeführte, sondern die beabsichtigte Betriebsstillegung gestützt, so sei sie sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber sich ernsthaft und endgültig entschlossen hätte, den Betrieb zu einem bestimmten Zeitpunkt stillzulegen, die beschlossene Betriebsstillegung bereits greifbare Formen angenommen hätte und sie nach einer vernünftigen und betriebswirtschaftlichen Betrachtungsweise bis zum Auslaufen der einzuhaltenden Kündigungsfrist durchzuführen sei und der Arbeitnehmer somit entbehrt werden könne. Wenn diese Voraussetzungen beim Ausspruch der Kündigung vorlägen, sei diese auch dann sozial gerechtfertigt, wenn der Betrieb später tatsächlich nicht stillgelegt, sondern von dem bisherigen oder einem neuen Inhaber weiterbetrieben werde. Denn maßgeblich für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung und deren Gründe sei der Kündigungszugang. Ebenso wie eine Kündigung nicht auf erst nach ihrem Zugang eingetretene Gründe gestützt werden könne, werde die Kündigung nicht nachträglich unwirksam, wenn die bei ihrem Zugang vorliegenden Gründe später entfielen.

Die Mitgliederversammlung des Beklagten habe am 26. April 1988 beschlossen, den Schulbetrieb der Sprachschule zum 30. September 1988 stillzulegen, und den Vorstand ermächtigt, die Stillegung durchzuführen. Damit habe der Beklagte sich ernsthaft endgültig entschlossen, seinen Betrieb zum 30. September 1988 stillzulegen. Dafür, daß der Beschluß der Mitgliederversammlung vom 26. April 1988 kein ernsthafter und endgültiger Stillegungsbeschluß gewesen sei, lägen entsprechend dem Vortrag der Parteien keine konkreten und greifbaren Anhaltspunkte vor. Die Kündigung sei jedoch sozial nicht gerechtfertigt, da die beschlossene Betriebsstillegung bei Zugang der Kündigung noch keine greifbaren Formen angenommen habe. Letzeres sei ein für die soziale Rechtfertigung der Kündigung zusätzlich erforderlicher Umstand. Er setze voraus, daß die Auflösung der Betriebs- und Produktionsgemeinschaft bei Ausspruch der Kündigung zumindest soweit vorbereitet sein müsse, daß für die Arbeitnehmer bei Ablauf der Kündigungsfrist mit großer Wahrscheinlichkeit wegen der Stillegung keine Beschäftigungsmöglichkeiten mehr vorhanden seien. Für eine so weit vorbereitete Auflösung der Betriebs- und Produktionsgemeinschaft reichten der Beschluß der Mitgliederversammlung des Beklagten vom 26. April 1988 und die unter dem 19. Mai 1988 ausgesprochenen Kündigungen der Arbeitnehmer nicht aus. Der Beschluß der Mitgliederversammlung, den Schulbetrieb zum 30. September 1988 stillzulegen, und die Ermächtigung an den Vorstand, die Stillegung durchzuführen, enthielten die interne, erforderliche Willensbildung des Beklagten über die beabsichtigte Betriebsstillegung, aber noch nicht deren Vorbereitung. Als solche komme die Kündigung der Arbeitnehmer nicht in Betracht. Anderenfalls wäre der vom Bundesarbeitsgericht für die soziale Rechtfertigung geforderte zusätzliche Umstand überflüssig. Bei einer beabsichtigten Betriebsstillegung könne der Arbeitgeber nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20. April 1988 erst dann sozial gerechtfertigt kündigen, wenn die Auflosung der Betriebs- und Produktionsgemeinschaft schon so weit vorbereitet sei, daß für die Arbeitnehmer bei Ablauf der Kündigungsfrist mit großer Wahrscheinlichkeit wegen der künftigen Betriebsstillegung keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr vorhanden sein werde. Daraus folge, daß die Kündigung der Belegschaft noch keine die Betriebsstilllegung vorbereitende Maßnahme in diesem Sinne sei. Die Kündigung müsse zwar nicht die letzte, sie dürfe aber auch nicht die erste auf die Auflösung der Betriebs- und Produktionsgemeinschaft abzielende Maßnahme sein.

Der Beklagte habe nach seinem Vortrag die in der Mitgliederversammlung vom 26. April 1988 beschlossene Betriebsstillegung bis zum Ausspruch der Kündigungen vom 19. Mai 1988 nach außen nicht weiter kundgetan. Dies bedeute – etwas anderes sei vom Beklagten auch nicht vorgetragen worden –, daß bei Ausspruch der Kündigungen eine Vorbereitung der Auflösung der Betriebs- und Produktionsgemeinschaft nicht stattgefunden habe. Die Ansicht des Beklagten, derartiges sei für die soziale Rechtfertigung einer auf eine beabsichtigte Betriebsstillegung gestützten Kündigung auch nicht erforderlich, sei unzutreffend. Von dem vom Bundesarbeitsgericht geforderten zusätzlichen Merkmal könne nur dann abgesehen werden, wenn für die Betriebsstillegung allein die Kündigung der Arbeitnehmer erforderlich wäre. Dies dürfte – wenn überhaupt – nur in seltenen Ausnahme fällen in Betracht kommen und wäre bei dem Beklagten offenbar nicht der Fall gewesen.

II. Dem kann nicht gefolgt werden. Die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts werden dem konkreten Sachverhalt nicht gerecht. Sie beruhen auf einer zu wortgetreuen Anwendung und Übertragung der im Senatsurteil vom 28. April 1988 – 2 AZR 623/87 – (AP Nr. 74 zu § 613 a BGB) aufgestellten Grundsätze auf den hier vorliegenden Sachverhalt.

1. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Sozialwidrigkeit einer Kündigung ist allerdings in der Revisionsinstanz nur beschränkt nachprüfbar. Bei der Frage der Sozialwidrigkeit (§ 1 Abs. 2 KSchG) handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob seine Entscheidung in sich widerspruchsfrei ist (ständige Rechtsprechung des BAG; vgl. Urteil vom 18. November 1986 – 7 AZR 674/84 – AP Nr. 17 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, zu I der Gründe; BAGE 45, 146, 151 = AP Nr. 14 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit, zu B I der Gründe, m.w.N.; Senatsurteil vom 10. Januar 1991 – 2 AZR 375/90 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu II 1 der Gründe).

2. Die Revision rügt zu Recht, das Landesarbeitsgericht habe zwar die Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Kündigung wegen einer beabsichtigten Betriebsstillegung richtig zitiert und die vom Senat in der Entscheidung vom 20. April 1988 (AP, a.a.O.) aufgestellten Voraussetzungen fast wörtlich wiederholt, sie jedoch auf den konkreten Fall nicht zutreffend angewandt, da eine Sprachschule, nicht mit einem Produktionsbetrieb verglichen werden könne. Damit rügt die Revision jedenfalls konkludent eine Verletzung von § 1 Abs. 2 KSchG. Diese Rüge greift durch. Das Berufungsgericht hat das Vorliegen von „greifbaren Formen” der beabsichtigten Betriebsstillegung zu Unrecht verneint.

3. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Senatsurteil vom 8. November 1956 – 2 AZR 302/54 – AP Nr. 19 zu § 1 KSchG; Senatsurteil vom 27. Februar 1958, BAGE 6, 1, 3 ff. = AP Nr. 1 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung, zu III 1 der Gründe; BAG Urteil vorm 23. März 1984 – 7 AZR 409/82 – AP Nr. 38 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; Senatsurteil vom 27. September 1984, BAGE 47, 13 – AP Nr. 39 zu § 613 a BGB; BAGE 54, 215, 227 ff. = AP Nr. 41 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu II 3 der Gründe; Senatsurteile vom 28. April 1988 – 2 AZR 623/87 – und vom 19. Mai 1988 – 2 AZR 596/87 – AP Nr. 74 und 75 zu § 613 a BGB) gehört die Stillegung des gesamten Betriebes durch den Arbeitgeber gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen, die einen Grund zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung abgeben können. Unter Betriebsstillegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, daß der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Weiterverfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne aufzuheben. Der Arbeitgeber ist jedoch nicht gehalten, eine Kündigung erst nach Durchführung der Stillegung auszusprechen.„Neben der Kündigung” wegen erfolgter Stillegung kommt – und dies ist in der Praxis offenbar die Regel – auch eine Kündigung wegen beabsichtigter Stillegung in Betracht. Wird die Kündigung auf die künftige Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse gestützt, so kann sie ausgesprochen werden, wenn die betrieblichen Umstände greifbare Formen angenommen haben und eine vernünftige, betriebswirtschaftliche Betrachtung die Prognose rechtfertigt, daß bis zum Auslaufen der einzuhaltenden Kündigungsfrist eine geplante Maßnahme durchgeführt ist und der Arbeitnehmer somit entbehrt werden kann (ständige Rechtsprechung seit BAGE 6, 1, 3 ff. = AP Nr. 1 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung, zu III 1 der Gründe; vgl. Senatsurteile vom 28. April 1988, a.a.O., zu II der Gründe und vom 19. Mai 1988, a.a.O., zu V 2 b ee der Gründe).

Will der Arbeitgeber als betriebsbedingten Kündigungsgrund seinen Entschluß zur Betriebsstillegung anführen und ist bestritten, daß dieser Stillegungsbeschluß im Kündigungszeitpunkt gefaßt gewesen sei, so muß er substantiiert darlegen, daß und zu welchem Zeitpunkt er diejenigen organisatorischen Maßnahmen, die sich rechtlich als Betriebsstillegung darstellen, geplant hat. Hierzu gehören neben der vollständigen Aufgabe des Betriebszwecks die Einstellung der Betriebstätigkeit, (insbesondere Produktion und Vertrieb) sowie die Auflösung der Betriebseinheit von materiellen, immateriellen und personellen Mitteln (Senatsurteil vom 28. April 1988, a.a.O.).

4. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest, da sie – soweit ersichtlich – nur Zustimmung erfahren hat (vgl. Hueck, Anm. zu BAG AP Nr. 19 zu § 1 KSchG; Molitor, SAE 1958, 131, 135 f.; Herschel. Anm. zu BAG AP Nr. 1 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; G. Müller. Arbeitsrecht der Gegenwart Bd. 1 (1963), S. 19, 30 f.; Hueck, KSchG. 10. Aufl., § 1 Rz 155; Auffarth/Müller, KSchG. § 1 Rz. 230; Maus, KSchG. § 1 Rz 223 a; Rohlfing/Rewolle/Bader, KSchG. § 1 Anm. 20 b; KR-Becker, 3. Aufl., § 1 KSchG Rz 309; Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen. S. 330; Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 5. Aufl., Rz 644, m.w.N. in Fn. 133).

a) Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt darin, daß der Stillegungsbeschluß zum 30. September 1988 als solcher bereits am 26. April 1988 vorlag, daß ferner nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 561 ZPO) der Betrieb des Beklagten am 30. September 1988 unstreitig stillgelegt wurde, daß andererseits aber zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 19. Mai 1988 bis auf die Entlassung der Klägerin und anderer Mitarbeiter sowie den Stillegungsbeschluß keine weiteren Maßnahmen zur beabsichtigten Stillegung vorlagen. Dabei besagt die Entlassung von Arbeitnehmern allein für die Betriebsstilllegung i. S. eines betriebsbedingten Kündigungsgrundes nichts, da es gerade um die Frage geht, ob diese Entlassungen gerechtfertigt sind (so auch BAG Urteil vom 23. März 1984, a.a.O., zu I 2 der Gründe).

Das Landesarbeitsgericht hat ferner (S. 9 unten der Entscheidungsgründe) festgestellt:

Dafür, daß der Beschluß der Mitgliederversammlung vom 26. April 1988 kein ernsthafter und endgültiger Stillegungsbeschluß war, liegen entsprechend dem Vortrag der Parteien keine konkreten und greifbaren Anhaltspunkte vor.

Diese Feststellung ist von der Klägerin mit einer Gegenrüge (BAG Urteil vom 14. Juli 1965 – 1 AZR 343/64 – AP Nr. 2 zu § 276 BGB Vertragsbruch; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 49. Aufl., § 559 Anm. 1 B, § 561 Anm. 4 B) nicht angegriffen worden. Auch sie ist daher für den Senat bindend festgestellt (§ 561 ZPO). Die Klägerin hat nicht einmal ihren Berufungssachvortrag wiederholt, zur Zeit der Beschlußfassung vom 26. April 1988 habe sich der Beklagte noch mit dem Gedanken getragen, den Firmenwert zu veräußern; bei Ausspruch der Kündigung hätten einzelne Lehrer erwogen, die Schule weiterzuführen; Herr V. habe das dann mit der Begründung abgelehnt, es sei noch nicht abschließend geklärt, ob nicht ein Verkauf der Schule erfolgen würde. Auf diesen früheren Sachvortrag, auf den der Beklagte – möglicherweise wegen des im nächsten Termin vor dem Landesarbeitsgericht am 25. Januar 1990 abgeschlossenen widerruflichen Vergleichs – nicht mehr eingegangen ist, ohne damit seine ursprünglich anders lautende Sachdarstellung aufzugeben (§ 138 Abs. 3 ZPO), ist die Klägerin ausweislich ihrer Revisionserwiderung, obwohl er in Gegensatz zu den oben zitierten Feststellungen im Urteil des Landesarbeitsgerichts steht, nicht mehr zurückgekommen. Im Gegenteil: Sie hat sich nur auf den Sachvortrag im Parallel-Rechtsstreit 2 AZR 127/91 bezogen, in dem der Kläger W. diesen Sachvortrag jedoch nicht gebracht hat. Sie hätte aber um so mehr Veranlassung zu einer Gegenrüge gehabt, als der Beklagte in seiner Revision deutlich darauf hingewiesen hat, das Landesarbeitsgericht sei von der ernsthaften und endgültigen Stillegungsabsicht ausgegangen; an ihr bestehe auch kein Zweifel. Der Senat hat deshalb ebenfalls hiervon auszugehen. Aufgrund des vom Vorstand des beklagten Vereins initiierten und dann von der Mitgliederversammlung gefaßten Beschlusses vom 26. April 1988 war deshalb ein dringendes betriebliches Erfordernis für die Kündigung der Klägerin (vgl. auch zu II 4 c) gegeben.

b) Soweit die Entscheidung das Senats vom 28. April 1988 (– 2 AZR 623/87 – AP, a.a.O.) dahin verstanden worden ist – wie im angefochtenen Urteil, während im Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 23. Januar 1991 – 5 Sa 315/89 – diese Entscheidung zutreffend anders interpretiert worden ist –, bei einer ernsthaft und endgültig beabsichtigten Betriebsstillegung, die zum Kündigungszeitpunkt bereits greifbare Formen angenommen habe (vgl. dazu noch zu II 4 c der Gründe), müsse außerdem zu diesem Zeitpunkt bereits mit deren Verwirklichung begonnen worden sein, mag diese Äußerung im vorgenannten Senatsurteil (AP, a.a.O., zu IV 1 a cc der Gründe) mißverständlich sein, so daß der Senat die vorliegende Entscheidung zum Anlaß folgender Klarstellung nimmt:

Wie der Senat auch im zeitlich nachfolgenden Urteil vom 19. Mai 1988 (– 2 AZR 596/87 – AP Nr. 75 zu § 613 a BGB, zu V 2 b ee der Gründe) bereits betont hat, schließt die Notwendigkeit, die rechtliche Überprüfung einer Kündigung auf deren Zugangszeitpunkt zu beziehen, es nicht aus, zu diesem Zeitpunkt schon feststehende künftige Entwicklungen zu berücksichtigen; es genüge bei einer Kündigung, die mit einer demnächst erfolgenden Stillegung begründet wird, daß die beabsichtigte Maßnahme bereits „greifbare Formen” angenommen hat; grundsätzlich brauchten betriebliche Gründe noch nicht tatsächlich eingetreten zu sein, sondern es genüge, wenn sie sich konkret und greifbar abzeichneten; sie lägen dann vor, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung aufgrund einer vernünftigen, betriebswirtschaftlichen Betrachtung davon auszugehen sei, daß mit einiger Sicherheit der Eintritt eines die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes gegeben sei (so auch die bisherige, zu II 3 wiedergegebene BAG-Rechtsprechung). Auch in dieser Entscheidung hat der Senat also nicht gesagt, vor einer Kündigung wegen Betriebsstilllegung müsse in jedem Fall bereits mit deren Durchführung begonnen worden sein. Vielmehr trägt diese Rechtsprechung nur dem Umstand Rechnung, daß einerseits zum Kündigungszeitpunkt nach § 1 Abs. 2 KSchG ein dringendes betriebliches Erfordernis vorliegen muß, andererseits die Kündigung mit einem in der Zukunft erst abschließend eintretenden Ereignis (Stillegung) im Wege einer vorweg angestellten Prognose gerechtfertigt wird, so daß es je nach den Umständen des Einzelfalles ungewiß sein kann, ob tatsächlich schon ein solches dringendes betriebliches Erfordernis vorliegt.

Dies hat ersichtlich auch der früher ebenfalls für Kündigungen zuständige Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts nicht anders gesehen. Im Urteil vom 23. März 1984 (– 7 AZR 409/82 – AP Nr. 38 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung) wurde in einem Fall, in dem der Stillegungsbeschluß als solcher streitig war (der Konkursverwalter verhandelte als Arbeitgeber noch über die Weiterveräußerung in der von ihm, betreuten Firma, als er sich – angeblich – zur Betriebsstillegung entschloß), entschieden, über die Entschlußfassung hinaus müsse der Arbeitgeber substantiiert vortragen, daß auch die geplanten Maßnahmen selbst im Kündigungszeitpunkt bereits greifbare Formen angenommen haben müßten (zu I 2 der Gründe). Im Urteil vom 27. Februar 1987 (– 7 AZR 652/85 – AP Nr. 41, a.a.O.), wo dem Krankenhausträger durch den Sozialminister mittels Streichung des Krankenhauses vom Bedarfsplan eine. Stillegung „auf gezwungen” wurde, wird im Hinblick auf die unstreitig beabsichtigte Stillegungsabsicht ausgeführt (zu II 3 b der Gründe), die Kündigung könne ausgesprochen werden, wenn die betrieblichen Umstände greifbare Formen angenommen hätten und (ferner) eine vernünftige und betriebswirtschaftliche Betrachtung die Prognose ergebe, daß bis zum Auslaufen der Kündigungsfrist die geplante Maßnahme durchgeführt sei. Später (zu II 3 d der Gründe) heißt es, der Endgültigkeit des Stillegungsbeschlusses stehe es nicht entgegen, wenn sich der Krankenhausträger bei einer wider Erwarten eingetretenen Änderung der Umstände vorbehalten habe, diesen Entschluß nicht auszuführen. Erforderlich sei lediglich, daß der Arbeitgeber die Prognose stellen dürfe, die beschlossene Stillegung werde bis zum Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfristen bereits so greifbare Formen angenommen haben, daß das Beschäftigungsbedürfnis für die gekündigten Arbeitnehmer entfallen sei. Hier werden also die „greifbaren Formen” innerhalb der Prognosefrage in die Kündigungsfrist verlegt, sie müssen also zur Zeit des Stillegungsbeschlusses nicht schon als solche vorliegen. Beide Entscheidungen des Siebten Senats lassen ebenfalls erkennen, daß die „greifbaren Formen” die Motivation der Betriebsstillegungsabsicht betreffen können und nicht unbedingt; auch schon ihre Durchführungsformen betreffen müssen. Das Merkmal „dringend” kann vielmehr unter beiden Gesichtspunkten vorliegen.

c) Hier haben sich dringende betriebliche Gründe für die beabsichtigte Betriebsstillegung konkret und greifbar abgezeichnet.

Der Vorstand des Beklagten hat seine Stillegungsabsicht nicht für sich behalten, sondern die Mitgliederversammlung hat durch einstimmigen Beschluß vom 26. April 1988 die Stillegung des Schulbetriebes zum 30. September des Jahres verfügt und den Vorstand ermächtigt, die Einstellung durchzuführen. Bei diesem durch Unterschrift sämtlicher Vereinsmitglieder dokumentierten Beschluß handelte es sich nicht um eine rechtlich unverbindliche Absichtserklärung des Betriebsinhabers, sondern es lag eine gegenseitige Verpflichtung der Vereinsmitglieder zur Durchführung der Maßnahme vor, ebenso wie der Vereinsvorstand durch den Beschluß gebunden war. Die Gründe für die Stillegungsabsicht sind im Beschluß der Mitgliederversammlung vom 26. April 1988 aufgeführt, nämlich „die wirtschaftlich äußerst schlechte Lage des Vereins sowie der bedrohliche weitere Rückgang der gebuchten Kursteilnehmer”. Weiter ist von seit Jahren aufgelaufenen Verlusten und dem auch für 1988 zu erwartenden negativen Betriebsergebnis sowie davon die Rede, weitere Darlehen von der S. GmbH seien nicht zu erwarten; es drohe in absehbarer Zeit die Überschuldung; der Fortführung des Sprachschulbetriebes sei die finanzielle Grundlage entzogen. Da auch keine offenkundig kurzfristigen Gründe für den Teilnehmerrückgang erkennbar seien, sei für eine Fortführung der Schule keine langfristige Perspektive mehr gegeben. Auf den gleichen Sachvortrag hat sich der Beklagte auch im Rechtsstreit berufen, ohne daß die Klägerin dem entgegengetreten ist (§ 138 Abs. 3 ZPO). Sie hat nicht einmal zu dem Vorbringen des Revisionsklägers Stellung genommen, die Unterrichtsräume seien von der S. GmbH im Rahmen eines Untermietverhältnisses angemietet und ohne förmliche Kündigung an diese zurückgegeben worden, nachdem diese Firma es gewesen sei, die mit dem „Zudrehen des Geldhahnes” die Stillegung zum 30. September 1988 veranlaßt habe.

Es ist auch als vernünftige, betriebswirtschaftliche Überlegung anzuerkennen, wenn der Beklagte die Stillegung der Schule nicht vor den Kündigungen der Lehrer und auch danach zunächst noch nicht hat bekannt werden lassen wollen, weil die Schüler schon vor dem 30. September 1988 zu anderen Schulen abwandern könnten und dann auch keine Beschäftigungsmöglichkeit für die Lehrer mehr bestehe. Es ist daher aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn die endgültige Stillegungsabsicht vor den Kündigungen nicht bereits durch weitere Maßnahmen realisiert worden ist. Die Klägerin hat im übrigen ebensowenig wie das Landesarbeitsgericht aufgezeigt, welche weiteren vorbereitenden Maßnahmen der Beklagte vor den Kündigungen sinnvollerweise überhaupt noch hätte durchführen können; dies, obwohl auch die Revision auf diesen Gesichtspunkt noch einmal ausdrücklich hingewiesen hat.

5. Liegen damit dringende betriebliche Erfordernisse i. S. des § 1 Abs. 2 KSchG vor und ist deshalb die Kündigung wegen einer bei Zugang der Kündigung bereits endgültig beabsichtigten Betriebsstillegung sozial gerechtfertigt – davon ist für den Normalfall einer betriebsbedingten Kündigung auszugehen (vgl. BAG Urteil vom 30. April 1987 – 2 AZR 184/86 – AP Nr. 42 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, siehe auch KR-Becker, 3. Aufl., § 1 KSchG, Rz 303 f.) –, so ist die Kündigung auch dann nicht wegen Betriebsübergangs nach § 613 a Abs. 4 Satz 2 BGB oder wegen Umgehung dieser Norm unwirksam, wenn es nach Ausspruch der Kündigung tatsächlich noch zu einem Betriebsübergang gekommen sein sollte. Insoweit gilt folgendes:

a) § 613 a Abs. 4 Satz 2 BGB läßt eine Kündigung, die aus anderen Gründen als wegen Betriebsübergangs ausgesprochen wurde, unberührt. Wie der Senat in dem Urteil vom 27. September 1984 (BAGE 47, 13 = AP Nr. 39 zu § 613 a BGB) und im Urteil vom 28. April 1988 (AP, a.a.O., zu IV 1 a der Gründe) klargestellt hat, gehört eine auf Betriebsstillegung gestützte Kündigung zu den Kündigungen aus anderen Gründen i. S. dieser Vorschrift; liegt dieser Grund tatsächlich nicht vor, so ist die Kündigung bereits nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial ungerechtfertigt.

b) Wird erst nach Ausspruch der Kündigung eine Betriebsveräußerung in Erwägung gezogen und durchgeführt, liegt eine Kündigung wegen Betriebsübergangs nicht vor (vgl. Senatsurteil vom 28. April 1988, AP, a.a.O., zu IV 1 b der Gründe). Unstreitig sind die Vertragsverhandlungen hinsichtlich Kundenkartei und Gastelternverzeichnis erst im August 1988 geführt worden, vorher ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 561 ZPO) an keine Voräußerung gedacht worden (siehe oben zu II 4 a).

c) Kommt es trotz zunächst endgültig geplanter Betriebsstilllegung nach Ausspruch der Kündigung gleichwohl noch zu einer Betriebsveräußerung, so kann die Unwirksamkeit der Kündigung jedenfalls für die Zeit nach Inkrafttreten des § 613 a Abs. 4 BGB auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Umgehung des § 613 a Abs. 1 BGB hergeleitet werden. Diese Vorschrift enthält eine Konkretisierung des allgemeinen Umgehungsverbots für die Fälle der Arbeitgeberkündigung. Durch die strengen Anforderungen, die die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an eine Kündigung wegen Betriebsstillegung stellt, wird die Kontrolle vorweggenommen, ob die Kündigung im Hinblick auf die spätere Betriebsveräußerung auf einer Umgehung des § 613 a Abs. 1 BGB beruht. Die Voraussetzung für eine solche Kündigung, nämlich daß der Arbeitgeber ernstlich und endgültig entschlossen sein muß, den Betrieb stillzulegen, und diese Absicht auch nachweisen muß, schließt Manipulationen in Form von Scheinstillegungen, d.h. kurzfristigen Betriebseinstellungen mit anschließender Betriebsveräußerung, jedenfalls für den Geltungsbereich des § 1 Abs. 2 KSchG im Regelfall aus, zumal für die beabsichtigte Stillegung schon „greifbare Formen” vorliegen müssen. Sind diese Voraussetzungen aber gegeben, dann kann die Betriebsveräußerung nicht gleichzeitig tragender Grund für die Kündigung i. S. des § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB gewesen sein. Durch diese Norm hat der Gesetzgeber die Umgehung des § 613 a Abs. 1 BGB bei Arbeitgeberkündigungen konkretisiert und von der Erfüllung dieses Tatbestandes abhängig gemacht. Eine Umgehung dieser Norm kommt deshalb insoweit nicht in Betracht (vgl. Senatsentscheidung vom 28. April 1988, AP, a.a.O., unter IV 1 c der Gründe; Hillebrecht, ZiP 1985, 257, 263; Käppler, Anm. zu BAG EzA § 613 a BGB Nr. 30 zu III; Rost, Die betriebsbedingte Kündigung in der Unternehmenskrise und bei Insolvenz, RWS-Skript 178, S. 71, 72).

6. Die Kündigung vom 19. Mai 1988 ist ferner nicht wegen Verstoßes gegen § 17 KSchG unwirksam.

a) Gem. § 17 Abs. 1 Nr. 1 KSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitsamt Anzeige zu erstatten, bevor er in einem Betrieb mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als fünf Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Nach § 18 KSchG werden Entlassungen, die nach § 17 KSchG anzuzeigen sind, vor Ablaut: eines Monats nach Eingang der Anzeige beim Arbeitsamt nur mit Zustimmung das Landesarbeitsamtes wirksam. Unter „Entlassung” i. S. dieser Vorschriften ist nicht schon die Kündigung des Arbeitgebers, sondern erst die damit beabsichtigte Folge der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu verstehen. Unterbleibt die Anzeige des Arbeitgebers, so ist die einzelne Kündigung unwirksam, wenn sich der Arbeitnehmer auf diesen Verstoß beruft (vgl. Senatsurteil vom 6. Dezember 1973, BAGE 25, 430 = AP Nr. 1 zu § 17 KSchG 1969; BAG Urteil vom 10. März 1982, BAGE 38, 106 = AP Nr. 2 zu § 2 KSchG 1969; Senatsurteil vom 31. Juli 1986 – 2 AZR 594/85 – AP Nr. 5 zu § 17 KSchG 1969, zu B II 1 der Gründe). Der Arbeitnehmer ist beweispflichtig dafür, daß eine Anzeigepflicht bestand. Er muß also sowohl die Zahl der beschäftigten als auch der entlassenen Arbeitnehmer im Streitfall beweisen (vgl. KR-Rost, 3. Aufl., § 18 KSchG Rz 40).

b) Der Beklagte hat zur Zeit der Entlassung der Klägerin nur 19 Arbeitnehmer beschäftigt. Die fünf Studenten waren freie Mitarbeiter und damit keine Arbeitnehmer i. S. von § 17 Abs. 1 Nr. 1 KSchG. Die Klägerin hat keine typischen Anzeichen für eine Weisungsgebundenheit der Studenten vorgetragen, wie z.B. eine Überwachung ihrer erzieherischen oder fachlichen Arbeit durch den Leiter der Schule, durch Unterrichtsbesuche und Beratung in pädagogischen Fragen oder etwa die Erteilung methodischer oder didaktischer Anweisungen. Nach dem wechselseitigen Parteivorbringen ist es vielmehr unstreitig, daß die Studenten jederzeit das Recht gehabt haben, einen Kurs abzulehnen, daß sie von Woche zu Woche unterschiedliche Stundendeputate übernahmen und keinem Wettbewerbsverbot unterlagen, also jederzeit auch bei anderen Sprachschulen Unterricht erteilen konnten. Das diesbezügliche Vorbringen des Beklagten hat die Klägerin nie bestritten (§ 138 Abs. 3 ZPO), worüber der Senat wegen der Bezugnahme des Berufungsgerichts auf die gewechselten Schriftsätze (§ 561 Abs. 1 ZPO) selbst befinden kann. Nach den von Bundesarbeitsgericht erarbeiteten Abgrenzungskriterien zur Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft (vgl. BAGE 41, 247, 253 = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu E II 1 der Gründe; BAG Urteil vom 9. Mai 1984 – 5 AZR 195/82 – AP Nr. 45 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu II der Gründe, jeweils m.w.N.; Senatsurteil vom 10. Mai 1990 – 2 AZR 607/89 – zur Veröffentlichung bestimmt) sind die Studenten nicht als Arbeitnehmer anzusehen.

Der pauschale Vortrag, die Studenten hätten genau das gleiche getan wie die anderen Lehrer, die unstreitig Arbeitnehmer wären, ist unschlüssig. Zwar kann grundsätzlich die gleiche Behandlung vergleichbarer Beschäftigter in einem Kreis von Mitarbeitern ein gewichtiges Kriterium für die Beurteilung des rechtlichen Status eines Beschäftigten sein (BAG Urteil vom 24. Oktober 1984 – 5 AZR 364/83 – n.v.; Berger-Delhey/Alfmeier, NZA 1991, 257, 259). Beschäftigt ein Arbeitgeber 2. B. in einem bestimmten Sektor sowohl festangestellte Arbeitnehmer als auch freie Mitarbeiter, ist die Behandlung zu vergleichen, die der Arbeitgeber beiden Gruppen angedeihen läßt (BAG Urteil vom 2. Juni 1976 – 5 AZR 131/75 – AP Nr. 20 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Ergibt sich bei Gesamtwürdigung der Tätigkeit eines Beschäftigten im Vergleich zu seinen festangestellten Kollegen dabei kein wesentlicher Unterschied, vermag dies bereits für sich allein einen Grund zu bilden, den Arbeitnehmerstatus zuzusprechen (BAG Urteil vom 3. Oktober 1975 – 5 AZR 445/74 – AP Nr. 17 zu § 611 BGB Abhängigkeit sowie Senatsurteil vom 10. Mai 1990 – 2 AZR 607/89 – zur Veröffentlichung bestimmt). Die in tatsächlicher Hinsicht einheitliche Behandlung geschlossener Personenkreise läßt eine unterschiedliche rechtliche Behandlung nämlich kaum zu (vgl. BAG Urteil vom 28. Juni 1973 – 5 AZR 19/73 – AP Nr. 10 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Diese gleiche Behandlung hat die Klägerin aber nicht substantiiert vorgetragen, sie hat im Gegenteil selbst Unterschiede bei der Behandlung der beiden Mitarbeitergruppen angeführt: Während die fünf Studenten in den Wintermonaten relativ geringfügig tätig waren, arbeiteten sie im Sommer angeblich regelmäßig zwanzig Stunden wöchentlich. Die 19 Arbeitnehmer der Beklagten – u.a. die Klägerin – erhielten Abrechnungen, in denen jeweils Steuer und Sozialversicherung abgezogen wurden, während dies nach dem eigenen Vortrag der Klägerin bei den fünf Studenten nicht, der Fall war. Vor allem hat die Klägerin nicht bestritten, daß die Studenten die Übernahme von Kursen – anders als die Lehrer – ablehnen konnten. Es liegen also wesentliche Unterschiede bei der Behandlung der beiden Personenkreise vor.

Im übrigen würde die Behauptung, die fünf Studenten hätten genau das gleiche getan wie die angestellten Lehrer, im Hinblick auf Tätigkeiten von Lehrern außerhalb der Unterichtszeit nicht ausreichen (vgl. dazu ausführlich die Entscheidung des Fünften Senats vom 27. März 1991 – 5 AZR 273/90 –, nicht veröffentlicht, zu II 3 und II 4 b der Gründe).

 

Unterschriften

Triebfürst, Dr. Ascheid, Bitter, Beckerle, Thelen

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1073390

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge