Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksamkeit der Mittagspausenregelung in Baden-Württemberg

 

Normenkette

LVerf Bad.-Württ. Art. 70 Abs. 2, Art. 69, 49 Abs. 1 S. 4, Abs. 2; GG Art. 84 Abs. 1, Art. 85 Abs. 1, Art. 65; LPVG Bad.-Württ. § 79 Abs. 1 Nr. 1, § 85; Bad.-Württ. AZVO § 3 Abs. 2, § 4 Abs. 2; AZO § 13 Abs. 2; BGB § 315 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 16.01.1991; Aktenzeichen 13 Sa 137/89)

ArbG Mannheim (Urteil vom 29.09.1989; Aktenzeichen 11 Ca 53/89)

 

Tenor

Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 16. Januar 1991 – 13 Sa 137/89 – wird zurückgewiesen.

Das beklagte Land trägt die Kosten der Revision.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger und das beklagte Land stritten darüber, ob dieses den Kläger nach der Arbeitszeitregelung in der Dienstvereinbarung vom 30. Januar 1989 zu beschäftigen hatte.

Der Kläger ist seit 1974 als Straßenwärter bei der Autobahnmeiterei des beklagten Landes in M. beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis unterliegt kraft beiderseitiger Tarifbindung dem Manteltarifvertrag für die Arbeiter der Länder (MTL II).

Bis zum 31. März 1989 arbeitete der Kläger 40 Stunden wöchentlich. Durch Tarifvertrag vom 5. Juli 1988 wurde die tarifliche Arbeitszeit in § 15 MTL II ab 1. April 1989 auf 39 Stunden wochentlich und ab 1. April 1990 auf 38,5 Stunden wöchentlich ausschließlich der Pausen herabgesetzt. Zum Vollzug dieser Arbeitszeitverkürzung schloß die Autobahnmeisterei in M. mit dem örtlichen Personalrat am 30. Januar 1989 eine „Dienstvereinbarung über die Arbeitszeit bei der Autobahnmeisterei M.”. Nach deren § 3 sollte die Normalarbeitszeit der Arbeiter und Angestellten montags bis freitags um 7.10 Uhr beginnen und montags bis donnerstags um 16.00 Uhr und freitags um 15.00 Uhr enden. Pausen wurden für die Zeit von 9.00 Uhr bis 9.20 Uhr und 12.00 Uhr bis 12.30 Uhr vereinbart.

Die Regierung des beklagten Landes hatte am 12. Dezember 1988 durch die Sechste Verordnung zur Änderung der Arbeitszeitverordnung beschlossen, die tarifliche Arbeitszeitverkürzung auch auf Beamte und Richter des Landes zu übertragen. Dazu wurde die Arbeitszeit regelmäßig auf die Zeit von 7.30 Uhr bis 16.00 Uhr, freitags bis 15.50 Uhr festgelegt, bei einer Mittagspause von 40 Minuten. Die Landesregierung beschloß weiter am gleichen Tage eine „Anordnung über die Arbeitszeit im öffentlichen Dienst”, die bekannt gemacht wurde durch das Finanzministerium (GABl 1989, 42), wonach die Arbeitszeitverordnung für die Beamten und Richter unbeschadet der tariflichen Bestimmungen für die Angestellten und Arbeiter des Landes entsprechend gelten sollte. Dementsprechend teilte das Landesamt für Straßenwesen am 4. April 1989 der Autobahnmeisterei in M. mit, daß die Dienstvereinbarung vom 30. Januar 1989 insoweit im Widerspruch zu der Arbeitszeitverordnung der Landesregierung stehe, als die Mittagspause auf 30 Minuten beschränkt und das Arbeitsende am Freitag auf 15.00 Uhr festgelegt sei. Die örtliche Dienststelle wurde angewiesen, „eine neue Vereinbarung abzuschließen …”. Hierauf ordnete der Dienststellenleiter ohne weitere Beteiligung des örtlichen Personalrates an, daß der Kläger vom 4. April 1989 an montags bis mittwochs von 7.00 Uhr bis 16.00 Uhr, sowie donnerstags und freitags von 7.00 Uhr bis 15.30 Uhr bei einer jeweils 20-minütigen Frühstücks- und einer 40-minütigen Mittagspause zu arbeiten habe. Die Dienstvereinbarung vom 30. Januar 1989 wurde am 27. Dezember 1989 auf Weisung des beklagten Landes zum 30. Juni 1990 gekündigt. Für die ab dem 1. April 1990 weitere Verkürzung der tariflichen Arbeitszeit wurde eine neue Dienstvereinbarung nicht abgeschlossen. Die Personalvertretung war am Zustandekommen der Anordnung der Landesregierung auf keiner Stufe beteiligt worden.

Der Kläger hält die Anordnung der Landesregierung, den darauf gestützten Erlaß des Landesamtes für Straßenwesen und die Anordnung seines Dienstvorgesetzten für rechtswidrig und unverbindlich, da eine Personalvertretung nicht beteiligt worden sei. Er ist der Auffassung, seine Arbeitszeit richte sich nach der Dienstvereinbarung vom 30. Januar 1989. Dementsprechend hat er im ersten Rechtszuge beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, den Kläger gemäß Dienstvereinbarung vom 30. Januar 1989 montags bis donnerstags in der Zeit von 7.10 Uhr bis 16.00 Uhr und freitags von 7.10 Uhr bis 15.00 Uhr bei täglichen Pausen in der Zeit von 9.00 Uhr bis 9.20 Uhr und 12.00 Uhr bis 12.30 Uhr zu beschäftigen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat es vorgetragen, die streitige Anordnung sei rechtens. Die Festlegung der Arbeitszeit für Angestellte und Arbeiter seien ein Element der „Einrichtung der staatlichen Behörden”, die nach Art. 70 Abs. 2 der LVerf eine Aufgabe der Landesregierung sei. Diese habe ferner gemäß Art. 49 Abs. 2 LVerf über Fragen von grundsätzlicher oder weittragender Bedeutung zu beschließen. Dazu zähle die Regelung der Dienstzeiten bei Gerichten, Verwaltungen und Betrieben des Landes. Da der Landesregierung keine Personalvertretung zugeordnet sei, entfalle ein Mitbestimmungsrecht.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Im Berufungsverfahren hat der Kläger wegen der weiteren Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit und mit Rücksicht auf die Kündigung der Dienstvereinbarung die Erledigung der Hauptsache erklärt. Das beklagte Land ist der Erledigungserklärung entgegengetreten und bei seinem Klageabweisungsantrag geblieben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen, das Urteil des Arbeitsgerichts aufgehoben und festgestellt, daß der Rechtsstreit erledigt sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des beklagten Landes ist nicht begründet. Die Arbeitszeit des Klägers war durch die Dienstvereinbarung vom 30. Januar 1989 geregelt, so daß der Antrag des Klägers begründet war. Da mit Wirkung vom 1. April 1990 die Arbeitszeit um eine weitere halbe Stunde verkürzt wurde, kann der Kläger aber nicht mehr verlangen, ihn zu den Arbeitszeiten zu beschäftigen, die in der Dienstvereinbarung festgelegt waren. Aus diesem Grunde hat er zu Recht die Erledigung der Hauptsache erklärt.

Die Dienstvereinbarung vom 30. Januar 1989 ist wirksam zustandegekommen.

Nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 LPVG Baden-Württemberg (LPVG) hat der Personalrat über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage mitzubestimmen. Zuständig ist grundsätzlich nach § 85 Abs. 1 LPVG der Personalrat der Dienststelle, die die Maßnahme trifft. Das ist im vorliegenden Falle die Autobahnmeisterei M. deren Dienstvorgesetzter mit dem Personalrat die Dienstvereinbarung abgeschlossen hat.

II. Die Autobahnmeisterei M. war im Rahmen der Verwaltungsorganisation für die infolge der tariflichen Arbeitszeitverkürzung erforderlich gewordene Neufestlegung der Arbeitszeit auch zuständig (§ 85 Abs. 2 LPVG). Das Mitbestimmungsrecht des Personalrats ist auch nicht durch den Tarif- bzw. Gesetzesvorrang des § 79 Abs. 1 Eingangshalbsatz LPVG ausgeschlossen. Weder regelt der Tarifvertrag selber die Umsetzung der Verkürzung der Arbeitszeit noch stellt die Anordnung der Landesregierung über die Arbeitszeit der Angestellten und Arbeiter („Mittagspausenregelung”) eine gesetzliche Regelung dar, die das Mitbestimmungsrecht ausschließen könnte, da nach eigenem Vortrag des beklagten Landes dieses von seinem privatrechtlichen Direktionsrecht gegenüber den bei ihm beschäftigten Arbeitern und Angestellten Gebrauch machen wollte.

III. Die Anordnung der Landesregierung zur Umsetzung der tariflichen Arbeitszeitverkürzung für die Arbeiter und Angestellten hat der Autobahnmeisterei M. auch nicht die Zuständigkeit zum Abschluß von Dienstvereinbarungen genommen, da die Anordnung der Landesregierung ihrerseits rechtsunwirksam ist.

1. Entgegen der Auffassung des beklagten Landes ergibt sich die Zuständigkeit nicht aus § 70 Abs. 2 LVerf Baden-Württemberg (LVerf), wonach die Einrichtung der staatlichen Behörden im einzelnen der Regierung obliegt, aufgrund der von ihr erteilten Ermächtigung den Ministern. Der Begriff der „Einrichtung der Behörden” wird sowohl im Grundgesetz wie in Landesverfassungen gebraucht. Nach Art. 84 Abs. 1 GG regeln die Länder die Einrichtung der Behörden als eigene Angelegenheit, wenn sie Bundesgesetze als eigene Angelegenheit ausführen, nach Art. 85 Abs. 1 GG bleibt die Einrichtung der Behörden auch dann Angelegenheit der Länder, wenn diese die Bundesgesetze im Auftrage des Bundes ausführen. Bei der Behördeneinrichtung im Sinne von Art. 84, 85 GG handelt es sich nur um einen Ausschnitt aus der Organisationsgewalt (Maunz/Dürig, GG, Stand September 1991, Art. 84 Rz 13). Zur Einrichtung der Behörde gehören alle Maßnahmen, die deren inneres Gefüge betreffen, „z.B. die Frage kollegialer oder hierarchischer Gestaltungen, die Mitwirkung ehrenamtlich tätiger Staatsbürger …, also die Einrichtung der Behörden in organisatorischer und personeller Hinsicht” (Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 7. Aufl., Art. 84 Rz 6). Die Einrichtung der Behörde wird in einem Gesetz nicht nur geregelt, wenn es eine neue Behörde schafft, sondern auch, wenn es deren näheren Aufgabenkreis festlegt, dagegen gehört nicht zur Einrichtung eine Regelung, die bloß eine mittelbare Wirkung auf ihre Tätigkeit entfaltet (Leibholz/Rinck/Hesselberger, GG, 6. Aufl., Stand April 1992, Art. 84 Rz 26). Dementsprechend gehört die Regelung des Dienstrechts nicht zur Einrichtung der Behörde.

Das gilt in gleichem Maße für die Landesverfassungen. Entsprechende Regelungen wie in der baden-württembergischen Landesverfassung finden sich in Art. 77 Satz 2 Verf NW und Art. 77 Abs. 1 Satz 2 Bayerische Verfassung. Auch hier wird unter Einrichtung einer Behörde deren tatsächliche Bildung und Ausstattung mit Personal- und Sachmitteln verstanden, genauso wie dies für Art. 70 Abs. 2 LVerf (Baden-Württemberg) gilt (Feuchte, Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1987, Art. 70 Rz 6). Dementsprechend gehört eine Arbeitszeitregelung nicht zur Einrichtung einer Behörde. Auch dort, wo von einem etwas weiteren Begriff der Einrichtung der Behörde ausgegangen wird, wie etwa in der Bayerischen Verordnung über die Einrichtung der staatlichen Behörden vom 31. März 1954 (Bay RS 200–1–S), fällt eine Regelung der Arbeitszeit nicht hierunter. Nach der genannten bayerischen Verordnung wird von dem Begriff der Einrichtung der Behörden die „Errichtung und Aufhebung, die Vergrößerung und Verkleinerung, die Zusammenlegung und Teilung von Behörden, die Bestimmung ihres Sitzes, die Abgrenzung ihrer Amtsbezirke, die Ordnung ihrer inneren Verhältnisse sowie ihres Verhältnisses zu, vorgesetzten, gleichrangigen und nachgeordneten Behörden” erfaßt. Die Einrichtung bezieht sich also auch hier nur auf die Organisation der Behörde, während die Arbeitszeitgestaltung für die Arbeitnehmer feil des Dienstrechtes ist. Zwischen diesem und dem Organisationsrecht wird aber streng unterschieden. Dementsprechend wird soweit ersichtlich – in der Literatur übereinstimmend die Ansicht vertreten, daß das Dienstrecht der Beamten und Angestellten nicht unter den Begriff der Einrichtung der Behörden im einzelnen zu subsumieren ist (Feuchte, a.a.O., Art. 70 Rz 6, 17; Geller/Kleinrahm/Fleck, Die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., Art. 77 Anm. 5 d und e; Schenke, Die Personalvertretung 1990, 155, 158). Schenke (a.a.O.) meint zudem, Art. 70 Abs. 2 LVerf könne die Zuständigkeit für das Dienstrecht schon deshalb nicht entnommen werden, weil nach Art. 49 Abs. 1 Satz 4 LVerf innerhalb der Richtlinien der Politik jeder Minister seinen Geschäftsbereich selbständig unter eigener Verantwortung leitet. Diese Ressortkompetenz würde über Gebühr und nicht mehr nachkontrollierbar eingeschränkt, wenn Art. 70 Abs. 2 LVerf, der sich nur mit der Einrichtung der Behörden befaßt, eine Zuständigkeit der Landesregierung für das Dienstrecht entnommen würde.

2. Entgegen der Auffassung der Landesregierung des beklagten Landes ergibt sich die Zuständigkeit für die Arbeitszeitregelung auch nicht aus Art. 70 Abs. 2 in Verb. mit Art. 49 Abs. 2 LVerf. Nach Art. 49 Abs. 2 LVerf entscheidet die Regierung u.a. über Fragen von grundsätzlicher oder weittragender Bedeutung. Könnte Art. 70 Abs. 2 LVerf, wonach die Einrichtung der staatlichen Behörden im einzelnen der Regierung obliegt, zugleich die Kompetenz zum Erlaß von Regelungen für die Arbeitszeit entnommen werden, wäre dies eine umfassende Zuständigkeit; nicht nur bei grundsätzlicher oder weittragender Bedeutung könnte die Landesregierung dienstrechtliche Fragen regeln.

Aber auch Art. 49 Abs. 2 LVerf kann eine Zuständigkeit der Landesregierung nicht entnommen werden. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, daß diese Bestimmung sich im zweiten Hauptteil der Landesverfassung befindet, die unter der Überschrift „Vom Staat und seinen Ordnungen” die Organisation des Staates und hierbei insbesondere die einzelnen Träger der Staatsgewalt und ihr-Verhältnis zueinander regelt. Die Verfassung behandelt demgemäß, worauf das Landesarbeitsgericht zu Recht hingewiesen hat, in den einzelnen Abschnitten den Landtag, die Regierung, die Gesetzgebung, die Rechtspflege und die Verwaltung, aber nicht das Verhältnis von Regierung zu Verwaltung. In dem Abschnitt über die Regierung grenzt Art. 49 LVerf die Kompetenzen des Ministerpräsidenten, der einzelnen Minister und der Regierung (Ministerrat) gegeneinander ab. Art. 49 Abs. 2 LVerf bestimmt in diesem Zusammenhang lediglich die Gegenstände, über die die Regierung beschließt, nicht aber der Ministerpräsident oder die einzelnen Fachminister. Sie normiert – wie das Landesarbeitsgericht formuliert – die horizontale Kompetenzverteilung unter den obersten Landesbehörden. Art. 49 Abs. 1 und 2 LVerf haben nur Bedeutung für die interne Kompetenzverteilung zwischen Ministerpräsident, Landesregierung und Fachminister. Hierfür spricht auch Art. 49 Abs. 1 Satz 4 LVerf, wonach jeder Minister innerhalb der Richtlinien der Politik seinen Geschäftsbereich selbständig unter eigener Verantwortung regelt. Zu der Ressortleitungskompetenz zählt aber auch die Bestimmung der Arbeitszeit der Bediensteten des Ressorts. Selbst die durch den Ministerpräsidenten erlassenen Richtlinien der Politik binden nur den einzelnen Minister. Sie ermöglichen aber dem Ministerpräsidenten nicht, an dem zuständigen Ressortminister vorbei unmittelbar in dessen Geschäftsbereich einzugreifen (ebenso Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg, Art. 49 Rz 9 und Schenke, a.a.O., S. 160). Regelt Art. 49 LVerf nur die interne Aufgabenverteilung zwischen Ministerpräsident, Regierung oder Fachministern, so liegt es nahe, Art. 49 Abs. 2 LVerf, wonach die Regierung über Fragen von grundsätzlicher oder weittragender Bedeutung entscheidet, auch nur eine Bedeutung für die Aufgabenverteilung zwischen Ministerpräsident, Landesregierung und Fachministern zu geben (Art. 49 LVerf entspricht im wesentlichen Art. 65 GG, der seinerseits die Stellung von Bundeskanzler, Bundesministern und Bundesregierung regelt). Fragen von grundsätzlicher oder weittragender Bedeutung sind danach die wesentlichen Angelegenheiten im Verhältnis zwischen Ministerpräsident, Ministern und Regierung; sie reichen vom Bund-Länder-Verhältnis über die Regierungskoordination bis zur Konfliktbeilegung (Feuchte, a.a.O., Art. 49 Rz 15). Zu ihnen gehört aber keinesfalls die Umsetzung der tariflichen Arbeitszeitverkürzung in den einzelnen Dienststellen.

Bei dieser insbesondere auf dem Normzusammenhang beruhenden Auslegung von Art. 49 LVerf (Stellung des Ministerpräsidenten, der Regierung und der Minister) erklärt sich, weshalb bei der Landesregierung keine Personalvertretung eingesetzt ist: Da die Landesregierung gerade keine unmittelbare Einwirkungsmöglichkeit in personalvertretungsrechtlich relevante Materien hat, war es überflüssig, bei ihr eine Personalvertretung einzurichten. Gegen diese Ansicht spricht nicht, daß ein Gesetzentwurf der Landtagsfraktion der SPD vom 5. November 1981 abgelehnt wurde, nach dem § 85 Abs. 5 LPVG dahin geändert werden sollte, daß „soweit ein oder mehrere Ministerien, die Landesregierung oder der Ministerpräsident Maßnahmen für Beschäftigte des Geschäftsbereiches einer anderen obersten Dienstbehörde als des Staatsministeriums trifft, die der Beteiligung der Personalvertretung unterliegen, … die zuständige Personalvertretung beim Vorschlag der obersten Dienstbehörde an den Ministerpräsidenten beteiligt” wird. Dieser Änderungsvorschlag wurde nämlich nicht damit begründet, daß die Landesregierung Personalangelegenheiten regele, sondern damit, muß Finanz- und Innenministerium in Personalsachen auch für andere Ressorts tätig werden und dann nicht der richtige Personalrat beteiligt sei (Landtags-Drucks, 8/3145, Sten. Berichte 8. Wahlperiode, 55. Sitzung, S. 4307). Interpretiert man Art. 49 Abs. 2 LVerf wie die Landesregierung, kommt man zu dem widersprüchlichen Ergebnis, daß nach § 79 LPVG zwar die Personalräte in den dort aufgeführten Angelegenheiten echte Mitbestimmungsrechte haben, diese aber jeweils von der Landesregierung „kassiert” werden konnten, indem diese auf eine grundsätzliche oder weittragende Bedeutung verweist. Es läßt sich nämlich kaum eine mitbestimmungpflichtige Angelegenheit vorstellen, bei der eine solche Begründung nicht möglich wäre. Die Revision weist denn auch darauf hin, die Landesregierung habe eine „Einschätzungsprärogative”, so daß Ihre Entscheidung über die grundsätzliche oder weittragende Bedeutung von den Gerichten nur beschränkt nachprüfbar sei.

3. Die Kompetenz der Landesregierung für die „Mittagspausenregelung” läßt sich auch nicht Art. 69 LVerf entnehmen, wonach die Verwaltung durch die Regierung, die ihr unterstellten Behörden und durch die Träger der Selbstverwaltung ausgeübt wird. Art. 69 LVerf regelt nur grundsätzlich, wer Träger der öffentlichen Verwaltung ist. Aus ihm ergibt sich keine Kompetenzverteilung, diese ergibt sich aus Art. 70 bis 77 LVerf. Dem Art. 70 LVerf kann aber – wie oben dargelegt – eine Zuständigkeit der Landesregierung für dienstrechtliche Maßnahmen nicht entnommen werden.

4. Die Kompetenz der Landesregierung für die „Mittagspausenregelung” läßt sich entgegen der Ansicht des beklagten Landes auch nicht einer auf § 90 Abs. 1 Satz 1 LBG in Verb. mit § 8 LRiG gestützten Annex-Zuständigkeit entnehmen. Nach § 90 Abs. 1 Satz 1 LBG, auf den § 8 LRiG verweist, wird von der Landesregierung die regelmäßige Arbeitszeit der Landesbeamten durch Rechtsverordnung festgesetzt, nämlich in der AZVO. Der Wortlaut des § 90 LBG ist eindeutig. Er gibt nur eine Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen für die Regelung der Arbeitszeit von Landesbeamten, nicht aber für Angestellte und Arbeiter.

5. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auch angenommen, eine Zuständigkeit der Landesregierung für die „Mittagspausenregelung” lasse sich nicht § 13 Abs. 2 AZO entnehmen. Es kann dahingestellt bleiben, inwieweit diese vorkonstitutionelle Norm in Baden-Württemberg weitergilt. Nach § 13 Abs. 2 AZO gelten unter bestimmten Voraussetzungen die für Beamte gültigen Dienstvorschriften über die Arbeitszeit auch für Angestellte, nicht jedoch für Arbeiter. Die Landesregierung hat aber die „Pausenregelung” für Beamte auf Angestellte und Arbeiter übertragen wollen, um auf diese Weise das Mitbestimmungsrecht des Personalrats zu umgehen. Zudem regelt § 13 Abs. 2 AZO die Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit, diese ist aber in den §§ 15 bis 17 BAT für die Angestellten geregelt, der für die Angestellten kraft Tarifbindung oder infolge der Bezugnahme im Arbeitsvertrag gilt. Daher ist die Anwendung von § 13 AZO kraft Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag ausgeschlossen (BAG Urteil vom 3. Oktober 1969, BAGE 22, 144 = AP Nr. 12 zu § 15 AZO, mit Anm. Söllner; Denecke/Neumann/Biebl, AZO, 11. Aufl., § 13 Rz 14). Schließlich beseitigt § 13 Abs. 2 AZO nur die öffentlich-rechtlichen Schranken der Arbeitszeitordnung für Angestellte, die von Körperschaften des öffentlichen Rechts gemeinsam mit Beamten beschäftigt werden, so daß z.B. die tägliche Arbeitszeit ohne Zustimmung des Gewerbeaufsichtsamtes auf mehr als zehn Stunden verlängert werden kann. Ob eine Verpflichtung zu Der anderweitigen, insbesondere verlängerten Arbeitszeit besteht, ergibt sich aus dem Einzelvertrag, einer Dienstvereinbanung oder dem Tarifvertrag. § 13 Abs. 2 AZO gibt der Landesregierung nicht die Vollmacht, die Arbeitszeit der Arbeiter und Angestellten inhaltlich zu regeln. Ebensowenig setzt § 13 Abs. 2 AZO Mitbestimmungsrechte nach den Landespersonalvertretungsgesetzen der Kraft. Das beklagte Land, das sich auf das privatrechtliche direktionsrecht der Landesregierung gegenüber allen beim beklagten Land beschäftigten Arbeitnehmern beruft, hat sich auch selbst nicht auf die Ausnahmevorschrift des § 13 Abs. 2 AZO berufen.

War die Autobahnmeisterei M. aber zum Abschluß der Dienstvereinbarung zuständig, war diese wirksam mit der Folge, aus durch die Dienstvereinbarung Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen mit normativer Kraft für alle Arbeitsverhältnisse in der Autobahnmeisterei M. geregelt war. Dementsprechend hatte der Kläger einen Anspruch darauf, gemäß der Dienstvereinbarung vom 30. Januar 1989 montags bis donnerstags in der Zeit von 7.10 Uhr bis 16.00 Uhr und freitags von 9.00 Uhr bis 15.00 Uhr bei täglichen Pausen in der Zeit von 9.00 bis 9.20 Uhr und von 12.00 Uhr bis 12.30 Uhr beschäftigt zu werden.

Der Antrag des Klägers ist aber seit 1. April 1990 unbegründet geworden. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts folgt dies nicht aus der Tatsache, daß die Autobahnmeisterei die Dienstvereinbarung am 27. Dezember 1989 zum 30. Juni 1990 gekündigt hat. Dienstvereinbarungen über mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten wirken nämlich in gleicher Weise nach wie Betriebsvereinbarungen über mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten. § 73 LPVG enthält zwar keine § 77 Abs. 6 BetrVG entsprechende Vorschrift. § 77 Abs. 6 BetrVG ist aber entsprechend anzuwenden, da bei einer Dienstvereinbarung und einer Betriebsvereinbarung über mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten das gleiche Bedürfnis für den Fortbestand der Regelung bis zum Abschluß einer neuen Vereinbarung besteht. § 73 LPVG steht einer entsprechenden Anwendung von § 77 Abs. 6 BetrVG auch nicht entgegen, weil § 73 LPVG die Rechtswirkungen einer Dienstvereinbarung überhaupt nicht regelt, weder die unmittelbare und zwingende Wirkung der Dienstvereinbarung noch die Nachwirkung erwähnt. Aus diesem Grunde kann auch nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber die Nachwirkung ausschließen wollte. § 77 Abs. 6 BetrVG ist sinngemäß anzuwenden, weil sonst die Dienststelle die Wirkung einer gegen ihren Willen – in einer Einigungsstelle – zustande gekommenen Dienstvereinbarung einseitig beseitigen könnte (BAGE 58, 248 = AP Nr. 1 zu § 70 LPVG NW m.w.N.; Altvater/Bacher/Hörter/Sabottig/Schneider, BPersVG, 3. Aufl., § 73 Rz 13; Dietz/Richardi, BPersVG, 2. Aufl., § 73 Rz 29; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 7. Aufl., § 73 Rz 19; a.A.: nur Fischer/Goeres, Personalvertretungsrecht des Bundes und der Länder, § 73 Rz 24).

Vorliegend führt aber auch die Nachwirkung nicht dazu, daß der Kläger sich noch auf die Regelung der Dienstvereinbarung vom 30. Januar 1989 berufen könnte, da die Tarifvertragsparteien mit Wirkung vom 1. April 1990 eine weitere Arbeitszeitverkürzung auf 38,5 Stunden vereinbart haben. Diese ist in der Dienstvereinbarung nicht berücksichtigt. Sie regelt also jetzt eine wöchentliche Arbeitszeit, die nicht mehr besteht. Dementsprechend ist die nachträgliche Erledigung der Hauptsache eingetreten.

War die Klage aber ursprünglich begründet und ist sie erst durch die weitere Arbeitszeitverkürzung vom 1. April 1990 unbegründet geworden, so hat das Landesarbeitsgericht auf Antrag des Klägers zu Recht festgestellt, daß die Hauptsache erledigt ist.

Dementsprechend war die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

 

Unterschriften

Dr. Kissel, Bitter, Dr. Weller, Koerner, Dr. Schmidt

 

Fundstellen

Haufe-Index 1077146

BB 1992, 1071

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