Entscheidungsstichwort (Thema)

Schulhausmeister. Überstundenvergütung

 

Orientierungssatz

  • Nr. 4 SR 2r zu § 17 BAT, wonach die über die regelmäßige Arbeitszeit von durchschnittlich 50 ½ Stunden wöchentlich (Nr. 3 Abs. 1 SR 2r BAT) hinaus geleisteten Arbeitsstunden zur Hälfte als Überstunden gewertet werden, regelt den Umfang des Freizeitausgleichs und der Überstundenvergütung für Hausmeister eigenständig und abschließend.
  • Die Tarifvorschrift erfasst alle vom Hausmeister über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleisteten Arbeitsstunden. Der Teil der Arbeitsstunden, die danach nicht als Überstunden gewertet werden, ist nicht zusätzlich mit dem tariflichen Stundensatz zu vergüten.
  • Die Vergütung der Überstunden bestimmt sich auch dann nach der tariflichen Regelung, wenn der Hausmeister die Arbeitsstunden unter Verstoß gegen die gemeinschaftsrechtliche Höchstarbeitszeit des Art. 6 Nr. 2 der Richtlinie 93/104/EG geleistet hat.
 

Normenkette

BGB § 362; BAT § 15 Abs. 1, § 17 Abs. 1, 5 S. 4, § 35 Abs. 1 S. 2, Abs. 3, § 70 S. 1, § 70 SR 2r Nr. 1 S. 1, § 70 SR 2r Nr. 3 Abs. 1, § 70 SR 2r Nr. 4; Richtlinie 93/104/EG vom 23. November 1993 Art. 6 Nr. 2; EG Art. 118a

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 18.12.2002; Aktenzeichen 15 Sa 1161/02)

ArbG Berlin (Urteil vom 28.02.2002; Aktenzeichen 60 Ca 35209/00)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Vergütung des Klägers für Tätigkeiten außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit.

Der Kläger ist seit September 1998 beim beklagten Land als Schulhausmeister an der B…-Schule tätig. Auf Grund von Renovierungsarbeiten konnte er seine Dienstwohnung auf dem Schulgelände erst im November 1999 beziehen. Das Arbeitsverhältnis richtet sich gemäß Arbeitsvertrag vom 22. Juni 1998 nach dem BundesAngestelltentarifvertrag (BAT) unter Berücksichtigung der jeweils in Frage kommenden Sonderregelungen mit allen künftigen Änderungen und Ergänzungen und den Dienstanweisungen für Schulhausmeister in der jeweils gültigen Fassung. Im BAT ist geregelt:

“§ 17 Überstunden

(1) Überstunden sind die auf Anordnung geleisteten Arbeitsstunden, die über die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit (§ 15 Abs. 1 bis 4 und die entsprechenden Sonderregelungen hierzu) für die Woche dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich festgesetzten Arbeitsstunden hinausgehen.

(5) Überstunden sind grundsätzlich durch entsprechende Arbeitsbefreiung auszugleichen; … Für jede nicht ausgeglichene Überstunde wird die Überstundenvergütung (§ 35 Abs. 3 Unterabs. 2) gezahlt.”

In den Sonderregelungen für Angestellte als Hausmeister (SR 2r BAT) heißt es:

“Nr. 1

Zu §§ 1 und 2 – Geltungsbereich –

Diese Sonderregelungen gelten nur für die beim Bund und im Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder beschäftigten Hausmeister. Im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände können Sonderregelungen für Hausmeister bezirklich vereinbart werden.

Nr. 3

Zu § 15 – Regelmäßige Arbeitszeit –

(1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt durchschnittlich 50 ½ Stunden wöchentlich.

Nr. 4

Zu § 17 – Überstunden –

Die über die regelmäßige Arbeitszeit (Nr. 3 Abs. 1) hinaus geleisteten Arbeitsstunden werden zur Hälfte als Überstunden gewertet.”

Das beklagte Land ordnete entsprechend einer Dienstanweisung für Schulhausmeister vom 1. Oktober 1995 bei Elternabenden und bei Benutzung der Turnhalle durch Sportvereine für den Kläger außerhalb seiner regelmäßigen Arbeitszeit Bereitschaftsdienst an. Dazu hatte sich der Kläger vor dem Bezug seiner Dienstwohnung in seinem Dienstzimmer in der Schule aufzuhalten. Für den Bereitschaftsdienst erhielt er eine Stundenpauschale iHv. 50 vH der tariflichen Überstundenvergütung. Das ergab für 1.398 Stunden in der Zeit von September 1998 bis Oktober 1999 den Betrag von 8.960,33 Euro brutto.

Der Kläger hat gemeint, er habe nicht Bereitschaftsdienst, sondern Überstunden geleistet. Diese habe das beklagte Land mit weiteren 8.960,33 Euro brutto zu vergüten. Die Einrichtung seines Dienstzimmers habe nicht den Anforderungen genügt, die an die Ausstattung eines Aufenthaltsraums während eines Bereitschaftsdienstes zu stellen seien. Mangels einer Liege habe er nicht schlafen können. Zudem widerspreche die Anordnung von Bereitschaftsdienst dem Europäischen Arbeitszeitrecht.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 8.960,33 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 29. Dezember 2000 zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Das beklagte Land beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

  • Der Anspruch folgt nicht aus § 17 Abs. 5 Satz 4 BAT.

    1. Nach dieser Vorschrift wird für jede nicht durch Arbeitsbefreiung ausgeglichene Überstunde iSd. § 17 Abs. 1 BAT die Überstundenvergütung (§ 35 Abs. 3 Unterabs. 2 BAT) gezahlt. Für die beim Bund und im Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder beschäftigten Hausmeister (Nr. 1 Satz 1 SR 2r BAT) haben die Tarifvertragsparteien jedoch davon abweichend in Nr. 4 SR 2r BAT eine eigenständige Regelung getroffen und bestimmt, dass die über die regelmäßige Arbeitszeit (Nr. 3 Abs. 1 SR 2r BAT) hinaus geleisteten Arbeitsstunden zur Hälfte als Überstunden gewertet werden. Mit der Zahlung von 8.960,33 Euro brutto hätte das beklagte Land deshalb einen Anspruch des Klägers auf Zahlung der tariflichen Überstundenvergütung erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Diese entspricht rechnerisch der vom beklagten Land geleisteten Bereitschaftsdienstvergütung von 50 vH der tariflichen Überstundenvergütung für insgesamt 1.398 geleisteten Bereitschaftsstunden.

    2. Dementsprechend ist unerheblich, ob der Kläger auf Grund der damaligen Bedingungen Bereitschaftsdienst oder Überstunden geleistet hat. In beiden Fällen sind nach den jeweils maßgebenden Bestimmungen des BAT einschließlich der Sonderregelung für Hausmeister nur 50 vH der geleisteten Stunden mit der tariflichen Überstundenvergütung abzugelten. Ohne Bedeutung ist, dass das beklagte Land mit der Zahlung von insgesamt 8.960,33 Euro brutto den angeordneten Bereitschaftsdienst und nicht Überstunden ausgleichen wollte. Nach § 362 BGB ist zur Erfüllung einer Verbindlichkeit grundsätzlich nur erforderlich, dass die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Erbringt der Schuldner den geschuldeten Leistungserfolg, tritt die Erfüllungswirkung regelmäßig als objektive Folge der Leistungsbewirkung ein, ohne dass weitere Umstände hinzutreten müssten (BAG 3. März 1993 – 5 AZR 132/92 – BAGE 72, 297, 301). Erforderlich ist lediglich, dass die Leistung einem bestimmten Schuldverhältnis zugeordnet werden kann. Diese Voraussetzung erfüllt die Zahlung des beklagten Landes. Sie diente dem Ausgleich der vom Kläger außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit geleisteten Stunden.

  • Weitergehenden Vergütungsansprüchen des Klägers steht Nr. 4 SR 2r BAT entgegen.

    1. Der Wortlaut der Sonderregelung, auf den es für die Tarifauslegung zunächst ankommt (st. Rspr., BAG 11. Dezember 2003 – 6 AZR 539/02 – zVv., zu I 4a der Gründe; 27. Juni 2002 – 6 AZR 209/01 – AP BAT § 29 Nr. 18, zu B II 2a der Gründe; 27. Juni 2002 – 6 AZR 378/01 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Musiker Nr. 18, zu A IV 1 der Gründe), ist eindeutig. Danach werden die über die regelmäßige Arbeitszeit (Nr. 3 Abs. 1 SR 2r BAT) hinaus geleisteten Arbeitsstunden zur Hälfte als Überstunden gewertet. Die Tarifbestimmung legt damit fest, dass nicht alle, sondern nur die Hälfte der über die regelmäßige Arbeitszeit von durchschnittlich 50 ½ Stunden wöchentlich (Nr. 3 Abs. 1 SR 2r BAT) hinaus geleisteten Stunden als Überstunden iSv. § 17 Abs. 1 Unterabs. 1 BAT zählen.

    2. Auch Sinn und Zweck der tariflichen Regelung sprechen für dieses Verständnis. Die Tarifvertragsparteien haben in den Sonderregelungen für Angestellte als Hausmeister berücksichtigt, dass Schulhausmeister ihre Arbeit unter besonderen tatsächlichen Bedingungen (Arbeitsbereitschaftszeiten, Ferienüberhang) zu verrichten haben (BAG 28. Juni 2001 – 6 AZR 134/00 – ZTR 2002, 227). Sie haben die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit in Nr. 3 Abs. 1 SR 2r BAT abweichend von § 15 Abs. 1 BAT auf durchschnittlich 50 ½ Stunden festgelegt. In Nr. 3 Abs. 2 SR 2r BAT haben sie geregelt, dass § 15 Abs. 2 BAT keine Anwendung findet. Dadurch haben sie deutlich zum Ausdruck gebracht, dass bei der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von durchschnittlich 50 ½ Stunden in ihr enthaltene Arbeitsbereitschaft bereits berücksichtigt ist (BAG 28. Juni 2001 – 6 AZR 134/00 – aaO). Die Tatsache, dass bei der Tätigkeit von Hausmeistern erfahrungsgemäß Arbeitsbereitschaft anfällt (BAG 10. Juli 2003 – 6 AZR 309/02 – ZTR 2004, 84, zu II 3 der Gründe), hat sie auch veranlasst, in Nr. 4 SR 2r BAT abweichend von § 17 Abs. 1 BAT zu bestimmen, dass nicht alle, sondern nur die Hälfte der über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleisteten Arbeitsstunden als Überstunden gewertet werden.

    3. Entgegen der Auffassung des Klägers ist für die andere Hälfte der über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleisteten Arbeitsstunden, die nicht als Überstunden zählen, nicht der “tarifliche Normal-Stundensatz” zu zahlen. In der Sonderregelung Nr. 4 SR 2r BAT haben die Tarifvertragsparteien für Angestellte als Schulhausmeister abschließend geregelt, wie die über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgehenden Arbeitsstunden zum Zwecke des Freizeitausgleichs oder der Vergütungsberechnung gewertet werden. Ein Wille der Tarifvertragsparteien, die eine Hälfte der über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleisteten Stunden mit der in § 35 Abs. 3 Unterabs. 2 BAT geregelten Überstundenvergütung auszugleichen und die andere Hälfte entgegen dem Vergütungssystem des BAT (§ 17 Abs. 1 Unterabs. 1 und Abs. 5 Satz 4 BAT) mit dem Stundensatz nach § 35 Abs. 3 Unterabs. 1 BAT ohne den in § 35 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a BAT geregelten Zeitzuschlag, hat im Wortlaut der Nr. 4 SR 2r BAT keinen Niederschlag gefunden. Die vom Kläger angenommene Abweichung vom tariflichen Vergütungssystem hätte jedoch in der Tarifvorschrift selbst zum Ausdruck kommen müssen.

  • Eine weitergehende Vergütungspflicht des beklagten Landes wird nicht dadurch begründet, dass Art. 6 Nr. 2 der Richtlinie 93/104/EG vom 23. November 1993 (Arbeitszeitrichtlinie, Abl. EG L 307 S. 18) die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit auf 48 Stunden begrenzt. Auch wenn das beklagte Land weder Bereitschaftsdienst noch Überstunden hätte anordnen dürfen, weil bereits die reguläre Arbeitszeit zu einer über 48 Wochenstunden hinausgehenden zeitlichen Belastung des Klägers geführt hat, wirkt sich die Rechtswidrigkeit dieser Anordnung vergütungsrechtlich nicht zu Gunsten des Klägers aus. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (5. Juni 2003 – 6 AZR 114/02 – NZA 2004, 164, zu B II 2a der Gründe; 28. Januar 2004 – 5 AZR 530/02 – zVv.; 22. November 2000 – 4 AZR 612/99 – BAGE 96, 284, 291; 24. Oktober 2000 – 9 AZR 634/99 – AP BUrlG § 11 Nr. 50 = EzA BurlG § 11 Nr. 48) betrifft die Arbeitszeit-Richtlinie den öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutz. Zur Frage der Vergütung von Arbeitszeit enthält sie keine Bestimmungen. Dafür fehlte es auch an einer Kompetenzgrundlage. Die Arbeitszeitrichtlinie dient der Verbesserung von Sicherheit, Arbeitshygiene und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer. Sie ist nach ihren Erwägungsgründen auf Art. 118a EG gestützt, der den Rat berechtigt, durch Richtlinien Mindestvorschriften festzusetzen, die eine Verbesserung der Arbeitsumwelt fördern, um die Sicherheit und die Gesundheit der Arbeitnehmer verstärkt zu schützen. Mindestvorschriften über Vergütungspflichten sieht diese Rechtsgrundlage nicht vor. Darüber hinaus regelt der EG-Vertrag auch keine entsprechende Primärkompetenz der Gemeinschaft (BAG 5. Juni 2003 – 6 AZR 114/02 – aaO, zu B II 2a der Gründe).
 

Unterschriften

Schmidt, Dr. Armbrüster, Brühler, Kapitza, M. Schilling

 

Fundstellen

NZA 2004, 624

ZTR 2004, 417

NJOZ 2004, 2039

Tarif aktuell 2004, 13

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