Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung einer Lehrerin

 

Orientierungssatz

1. Hinweis des Senats: "Begriff der "anderweitigen Ausbildung"."

2. Auslegung

a. der Richtlinien zur Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrer an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen, die die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen zur Übernahme in das Beamtenverhältnis nicht erfüllen (Nichterfüllererlaß),

b. Runderlaß des Kultusministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 20. November 1981 und vom 15. Juli 1988 "Lehrer an Realschulen" Fallgr 2.5 VergGr IVa BAT (GABl NW 1982, 7 und 1988, 395).

 

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 19. Mai 1999 - 18 Sa 847/97 - in der Kostenentscheidung und insoweit aufgehoben, als es die Klage hinsichtlich einer Vergütung nach VergGr. IV a BAT abgewiesen hat.

2. Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 4. März 1998 - 1 Ca 1924/97 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß das beklagte Land verpflichtet wird, auf die jeweiligen Nettodifferenzbeträge zwischen den VergGr. V c BAT und IV a BAT beginnend mit dem 18. September 1997 jeweils ab Fälligkeit 4 % Zinsen zu zahlen.

3. Die Kosten der Berufung und der Revision hat das beklagte Land zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin als Lehrerin.

Die Klägerin absolvierte nach der mittleren Reife eine Ausbildung zur Kindergärtnerin und Hortnerin und arbeitete anschließend in diesem Beruf. Nach einer zweisemestrigen Ausbildung am städtischen Seminar für werktätige Erziehung Düsseldorf wurde ihr mit dem Prüfungszeugnis vom 18. Oktober 1966 folgendes bescheinigt:

"Auf Grund ihrer Leistungen wird Frau B die Befähigung zum Erteilen von Werkunterricht an Volks-, mittleren und höheren Schulen zuerkannt. Dieses Zeugnis gilt nur in Verbindung mit den für diese Schularten vorgeschriebenen Lehramtszeugnissen."

Seit dem 1. Februar 1978 ist die Klägerin in einem Angestelltenverhältnis bei dem beklagten Land als Lehrkraft an der Realschule in H tätig.

Der schriftliche, ursprünglich befristete Arbeitsvertrag vom 17. März 1978 wurde ergänzt durch die Verlängerungsverträge vom 24. Juli 1980 und vom 31. Juli 1981. Im Vertrag vom 17. März 1978 heißt es ua.:

"§ 2

Auf das Arbeitsverhältnis finden der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23.2.1961 (MBl. NW. S. 375) mit den Sonderregelungen für Angestellte als Lehrkräfte und für Aushilfsangestellte und die zur Änderung und Ergänzung des BAT abgeschlossenen Tarifverträge Anwendung."

Im Schreiben vom 7. Februar 1978, mit dem das beklagte Land der Klägerin mitteilte, sie sei zum 1. Februar 1978 als Lehrerin eingestellt, heißt es:

"...

Gemäß Runderlaß des Kultusministers NW vom 16.7.1974 habe ich Sie in die VergGr. V c BAT eingewiesen."

Im Land Nordrhein-Westfalen sind Regelungen zur Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrer an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen, die die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen zur Übernahme in das Beamtenverhältnis nicht erfüllen, in zeitlich aufeinander folgenden Runderlassen (sog. Nichterfüllererlassen) enthalten, auf die die Klägerin sich beruft.

Die Klägerin wurde in der Realschule H im Fach Werken eingesetzt. Seit dem Jahre 1980 wird das Fach Werken an Realschulen nicht mehr unterrichtet. Das beklagte Land teilte dem Leiter der Realschule H mit Datum vom 15. Februar 1980 ua. folgendes mit:

"Einsatz der Lehrkräfte mit der Fakultas ?Werken§

Lehrkräfte mit der Fakultas "Werken" erteilen zukünftig auf der Grundlage der Richtlinien und Lehrpläne für das Fach "Kunst" Werkunterricht im Rahmen des Faches "Kunst", ... .

Die erworbene Lehrbefähigung im Fach "Werken" bleibt erhalten ... . In der Rechtsstellung der betroffenen hauptamtlichen Lehrkräfte tritt keinerlei Änderung ein.

Als erste Maßnahme für die Förderung der betroffenen Lehrkräfte wird das Gesamtseminar für die Lehreraus- und -fortbildung einen besonderen Fortbildungskurs im Fach "Kunst" ausschreiben, den ich nachdrücklich empfehle. ... "

Seit Beginn des Schuljahres 1980/81 erteilte die Klägerin keinen Unterricht mehr im Fach Werken an der Realschule, sondern wurde seitdem überwiegend im Fach Kunst, vorübergehend auch in den Fächern Textil, Physik und Deutsch eingesetzt.

In der Zeit vom 19. Februar 1986 bis zum 26. Juni 1987 nahm die Klägerin an der insgesamt 192 Stunden umfassenden Fortbildungsmaßnahme "Kunst in der Realschule" teil. Das Zertifikat vom 26. Juni 1987 weist aus, daß in der Fortbildungsmaßnahme, an der die Klägerin regelmäßig teilgenommen hat, schulpraktische Grundlagen, die für die Erteilung des Kunstunterrichts von Bedeutung sind, vermittelt wurden.

Im Jahre 1992 bat die Klägerin das beklagte Land vergeblich um die Übernahme in das Beamtenverhältnis. Mit weiteren Schreiben seit 1992 verlangte sie ebenfalls vergeblich eine höhere Vergütung. Die Klageschrift mit dem Begehren, ab dem 1. Januar 1995 aus der VergGr. IV a BAT vergütet zu werden, ist dem beklagten Land am 18. September 1997 zugestellt worden.

Die Klägerin meint, sie sei richtig in die VergGr. IV a BAT eingruppiert, zumindest stehe ihr eine Vergütung nach der VergGr. IV b BAT zu. Seit 1980 unterrichte sie in wissenschaftlichen Fächern. Des weiteren verfüge sie über eine anderweitige Ausbildung iSd. Ziffer 2.5 des Nichterfüllererlasses vom 9. November 1979. Auch nach der ab 1. August 1988 geänderten Fassung der Nichterfüllererlasse stehe ihr die begehrte Vergütung nach der VergGr. IV a BAT als Bewährungsaufstiegsgruppe zu, da sie eine entsprechende Anwartschaft erworben habe. Schließlich sei in der derzeit gültigen Fassung des Nichterfüllererlasses als Übergangsbestimmung geregelt, daß bei Lehrern, die auf Grund des Runderlasses idF vom 20. November 1981 in eine höhere als die nunmehr zulässige Vergütungsgruppe eingruppiert wurden, der Arbeitsvertrag nicht zum Zwecke der Herabgruppierung zu kündigen sei.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet sei, sie ab dem 1. Januar 1995 aus der VergGr. IV a BAT (hilfsweise IV b) zu vergüten und festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet sei, die jeweiligen Nettodifferenzbeträge zwischen den VergGr. V c BAT und IV a BAT (hilfsweise V c und IV b) ab jeweiliger Fälligkeit mit 4 % zu verzinsen.

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt.

Das beklagte Land ist der Auffassung, ein Höhergruppierungsanspruch der Klägerin bestehe nach den Richtlinien nicht. Die Klägerin sei weiterhin als Lehrkraft im Fach Werken tätig. Sie verfüge über keine anderweitige Ausbildung iSd. Nichterfüllererlasse. Sie erteile auch nicht in einem wissenschaftlichen Fach Unterricht.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf Feststellung der Vergütungspflicht aus VergGr. IV a BAT abgewiesen und im übrigen die Berufung zurückgewiesen.

Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren bezüglich der VergGr. IV a BAT weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet. Der Klägerin steht die begehrte Vergütung nach der VergGr. IV a BAT zu.

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung, soweit die Forderung der Klägerin auf Vergütung nach der VergGr. IV a BAT betroffen ist, im wesentlichen wie folgt begründet:

Der Klägerin stehe der geltend gemachte Vergütungsanspruch nicht zu, da sie erst durch die Absolvierung der Fortbildungsmaßnahme "Kunst in der Realschule" in der Zeit vom 19. Februar 1986 bis zum 26. Juni 1987 die Befähigung zur Ausübung des Realschullehrerberufes im Sinne einer anderweitigen Ausbildung erworben habe. Erst seitdem erfülle die Klägerin das subjektive Merkmal der Ziffer 2.5 der Richtlinie vom 20. November 1981 (GABl. NW 1982 S 7). Damit habe ihr erst seit diesem Zeitpunkt ein Anspruch nach der hilfsweise begehrten VergGr. IV b BAT zugestanden; auch die Bewährungszeit der Ziffer 2.5 der Richtlinie habe erst zu diesem Zeitpunkt zu laufen begonnen. Durch die Neufassung des Runderlasses des Kultusministers vom 15. Juli 1988 (GABl. NW S 395) sei der Bewährungsaufstieg bei den von der Klägerin erfüllten Merkmalen der Richtlinie nicht mehr möglich. Kraft arbeitsvertraglich vereinbarter dynamischer Verweisung komme diese geänderte Fassung der Richtlinie zur Anwendung. Die Änderung entspreche auch billigem Ermessen, da vor der vollständigen Erfüllung sämtlicher Anspruchsvoraussetzungen kein Rechtsanspruch gegeben sei. Auch durch die Übergangsvorschrift des Erlasses vom 15. Juli 1988 sei die Teilnahme am Bewährungsaufstieg nicht geschützt.

II. Dem folgt der Senat nicht. Der Klägerin steht Vergütung gemäß VergGr. IV a BAT auf der Grundlage der vom beklagten Land erlassenen und kraft Vereinbarung der Parteien in der jeweiligen Fassung anzuwendenden Eingruppierungsrichtlinien der sog. Nichterfüllererlasse zu.

A. Die Klage ist zulässig. Es handelt sich um eine Eingruppierungsfeststellungsklage, die im öffentlichen Dienst allgemein üblich ist und gegen deren Zulässigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Bedenken bestehen (vgl. Urteil vom 15. November 1995 - 4 AZR 489/94 - AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 44 mwN). Der Feststellungsantrag ist auch insoweit zulässig, als er Zinsforderungen zum Gegenstand hat (vgl. BAG 9. Februar 1983 - 4 AZR 267/80 - BAGE 41, 358; ständige Rechtsprechung).

B. Die Klage ist auch begründet.

1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß für die Eingruppierung der Klägerin die Lehrereingruppierungsrichtlinien des sog. Nichterfüllererlasses des beklagten Landes anwendbar sind.

a) Für die Eingruppierung der Klägerin sind die Regeln des § 22 BAT nicht anwendbar. Gemäß der Vorbemerkung Nr. 5 zu allen VergGr. der Anlage 1 a zum BAT gilt diese Anlage nicht für Angestellte, die als Lehrkräfte - auch wenn sie nicht unter die SR 2 l I (Sonderregelungen für Angestellte als Lehrkräfte) fallen - beschäftigt sind, soweit nicht ein besonderes Tätigkeitsmerkmal vereinbart ist. Nach der Protokollnotiz zu Nr. 1 zur SR 2 l I sind Lehrkräfte im Sinne dieser Sonderregelungen Personen, bei denen die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten im Rahmen eines Schulbetriebes der Tätigkeit das Gepräge gibt. Danach ist die Klägerin Lehrkraft, weil sie an einer Realschule unterrichtet (BAG 18. Mai 1994 - 4 AZR 524/93 - BAGE 77, 23 ff. mwN).

b) Auf das Arbeitsverhältnis sind die sog. Nichterfüllererlasse in ihrer jeweiligen Fassung kraft einzelvertraglicher Vereinbarung anwendbar.

Die Anwendung einseitiger Lehrereingruppierungsrichtlinien kommt nur dann in Betracht, wenn sie von den Arbeitsvertragsparteien zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses gemacht worden sind (st. Rspr. vgl. BAG 15. März 2000 - 10 AZR 119/99 - AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 81, auch zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen, mwN). Zwar haben die Parteien im Arbeitsvertrag die Lehrereingruppierungsrichtlinien nicht vereinbart, da die vereinbarte Geltung des BAT mit den Sonderregelungen für Angestellte als Lehrkräfte entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht einen dynamischen Verweis auf die Nichterfüllerlasse umfaßt. Diese sind einseitig gesetzte Weisungen des Kultusministeriums an nachgeordnete Behörden und setzen kein Vertragsrecht, sondern haben verwaltungsrechtliche Bedeutung. Die arbeitsvertragliche Bezugnahme erfaßt ausdrücklich nur tarifvertragliche Regelungen. Jedoch folgt aus dem zwischen den Parteien gewechselten Schriftverkehr, daß beide Parteien die Anwendung der Nichterfüllererlasse in ihrer jeweiligen Fassung zur Grundlage der Vergütungsregelung gemacht haben. Das beklagte Land hat dies bereits im Einstellungsschreiben vom 7. Februar 1978 deutlich gemacht. Die Klägerin hat sich in ihren jeweiligen schriftlichen Bitten um Höhergruppierung auf die jeweilige Fassung der Nichterfüllererlasse bezogen. Damit hat sie erklärt, daß auch aus ihrer Sicht nicht eine bestimmte Fassung der Richtlinien, sondern die jeweils aktuelle, Grundlage des Arbeitsverhältnisses sein sollte. Das Schriftformerfordernis des § 4 Abs. 2 BAT steht dem nicht entgegen, da nicht eine Nebenabrede, sondern die Hauptleistungspflicht, nämlich die Vergütung betroffen ist.

2. Der Anspruch der Klägerin auf Vergütung gemäß VergGr. IV a BAT bestand schon vor Inkrafttreten der Richtlinie vom 15. Juli 1988. Die darin enthaltenen Änderungen der Eingruppierungsvoraussetzungen bleiben daher ohne Bedeutung für den Vergütungsanspruch der Klägerin.

a) Der Nichterfüllererlaß vom 20. November 1981 (Gemeinsames Amtsblatt des Kultusministeriums und des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen 1982 S 7 ff.) enthält unter dem Punkt 2 "Lehrer an Realschulen" die Fallgruppe 2.5, die lautet:

"Lehrer in der Tätigkeit von Realschullehrern ohne Ausbildung nach den Fallgruppen 2.2, 2.3, oder 2.4 mit anderweitiger Ausbildung, die überwiegend Unterricht in einem wissenschaftlichen Fach erteilen IV b nach mindestens sechsjähriger Bewährung in dieser Tätigkeit und in dieser IV a" Vergütungsgruppe

Diese Voraussetzungen erfüllte die Klägerin bereits vor dem 15. Juli 1988.

aa) Die Klägerin war und ist Lehrerin in der Tätigkeit von Realschullehrern, da sie an einer solchen Schule unterrichtet hat und weiter unterrichtet.

bb) Sie besitzt keine der in den Fallgruppen 2.2, 2.3 oder 2.4 genannten Ausbildungen, nämlich ein abgeschlossenes Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule (2.2 und 2.4) oder eine erste Staatsprüfung für das Lehramt an der Sekundarstufe I (2.3).

cc) Sie hat aber eine anderweitige Ausbildung im Sinne der Ziffer 2.5, nämlich diejenige am städtischen Seminar für werktätige Erziehung Düsseldorf, die sie ausweislich des Prüfungszeugnisses vom 18. Oktober 1966 erfolgreich abgeschlossen hat.

Der Nichterfüllererlaß definiert nicht selbst, was unter einer anderweitigen Ausbildung zu verstehen ist. Er ist daher auszulegen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind die Nichterfüllererlasse des Kultusministeriums Nordrhein-Westfalen nach den Regeln des Verwaltungsrechts auszulegen. Die Vereinbarung der Erlasse in einem Arbeitsvertrag richtet sich zwar nach den Regeln des BGB, ihr Inhalt, der sich als behördeninterne Anweisung darstellt, gehört jedoch dem öffentlichen Recht an. Diesen Rechtscharakter verlieren Erlasse auch dann nicht, wenn sie kraft Vereinbarung als Vertragsrecht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses Anwendung finden. Als Bestandteil des öffentlichen Rechts sind Erlasse Kundgabe des hoheitlichen Handelns staatlicher Organe. Daher richtet sich ihre Auslegung nach verwaltungsrechtlichen Grundsätzen. Danach ist - entsprechend dem Grundsatz des § 133 BGB - der wirkliche Wille des Hoheitsträgers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Auszugs einer Willenserklärung zu haften (vgl. Forsthoff Lehrbuch des Verwaltungsrechts 10. Aufl. Bd. 1 § 9), wobei aber nur der Wille berücksichtigt werden kann, der in dem Erlaß mit ihm in Zusammenhang stehenden Schriftstücken seinen Niederschlag gefunden hat, weil der Adressat (Behördenbediensteter), der ihn anzuwenden hat, ihn aus sich heraus verstehen muß. Hierbei ist insbesondere die systematische und teleologische Interpretation von Bedeutung (Wolff/Bachof/Stober Verwaltungsrecht I 10. Aufl. § 28 V). Demgemäß ist auch der Gesamtzusammenhang der Regelungen der einzelnen Erlasse des Kultusministers ein wichtiges Auslegungskriterium (BAG 5. März 1997 - 4 AZR 390/95 - AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 58 mwN).

Danach folgt aus dem Wortlaut und dem Zusammenhang der Regelungen weder, daß die Ausbildung auf Grund der entsprechenden gesetzlichen Vorschriften überhaupt zum Lehramt an öffentlichen Schulen noch, daß sie zum Unterricht in dem wissenschaftlichen Fach befähigen muß, in dem überwiegend Unterricht erteilt wird. Wären solche Befähigungen vorhanden, wäre die Fallgr. 2.5 weitgehend überflüssig.

Der Begriff der Ausbildung umfaßt sowohl eine "Schulung", "Entwicklung" als auch eine "Lehrzeit" (Wahrig Deutsches Wörterbuch 6. Aufl. Seite 228). Nach dem Sinn und Zweck der Regelung wird gerade keine grundständige Ausbildung im Sinne einer Lehre, Fachschul-, Fachhochschul- oder Hochschulausbildung verlangt. Regelungen wie die Fallgruppe 2.5 wurden in vielen Bundesländern in die entsprechenden Lehrereingruppierungsrichtlinien eingefügt, um dem Mangel an Lehrern mit voller Lehrbefähigung durch Einstellung von Bewerbern ohne formalen Abschluß einer wissenschaftlich pädagogischen Ausbildung zu begegnen (vgl. BAG 30. Mai 1990 - 4 AZR 40/90 - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 149). Auch eine Fortbildung kann eine Ausbildung im Sinne einer anderweitigen Ausbildung sein, denn sie fällt zumindest unter den Begriff der "Schulung".

Allerdings reicht es nicht aus, daß irgendeine Ausbildung vorhanden ist (so aber Marzona, Vergütungsrechtliche Einordnungsprobleme der an öffentlichen Schulen des Landes Nordrhein-Westfalen beschäftigten Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis S 89 ff., 92). In der Fallgruppe 2.5 sind "Lehrer" in der Tätigkeit von Realschullehrern erfaßt, nicht schlechthin alle Angestellten, die eine Tätigkeit ausüben. Dies rechtfertigt den Schluß, daß durch die anderweitige Ausbildung die Befähigung zur Ausübung des Lehrerberufs vermittelt worden sein muß, ohne daß jedoch ein entsprechender formaler Abschluß verlangt wird (BAG 16. April 1997 - 10 AZR 905/95 - nv.; 30. Mai 1990 - 4 AZR 40/90 - aaO).

Diese Anforderungen erfüllt die zweisemestrige Ausbildung am Seminar für werktätige Erziehung Düsseldorf. Die Klägerin hat dadurch die Befähigung zur Ausübung einer Lehrtätigkeit in einem Lehrberuf erhalten. Dies wird schon dadurch deutlich, daß das beklagte Land die Klägerin auf Grund dieser Ausbildung jahrelang als Werklehrerin behandelt hat, und zwar aus seiner Sicht entsprechend den Fallgruppen 1.21 und 1.22 für Grund- und Hauptschulen. Die im Zeugnistext enthaltene Einschränkung, daß dieses Zeugnis nur in Verbindung mit den für diese Schularten vorgeschriebenen Lehramtszeugnissen gelte, zwingt nicht zu dem Schluß, die erhaltene Befähigung zum Erteilen von Werkunterricht an Volks-, mittleren und höheren Schulen sei bedeutungslos oder es handele sich nicht um eine Ausbildung. Durch diesen Zusatz wird lediglich die ohnehin bestehende Situation verdeutlicht, daß die an sich für die jeweilige Schulform vorgesehene Lehrbefähigung nicht durch die im Zeugnis vom 18. Oktober 1966 bestätigte Befähigung ersetzt werden kann. Für die vergütungsmäßig relevanten Vorschriften ist die Ausbildung jedoch als "anderweitige" anzusehen.

Eine bestimmte Länge oder Intensität der Ausbildung wird darüber hinaus nicht gefordert. Die zweisemestrige Vollzeitausbildung der Klägerin reicht demnach aus. Sie übersteigt an Dauer und Intensität die berufsbegleitende Fortbildung der Klägerin "Kunst in der Realschule" weitaus, die das beklagte Land als ausreichend im Sinne einer anderweitigen Ausbildung sieht.

dd) Die Klägerin unterrichtet überwiegend in einem wissenschaftlichen Fach, nämlich Kunst. Ein wissenschaftliches Fach iS der Nichterfüllererlasse ist ein solches, dessen Abschluß durch ein Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule erworben wird. Gemäß Ziff. 9.1. des Erlasses vom 20. November 1981 gilt für die Auslegung des Begriffs "abgeschlossenes Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule" die Protokollnotiz Nr. 1 zu Teil I der Anlage 1 a zum BAT. Danach muß die Abschlußprüfung in einem mindestens sechssemestrigen Studiengang, der die allgemeine oder einschlägige fachgebundene Hochschulreife voraussetzt, abgelegt werden. Dies richtet sich nach dem jeweiligen Landesrecht. Auf Grund § 16 Abs. 5 und § 19 Abs. 5 des Lehrerausbildungsgesetzes für Nordrhein-Westfalen vom 3. Mai 1994 (GV NW S 220) bestimmt die Lehramtsprüfungsordnung (LPO) in den §§ 37 und 43 (idF vom 23. August 1994 BASS 1996, 20 Nr. 11 und den vorausgehenden Fassungen), daß das Fach Kunst zu den Prüfungsfächern des Lehramts für die Sekundarstufen I und II gehört, die ein mindestens sechssemestriges (§ 36 Abs. 1 LPO) bzw. achtsemestriges Studium (§ 41 Abs. 1 LPO) voraussetzen.

Es kann dahinstehen, ob die Klägerin, wie das beklagte Land behauptet, zumindest bis zum Abschluß der Fortbildung "Kunst in der Realschule" nicht das gesamte Spektrum des Kunstunterrichts abgedeckt hat. Die Fallgruppe 2.5 verlangt nur, daß "in" einem wissenschaftlichen Fach unterrichtet wird. Art, Breite und Qualität des Unterrichts werden nicht zu Merkmalen erhoben. Unstreitig deckte der Lehrplan für das Fach "Kunst" die gesamte Unterrichtstätigkeit der Klägerin in diesem Fach ab.

ee) Die Klägerin hatte sich vor dem 15. Juli 1988 auch schon über sechs Jahre in ihrer Tätigkeit und der VergGr. IV b BAT gemäß Fallgruppe 2.5 der Richtlinie vom 20. November 1981 bewährt. Beanstandungen an der Tätigkeit der Klägerin sind vom beklagten Land nicht vorgetragen worden. Eine formelle Beurteilung oder das Vorhandensein von Planstellen ist für den Bewährungsaufstieg der hier zu beurteilenden Fallgruppe nicht erforderlich. Dies geht aus Ziff. 8 der Richtlinie hervor, worin Einzelheiten über die Voraussetzungen der Bewährung geregelt sind, zu denen aber nicht die in anderen Erlassen enthaltenen Verweise auf die Grundsätze bei der Beförderung beamteter Lehrer gehören.

b) Die Fallgruppe 2.5 ist nicht durch Spezialregelungen, wie sie beispielsweise bei Turn-, Sport- und Gymnastiklehrern vorliegen, ausgeschlossen (vgl. BAG 18. Mai 1994 - 4 AZR 524/93 - BAGE 77, 23 bezüglich der ebenfalls zu bewertenden Richtlinie des beklagten Landes vom 20. November 1981). Während die vorgenannten Fächer in allen Schulformen unterrichtet wurden und werden, wird Werken an Realschulen seit 1980 nicht mehr unterrichtet. Ein Rückgriff auf die für Grund- und Hauptschulen vorhandenen Fallgruppen 1.15 und 1.16 für Werklehrer scheidet deshalb ebenfalls aus.

c) Soweit die Richtlinie nach den Fallgruppen der Ziff. 2 für Lehrer an Realschulen den Satz enthält: "Die übrigen Lehrer werden wie die entsprechenden Lehrer an Grund- und Hauptschulen eingruppiert.", führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung, da die Klägerin bereits von der Ziff. 2.5 erfaßt wird.

d) Der Erlaß vom 15. Juli 1988, der die Ziffer 2.5 der vorhergehenden Fassung in der Weise abänderte, daß eine Eingruppierung in die VergGr. IV a BAT nur noch mit "anderweitiger abgeschlossener Hochschulausbildung" möglich wurde, während die Ausbildung der Klägerin nach 6-jähriger Bewährung höchstens in die VergGr. IV b BAT führte, konnte an dem einmal erreichten Vergütungsanspruch auf die VergGr. IV a BAT nichts mehr ändern. Ein Eingruppierungsakt war nicht erforderlich, die Eingruppierung ergab sich als Rechtsfolge aus den Tätigkeitsmerkmalen. Ziffer 7 des Erlasses vom 15. Juli 1988 enthält folgende Regelung:

"Bei Lehrkräften, die aufgrund der bisher gültigen Eingruppierungsregelung in eine höhere Vergütungsgruppe eingruppiert worden sind, als nach diesem Runderlaß zulässig ist, sind die Arbeitsverträge nicht zum Zwecke der Herabgruppierung zu kündigen."

Diese Vorschrift gewährleistet den Bestandsschutz für eine zutreffende Eingruppierung.

e) Die Ausschlußfristen für die geltend gemachte Eingruppierung gemäß § 70 BAT sind eingehalten, da die Klägerin spätestens mit Schreiben vom 12. Dezember 1994 ihre Höhergruppierung im Rahmen eines Bewährungsaufstiegs geltend gemacht hat.

3. Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

III. Das beklagte Land hat die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu tragen, da es unterlegen ist (§ 91 ZPO).

Dr. Freitag Dr. Jobs Marquardt

Hermann Tirre

 

Fundstellen

Haufe-Index 610797

ZTR 2001, 226

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