Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung von Bäcker- und Konditorhandwerk

 

Orientierungssatz

Bei der Beurteilung, ob der fachliche Geltungsbereich der Tarifverträge über die Errichtung einer Zusatzversorgungskasse und eines Förderungswerks für das Bäckerhandwerk vom 20. Februar 1970 in der Fassung vom 30. August 1996 erfüllt ist, ist der Betrieb des Arbeitgebers als Einheit zu betrachten und die den Betrieb prägende Zweckbestimmung, der Zweck der gesamten betrieblichen Tätigkeit, für die tarifliche Zuordnung maßgebend (Bestätigung BAG vom 17. Januar 1996 10 AZR 138/95 - AP Nr 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bäcker - EzA TVG § 4 Bäcker Nr 1).

 

Tenor

1. Die Revision der Kläger gegen das Urteil des

Landesarbeitsgerichts Köln vom 19. Mai 1999 - 2 Sa 119/99 - wird

zurückgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten der Revision zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten, ob der Beklagte verpflichtet ist, an die Kläger Beiträge zur Zusatzversorgung und zum Förderungswerk für das Bäckerhandwerk zu zahlen.

Die Klägerin zu 1) ist als gemeinsame Einrichtung des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten auf Grund des Tarifvertrages über die Errichtung einer Zusatzversorgungskasse für das Bäckerhandwerk vom 20. Februar 1970 in der derzeitig gültigen Fassung des Änderungstarifvertrages vom 30. August 1996 errichtet und erbringt Arbeitnehmern des Bäckerhandwerks Beihilfen zur Erwerbsunfähigkeitsrente oder zum Altersruhegeld. Der Kläger zu 2) ist als gemeinnützige Einrichtung des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten auf Grund des Tarifvertrages über die Errichtung eines Förderwerkes für das Bäckerhandwerk vom 20. Februar 1970 - zuletzt geändert durch Tarifvertrag vom 30. August 1996 - errichtet und zahlt Zuschüsse an die Arbeitnehmer des Bäckerhandwerks bei Heil- und Erholungsmaßnahmen sowie Beihilfen an Einrichtungen zur beruflichen und staatsbürgerlichen Bildung. Beide Tarifverträge sind allgemeinverbindlich.

Die beiden Tarifverträge regeln den sachlichen und persönlichen Geltungsbereich übereinstimmend wie folgt:

"§ 1 Geltungsbereich

...

b) fachlich: Für die Betriebe, die das Bäckerhandwerk

ausüben. Dabei handelt es sich um solche Betriebe, die

überwiegend Brot, Brötchen, sonstiges Kleingebäck und Feine

Backwaren aus Blätter-, Mürbe- und Hefeteig herstellen

und/oder vertreiben. Dazu zählen ferner solche Betriebe, die

in Verbindung mit den in Satz 2 bezeichneten überwiegenden

Tätigkeiten auch Torten und Desserts herstellen und/oder

vertreiben.

c) Persönlich: Für alle Arbeitnehmer der unter b) genannten

Betriebe."

Die Kläger verlangen von dem Beklagten die Zahlung der Beiträge für das Kalenderjahr 1997 in rechnerisch unstreitiger Höhe von 416,60 DM nebst Zinsen.

Der Beklagte ist Inhaber eines Betriebes, der sich "Bäckerei und Konditorei M." nennt. Der Beklagte ist Konditormeister und seit Januar 1987 Mitglied der Konditoreninnung. Der Landesinnungsverband des Badischen Konditorenhandwerks und der Landesinnungsverband der Konditoren Württembergs haben mit dem Bund der Hotel-, Restaurant- und Cafe-Angestellten, Union Ganymed e.V. einen Manteltarifvertrag abgeschlossen, der fachlich für alle Konditoreien und Konditorei-Cafes der Mitglieder der auf Arbeitgeberseite beteiligten Verbände Württembergs und Badens sowie persönlich für alle Arbeitnehmer dieser Betriebe gilt, soweit sie Mitglied der Union Ganymed e.V. sind. Der genannte Manteltarifvertrag ist nicht allgemeinverbindlich.

Der Beklagte beschäftigte bis April 1997 einen Bäckergesellen. Außerdem beschäftigte er im ganzen Jahr 1997 einen Konditorgesellen und ab 1. November 1997 eine Auszubildende für das Konditorenhandwerk. Der Beklagte selbst arbeitet im Betrieb mit und beaufsichtigt diese Arbeitnehmer.

Die Herstellung eines nicht unerheblichen Anteils der im Backzettel Konditorei aufgelisteten Artikel entspricht sowohl dem Berufsbild der Ausbildung zum Bäcker als auch dem zum Konditor. So werden dem Bäckerhandwerk die Herstellung von Brot, Brötchen und sonstigem Kleingebäck, Feinen Backwaren einschließlich Torten, Desserts und Dauerbackwaren zugerechnet. Die Herstellung von Kleingebäck, Feinen Backwaren und Torten sowie Desserts gehört auch zum Berufsbild der Konditoren.

Die Kläger sind der Ansicht, der Beklagte sei zur Beitragszahlung verpflichtet, weil er überwiegend, nämlich zu mehr als 50 %, Brot und Backwaren herstelle, die für das Bäckerhandwerk typisch seien. Soweit eine Tätigkeit sowohl dem Berufsbild des Bäckers als auch des Konditors entspreche, sei sie immer dem Bäckerhandwerk zuzuordnen, ohne daß es darauf ankomme, wer die Arbeit leiste oder sie beaufsichtige.

Die Kläger haben beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger 416,60 DM nebst 4 %

Zinsen seit dem 7. Oktober 1997 als Beitrag für das Jahr 1997 zu

zahlen, und zwar 79 % dieses Betrages an die Klägerin zu 1) und 21

% an den Kläger zu 2).

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Er hat die Ansicht vertreten, er habe einen Konditoreibetrieb. Zu mehr als 80 % stelle er Waren her, die für einen Konditoreibetrieb typisch seien. Zu berücksichtigen sei auch, daß er der Konditoreninnung angehöre und seit Mai 1997 keinen Bäcker mehr beschäftige. Vielmehr arbeiteten in seinem Betrieb seitdem ausschließlich Konditoren.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihren Zahlungsanspruch weiter. Der Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Im Betrieb des Beklagten werden arbeitszeitlich nicht überwiegend Tätigkeiten ausgeführt, die vom fachlichen Geltungsbereich der für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge über die Errichtung einer Zusatzversorgungskasse und eines Förderungswerkes für das Bäckerhandwerk in der Fassung vom 1. Januar 1996 erfaßt werden. Eine Beitragspflicht des Beklagten zur Zusatzversorgungskasse und dem Förderungswerk des Bäckerhandwerks kann daher auf diese Tarifverträge nicht gestützt werden.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Betrieb des Beklagten unterfalle nicht dem fachlichen Geltungsbereich der die Beitragspflicht begründenden Tarifverträge. Der Betriebszweck bestehe bei dem Betrieb des Beklagten in der Herstellung und dem Verkauf von Bäckerei- und Konditoreiwaren. Es handele es sich um einen sog. Mischbetrieb. Es werde Backwerk hergestellt, wie es ausschließlich dem Berufsbild des Bäckereihandwerks entspreche. Darüber hinaus würden Torten hergestellt, deren Produktion dem Berufsbild des Konditorenhandwerks zuzuordnen sei. Weiterhin werde eine ganze Reihe von sowohl bäckerei- als auch konditoreitypischen Produkten, beispielsweise Kleingebäck und Feines Backwerk aus Blätter-, Mürbe- und Hefeteig hergestellt und verkauft. Für die tarifvertragliche Zuordnung sei die zeitlich überwiegend ausgeführte Tätigkeit maßgeblich. Aus der Produktpalette ergebe sich vorliegend, daß zeitlich überwiegend Gebäck hergestellt werde, daß sowohl bäckerei- als auch konditoreitypisch sei. Bei der tarifvertraglichen Zuordnung dieser Mischtätigkeit komme es darauf an, ob diese Tätigkeiten von Fachkräften des einen oder anderen Handwerks ausgeführt oder beaufsichtigt würden. Für den Streitfall folge daraus, daß die Mischtätigkeiten dem Konditorenhandwerk zugehörig eingestuft werden müßten. Im Jahre 1997 seien im Betrieb des Beklagten der Beklagte selbst als Konditormeister, bis Ende April ein Bäckergeselle und ganzjährig ein Konditorgeselle und ab November 1997 eine Auszubildende für das Konditorenhandwerk beschäftigt worden. Der Beklagte habe im Betrieb mitgearbeitet und selbst die Arbeiten des Gesellen und des später eingestellten Auszubildenden für das Konditorenhandwerk beaufsichtigt.

Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

II. Die Klage ist nicht begründet. Der Betrieb des Beklagten unterfällt nicht dem fachlichen Geltungsbereich der beiden für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge des Bäckerhandwerks.

1. Das Landesarbeitsgericht ist rechtlich zutreffend davon ausgegangen, daß bei der Beurteilung, ob der fachliche Geltungsbereich erfüllt ist, der Betrieb des Beklagten als Einheit zu betrachten ist und die den Betrieb prägende Zweckbestimmung, der Zweck der gesamten betrieblichen Tätigkeit, für die tarifliche Zuordnung maßgebend ist (BAG 17. Januar 1996 - 10 AZR 138/95 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Bäcker Nr. 1 = EzA TVG § 4 Bäcker Nr. 1 mwN).

Nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts besteht die Zweckbestimmung des Betriebes des Beklagten in der Herstellung und dem Verkauf von Bäckerei- und Konditorwaren. Aus der Produktpalette, die sich aus den Backzetteln Konditorei und Bäckerei ergibt, wird erkennbar, daß im Betrieb Backwerk hergestellt wird, wie es ausschließlich dem Berufsbild des Bäckerhandwerks entspricht, zB Brot und Brötchen, daß darüber hinaus Torten hergestellt werden, deren Produktion dem Berufsbild des Konditorenhandwerks zuzuordnen ist, und daß schließlich eine ganze Reihe von Produkten hergestellt und verkauft werden, die sowohl bäckerei- als auch konditoreitypisch sind, beispielsweise Kleingebäck und Feines Backwerk aus Blätter-, Mürbe- und Hefeteig. Bei dem Betrieb des Beklagten handelt es sich somit um einen sog. Mischbetrieb. Dabei stellt der Verkauf der hergestellten Bäckerei- und Konditoreiwaren nur einen nachgeordneten Nebenzweck des Betriebes des Beklagten dar, insofern kommt der allgemeinverbindliche Manteltarifvertrag für den Einzelhandel nicht zur Anwendung.

2. Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht weiter davon ausgegangen, daß für die tarifvertragliche Zuordnung grundsätzlich allein die arbeitszeitlich überwiegend ausgeführte Tätigkeit maßgeblich ist (BAG aaO).

Nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts entfällt die überwiegende Tätigkeit weder auf die Herstellung von Waren, die ausschließlich als bäckereitypisch zu bezeichnen sind, noch auf die Herstellung von Waren, die ausschließlich konditoreitypisch ist. Vielmehr überwiegt zeitlich die Herstellung von Gebäck, daß sowohl bäckerei- als auch konditoreitypisch ist. Damit werden überwiegend Tätigkeiten verrichtet, die sowohl zum Berufsbild des Bäckerhandwerks als auch zu dem des Konditorenhandwerks gehören.

3. Bei dieser Sachlage werden entgegen der Auffassung der Kläger diese "Sowohl-als-auch Tätigkeiten" tarifrechtlich nicht dem Bäckerhandwerk zugeordnet, sondern es ist darauf abzustellen, ob diese Mischtätigkeiten von Fachkräften des Bäckerhandwerks oder des Konditorenhandwerks ausgeführt bzw. beaufsichtigt werden (BAG aaO).

Vorliegend waren im Jahre 1997 der Kläger als Konditormeister und ein Konditorgeselle ganzjährig, in der Zeit vom 1. Januar bis 30. April ein Bäckergeselle und ab 1. November eine Auszubildende für das Konditorenhandwerk tätig. Der Kläger beaufsichtige diese Arbeitnehmer. Damit wurden im Klagezeitraum die Mischtätigkeiten fast ausschließlich von Fachkräften des Konditorenhandwerks ausgeführt und beaufsichtigt. Die Mischtätigkeit ist somit tarifrechtlich dem Konditorenhandwerk zuzuordnen, so daß der überwiegende Anteil der für die tarifliche Zuordnung maßgeblichen Tätigkeit dem Konditorenhandwerk unterfällt. Der Beklagte wird damit nicht vom fachlichen Geltungsbereich der Tarifverträge des Bäckerhandwerks erfaßt.

4. Da die Tarifverträge des Konditorenhandwerks nicht für allgemeinverbindlich erklärt sind, kommen Fragen der Tarifkonkurrenz bzw. der Tarifpluralität hier nicht in Betracht.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Dr. Freitag Dr. Jobs Marquardt

Hermann Tirre

 

Fundstellen

Dokument-Index HI610785

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