Entscheidungsstichwort (Thema)

Erholungsurlaub. Geltendmachung. Kündigungsschutzklage. Übertragung

 

Normenkette

BUrlG § 7

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 08.06.2000; Aktenzeichen 3 Sa 1144/99)

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 27.04.1999; Aktenzeichen 5 Ca 3031/98)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 8. Juni 2000 – 3 Sa 1144/99 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Urlaubsansprüche für das Jahr 1998.

Die Beklagte versuchte im Jahr 1997 vergeblich, das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch ordentliche Kündigung zum 30. September 1997 zu beenden. Während des Kündigungsschutzprozesses, der im Jahr 1999 rechtskräftig abgeschlossen wurde, beschäftigte sie sie nicht.

Die Klägerin hat zunächst ua. Klage auf Zahlung von Annahmeverzugslohn erhoben. Im Februar 1999 hat sie ihre Klage erweitert und insoweit zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihr für das Urlaubsjahr 1998 30 Urlaubstage zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt, die Klägerin mit der Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision. Die Beklagte beantragt deren Zurückweisung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Sie hat keinen Anspruch auf Urlaub für das Jahr 1998. Das haben die Vorinstanzen zutreffend entschieden.

I. Der Anspruch der Klägerin auf Urlaub für das Jahr 1998 ist erloschen.

Der Urlaubsanspruch ist ein gesetzlich bedingter Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Befreiung von der Arbeitspflicht. Er entsteht nach Ablauf der Wartezeit mit Beginn des jeweiligen Urlaubsjahres und erlischt mit dem Ende des Urlaubsjahres, sofern er nicht vom Arbeitnehmer so rechtzeitig geltend gemacht wird, daß er noch vorher vom Arbeitgeber erfüllt werden kann (so schon BAG 26. Juni 1969 – 5 AZR 393/68 – BAGE 22, 85; 7. Dezember 1993 – 9 AZR 683/92 – BAGE 75, 171 m.w.N.). Unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 BurlG verlängert sich die Frist bis zum 31. März des Folgejahres.

Die gesetzliche Befristungsregelung gilt auch für den einzelvertraglich vereinbarten Urlaub, dessen Dauer den gesetzlichen Mindestanspruch von 24 Werktagen (20 Arbeitstagen) übersteigt, sofern der Arbeitsvertrag keine vom Gesetz abweichende Regelung enthält (vgl. zum Tarifurlaub BAG 25. August 1987 – 8 AZR 118/86-BAG E 56, 53). Eine derartige abweichende Vereinbarung hat die Klägerin nicht vorgetragen. Die Beklagte hat ihr für 1998 auch keinen Urlaub erteilt. Ihr Anspruch ist mithin wegen Zeitablaufs untergegangen.

II. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Urlaubsgewährung als Schadenersatz.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. 16. März 1999 – 9 AZR 428/98 – AP BurlG § 7 Übertragung Nr. 25 = EzA BurlG § 7 Nr. 107 m.w.N.) kann der Arbeitnehmer, der den Arbeitgeber wegen des Urlaubsanspruchs in Verzug gesetzt hat, anstelle des ursprünglichen Urlaubsanspruchs als Schadenersatz Urlaub (Ersatzurlaub) im gleichen Umfang dann verlangen, wenn die Urlaubsgewährung während des Verzugs des Arbeitgebers unmöglich wird (§ 286 Abs. 1, § 287 Satz 2, § 280 Abs. 1, § 249 Satz 1 BGB). Der Arbeitgeber gerät in Verzug, wenn er den vom Arbeitnehmer angemahnten (§ 284 Abs. 1 BGB) Urlaub grundlos nicht gewährt. Er hat für das Erlöschen des Urlaubsanspruchs auf Grund der gesetzlichen Befristung einzustehen.

2. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts liegen diese Voraussetzungen nicht vor. Die Klägerin hat die Beklagte nicht rechtzeitig vor dem Untergang des Urlaubsanspruchs in Verzug gesetzt.

a) Die von der Klägerin erhobene Kündigungsschutzklage war nicht geeignet, ihren Anspruch zu wahren.

aa) Die Erhebung einer Kündigungsschutzklage hat regelmäßig nicht die Geltendmachung von Urlaubsansprüchen des Arbeitnehmers zum Inhalt (vgl. zuletzt BAG 21. September 1999 – 9 AZR 705/98 – BAG E 92, 299 m.w.N.). Daran ist festzuhalten. Die von der Klägerin unter Hinweis auf das Schrifttum (Adam AiB 2000, 447 ff.) geäußerten Bedenken greifen nicht durch. Richtig ist, daß das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung davon ausgeht, der Arbeitnehmer wahre mit der Kündigungsschutzklage Ausschlußfristen für die vom Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses abhängigen Vergütungsansprüche, soweit die mündliche oder schriftliche Geltendmachung verlangt werde (schon 16. Juni 1976 – 5 AZR 224/75 – AP TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 56 = EzA TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 27). Diese Auffassung wird mit der Überlegung begründet, daß der Arbeitnehmer mit der Kündigungsschutzklage nicht nur das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses festgestellt wissen will, sondern für den Arbeitgeber erkennbar zugleich deutlich macht, er wolle sich die aus dem Fortbestehen ergebenden Entgeltansprüche sichern.

Die Geltendmachung von Urlaubsansprüchen ist damit nicht vergleichbar. Für die monatlichen Entgeltansprüche ist die Leistungszeit nach dem Kalender bestimmt; der Arbeitgeber kommt mithin ohne weitere Handlungen des Arbeitnehmers in Schuldnerverzug (§ 284 Abs. 2 Satz 1 BGB). Für den Urlaubsanspruch greift diese Vorschrift nicht ein. Der Arbeitnehmer hat zwar nach § 1 BurlG in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Der Arbeitgeber ist aber nach § 7 Abs. 1 BurlG nicht verpflichtet, den Urlaub des Arbeitnehmers von sich aus festzulegen. Das gilt im unangefochten bestehenden Arbeitsverhältnis. Für das gekündigte Arbeitsverhältnis gilt nichts anderes. Der Urlaub ist in beiden Fällen vom Arbeitnehmer ausdrücklich i.S.v. § 284 Abs. 1 BGB geltend zu machen. Der Arbeitnehmer muß den Arbeitgeber auffordern, den Urlaub zeitlich festzulegen (vgl. Senat 21. September 1999 – 9 AZR 705/98 a.a.O.).

bb) Die Erwägung der Klägerin, im gekündigten Arbeitsverhältnis werde der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den beanspruchten Urlaub nur „vorsorglich” gewähren, führt zu keinem anderen Ergebnis. Auch mit der für den Fall des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses gewährten Freistellung von der Arbeitspflicht erfüllt der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers; dieser erlischt (§ 326 BGB). Hierfür ist ohne Bedeutung, daß der Arbeitgeber das Urlaubsentgelt erst dann zahlen will, wenn der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses rechtskräftig festgestellt ist. Der Urlaubsanspruch ist kein sog. Einheitsanspruch, der sich aus den Merkmalen „Freistellung” und „Entgelt” zusammensetzt. Der Anspruch auf Urlaubsentgelt ist vielmehr nichts anderes als der für die Dauer der Freistellung aufrechterhaltene Entgeltanspruch des Arbeitnehmers nach § 611 BGB (BAG 20. Juni 2000 – 9 AZR 405/99 – AP BurlG § 7 Nr. 28 = EzA BurlG § 1 Nr. 23). Da der Arbeitgeber nicht berechtigt ist, Urlaub nachträglich auf Zeiten des Annahmeverzugs anzurechnen, kann er nur mit einer vorsorglichen Festlegung des Urlaubs nach Maßgabe von § 7 Abs. 1 BurlG die Kumulation von Annahmeverzugs- und Urlaubsansprüchen vermeiden (vgl. auch BAG 9. November 1999 –9 AZR 915/98 – nv.).

b) Die im Februar 1999 von der Klägerin erhobene Klage auf Gewährung von Urlaub für das Jahr 1998 hat das Erlöschen des Anspruchs ebenfalls nicht verhindert.

Nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BurlG wird der Urlaubsanspruch auf die ersten drei Monate des Folgejahres übertragen, wenn der Urlaub aus betrieblichen Gründen oder aus Gründen, die in der Person des Arbeitnehmers liegen, nicht innerhalb des Urlaubsjahres genommen werden kann. Das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls ist vom Arbeitnehmer darzulegen. Das ist der Klägerin nicht gelungen.

aa) Persönliche Gründe hinderten die Klägerin nicht an einer rechtzeitigen Geltendmachung.

Die Klägerin meint, sie habe 1998 keinen Urlaub nehmen können, weil das Arbeitsverhältnis wegen der von der Beklagten erklärten Kündigung nicht vollzogen worden sei und eine rechtskräftige Entscheidung über den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefehlt habe. Die Beklagte habe sie von keiner Arbeitspflicht freistellen können. Damit übersieht die Klägerin, daß das Arbeitsverhältnis zur Beklagten rechtlich fortbestanden hat. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die Rechtswirksamkeit der von der Beklagten erklärten Kündigung wirkt nicht konstitutiv, sondern enthält nur die (deklaratorische) Feststellung ihrer Rechtsunwirksamkeit. Die Klägerin war mithin weiterhin zur Arbeitsleistung und die Beklagte zur Entgeltzahlung nach § 611 Abs. 1 BGB verpflichtet. Die Beklagte war rechtlich nicht gehindert, sie von der Arbeitspflicht freizustellen. Daß die Beklagte die Klägerin tatsächlich nicht beschäftigt hat, ändert hieran nichts.

bb) Betriebliche Gründe lagen ebenfalls nicht vor.

Die Überlegung der Klägerin, die Beklagte habe sie aus betrieblichen Gründen nicht freistellen können, weil sie – dokumentiert durch die betriebsbedingte Kündigung – gar keine Möglichkeit gehabt habe, sie zu beschäftigen, geht fehl. Es kommt nicht darauf an, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer tatsächlich beschäftigen kann. Im Gegenteil setzt der betriebliche Übertragungsgrund des § 7 Abs. 3 Satz 2 BurlG voraus, daß der Arbeitgeber auf die Anwesenheit des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz angewiesen ist; betriebliche Gründe also der Freistellung des Arbeitnehmers entgegenstehen (ErfK/Dörner 2. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 67).

cc) „Sinn und Zweck” der Übertragungsvorschriften rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Mit ihnen wird dem Bedürfnis nach einer Verlängerung des für die Inanspruchnahme von Urlaub zur Verfügung stehenden Zeitraums Rechnung getragen. Ein solches Bedürfnis ist gesetzlich anerkannt, wenn der Arbeitnehmer auf Grund persönlicher Umstände oder aus betrieblichen Gründen seinen Urlaub nicht im Urlaubsjahr realisieren kann. Andere Gründe sind außer Acht zu lassen. Die Entscheidung des Senats vom 21. September 1999 (– 9 AZR 705/98 – a.a.O.) besagt nichts anderes. Der Satzteil, der Arbeitnehmer müsse den Urlaub im Urlaubsjahr „oder spätestens im Übertragungszeitraum” verlangen, betrifft ausschließlich die Sachverhalte, in denen der Urlaubsanspruch aus den in § 7 Abs. 3 Satz 2 BurlG genannten Gründen auf die ersten drei Monate des Folgejahres übertragen ist.

III. Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision nach § 97 ZPO zu tragen.

 

Unterschriften

Düwell, Schmitz-Scholemann, Reinecke, Gaber, Otto

 

Fundstellen

Haufe-Index 1489984

PP 2002, 27

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