Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschlußfrist. Karenzentschädigung

 

Leitsatz (amtlich)

  • Eine Ausschlußfrist für die Geltendmachung von Karenzentschädigung kann auch in einem Formulararbeitsvertrag vereinbart werden.
  • Eine Verfallklausel für alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solchen, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, erfaßt auch den monatlich fällig werdenden Anspruch auf Karenzentschädigung.
 

Normenkette

BGB §§ 241, 305; AGB-Gesetz § 23 Abs. 1; HGB §§ 74, 74b Abs. 1, § 74c; ZPO § 554 Abs. 3 Nr. 3

 

Verfahrensgang

LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 24.05.1995; Aktenzeichen 2 Sa 771/94)

ArbG Koblenz (Urteil vom 15.06.1994; Aktenzeichen 4 Ca 654/93)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe einer von der Beklagten für Oktober 1992 bis September 1993 geschuldeten Karenzentschädigung.

Der Kläger war vom 1. Juni 1989 bis 30. September 1992 bei der Beklagten beschäftigt. Sein monatliches Bruttogehalt betrug zuletzt 14.193,00 DM. Ferner stand ihm als Dienstfahrzeug ein Audi 100 Avant Quattro, 98kw, zur Verfügung, das er auch privat, insbesondere für den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsplatz nutzte. Als geldwerter Vorteil sind zuletzt 583,00 DM für die KfZ-Überlassung sowie 764,40 DM für die Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb monatlich versteuert worden. Nach Ziffer 9 des Anstellungsvertrages unterlag der Kläger für die Dauer von einem Jahr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses einem Wettbewerbsverbot. Die Beklagte war zur Zahlung einer Karenzentschädigung in Höhe von 50 % der zuletzt gewährten monatlichen Bezüge verpflichtet. Nach Ziff. 15 galt folgende Verfallklausel:

“Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Wird der Anspruch abgelehnt oder erfolgt keine Erklärung, so verfällt der Anspruch, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten gerichtlich geltend gemacht wird.”

Seit dem 1. November 1992 stand der Kläger in einem neuen Arbeitsverhältnis. Seine monatliche Vergütung betrug bis einschließlich April 1993 14.169,50 DM brutto, ab Mai 1993 14.221,50 DM brutto. Am 4. Januar 1993 hat der Kläger von der Beklagten für die Monate November und Dezember 1992 eine monatliche Karenzentschädigung von 3.066,00 DM gefordert, wobei er die Privatnutzung des Fahrzeugs mit 1.500,00 DM angesetzt hat.

Mit seiner am 31. März 1993 erhobenen Klage hat der Kläger die Karenzentschädigung bis einschließlich März 1993 in Höhe von monatlich 3.092,80 DM geltend gemacht und im August 1993 die Klage auf die Zahlungen bis einschließlich September 1993 erweitert, wobei er den zu berücksichtigenden Vorteil des Dienstfahrzeugs unverändert rechnerisch mit 1.500,00 DM monatlich ansetzte. Am 16. Februar 1994 hat der Kläger dann die Klage erneut erweitert. Er hat nunmehr den Wert der Fahrzeugüberlassung höher veranschlagt, indem er ihn nach seinen ersparten Aufwendungen mit monatlich 3.652,72 DM bemessen hat. Die begehrte Karenzentschädigung hat er für die Zeit von November 1992 bis März 1993 auf monatlich 5.460,97 DM, und ab Mai 1993 auf monatlich 5.408,79 DM erhöht.

Am 12. August 1993 leistete die Beklagte eine Abschlagszahlung von 15.500,00 DM auf die Entschädigung für den Zeitraum November 1992 bis Juni 1993 und am 31. August 1993 weitere 4.127,79 DM.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 42.565,65 DM brutto zzgl. 12 % Zinsen aus dem sich errechnenden Nettobetrag ab dem 1. Januar 1994 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 17.454,45 DM brutto zzgl. 4 % Zinsen aus dem sich errechnenden Nettobetrag ab 1. März 1993 nach näherer Zeitstaffel zu zahlen und im übrigen die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und die weitergehende Berufung sowie die Anschlußberufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger weiterhin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der höheren Karenzentschädigung. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

  • Die Revision ist unzulässig, soweit der Kläger sich gegen die Abweisung des Zinssatzes von mehr als 4 % der zuerkannten Hauptforderung wendet.

    Gemäß § 554 Abs. 3 Nr. 3 ZPO ist die Revision zu begründen. Das gilt auch für die mit einer Hauptforderung verbundenen Zinsen. Prozessual sind sie nicht Teil eines einheitlichen Streitgegenstandes, sondern im Verhältnis zur Hauptforderung selbständig und teilurteilsfähig. Bezieht sich die Revision auf mehrere Ansprüche im prozessualen Sinn, muß zu jedem Anspruch eine ausreichende Begründung gegeben werden. Fehlen Ausführungen zu einem Anspruch, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. BAGE 78, 373 = AP Nr. 32 zu § 72a ArbGG 1979; BAGE 62, 256 = AP Nr. 2 zu § 1 KSchG 1969 Sicherheitsbedenken; vgl. auch BGH Urteil vom 12. April 1995 – XII ZR 104/94 – FamRZ 1995, 1138). Die Revision setzt sich in keiner Weise mit den Darlegungen des Landesarbeitsgerichts zum Zinssatz auseinander.

  • Soweit die Revision zulässig ist, ist sie unbegründet. Der Kläger kann von der Beklagten keine höhere Karenzentschädigung verlangen.

    • Da der Kläger nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses sich des Wettbewerbs enthalten hat, steht ihm die vereinbarte Karenzentschädigung in Höhe von 50 v.H. der zuletzt gewährten monatlichen Bezüge zu.
    • Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht die Karenzentschädigung auf der Grundlage eines Nutzungswerts des Fahrzeugs von monatlich 1.500,00 DM errechnet. Weitergehende Ansprüche des Klägers sind verfallen. Es fehlt an der vereinbarten schriftlichen Geltendmachung innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit. Deshalb kann offen bleiben, ob das Landesarbeitsgericht für die Vergleichsberechnung nach § 74c Abs. 1 HGB zu Recht die ADAC-Tabelle herangezogen hat.

      • Verfallklauseln können nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit (§§ 241, 305 BGB) vertraglich vereinbart werden. Sie unterliegen allerdings einer Rechtskontrolle (vgl. BAG Urteil vom 24. März 1988 – 2 AZR 630/87 – AP Nr. 1 zu § 241 BGB). Ob sich die Prüfung nach den Generalklauseln der §§ 138, 242, 315 BGB bestimmt oder eine entsprechende Heranziehung des AGB-Gesetzes in Betracht kommt, obgleich Arbeitsvertragsrecht nach § 23 Abs. 1 Satz 1 AGB-Gesetz aus seinem Anwendungsbereich ausgenommen ist, kann unentschieden bleiben. Das gilt auch für die in der Revision aufgeworfene Frage, ob die Beklagte die Verfallklausel formularmäßig in den von ihr geschlossenen Arbeitsverträgen verwendet. Die Klausel ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu beanstanden.
      • Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts werden überraschende Klauseln nicht Inhalt des Arbeitsvertrages. Überraschend sind Vertragsklauseln nur dann, wenn sie so ungewöhnlich sind, daß der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen brauchte. Es muß ihnen ein “Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt” innewohnen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, insbesondere auch das äußere Erscheinungsbild des Vertrages. Auch das Unterbringen einer Klausel an einer unerwarteten Stelle im Text kann sie als überraschend erscheinen lassen (BAG Urteil vom 29. November 1995 – 5 AZR 447/94 – AP Nr. 1 zu § 3 AGB-Gesetz, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

        Derartige Mängel sind hier nicht ersichtlich. Der Vertragstext war dem Kläger zur Überprüfung und Unterschriftsleistung vorab zugeleitet worden. Da sich die Beklagte für die Dauer von knapp zwei Wochen an ihr Angebot gebunden hatte, stand dem Kläger hinreichend Zeit zur Vertragskontrolle zur Verfügung. Seine Entscheidungsfreiheit war damit gewährleistet.

      • Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die Verfallklausel für inhaltlich unbedenklich gehalten.

        • Die Klausel ist hinreichend bestimmt. Erfaßt werden alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit ihm in Verbindung stehen. Die Beklagte wird damit nicht einseitig begünstigt, sondern beide Parteien werden gleichermaßen belastet. Mit dem Fristbeginn “Fälligkeit” wird zudem an einen üblichen, handhabbaren und beiden Arbeitsvertragsparteien erkennbaren Tatbestand angeknüpft.
        • Die Frist von jeweils zwei Monaten für die schriftliche Geltendmachung und die anschließende gerichtliche Verfolgung ist nicht zu kurz bemessen. Sie hält sich im Rahmen des im Arbeitsleben Üblichen und entspricht dem Bedürfnis nach alsbaldiger Rechtssicherheit und Rechtsklarheit über streitige Entgeltfragen. Die von dem Kläger angezogenen Gesetzentwürfe zum Arbeitsvertragsrecht, die Mindestfristen von 6 oder 12 Monaten vorsehen, sind nicht in Kraft getreten. Der Vergleich mit dem Handelsvertreter übersieht, daß dessen Entgelt regelmäßig ausschließlich variabel ist. Seine Fälligkeit kann deshalb im Einzelfall schwieriger zu bestimmen sein. Dem trägt § 88 HGB Rechnung, der statt der zweijährigen Verjährung für Arbeitsentgelt (§ 196 Nr. 8 und 9 BGB) eine solche von vier Jahren bestimmt.
        • Zu Unrecht macht die Revision geltend, tariflichen Vorschriften nachgebildete Verfallklauseln seien nur bei gleichzeitiger Übernahme des gesamten Regelwerks rechtswirksam. Der Kläger war außertariflicher Angestellter der Beklagten. Damit war er vom Schutz des Tarifvertrags ausgenommen.
    • Der mit der Revision verfolgte höhere Entschädigungsanspruch ist verfallen.

      • Von der Verfallklausel sind sämtliche Ansprüche betroffen, die im Arbeitsverhältnis ihre Grundlage haben oder jedenfalls mit ihm in einem rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Hierzu gehört auch die monatliche Karenzentschädigung. Sie ist die zwischen den Parteien vereinbarte Gegenleistung für die von dem Kläger für die Dauer des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots geschuldete Wettbewerbsenthaltung und setzt denknotwendig den Bestand des Arbeitsvertrages voraus (vgl. BAG Urteil vom 18. Dezember 1984 – 3 AZR 383/82 – AP Nr. 87 zu § 4 TVG Ausschlußfristen). Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24. April 1970 (– 3 AZR 328/69 – AP Nr. 25 zu § 74 HGB) ist nicht einschlägig. Die dort beurteilte tarifliche Ausschlußfrist knüpfte nach ihrem Wortlaut nicht an die Fälligkeit der beiderseitigen Ansprüche, sondern an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses an. Das Bundesarbeitsgericht hat die Anwendbarkeit der Ausschlußfrist verneint, weil der Anspruch auf die monatliche Karenzentschädigung erstmals zum Ende des auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Monats fällig wird (§ 74b Abs. 1 HGB).
      • Zwingendes Gesetzesrecht steht der Verfallbarkeit der Karenzentschädigung nicht entgegen. Sie ist vorrangig Gegenleistung für die Karenz des Arbeitnehmers und nur in zweiter Linie Ausgleich für die damit verbundene Verdienstminderung und Fortkommenserschwer (vgl. BAGE 45, 289 = AP Nr. 44 zu § 74 HGB). Ebenso wie der Entgeltanspruch im bestehenden Arbeitsverhältnis kann der nachvertragliche Entschädigungsanspruch einer Ausschlußfrist unterworfen werden. Zwingend sind lediglich die Anforderungen, die nach §§ 74 ff. HGB an ein wirksames und verbindliches Wettbewerbsverbot gestellt werden. Die sich aus dem verbindlichen Verbot ergebenden monatlichen Zahlungsansprüche unterliegen ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses der freien Vereinbarung (vgl. BAG Urteil vom 20. Oktober 1981 – 3 AZR 1013/78 – AP Nr. 39 zu § 74 HGB).
    • Die Berufung der Beklagten auf den teilweisen Verfall der Karenzentschädigung ist nicht rechtsmißbräuchlich. Sie hat den Anspruch des Klägers nicht in Abrede gestellt und auch nicht den geringfügigen Unterschied zwischen seiner erstmaligen schriftlichen Geltendmachung und der mit der Klage verbundenen Erhöhung beanstandet. Anders liegt es mit dem von dem Kläger erstmals im Februar 1994 vorgenommenen grundlegenden Wechsel des Berechnungssystems für die Dienstwagennutzung und der sich daraus ergebenden höheren Karenzentschädigung. Der höhere Ansatz hätte fristgerecht mitgeteilt werden können. Die Beklagte hat hierauf keinen Einfluß genommen.
  • Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
 

Unterschriften

Düwell, Reinecke, Schmidt, Gaber, Hammer

 

Fundstellen

Haufe-Index 893936

BB 1998, 168

DB 1998, 426

DStR 1998, 693

NJW 1998, 1732

FA 1998, 51

FA 1998, 93

NZA 1998, 258

RdA 1998, 124

SAE 1998, 233

ZAP 1998, 64

ZIP 1998, 439

ZTR 1998, 233

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