Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung wegen häufiger Unpünktlichkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wiederholte Unpünktlichkeiten eines Arbeitnehmers sind dann an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, wenn sie den Grad und die Auswirkung einer beharrlichen Verweigerung der Arbeitspflicht erreicht haben.

2. In diesem Falle ist es nicht für die Eignung als wichtiger Grund, sondern nur für die Interessenabwägung erheblich, ob es neben einer Störung im Leistungsbereich auch noch zu nachteiligen Auswirkungen im Bereich der betrieblichen Verbundenheit (Betriebsordnung, Betriebsfrieden) gekommen ist.

3. Auch in diesem Bereich liegt eine konkrete Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses nicht schon dann vor, wenn der Arbeitsablauf oder der Betriebsfrieden "abstrakt" oder "konkret gefährdet" ist, sondern nur dann, wenn insoweit eine konkrete Störung eingetreten ist (Aufgabe der in den Urteilen des BAG vom 13.1.1956 - 1 AZR 167/55 = BAGE 2, 266, 276 = AP Nr 4 zu § 13 KSchG und vom 26. Mai 1977 - 2 AZR 632/76 = BAGE 29, 195, 201 = AP Nr 5 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht vertretenen Auffassung).

 

Normenkette

BetrVG §§ 87, 102; BGB § 626 Abs. 1; KSchG § 15 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 18.12.1986; Aktenzeichen 7 Sa 90/86)

ArbG Mannheim (Entscheidung vom 22.05.1986; Aktenzeichen 6 Ca 331/85)

 

Tatbestand

Der Kläger ist bei der Beklagten seit 1968 als Einrichter gegen eine monatliche Vergütung von zuletzt 3.700,-- DM brutto beschäftigt. Er ist Ersatzmitglied des Betriebsrates und hat zuletzt am 3. September 1985 vertretungsweise Betriebsratstätigkeiten ausgeübt.

Bei der Beklagten gilt eine am 1. Januar 1965 mit dem Betriebsrat vereinbarte Arbeitsordnung, die im Abschnitt III Nr. 2 hinsichtlich der Arbeitszeit folgendes vorsieht:

"Jeder Betriebsangehörige ist verpflichtet, die

für ihn geltende Arbeitszeit und die Pausen

einzuhalten. Maßgebend ist die Werksuhr. Beginn

und Ende der regelmäßigen Arbeitszeit und der

Pausen werden durch Glockenzeichen angezeigt.

Die Betriebsangehörigen sind verpflichtet, die

Einrichtung zur Kontrolle der pünktlichen Ein-

haltung der Arbeitszeit zu benutzen. Die Arbeit

ist pünktlich aufzunehmen. Vorzeitiges Verlassen

des Arbeitsplatzes oder eigenmächtiges Verlassen

des Betriebes während der Arbeitszeit ist unzu-

lässig."

Im Abschnitt IX der Arbeitsordnung sind folgende Ordnungsmaßnahmen bei Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen der Arbeitsordnung und Verstößen gegen die Sicherheit und Ordnung des Betriebes vorgesehen:

"a) mündliche Verwarnung durch die Betriebsleitung

oder den nächsten Vorgesetzten;

nach Anhörung des Betriebsrates:

b) Schriftlicher Verweis durch den Vorstand;

mit Zustimmung des Betriebsrates:

c) Verweis durch Anschlag am Schwarzen Brett;

. d) Auferlegung von Geldbußen nach Vereinbarung."

Am 11. Juni 1979 hat die Beklagte für den Betriebsbereich, in dem der Kläger beschäftigt war, mit dem Betriebsrat eine bis zum 31. Dezember 1979 befristete Vereinbarung über die gleitende Arbeitszeit getroffen, in der bestimmt wird, das Stempeln der Zeituhr dürfe nur in Arbeitskleidung erfolgen. Diese Betriebsvereinbarung wird kraft Nachwirkung weiterhin im Betrieb der Beklagten angewandt. Mit einem Aushang vom 15. August 1984 wies die Beklagte darauf hin, Arbeitszeit sei die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen, Waschen und Umkleiden gehörten nicht zur Arbeitszeit. Sie bat alle Mitarbeiter, diese Vorschriften zu beachten und damit eine verspätete Arbeitsaufnahme bzw. eine vorzeitige Arbeitsbeendigung zu vermeiden. In einer Hausmitteilung vom 1. Februar 1985 erinnerte sie alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter daran, die mit dem Betriebsrat vereinbarte Arbeitsordnung gelte auch weiterhin. Ein Fehlverhalten könne von ihr nicht sanktionslos hingenommen werden. Mit einem weiteren Aushang im Betrieb vom 28. Juni 1985 betonte die Beklagte erneut, jeder Betriebsangehörige sei verpflichtet, die für ihn geltende Arbeitszeit und die Pausen einzuhalten. Die Arbeit sei pünktlich aufzunehmen. Künftige Verstöße gegen derartige Selbstverständlichkeiten könnten nicht mehr ohne arbeitsrechtliche Konsequenzen hingenommen werden.

Der Kläger erschien unstreitig häufig verspätet zur Arbeit und zog sich erst nach dem Stechen der Kontrolluhr um. Die Beklagte hatte ihm deswegen bereits mit Schreiben vom 29. Mai 1984 vorgeworfen, in den letzten drei Monaten an 27 Tagen erst nach Beginn der regelmäßigen Arbeitszeit gestempelt zu haben. Sie bat ihn dringend, künftig seine Arbeit pünktlich aufzunehmen. Mit Schreiben vom 8. August 1984 hatte sie weitere elf Verspätungen des Klägers im Monat Juli 1984 gerügt. Nach der Arbeitszeiterfassungskarte hatte der Kläger die Zeituhr jeweils eine bis zwei Minuten nach Arbeitsbeginn gestempelt. Diese Abmahnung gegenüber dem Kläger hatte sie mit Schreiben vom 21. September 1984 wegen sechs Verspätungen in der Zeit vom 1. August bis zum 14. September 1984 (um eine bis drei Minuten) wiederholt und den Kläger ferner darauf hingewiesen, an den übrigen Tagen habe er jeweils genau zum Arbeitsbeginn gestochen und sich erst danach umgekleidet, obwohl das Umkleiden nicht zur Arbeitszeit gehöre.

Mit Schreiben vom 9. September 1985 teilte die Beklagte dem Kläger folgendes mit:

"Vor Antritt ihrer Arbeitsunfähigkeit am 15.11.1984

sind Sie mehrfach ermahnt und abgemahnt worden,

Ihre Arbeit pünktlich aufzunehmen. Nach Wiederein-

tritt der Arbeitsfähigkeit im Mai 1985 hat sich an

Ihrem Fehlverhalten indessen nichts geändert.

So haben Sie Ihre Arbeit im Mai 1985 vier Male, im

Juni 1985 fünf Male, im Juli 1985 drei Male und im

August 1985 insgesamt 10 Male verspätet aufge-

nommen. ...

Wir sind nunmehr jedoch nicht länger bereit, dieses

Fehlverhalten hinzunehmen und weisen Sie daraufhin,

daß Sie im Wiederholungsfall mit der Kündigung

Ihres Arbeitsverhältnisses zu rechnen haben.

...."

Diese Abmahnung betraf Verspätungen bis zu vier Minuten sowie Tage, an denen der Kläger erst zum Arbeitsbeginn gestempelt hatte.

Schriftlich ermahnte die Beklagte den Kläger letztmalig am 17. Oktober 1985 wegen mehrfach verspäteter Arbeitsaufnahmen. In diesem Schreiben heißt es u.a.:

"....

Auch nach unserer Abmahnung vom 09. Sept. 1985 sind

Sie, mit Ausnahme Ihres Urlaubs vom 07.09. bis 29.09.

1985, erneut mehrfach verspätet an Ihrem Arbeits-

platz erschienen, um dort die Arbeit aufzunehmen.

Im einzelnen handelt es sich um folgende Daten:

2.9.85, 3.9.85, 5.9.85, 6.9.85, 1.10.85, 7.10.85,

8.10.85, 10.10.85, 11.10.85, 14.10.85 und 15.10.85.

Wie aus den Ihnen ausgehändigten maschinell

erstellten Arbeitszeiterfassungen ersichtlich,

haben Sie somit während eines jeweils angeführten

Zeitraums von insgesamt gut zwölf Monaten aktiver

Tätigkeit die Arbeit insgesamt 98 mal verspätet

aufgenommen und den Arbeitsplatz ohne Einhaltung

der Arbeitszeit 15 male vorzeitig verlassen.

Letztmalig fordern wir Sie auf, Ihre Arbeitszeit

am Arbeitsplatz künftig einzuhalten und weisen

unwiderruflich darauf hin, daß Sie im Wieder-

holungsfall nunmehr mit der Kündigung Ihres

Arbeitsverhältnisses zu rechnen haben."

Bei den angegebenen Verspätungen im September hatte der Kläger die Uhr an zwei Tagen erst mit Arbeitsbeginn um 6.30 Uhr und an weiteren zwei Tagen um 6.33 Uhr bedient. Im Oktober ging es um vier Tage, an denen der Kläger erst eine bis acht Minuten nach Beginn der Arbeitszeit gestempelt hatte und im übrigen um Tage, an denen er erst mit Arbeitsbeginn gestempelt hatte.

Aufgrund einer Betriebsvereinbarung gilt im Betrieb der Beklagten für den Lohnabzug in Fällen der Verspätung die Regelung, daß bei Verspätungen bis zu fünf Minuten kein Lohnabzug erfolgt, bei Verspätungen von sechs bis 20 Minuten der Lohn für 15 Minuten, bei Verspätungen von 21 bis 35 Minuten der Lohn für 30 Minuten und bei Verspätungen von 36 bis 50 Minuten der Lohn für 45 Minuten abgezogen wird. Auch dem Kläger ist teilweise der Lohn für 15 Minuten abgezogen worden, wenn er später als fünf Minuten nach Schichtbeginn gestempelt hatte.

Am 30. Oktober 1985 wurde der Kläger mündlich durch einen Geschäftsführer der Beklagten abgemahnt, nachdem er am 17., 24. und 28. Oktober jeweils eine bis acht Minuten nach Schichtbeginn und am 29. Oktober mit Schichtbeginn gestempelt hatte. Bei dieser mündlichen Abmahnung wurde dem Kläger für den Wiederholungsfall die außerordentliche Kündigung angedroht.

Am 7. November 1985 hat der Kläger drei Minuten und am 8. November 1985 eine Stunde und 26 Minuten nach Schichtbeginn die Zeituhr betätigt. Die Beklagte hat daraufhin ihren Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Klägers mit einer Auslauffrist zum 31. Dezember 1985 angehört. Der Betriebsrat hat der beabsichtigten Kündigung u.a. mit der Begründung widersprochen, mit dem Kläger sei eine einzelvertragliche Regelung zu treffen, die ihm eine Karenzzeit von plus/minus fünf Minuten einräume. Das erscheine möglich, weil offensichtlich auch mit anderen Arbeitnehmern einzelvertragliche Regelungen über Beginn und Ende der Arbeitszeit getroffen worden seien.

Ein vom Kläger am 26. Juni 1985 gestellter Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter, der der Beklagten bekannt war, ist vom Versorgungsamt abgelehnt worden. Der Kläger hat dagegen ebenfalls Widerspruch eingelegt. Die Klage des Klägers auf Anerkennung als Schwerbehinderter ist noch beim Sozialgericht Mannheim anhängig.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 15. November 1985, das dem Kläger am selben Tage zugegangen ist, dessen Arbeitsverhältnis "fristlos mit einer Auslauffrist zum 31. Dezember 1985" gekündigt.

Der Kläger hat zur Begründung seiner Kündigungsschutzklage vorgetragen, seine Arbeitszeit beginne grundsätzlich bereits mit dem Betreten des Betriebsgeländes. Gelegentliche Verspätungen seien bis 1984 toleriert worden. Erst ein neu eingesetzter Fertigungsleiter habe sein Verhalten beanstandet, obwohl betriebliche Schwierigkeiten durch die Verspätungen nicht eingetreten seien. Fehlzeiten zu Beginn der Schicht habe er zudem dadurch, daß er häufig nach Schichtende noch unbezahlte Mehrarbeit geleistet habe, mehr als ausgeglichen. Es sei bei der Beklagten üblich, sich erst nach dem Stechen umzuziehen. Für das Umziehen und den Weg zum Arbeitsplatz benötige er zudem allenfalls drei Minuten. Wie aus der Vereinbarung über die Kürzung des Lohnes folge, würden von der Beklagten Verspätungen bis zu fünf Minuten toleriert. Das solle auch ein Ausgleich dafür sein, daß die Beklagte für Mehrarbeit über das Schichtende hinaus keinen Lohn zusätzlich zahle. Die ihm erteilten Abmahnungen seien wirkungslos, weil sie ohne die in Abschnitt IX der Arbeitsordnung vorgesehene Beteiligung des Betriebsrates ausgesprochen worden seien. Außerdem habe die Beklagte zunächst die in der Arbeitsordnung vorgesehenen Ordnungsmaßnahmen ergreifen müssen, bevor sie das äußerste Mittel der außerordentlichen Kündigung habe wählen dürfen. Am 7. November 1985 sei ihm nicht nur für eine Stunde Arbeitsbefreiung gewährt worden, sondern der Meister habe seinem Hinweis entsprochen, er komme etwa eine Stunde später, könne aber noch nicht genau sagen, wann.

Der Kläger hat beantragt

1. festzustellen, daß die außerordentliche Kündigung

der Beklagten vom 15.11.1985 rechtsunwirksam

sei und daß das zwischen den Parteien bestehende

Arbeitsverhältnis über den 31.12.1985 hinaus zu

unveränderten Arbeitsbedingungen fortbestehe,

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als

Einrichter weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, aufgrund der Arbeitsordnung, der Betriebsvereinbarung, den Aushängen und den mehrfachen Abmahnungen sei der Kläger verpflichtet gewesen, die Stechuhr erst nach dem Umziehen unmittelbar vor Arbeitsbeginn zu bedienen. Er habe für den Weg von der Uhr über den Umkleideraum zum Arbeitsplatz nicht drei, sondern mindestens acht Minuten benötigt. Der Kläger habe auch im Anschluß an die Schicht nicht länger gearbeitet, er habe im Gegenteil an fünf Tagen verfrüht den Arbeitsplatz verlassen. Soweit sich aus den Zeiterfassungsbögen ein späteres Ende der Arbeitszeit ergebe, habe sich der Kläger, ohne Betriebsratstätigkeit auszuüben, im Betriebsratsbüro oder in den Umkleideräumen aufgehalten. Die Verspätungen des Klägers hätten nur deshalb nicht zu betrieblichen Schwierigkeiten geführt, weil jeweils entweder der Einrichter aus der Frühschicht oder ein Meister für ihn eingesprungen seien. Die Voraussetzungen des wichtigen Grundes seien schon dann erfüllt, wenn sich ein Arbeitnehmer trotz Abmahnung wiederholt verspäte. Es sei nicht erforderlich, daß auch andere Arbeitnehmer seinem Beispiel gefolgt seien und sich in gleicher Weise vertragswidrig verhalten hätten. Die 104 Verspätungen des Klägers seit Februar 1984 seien bereits für sich genommen geeignet, den Betriebsfrieden ernsthaft zu stören, ohne daß es für den konkreten Kündigungsfall auf den tatsächlichen Eintritt von Störungen ankomme. Die Annahme des Klägers, sein Verhalten werde nicht auf andere Kollegen übergreifen, sei darüber hinaus auch unzutreffend. Verschiedene Mitarbeiter hätten bereits gegenüber dem Fertigungsleiter erklärt, wenn der Kläger mit seinem Verhalten durchkomme, dann würden auch sie nur noch erscheinen, wenn sie dazu Lust hätten.

Der Kläger hat entgegnet, diese letztere Behauptung der Beklagten sei nicht erwiderungsfähig und werde ebenso pauschal bestritten, wie ihr Vortrag erfolgt sei. Die Beklagte möge "Roß und Reiter" nennen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Zur Begründung ihrer Berufung hat die Beklagte u.a. vorgetragen, der Kläger könne sich nicht darauf berufen, daß es durch seine permanenten Verspätungen zu keinen größeren Störungen im Produktionsablauf der Beklagten gekommen sei. Bereits die Tatsache der häufigen Verspätungen sei geeignet, den Betriebsfrieden erheblich zu stören und eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Sie habe zudem auch schon zu Vorhaltungen von Kollegen beim Fertigungsleiter geführt. Zum anderen dürfe es ihr nicht zum Nachteil gereichen, wenn sie in Kenntnis dieses durch den Kläger jederzeit aktuell gehaltenen Problems eine Organisation eingerichtet habe, die zwar den Eintritt von Produktionsstörungen bei Verspätungen ausschließe, das Klima am Arbeitsplatz unter den Kollegen aber verschlechtert habe.

In der Berufungsverhandlung ist hinsichtlich der Ablösung der Einrichter bei Schichtwechsel folgender Sachverhalt unstreitig geworden: Wenn die Einrichtung einer Maschine oder eines Werkzeuges in einer Schicht nicht abgeschlossen werden konnte, mußte früher entweder der Nachfolger vor Schichtbeginn kommen oder der andere Einrichter über Schichtende hinaus bleiben. Der Betriebsrat der Beklagten hatte deswegen verlangt, daß derjenige der beiden der Einrichtern, der vor oder über die Schicht hinaus arbeitete, eine zusätzliche Bezahlung erhalten sollte. Da das von der Geschäftsleitung der Beklagten abgelehnt wurde, ist nunmehr der Arbeitsablauf so geregelt worden, daß die Übergabe von Schicht zu Schicht durch den Meister vorgenommen wird. Für diesen zusätzlichen Einsatz erhalten die Meister eine Überstundenpauschale. Bei Schichtwechsel findet damit keine unmittelbare Übergabe zwischen dem Einrichter der Frühschicht und dem der anschließenden Spätschicht statt, wenn die Einrichtung noch nicht abgeschlossen oder wenn der Einrichter der Spätschicht bei Schichtbeginn noch nicht anwesend ist.

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Der Senat hat für die Beklagte die Revision durch Beschluß vom 16. Juli 1987 (- 2 AZN 238/87 -) zugelassen, weil hinsichtlich der Frage, ob bereits ein Verhalten des Arbeitnehmers, das an sich geeignet ist, den Betriebsfrieden zu stören, kündigungsrechtlich erheblich ist, eine Divergenz zwischen dem angefochtenen Urteil und der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 27. November 1984 (- 6 Sa 1949/74 - n.v.) besteht.

Mit der Revision verfolgt die Beklagte das Ziel der Klagabweisung weiter, während der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreites an das Landesarbeitsgericht.

I. Das Landesarbeitsgericht hat die außerordentliche Kündigung der Beklagten aus folgenden Gründen für unwirksam erachtet:

Die vielfachen kurzzeitigen Verspätungen des Klägers seien Vertragsverletzungen gewesen, weil durch die unter Beteiligung des Betriebsrates zustande gekommene Arbeitsordnung festgelegt worden sei, daß die Arbeitszeit am Arbeitsplatz beginne und ende. Diese Vertragsverletzungen seien Tatsachen, die an sich geeignet seien, einen Grund zur außerordentlichen Kündigung abzugeben. Sie rechtfertigen vorliegend trotz ihrer Vielzahl aber keine außerordentliche Kündigung, weil sie es der Beklagten nicht unzumutbar gemacht hätten, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen.

Da der Kläger nach seiner Tätigkeit im Betriebsrat als Ersatzmitglied den nachfolgenden Kündigungsschutz des § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG genieße, sei auf die Fortsetzung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist (d.h. bis zum 30. Juni 1986) abzustellen. Es sei der Beklagten nicht unzumutbar gewesen, das Arbeitsverhältnis bis zu diesem Zeitpunkt fortzusetzen.

Es fehle allerdings nicht an wirksamen Abmahnungen des Klägers, weil diese nicht mitbestimmungspflichtig seien. Die Zumutbarkeit hänge aber u.a. von dem Gewicht der Vertragsverletzung ab. Vorliegend habe die Hauptpflicht des Klägers unter seiner verspäteten Arbeitsaufnahme nicht gelitten. Durch die Einschaltung von Meistern beim Schichtwechsel werde der Betriebsablauf durch geringfügige Verspätungen des Nachfolgers nicht beeinträchtigt. Im übrigen habe die Beklagte auch nicht behauptet, daß der Kläger wegen seiner Verspätungen seine vertraglich geschuldete Hauptpflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt habe. Wenn die Arbeitspflicht nicht berührt sei, könne auch nicht auf Gesichtspunkte der Ordnung des Betriebes und des Betriebsfriedens verwiesen werden. Dabei handele es sich zwar um Organisationsregeln, deren Reflexwirkungen auch zu vertraglichen Verpflichtungen des Arbeitnehmers würden. Sie dienten aber ebenfalls allein dem Hauptzweck des Arbeitsverhältnisses, nämlich der Erfüllung der vertraglich übernommenen Verpflichtung zur Arbeitsleistung. Ihre Verletzung könne daher auch nur unter diesem Aspekt gesehen werden und nur ihre konkrete Beeinträchtigung sei deswegen von Belang, nicht aber ihre abstrakte Gefährdung.

Die Beklagte sei insoweit auch nicht ohne die Möglichkeit einer Gegenwehr, weil sie dem Kläger die nicht gearbeiteten Minuten, einschließlich derjenigen, die er mit Umziehen verwendet habe, vom Arbeitslohn abziehen könne.

Die Kündigung lasse sich auch nicht auf die Verspätung von etwa 1 1/2 Stunden am 8. November 1985 stützen, weil der Kläger unstreitig angekündigt gehabt habe, er werde später kommen. Streitig sei nur, ob ihm gestattet worden sei, länger als eine Stunde später zu erscheinen. Es handele sich hierbei also um einen Vorfall, der von seinem Inhalt und seiner Bedeutung her mit den sonstigen Verspätungen nicht identisch sei.

II. Diese Würdigung ist nicht frei von Rechtsfehlern.

1. Zutreffend ist zunächst der Ansatz des Landesarbeitsgerichts, Ersatzmitglieder des Betriebsrats, die stellvertretend für ein zeitweilig verhindertes ordentliches Betriebsratsmitglied dem Betriebsrat angehören und als Vertreter dessen Aufgaben wahrgenommen haben, stünden nach Beendigung des Vertretungsfalles grundsätzlich unter dem nachwirkenden Kündigungsschutz des § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG (BAG Urteil vom 6. September 1979 - 2 AZR 548/77 - AP Nr. 7 zu § 15 KSchG 1969). Wie das Landesarbeitsgericht ferner zutreffend angenommen hat, ist bei der Prüfung der Zumutbarkeit oder Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit einem Ersatzmitglied des Betriebsrates für die demgemäß im Nachwirkungszeitraum allein zulässige außerordentliche Kündigung auf die Frist abzustellen, die ohne den besonderen Kündigungsschutz bei einer ordentlichen Kündigung gelten würde (BAG Urteil vom 14. November 1984 - 7 AZR 474/83 - AP Nr. 83 zu § 626 BGB und BAG Beschluß vom 6. März 1986 - 2 ABR 15/86 - BAGE 51, 200, 212 = AP Nr. 19 zu § 15 KSchG 1969).

2. Das Berufungsgericht hat auch ohne Rechtsfehler alle dem Kläger angelasteten Verspätungen an sich als kündigungsrechtlich erheblich behandelt und nicht nur die Vorfälle, die innerhalb der Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB liegen.

Es kann insoweit dahingestellt bleiben, ob die länger als zwei Wochen bekannten, von der Beklagten mehrfach abgemahnten Verspätungen deswegen bei der Prüfung des wichtigen Grundes nach § 626 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen sind, weil es sich insoweit um Pflichtverletzungen handelt, die zu einem Gesamtverhalten zusammengefaßt werden können (vgl. BAG Urteil vom 17. August 1972 - 2 AZR 359/71 - BAGE 24, 383 = AP Nr. 4 zu § 626 BGB Ausschlußfrist), oder ob das deswegen möglich und geboten ist, weil es sich zwar um verfristete Kündigungsgründe handelt, diese aber jedenfalls mit den neueren Vorfällen in einem engen sachlichen und inneren Zusammenhang stehen (vgl. BAG Urteil vom 10. April 1975 - 2 AZR 113/74 - AP Nr. 7 zu § 626 BGB Ausschlußfrist). Nach beiden Betrachtungen kann auf die früheren Verspätungen zurückgegriffen werden, wobei es vorliegend unerheblich ist, ob sie teilweise als verfristete Gründe nur zur Unterstützung zu verwerten oder insgesamt als unverfristete Kündigungsgründe zu behandeln sind.

3. Nicht nur einer Klarstellung, sondern darüber hinaus einer Korrektur bedarf jedoch die Würdigung des Berufungsgerichts, die vielfachen Verspätungen des Klägers seien zwar Vertragsverletzungen, die an sich geeignet seien, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Sie machten aber der Beklagten deswegen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht unzumutbar, weil sie nicht gewichtig genug seien, indem die Hauptpflicht des Klägers unter der verspäteten Arbeitsaufnahme nicht gelitten habe. Diese Ausführungen lassen die erforderliche Abgrenzung zwischen der Prüfung, ob ein bestimmter Vorfall an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund i.S. des § 626 Abs. 1 BGB zu bilden und der erst bei Annahme dieser generellen Eignung vorzunehmenden Interessenabwägung vermissen (vgl. BAG Urteile vom 20. September 1984 - 2 AZR 633/82 - und vom 15. November 1984 - 2 AZR 613/83 - AP Nr. 80, 87 zu § 626 BGB).

a) Wenn durch die dem Kläger angelasteten Unpünktlichkeiten bis zum 7. November 1985 weder seine Arbeitspflicht "gelitten" hat noch der Betriebsablauf beeinträchtigt worden ist und die Verletzung von Organisationsregeln (Arbeitsordnung) nicht zu einer konkreten Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses geführt hat, dann wären die Unpünktlichkeiten des Klägers schon an sich ungeeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Wie der Senat bereits im Urteil vom 6. Februar 1969 (- 2 AZR 241/68 - AP Nr. 58 zu § 626 BGB) betont hat, liegt ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung nur dann vor, wenn es um das Verhalten eines Arbeitnehmers geht, durch das das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird. Diese nachteiligen Auswirkungen können sich auf den Leistungsbereich, den Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter (Betriebsordnung, Betriebsfrieden), den personalen Vertrauensbereich der Vertragspartner oder auf den Unternehmensbereich (Betriebsgefährdung) beziehen. Fehlt es an einer derartigen konkreten Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses, dann kann ein bestimmtes beanstandetes Verhalten des Arbeitnehmers keinen wichtigen Grund i. S. des § 626 Abs. 1 BGB bilden. Dieser Grundsatz ist in der weiteren Rechtsprechung der Kündigungssenate stets betont und näher ausgestaltet worden. Das gilt auch für das vorgenannte Urteil vom 15. November 1984 (aaO), in dem der Senat die bisherige Rechtsprechung dahin konkretisiert hat, nicht nur die generell möglichen, sondern auch die jeweils konkret eingetretenen betrieblichen oder wirtschaftlichen Auswirkungen einer bestimmten Störung des Arbeitsverhältnisses seien bereits Teile des vom Kündigenden darzulegenden und zu beweisenden Kündigungsgrundes und nicht erst bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen.

b) An diese Systematik hat sich das Landesarbeitsgericht nicht durchgängig gehalten. Seine Begründung läßt sich nicht allein aufgrund einer Klarstellung dahin auslegen, es sei letztlich doch von nachteiligen Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis durch die Verspätungen des Klägers ausgegangen und habe nur im Rahmen der Interessenabwägung deren Gewicht nicht für ausreichend erachtet. Dieser Interpretation steht seine eingehende Begründung entgegen, mit der es darzulegen versucht, weshalb der Kläger trotz seiner Verspätungen seine vertraglich geschuldete Hauptpflicht doch ordnungsgemäß erfüllt bzw. seine Hauptpflicht unter der verspäteten Arbeitsaufnahme nicht gelitten habe. Sachlich hat das Landesarbeitsgericht damit den von ihm selbst als Vertragsverletzungen gewerteten Verspätungen nicht nur ein zu geringes, sondern überhaupt kein im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB erhebliches Gewicht beigemessen.

4. Dieser Wertung folgt der Senat nicht.

a) Wie das Landesarbeitsgericht eingangs seiner Begründung zutreffend ausgeführt hat, hat der Kläger durch die zahlreichen Verspätungen bei Dienstantritt seine Arbeitspflicht an den Tagen verletzt, an denen er erst nach Schichtbeginn oder zum Schichtbeginn gestempelt hat und sich dann anschließend noch umziehen mußte, bevor er seinen Arbeitsplatz einnehmen konnte. Ohne ersichtlichen Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht angenommen, nach der Arbeitsordnung und der nach § 77 Abs. 5 BetrVG in Verbindung mit § 87 BetrVG fortgeltenden Betriebsvereinbarung vom 11. Juni 1979 beginne und ende die Arbeitszeit am Arbeitsplatz. Das folgt insbesondere aus dem ausdrücklichen Hinweis in der Betriebsvereinbarung, wonach das Stempeln nur in Arbeitskleidung erfolgen darf und aus der unbeanstandeten Konsequenz der Beklagten, eine Verspätung immer dann anzunehmen, wenn die Stempeluhr nicht wenigstens eine Minute vor Schichtbeginn betätigt wird.

b) Erscheint ein Arbeitnehmer ohne rechtfertigenden Grund überhaupt nicht oder verspätet zur Arbeit, dann erbringt er die von ihm geschuldete Arbeitsleistung teilweise nicht oder - sofern nachholbar - nicht zur rechten Zeit. Dies ist ein Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Verpflichtung, die Arbeit mit Beginn der betrieblichen Arbeitszeit aufzunehmen und sie im Rahmen der betrieblichen Arbeitszeit zu erbringen (vgl. BAG Urteil vom 13. März 1987 - 7 AZR 601/85 - AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung) oder während dieses Zeitraumes zur Zuweisung von oder zur Aufnahme der Arbeit zur Verfügung zu stehen. Diese zeitliche Fixierung der Arbeitspflicht, die kennzeichnend für Arbeitnehmer ist (vgl. MünchKomm-Söllner, BGB, 2. Aufl., § 611 Rz 18, 19; ders., AuR 1967, 353 ff.; Groß, EWiR § 611 BGB 1/88, S. 341; Fabricius, Leistungsstörungen im Arbeitsverhältnis, 1970, S. 98), wird vom Landesarbeitsgericht zu sehr vernachlässigt wenn es darauf hinweist, es seien zahlreiche Arbeitsverhältnisse vorstellbar, in denen es unerheblich sei, ob mit der Arbeit genau zeitgerecht oder einige Minuten später begonnen werde. Die geschuldete Erfüllung nach mittlerer Art und Güte (§ 243 BGB) leide darunter nicht und dann bedeute die Verspätung bei der Arbeitsaufnahme keine Verletzung der Arbeitspflicht. Qualität und Quantität der innerhalb der Arbeitszeit geschuldeten Arbeitsleistungen sind zudem nicht nach dem objektiven Maßstab des § 243 Abs. 1 BGB, sondern nach der individuellen Leistungsfähigkeit des jeweiligen Arbeitnehmers zu bestimmen (BAG Urteil vom 17. Juli 1970 - 3 AZR 423/69 - AP Nr. 3 zu § 11 MuSchG 1968, mit klarstellender Anmerkung zur Abgrenzung von Schlechtleistung und Nichtleistung von Fenn; MünchKomm-Söllner, aaO, Rz 20).

c) An einer Verletzung der Arbeitspflicht durch den Kläger fehlt es auch nicht wegen der bei der Beklagten üblichen Erledigung der Aufgaben der Einrichter durch die Einschaltung von Meistern, die die Übergabe von Schicht zu Schicht vornehmen. Da keine unmittelbare Übergabe zwischen dem Einrichter der abgelaufenen und dem Einrichter der beginnenden Schicht stattfindet (weil sonst entweder der Nachfolger vor Schichtbeginn kommen oder der andere über Schichtende hinaus bleiben müßte), werden die Meister zwar regelmäßig tätig, wenn die Einrichtung einer Maschine oder eines Werkzeuges in der abgelaufenen Schicht durch den Einrichter nicht abgeschlossen werden konnte. Wie das Landesarbeitsgericht jedoch nicht berücksichtigt hat, ergibt sich aus dem Vortrag der Parteien kein Anhaltspunkt dafür, daß der jeweilige Meister die weiteren Arbeiten des Einrichters in der laufenden Schicht auch dann noch fortsetzt, wenn der neue Einrichter am Arbeitsplatz erschienen ist. Die Dauer des Einsatzes der Meister hängt vielmehr insoweit davon ab, wann die Einrichter ihre Arbeit aufnehmen. Die Meister mußten damit beim unpünktlichen Erscheinen des Klägers für diesen zunächst auch die von ihm zu erbringenden Arbeitsleistungen verrichten, und zwar länger, als nach der betrieblichen Organisation notwendig war. Das Landesarbeitsgericht hat deswegen zu Unrecht den Vortrag der Beklagten vermißt, der Kläger habe wegen seiner Verspätungen seine vertraglich geschuldete Hauptpflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt. Zu der Annahme einer fehlenden Verletzung der Arbeitspflicht ist es nur deswegen gekommen, weil es zu Unrecht allein darauf abgestellt hat, ob auch eine konkrete Störung des Betriebsablaufs eingetreten ist. Das gilt auch für die vom Landesarbeitsgericht vermißten nachteiligen Auswirkungen der häufigen Unpünktlichkeiten des Klägers auf das Arbeitsverhältnis.

d) Da die Arbeitsleistung zumindest dann, wenn der Arbeitnehmer - wie vorliegend der Kläger - im Zeitlohn vergütet wird, zu einer fest bestimmten Zeit oder innerhalb eines bestimmten Zeitraumes geschuldet wird, ist sie in diesen Fällen eine Fixschuld nach § 361 BGB (Beuthien, ZfA 1972, 73 ff.; Fabricius, aaO). Ist sie in den einzelnen Arbeitsschichten bei geringfügigem Zuspätkommen noch nachholbar, dann gerät der Arbeitnehmer zunächst nur in Leistungsverzug, während die Erfüllung der Arbeitspflicht nachträglich (teilweise) objektiv unmöglich wird, wenn der Arbeitgeber die nicht zeitgerecht erbrachte Leistung von einem Ersatzmann ausführen läßt (Fabricius, aaO; Söllner, Grundriß des Arbeitsrechts, 9. Aufl., S. 255). Soweit die dem Kläger obliegenden Aufgaben wegen seiner Unpünktlichkeit von dem zur Überbrückung eingesetzten Meister erledigt werden mußten, handelt es sich um Fälle der nachträglichen teilweisen objektiven Unmöglichkeit, seine Arbeitspflicht im vertraglichen Umfang zu erfüllen. Das hat sich unmittelbar als Störung des Arbeitsverhältnisses im Leistungsbereich und als Beeinträchtigung des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung (Äquivalenzstörung) ausgewirkt. Nach § 323 Abs. 1 letzter Halbsatz in Verb. mit §§ 472 f. BGB entfällt der Lohnanspruch des Arbeitnehmers selbst im Falle einer von keiner Partei zu vertretenden teilweisen Unmöglichkeit der Arbeitsleistung in der Höhe, in der er eine quantitativ mindere Arbeitsleistung erbracht hat (Fenn, aaO). Die Minderung des Lohnes ist unabhängig davon gerechtfertigt, ob eine Minderung des insgesamt erwarteten Arbeitsergebnisses vorliegt (Groß, aaO; vgl. auch BGH Urteil vom 7. Dezember 1987 - II ZR 206/87 - WM 1988, 298). Das gilt nach § 325 Abs. 1 Satz 3 BGB auch dann, wenn die teilweise eintretende Unmöglichkeit der Erfüllung der Arbeitspflicht vom Arbeitnehmer zu vertreten ist. Davon ist vorliegend auszugehen, weil sich nach dem Vortrag des Klägers in den Tatsacheninstanzen kein Anlaß zur Prüfung ergibt, ob seine Verspätungen gerechtfertigt oder zumindest schuldlos gewesen sein könnten.

Ob die Fehlzeiten des Klägers sich über die Störung im Leistungsbereich hinaus auch noch konkret nachteilig auf den Betriebsablauf oder auf den Betriebsfrieden ausgewirkt haben (vgl. unten zu II 6 der Gründe), ist nicht für die Eignung als Kündigungsgrund, sondern für die im Rahmen der Interessenabwägung wesentlichen weiteren Auswirkungen der Pflichtverletzungen erheblich.

5. Keiner Klärung bedurfte es vorliegend, ob sich der Kläger wegen der Verletzung der Arbeitspflicht nach § 325 BGB schadenersatzpflichtig gemacht hat und ob die Beklagte deswegen von ihm verlangen könnte, ihr die an die Meister für die Überbrückung beim Schichtwechsel gezahlte Überstundenpauschale unter dem Gesichtspunkt der Vorhaltekosten (vgl. dazu BGHZ 70, 199, 200 ff., 202) teilweise zu ersetzen.

a) Durch die Einschaltung eines Meisters beim Schichtwechsel wird zwar eine Unterbrechung der Tätigkeit des Einrichters auch dann vermieden, wenn der Einrichter der folgenden Schicht seinen Dienst verspätet aufnimmt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wird der Meister aber nicht ausschließlich oder überwiegend deswegen eingesetzt, um Ausfälle zu überbrücken, die durch die Unpünktlichkeit des Klägers entstehen. Der Vortrag der Revision, der Meister nehme (nur) bei auftretenden Verspätungen des Schichtnachfolgers die Übergabe am Arbeitsplatz des Einrichters vor, geht über die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hinaus und ist als neuer Tatsachenvortrag für den Senat nicht verwertbar.

In den Tatsacheninstanzen hat die Beklagte nicht konkret dargelegt, ob und in welchem Umfang die Überstundenpauschale für die zur Überbrückung eingesetzten Meister auf die vom Kläger verursachten Ausfallzeiten umzurechnen ist. Sie hat sich vielmehr in der ersten Instanz auf den Vortrag beschränkt, beim Wechsel von der Vormittags- zur Nachmittagsschicht sei der Einrichter der Vormittagsschicht regelmäßig dageblieben, bis der Kläger am Arbeitsplatz erschienen sei. Es komme auch vor, daß der zuständige Meister den Einrichter nach Hause schicke und selbst z. B. Überwachungsarbeiten wahrnehme. Daraufhin hat das Arbeitsgericht festgestellt, die Arbeiten des Klägers würden während seiner Verspätungen vom Meister oder einem noch anwesenden Kollegen übernommen, ohne daß dadurch der Beklagten besondere Kosten entstanden seien. Diese Feststellung ist von der Beklagten im Berufungsverfahren nicht beanstandet worden und aufgrund der Berufungsverhandlung ist lediglich klargestellt worden, daß kein Kollege, sondern die mit einer Überstundenpauschale beschäftigten Meister nicht nur bei Verspätungen des Klägers, sondern stets die Übergabe zwischen den Einrichtern beim Schichtwechsel vornehmen. Der Vortrag der Beklagten bietet deswegen keine ausreichende Grundlage zur Prüfung, ob es neben der behandelten Störung im Leistungsbereich insoweit zu einer weiteren nachteiligen Auswirkung gekommen ist, die sich auch auf diesen Bereich bezieht oder als Maßnahme zur Vermeidung einer Störung im Betriebsablauf kündigungsrechtlich erheblich sein könnte.

b) Die Beklagte wird insoweit ihren Vortrag auch nicht nach Zurückverweisung des Rechtsstreites im erneuten Berufungsverfahren ergänzen können, weil es dann um das Nachschieben von Kündigungsgründen ginge, die sie bei der Anhörung nach § 102 BetrVG dem Betriebsrat nicht mitgeteilt hat. Wie sich aus dem Anhörungsschreiben der Beklagten vom 11. November 1985 und aus der Stellungnahme des Betriebsrates vom 14. November 1985 ergibt, hat die Beklagte den Betriebsrat nicht darauf hingewiesen, zu den nachteiligen Auswirkungen der häufigen Unpünktlichkeiten des Klägers gehöre zumindest anteilig auch die Zahlung von Überstundenpauschalen an die beim Schichtwechsel eingesetzten Meister. Da ein insoweit ergänzender Vortrag der Beklagten über eine Konkretisierung der im mitgeteilten Kündigungssachverhalt enthaltenen Störung im Leistungsbereich hinausgehen würde, könnte er wegen fehlender Unterrichtung des Betriebsrates nicht verwertet werden (BAGE 34, 309; 35, 190; 49, 39 = AP Nr. 22, 23, 39 zu § 102 BetrVG 1972).

6. Auch weitere kündigungsrechtlich erhebliche Störungen im Vertrauensbereich oder im Bereich der betrieblichen Verbundenheit hat die Beklagte nach der insoweit zutreffenden Würdigung des Landesarbeitsgerichts nicht dargelegt.

a) Wie das Landesarbeitsgericht nicht verkannt hat, ist dem Kläger neben der Verletzung der Arbeitspflicht ferner vorzuwerfen, durch seine Unpünktlichkeiten zugleich auch gegen die Vorschriften der Arbeitsordnung und der fortgeltenden Betriebsvereinbarung verstoßen zu haben. Wie die Revision zutreffend rügt, hat das Berufungsgericht bei der deswegen erforderlichen Prüfung, ob das Arbeitsverhältnis durch diese Pflichtverletzungen auch im Bereich der betrieblichen Verbundenheit gestört worden ist, eine mögliche Störung des Betriebsfriedens, verkürzt zwar allein in seinen Reflexwirkungen auf die Erfüllung der Arbeitspflicht, erörtert. Dem Berufungsgericht ist aber im Ergebnis darin zu folgen, daß die Beklagte insoweit eine konkrete Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses nicht substantiiert dargelegt hat.

b) Den Bereich der betrieblichen Verbundenheit hat der Senat im Urteil vom 6. Februar 1969 (aaO) auf die Betriebsordnung und den Betriebsfrieden bezogen. Diese beiden Begriffe sind geeignet, zwei unterschiedliche Aspekte der Störung im Bereich der betrieblichen Verbundenheit der Mitarbeiter zu umschreiben (Löwisch/Schönfeld, Anm. zu EzA § 626 BGB n.F. Nr. 86). Unter der "Betriebsordnung" sind nicht nur die Regelungen in einer Arbeitsordnung, sondern auch der äußere Ablauf der Arbeit im Betrieb zu verstehen. Der "Betriebsfrieden" bezieht sich auf das menschliche Zusammenleben der Arbeitnehmer im Betrieb (Löwisch/Schönfeld, aaO). Es geht insoweit nicht um einen von der Rechtsprechung zur Reglementierung der Arbeitnehmer im Betrieb entwickelten Begriff. Bereits der Gesetzgeber selbst hat vielmehr in mehreren Vorschriften des BetrVG die Notwendigkeit der Wahrung des Betriebsfriedens betont und bei deren Verletzung Sanktionen vorgesehen (vgl. §§ 74, 79 Abs. 2 Nr. 6, 104 BetrVG). Der Senat hat im Urteil vom 9. Dezember 1982 (BAGE 41, 150 = AP Nr. 73 zu § 626 BGB = EzA § 626 BGB n.F. Nr. 86) ausgeführt, der Betriebsfrieden werde von der Summe aller derjenigen Faktoren bestimmt, die - unter Einschluß des Betriebsinhabers - das Zusammenleben und Zusammenwirken der in einem Betrieb tätigen Betriebsangehörigen ermöglichten, erleichterten oder auch nur erträglich machten.

c) Der Senat hält nach Überprüfung an der Unterscheidung zwischen den Bereichen Arbeitsordnung und Betriebsfrieden fest, weil es sich um Teilaspekte der betrieblichen Verbundenheit handelt, die jeweils isoliert voneinander gestört werden können. So ist es denkbar, daß bei einer von einem Arbeitnehmer ausgelösten politischen Diskussion alle Arbeitnehmer übereinstimmen, der Betriebsfrieden also nicht tangiert, gleichwohl aber der Arbeitsablauf gestört sein kann, wenn die Arbeit zeitweise eingestellt oder Arbeitnehmer in ihrer Arbeitsleistung beeinträchtigt werden. Andererseits kann ohne Störung des technischen Arbeitsablaufs das menschliche Zusammenleben im Betrieb durch eine provokative Betätigung von Arbeitnehmern erheblich gestört werden, wenn es z.B. deswegen zu heftigen Auseinandersetzungen in den Pausen kommt (vgl. Löwisch/Schönfeld, aaO).

Der Senat sieht auch keinen Anlaß, den Bedenken von Roemheld (SAE 1984, 162 f.) zu folgen und den Begriff des Betriebsfriedens durch den des "Betriebsablaufes" zu ersetzen. Das führt nicht bereits zu einer besseren Systematik und Praktikabilität, weil Roemheld den "Betriebsablauf" nicht nur auf den Produktionsablauf, sondern auf objektiv feststellbare Störungen des "normalen Betriebsablaufs" bezieht, wodurch auch Störungen des Betriebsfriedens i. S. der bisherigen Rechtsprechung einbezogen werden.

d) Wegen der Divergenz, die zur Zulassung der Revision geführt hat, ist vom Senat abschließend zu entscheiden, ob eine "abstrakte" oder eine "konkrete Gefährdung" der Betriebsordnung oder des Betriebsfriedens als kündigungsrechtlich erhebliche Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses ausreicht, oder ob das Verhalten eines Arbeitnehmers zu einer konkreten Störung der Betriebsordnung oder des Betriebsfriedens geführt haben muß.

aa) Der Senat hat es im Urteil vom 9. Dezember 1982 (aaO) offen gelassen, ob eine "Gefährdung" des Betriebsfriedens ausreicht, obwohl in der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bereits geklärt war, daß jedenfalls eine mögliche "abstrakte Gefährdung" insoweit nicht ausreicht (vgl. die Rechtsprechungsnachweise bei KR-Hillebrecht, 2. Aufl., § 626 BGB Rz 93). Unklar ist aufgrund des Urteils des Ersten Senats vom 13. Januar 1956 (BAGE 2, 266 = AP Nr. 4 zu § 13 KSchG) und des Urteils des erkennenden Senats vom 26. Mai 1977 (BAGE 29, 195 = AP Nr. 5 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) allerdings noch, ob eine sog. "konkrete Gefährdung" des Betriebsfriedens aufgrund einer tatsächlichen Vermutung oder einer Besorgnis ausreicht, eine bestimmte Aktion sei erfahrungsgemäß geeignet, Störungen im Bereich der betrieblichen Verbundenheit auszulösen.

bb) Das hält der Senat deswegen nicht für ausreichend, weil eine Unterscheidung zwischen einer abstrakten und einer konkreten Gefährdung zu unklar und theoretisch und praktisch nicht durchführbar ist. Bei dieser Betrachtung bleibt zweifelhaft, auf wessen Erfahrung es ankommen soll und welche Rechtsfolgen dann eintreten, wenn die Störung entgegen der Erfahrung ausbleibt (so zutreffend Weber, Anm. zu BAG AP Nr. 5 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht; KR-Hillebrecht, aaO, § 626 BGB Rz 93). Wenn schon die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit einer Störung des Betriebsfriedens oder der Betriebsordnung als konkrete Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses anzusehen wäre, dann würden Unwägbarkeiten und voreilige Annahmen zu Streitpunkten gemacht und subjektive Elemente eines Sachverhaltes zu entscheidungserheblichen Kriterien erhoben werden (so zutreffend Roemheld, aaO). Ebenso wie bei Störungen in anderen Bereichen bedarf es deswegen auch hinsichtlich des Betriebsfriedens und der Betriebsordnung einer konkreten Beeinträchtigung des Betriebsablaufes in den Beziehungen der Betriebsangehörigen (Löwisch/Schönfeld, aaO; Kissel, NzA 1988, 145, 151 f.; Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen, München 1987, S. 229, 471).

e) Bei Anwendung dieser Grundsätze hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend einen hinreichenden Vortrag der Beklagten für eine Störung im Bereich der betrieblichen Verbundenheit vermißt.

aa) Durch die Einschaltung der Meister beim Schichtwechsel wird eine Unterbrechung der Tätigkeit der Einrichter und damit eine Störung des Betriebsablaufes auch dann vermieden, wenn der Einrichter der folgenden Schicht seinen Dienst verspätet aufnimmt.

bb) Das Landesarbeitsgericht hat allerdings hinsichtlich der Störung des Betriebsfriedens den Vortrag der Beklagten nicht berücksichtigt, bereits mehrere Mitarbeiter hätten an den häufigen Verspätungen des Klägers Anstoß genommen und gegenüber dem Fertigungsleiter erklärt, wenn der Kläger mit seinem Fehlverhalten durchkomme, würden auch sie künftig nur noch dann zur Arbeit kommen, wenn sie dazu Lust hätten. Darin liegt jedoch kein Rechtsfehler, auf dem das angefochtene Urteil beruht, weil der Vortrag der Beklagten insoweit zu unsubstantiiert ist. Sie hat weder angegeben, wann andere Arbeitskollegen sich beschwert haben noch mitgeteilt, um welche Mitarbeiter es sich dabei gehandelt haben soll. Eine Zeitangabe war insoweit erforderlich, weil die Beklagte sich erst auf den mehrfachen Hinweis des Klägers, seine Verspätungen seien folgenlos geblieben, erstmals im Schriftsatz vom 13. Februar 1986 auf Beanstandungen durch andere Arbeitnehmer berufen hat. Wie vom Kläger ausdrücklich in den Vorinstanzen beanstandet worden ist, hätte die Beklagte sich auch nicht darauf beschränken dürfen, unbestimmt auf "verschiedene Mitarbeiter" zu verweisen, weil der Kläger zu dieser pauschalen Behauptung nicht substantiiert Stellung nehmen konnte. Der Antrag der Beklagten, den Fertigungsleiter zu ihrem Vortrag zu vernehmen, war demgemäß auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis gerichtet.

Diesen Vortrag der Beklagten konnte das Berufungsgericht zudem auch deswegen nicht verwerten, weil er nach dem Anhörungsschreiben nicht Gegenstand der Anhörung des Betriebsrates nach § 102 BetrVG gewesen ist. Wenn dem Betriebsrat der Unmut anderer Arbeitnehmer über das Verhalten des Klägers mitgeteilt worden wäre, hätte er der Beklagten nicht den Vorschlag unterbreiten können, dem Kläger wegen seiner Verspätungen eine Karenzzeit einzuräumen.

7. Der kündigungsrechtlich erhebliche oder verwertbare Vortrag der Beklagten zur Unpünktlichkeit des Klägers beschränkt sich damit zwar auf den Vorwurf, der Kläger habe seit Februar 1984 an 104 Tagen bei Schichtbeginn verspätet die Arbeit aufgenommen, dadurch seine Arbeitspflicht verletzt und das Arbeitsverhältnis im Leistungs- und Austauschbereich nachhaltig gestört. Dieser Kündigungssachverhalt ist aber deswegen an sich geeignet, der Beklagten einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB zu geben, weil das beanstandete Verhalten des Klägers als beharrliche Verletzung der Arbeitspflicht zu werten ist.

a) Wenn ein Arbeitnehmer häufig zu spät zur Arbeit erscheint und damit seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis verletzt, kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis in der Regel nur durch eine ordentliche Kündigung lösen (KR-Becker, 2. Aufl., § 1 KSchG Rz 254; BAG Urteil vom 13. März 1987 - 7 AZR 601/86 - AP, aaO; LAG Düsseldorf Urteil vom 8. Januar 1980, BB 1980, 526). Eine außerordentliche Kündigung aus diesem Grunde kommt ausnahmsweise allerdings dann in Betracht, wenn die Unpünktlichkeit des Arbeitnehmers den Grad und die Auswirkung einer beharrlichen Verletzung (Verweigerung) seiner Arbeitspflicht erreicht hat (vgl. Trappe, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 2. Aufl., S. 274 ff. mit Übersicht über die Rechtsprechung der Instanzgerichte; Stahlhacke, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 4. Aufl., Rz 385 bis 387; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl., Bd. I S. 601; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 6. Aufl., S. 865; LAG Düsseldorf, DB 1975, 156). Die in den aufgehobenen Vorschriften der §§ 123 Abs. 1 Nr. 3 GewO und 72 Abs. 1 Nr. 2 HGB genannten Beispiele für wichtige Gründe sind nach wie vor auch im Regelungsbereich des § 626 BGB aufschlußreiche Hinweise dafür, welche typischen Sachverhalte an sich geeignet sind, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung zu bilden (BAG Urteil vom 15. November 1984 - 2 AZR 613/83 - AP, aaO).

Eine beharrliche Verletzung der Pflichten aus dem Arbeitsvertrag liegt nach der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 123 GewO insbesondere dann vor, wenn eine Pflichtverletzung trotz Abmahnung wiederholt begangen wird und sich daraus der nachhaltige Wille der vertragswidrig handelnden Partei ergibt, den arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommen zu wollen (vgl. BAG Urteil vom 12. Januar 1956 - 2 AZR 117/54 - AP Nr. 5 zu § 123 GewO; Stahlhacke, aaO, Rz 385).

b) Diese Voraussetzungen für eine beharrliche Verletzung der Arbeitspflicht durch den Kläger sind hinsichtlich seiner Unpünktlichkeiten nach dem Vortrag der Beklagten erfüllt. Der Kläger hat danach nicht nur gelegentlich, sondern in der Zeit von Februar 1984 bis zum Ausspruch der Kündigung häufiger erst mit Schichtbeginn oder ein bis drei Minuten später, gelegentlich auch noch später, die Stechuhr betätigt. Die ihm von der Beklagten erteilten sechs mündlichen oder schriftlichen konkreten Abmahnungen sind erfolglos geblieben, obwohl sie teilweise mit der Androhung der fristlosen Kündigung verbunden waren. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, sind die Abmahnungen wirksam, weil sie nicht als Sanktionen nach der Betriebsordnung, sondern in Wahrnehmung der Gläubigerrechte der Beklagten ausgesprochen worden sind und deswegen nicht der Mitbestimmung durch den Betriebsrat unterlagen (BAG Urteil vom 30. Januar 1979 - 1 AZR 342/76 - AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Betriebsbuße).

8. Es bedarf daher noch einer umfassenden Interessenabwägung, ob die beharrlichen Verletzungen der Arbeitspflicht durch den Kläger der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar gemacht haben.

Da das Landesarbeitsgericht nur eine unvollständige und fehlerhafte Interessenabwägung vorgenommen hat, konnte diese vom Senat nicht nachgeholt oder ergänzt werden, ohne den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum an sich zu ziehen.

Sachlich ein Element der Interessenabwägung enthalten nur die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte sei wegen der Unpünktlichkeiten des Klägers nicht ohne Möglichkeit einer Gegenwehr, weil sie ihm die nicht gearbeiteten Minuten vom Arbeitslohn abziehen könne. Soweit das Landesarbeitsgericht damit zum Ausdruck bringen wollte, nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei die mögliche Lohnkürzung gegenüber der ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung die gebotene mildere Maßnahme, dann trägt diese an sich berechtigte Überlegung unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falles nicht. Wie der Kläger selbst eingeräumt hat, ist ihm für Verspätungen teilweise bereits der Lohn für 15 Minuten abgezogen worden, wenn er später als fünf Minuten nach Schichtbeginn die Zeituhr bedient hatte. Auch diese Lohnkürzungen haben den Kläger jedoch nicht dazu bewegen können, künftig pünktlich zum Dienstbeginn zu erscheinen. Bei Verspätungen bis zu fünf Minuten ist die Beklagte zudem nach der Betriebsvereinbarung nicht berechtigt, den Lohn zu kürzen. Auch in diesen Fällen, die beim Kläger häufiger vorgekommen sind, ist es der Beklagten aber nicht zuzumuten, ständige Störungen des Austauschverhältnisses trotz vergeblicher Abmahnungen sanktionslos hinzunehmen.

9. Einer Zurückverweisung des Rechtsstreites bedarf es auch deswegen, weil die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts noch auf einem weiteren Rechtsfehler beruht. Hinsichtlich der dem Kläger vorgeworfenen letzten Verspätung um 26 Minuten am 8. November 1985 hat das Landesarbeitsgericht zu pauschal und deswegen revisionsrechtlich nicht nachprüfbar ausgeführt, darauf lasse sich die Kündigung nicht stützen, weil es sich um einen Vorfall handele, der von seinem Inhalt und seiner Bedeutung her mit den sonstigen Verspätungen nicht identisch sei.

Diese Begründung läßt nicht hinreichend deutlich erkennen, ob das Landesarbeitsgericht die letzte behauptete Verspätung für unerheblich erachtet hat, weil es insoweit eine weitere vorherige vergebliche Abmahnung vermißt hat, ob die Überziehung einer Beurlaubung für eine Stunde um 26 Minuten nicht geeignet sein soll, einen wichtigen Grund zu bilden oder ob das Landesarbeitsgericht eine solche Verspätung nicht für gewichtig genug gehalten hat.

III. Für die weitere Behandlung der Sache durch das Landesarbeitsgericht hält der Senat folgende Hinweise für angezeigt:

1. Hinsichtlich der Verspätungen zum Schichtbeginn bis zum 7. November 1985 wird das Landesarbeitsgericht auch zu prüfen haben, ob die Beklagte nicht nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darauf zu verweisen ist, sich statt der außerordentlichen Kündigung mit einer der in der Arbeitsordnung geregelten Maßnahmen bei Zuwiderhandlungen (mündliche Verwarnung durch die Betriebsleitung, schriftlichen Verweis durch den Vorstand oder Auferlegung von Geldbußen) hätte begnügen können und müssen (vgl. KR-Wolf, 2. Aufl., Grunds. Rz 224; KR-Hillebrecht, aaO, § 626 BGB Rz 190, 191). Insoweit bedarf es zunächst der tatrichterlichen Würdigung, ob die Betriebsbußen eine ausreichende Reaktion auf die beharrliche "Verletzung" der Arbeitspflicht und der Betriebsordnung darstellen. Mit Rücksicht auf die Vielzahl der Vertragsverletzungen kann ihnen dabei nicht allein wegen der relativ kurzen Dauer der einzelnen Verspätungen ein nur geringes Gewicht beigemessen werden.

Das wäre nur dann anzunehmen, wenn der gegebenenfalls klärungsbedürftige Vortrag des Klägers zutrifft, er habe seine Verspätungen vielfach dadurch wieder ausgeglichen, daß er über Schichtschluß hinaus ohne zusätzliche Vergütung weiter gearbeitet habe (vgl. insoweit BAG Urteil vom 25. Juli 1957 - 2 AZR 93/56 - BAGE 4, 326 = AP Nr. 1 zu § 4 AZO = BB 1957, 1220).

2. Wenn die zahlreichen kurzfristigen Verspätungen die außerordentliche Kündigung nach erneuter Überprüfung durch das Berufungsgericht nicht rechtfertigen sollten, wird es sich eingehender mit dem Vorfall vom 8. November 1985 zu befassen und zu prüfen haben, ob die Kündigungsgründe in ihrer Gesamtheit das Arbeitsverhältnis unzumutbar belasten (vgl. KR-Hillebrecht, aaO, § 626 BGB Rz 185 f.).

Auf eine fehlende Abmahnung wird das Landesarbeitsgericht hinsichtlich der Verspätung am 8. November 1985 nicht abstellen können. Die letzte Verspätung des Klägers vor Ausspruch der Kündigung unterscheidet sich zwar in ihrem äußeren Verlauf von den früheren Unpünktlichkeiten, indem er sich nicht zu Schichtbeginn verspätet, sondern einen ihm gestatteten späteren Dienstantritt nach dem Vortrag der Beklagten nicht unerheblich überzogen hat. Dieses Verhalten kann aber gleichwohl ebenfalls auf den Tatbestand der "Unpünktlichkeit" zurückgeführt werden, wegen der der Kläger mehrfach vergeblich abgemahnt worden ist. Dem Kläger konnte und mußte aufgrund der vorgehenden Abmahnungen klar sein, daß die Beklagte auch eine Unpünktlichkeit in dieser Form nicht dulden und nicht sanktionslos hinnehmen werde. Besonderes Gewicht kann dieser Kündigungsgrund dann haben, wenn der Kläger die ihm wegen der letzten Verspätung gemachten Vorhaltungen mit dem Hinweis zurückgewiesen haben sollte, er sei "kein Sklave des Betriebes".

Hillebrecht - zugleich Triebfürst

für den durch Urlaub an

der Unterschrift verhinderten

Richter Ascheid

Weyers Strümper

 

Fundstellen

Haufe-Index 438071

BAGE 58, 37-58 (LT1-3)

BAGE, 37

BB 1989, 289-292 (LT1-3)

DB 1989, 329-331 (LT1-3)

NJW 1989, 546

NJW 1989, 546-549 (LT1-3)

EBE/BAG 1988, 10-15 (LT1-3)

BetrVG, (1) (LT1-3)

EWiR 1989, 139-139 (L1-3)

Gewerkschafter 1989, Nr 7, 39-39 (T)

NZA 1989, 261-264 (LT1-3)

RdA 1988, 380

RzK, I 6a 40 (LT1-3)

SAE 1989, 186-192 (LT1-3)

ZIP 1989, 725

ZIP 1989, 725-733 (LT1-3)

ZTR 1989, 77-79 (LT1-3)

AP § 626 BGB (LT1-3), Nr 99

EzA § 626 nF BGB, Nr 116 (LT1-3)

EzBAT § 54 BAT, Nr 26 (LT1-3)

MDR 1989, 289-290 (LT1-3)

ZfPR 1989, 78 (L)

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