Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifliche Urlaubsabgeltung

 

Normenkette

BUrlG § 7 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Urteil vom 05.05.1993; Aktenzeichen 8 Sa 95/92)

ArbG Hamburg (Urteil vom 30.09.1992; Aktenzeichen 7 Ca 187/92)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 5. Mai 1993 – 8 Sa 95/92 – aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 30. September 1992 – 7 Ca 187/92 – zurückgewiesen.

Auf die Anschlußberufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 30. September 1992 – 7 Ca 187/92 – abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Abgeltung des Urlaubs für die Jahre 1991 und 1992 sowie die Zahlung des zusätzlichen tariflichen Urlaubsgelds.

Der im Jahre 1930 geborene Kläger wurde seit 1959 von der Beklagten in deren Bautischlerei als Tischler beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete nach Bewilligung der Erwerbsunfähigkeitsrente mit Ablauf des Monats Februar 1992. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger bereits seit einem Jahr ununterbrochen infolge Krankheit arbeitsunfähig. Am 31. März 1992 machte der Kläger gegenüber der Beklagten die Abgeltung von 30 Tagen Urlaub aus dem Jahre 1991 und fünf Tagen Urlaub aus dem Jahr 1992 einschließlich des zusätzlichen tariflichen Urlaubsgelds in Höhe von insgesamt 9.117,15 DM geltend.

Auf das Arbeitsverhältnis war kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit der Manteltarifvertrag für das holz- und kunststoffverarbeitende Handwerk im nordwestdeutschen Raum der Bundesrepublik Deutschland für Arbeiter und Angestellte vom 24. Mai 1991 (MTV) anzuwenden. Dort ist u.a. geregelt:

„99. Der Urlaubsanspruch erlischt am 31. März des folgenden Kalenderjahres, es sei denn, daß er vorher schriftlich geltend gemacht wurde.

100. Ein beim Ausscheiden aus dem Betrieb fälliger Urlaubsanspruch ist möglichst während der Kündigungsfrist zu erfüllen. Lassen die Dauer der Kündigungsfrist, eine fristlose Entlassung, Arbeitsunfähigkeit oder die betrieblichen Verhältnisse dies nicht zu, so ist der Urlaub abzugelten.

Zusätzliches Urlaubsgeld

109. Jeder Arbeitnehmer hat neben seinem Urlaubsentgelt Anspruch auf Zahlung eines zusätzlichen Urlaubsgeldes. Das Urlaubsgeld beträgt

bis einschließlich 1991

50 % des Urlaubsentgelts,

ab 1992

53 % des Urlaubsentgelts,

110. Der Anspruch auf das zusätzliche Urlaubsgeld entsteht gleichzeitig mit dem Urlaubsanspruch. …

113. Wird dem Arbeitnehmer auf seinen Wunsch an Stelle der Gewährung von Urlaub der über den gesetzlichen Urlaubsanspruch hinausgehende Urlaub in Geld abgegolten, so entfällt der Anspruch auf zusätzliches Urlaubsgeld für den abgegoltenen Teil des Urlaubs.

…”

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.117,15 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 14. Mai 1992 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich des Anspruchs auf anteiligen Urlaub für 1992 stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers und unter Zurückweisung der Anschlußberufung der Beklagten die Beklagte verurteilt, an den Kläger die Urlaubsabgeltung für 1991 einschließlich zusätzlichen tariflichen Urlaubsgelds zu zahlen.

Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage. Der Kläger bittet um Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Revision ist begründet. Der Kläger hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung und/oder auf zusätzliches tarifliches Urlaubsgeld für die Jahre 1991 und 1992.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung für 1991.

Zwar ist die tarifliche Ausschlußfrist nach Nr. 99 MTV 1991 gewahrt, der nach Nr. 100 Satz 2 MTV 1991 mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 29. Februar 1992 entstandene Anspruch auf Abgeltung des noch nicht erteilten Urlaubs 1991 ist dennoch untergegangen. Dieser Anspruch ist erloschen, weil wegen der fortdauernden Arbeitsunfähigkeit des Klägers auch im Übertragungszeitraum des folgenden Kalenderjahres der durch den Abgeltungsanspruch ersetzte Urlaubsanspruch nicht hätte erfüllt werden können und die Tarifvertragsparteien keine von der gesetzlichen Regelung des § 7 Abs. 4 BUrlG abweichende Abfindung vereinbart haben.

a) Das Landesarbeitsgericht ist zunächst von der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ausgegangen, wonach der gesetzliche Abgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BurlG nicht als Abfindung, sondern nur als Ersatz für den wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erfüllbaren Anspruch auf Befreiung von der Arbeitspflicht besteht. Sein Fortbestand setzt voraus, daß der ursprüngliche Anspruch auf Freistellung von der Arbeitspflicht noch erfüllt werden könnte, wenn das Arbeitsverhältnis noch weiter bestanden hätte (zuletzt Senatsurteile vom 7. Dezember 1993 – 9 AZR 683/92 – AP Nr. 15 zu § 7 BurlG, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; und 9. August 1994 – 9 AZR 346/92 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Das Landesarbeitsgericht hat aber aus der Aufnahme des Merkmals „Arbeitsunfähigkeit” als Voraussetzung für die Abgeltung in Nr. 100 MTV 1991 abgeleitet, daß die Tarifvertragsparteien in Abweichung von der gesetzlichen Regelung auf die Arbeitsfähigkeit als Voraussetzung für die Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs zulässigerweise verzichtet haben. Für dieses Auslegungsergebnis hat sich das Landesarbeitsgericht auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in dem Urteil vom 22. Juni 1989 (– 8 AZR 172/99 – AP Nr. 50 zu § 7 BUrlG) berufen.

b) Dieser Auslegung kann nicht gefolgt werden. Der für das Urlaubsrecht allein zuständige erkennende Senat hat die vom Landesarbeitsgericht angezogene Auffassung des Achten Senats inzwischen aufgegeben. Ohne eindeutige Anhaltspunkte für einen entsprechenden Willen der Tarifvertragsparteien kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, daß arbeitsunfähig ausscheidende Arbeitnehmer bessergestellt werden sollen als die im Arbeitsverhältnis verbleibenden arbeitsunfähigen Arbeitnehmer (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 9. August 1994 – 9 AZR 346/92 – zur Veröffentlichung vorgesehen).

c) Durch die Aufnahme des Merkmals „Arbeitsunfähigkeit” in Nr. 100 Satz 2 MTV 1991 ist lediglich klargestellt, daß der Abgeltungsanspruch nicht ausgeschlossen sein soll, wenn wegen Arbeitsunfähigkeit in der Kündigungsfrist der Arbeitnehmer gehindert ist, den nach Nr. 100 Satz 1 MTV 1991 vorrangigen Urlaub in Anspruch zu nehmen. Dies hat der Senat bereits für die inhaltlich identische Regelung in Nr. 101 des durch den MTV 1991 abgelösten MTV vom 19. April 1986 festgestellt (vgl. Urteil vom 9. August 1994 – 9 AZR 346/92 –, a.a.O.). Sofern die Tarifvertragsparteien die Urlaubsabgeltung unabhängig von einer Arbeitsunfähigkeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne einer Abfindung regeln wollten, hätten sie insoweit eine eindeutige Regelung treffen müssen (vgl. bereits zu Nr. 86 Satz 2 des MTV vom 28. Februar 1983 Senatsurteil vom 26. Mai 1992 – 9 AZR 172/91 – AP Nr. 58 zu § 7 BUrlG Abgeltung). Dies ist hier nicht geschehen.

d) Gegen diese Auslegung spricht auch nicht die in Nr. 113 MTV 1991 von den Tarifvertragsparteien geregelte Möglichkeit, den über den gesetzlichen Urlaubsanspruch hinausgehenden Urlaub auf Wunsch des Arbeitnehmers anstelle der Gewährung in Geld abzugelten. Es fehlt insoweit an einem Anspruch des Arbeitnehmers. Die Tarifvertragsparteien setzen lediglich voraus, daß eine Abgeltung auf Wunsch des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber praktiziert wird. Dafür, daß gegen den Willen des Arbeitgebers eine Abgeltung stattzufinden hat, ist kein Anhaltspunkt ersichtlich.

2. Dem Kläger steht auch kein Urlaubsabgeltungsanspruch aus dem Jahr 1992 mehr zu.

Da Nr. 100 MTV 1991 keine tarifliche Abfindungsregelung enthält und der Kläger auch bis zum 31. März des folgenden Kalenderjahres, das war der 31. März 1993, seine Arbeitsfähigkeit nicht wiedererlangt hat, ist der Abgeltungs- ebenso wie ein Urlaubsanspruch für 1992 nach Nr. 99 MTV 1991 erloschen.

3. Der Kläger hat schließlich keinen Anspruch auf zusätzliches tarifliches Urlaubsgeld. Nach Nr. 109 MTV 1991 hat der Arbeitnehmer nur „neben seinem Urlaubsentgelt Anspruch auf Zahlung eines zusätzlichen Urlaubsgeldes”. Besteht kein Anspruch auf Urlaubsentgelt oder Urlaubsabgeltung, so soll nach dem Willen der Tarifvertragsparteien auch kein Anspruch auf zusätzliches Urlaubsgeld bestehen. Diese Akzessorietät verdeutlicht Nr. 110 Satz 1 MTV 1991.

II. Der vollständig unterlegene Kläger hat nach § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Unterschriften

Leinemann, Dörner, Düwell, Weiss, Volpp

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1073611

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