Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung eines Hochschullehrers nach Einigungsvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine nicht durch den Geschäftsverteilungsplan des Landesarbeitsgerichts abstrakt-generell vorgesehene erneute Heranziehung derselben ehrenamtlichen Richter zu einem Fortsetzungstermin stellt eine Abweichung von § 39 ArbGG dar und kann einen absoluten Revisionsgrund im Sinne von § 551 Nr. 1 ZPO begründen (Fortführung von BAG Urteil vom 19. Juni 1973 – 1 AZR 521/72 – AP Nr. 47 zu Art. 9 GG Arbeitskampf).

2. Der Anwendungsbereich von § 52 des Vorläufigen Thüringer Hochschulgesetzes vom 14. Mai 1991 (GVBl. 1991 S. 79) ist mit dem Außerkrafttreten der §§ 62 ff. AGB-DDR am 31. Dezember 1991 entfallen. Demzufolge können im Freistaat Thüringen seit dem 1. Januar 1992 Hochschullehrer nicht mehr arbeitsrechtlich abberufen werden.

3. Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 15 Buchst. c Einigungsvertrag steht dem Erlaß einzelner personalvertretungsrechtlicher Regelungen durch den Landesgesetzgeber nicht entgegen. § 130 a Abs. 2 Satz 3 des Vorläufigen Thüringer Hochschulgesetzes in der Fassung des Gesetzes vom 27. Februar 1992 (GVBl. S. 73) ist wirksam.

4. Die durch einen zulässigen Auflösungsantrag des Arbeitgebers nach § 9 KSchG begründete Ungewißheit über den Ausgang des Kündigungsprozesses begründet ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers für die Dauer des Kündigungsprozesses im Sinne der Entscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Februar 1985 (– GS 1/84 – AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht).

 

Normenkette

KSchG §§ 1, 9, 14; AGB-DDR 1977 § 62 ff.; BGB § 611; ZPO § 551 Nr. 1; GG Art. 5 Abs. 1, Art. 101 Abs. 1 S. 2; ArbGG § 39

 

Verfahrensgang

Thüringer LAG (Urteil vom 22.07.1993; Aktenzeichen 2 Sa 304/92)

ArbG Erfurt (Urteil vom 29.07.1992; Aktenzeichen 4 Ca 163/92)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Teilurteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 22. Juli 1993 – 4/3/2 Sa 304/92 – hinsichtlich der Entscheidung über die Feststellungsanträge aufgehoben.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 29. Juli 1992 – 4 Ca 163/92 – wird insoweit zurückgewiesen als das Arbeitsgericht festgestellt hat, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die mit Schreiben vom 25. März 1992 erklärte Abberufung nicht zum 30. Juni 1992 aufgelöst worden ist.

2. Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag des Klägers und den Auflösungsantrag des Beklagten an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

3. Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

4. Die Entscheidung über die Kosten der Revision bleibt dem Schluß-Urteil des Landesarbeitsgerichts vorbehalten.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz über die Wirksamkeit einer auf Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Einigungsvertrag gestützten ordentlichen Kündigung sowie einer vorsorglich erklärten Abberufung des Klägers als Hochschullehrer. Der Kläger begehrt vorläufige tatsächliche Weiterbeschäftigung. Der Beklagte begehrt hilfsweise die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung.

Der im Jahre 1943 geborene Kläger erwarb an der Hochschule für Architektur und Bauwesen W. (fortan: HAB) den Grad eines Diplomingenieurs. Nachdem er an dieser Hochschule als Angestellter tätig gewesen war, absolvierte er 1969 ein viermonatiges Zusatzstudium in Moskau. Nach seiner Rückkehr arbeitete er als wissenschaftlicher Assistent im Fachbereich Verkehrsbauwerke der HAB und ab Juni 1973 als wissenschaftlicher Oberassistent 1974 nahm der Kläger im Auftrag des Ministeriums für Bauwesen der DDR als Berater für die Aufgabengebiete Verkehrsbau und -planung sowie staatlichen Tiefbau an der Sanierung der Provinzhauptstadt Vinh in Vietnam teil. Ab 1976 arbeitete er als Gruppenleiter Technologie beim SBK Wasserbau. Nach Verleihung der „facultas docendi” für das Fachgebiet Verkehrsbau durch den Rektor der HAB im November 1978 kehrte der Kläger 1980 an den Wissenschaftsbereich Verkehrsbauwerke der HAB zurück. Im Jahre 1984 wurde er zum Hochschuldozenten für das Lehrgebiet Verkehrsbau berufen 1986 erfolgte die Berufung zum ordentlichen Professor für das Fachgebiet Tropenbau.

Am 8. Juni 1989 wurde der Kläger vom Wissenschaftlichen Rat der HAB zum Rektor für die Amtsperiode 1989 bis 1992 gewählt und mit Urkunde des Ministerrates der DDR vom 7. Juli 1989 als Rektor bestätigt.

Nach der Amtsübernahme unterzeichnete der Kläger im Zeitraum August/September 1989 ein an die Sektionsdirektoren der HAB gerichtetes Schreiben folgenden Inhalts:

„Werter Genosse Sektionsdirektor!

In diesem Jahr beginnen 264 männliche Bürger ihr Studium an unserer Hochschule. Die Mehrzahl leistete den Wehrdienst ab, ohne in den Dienststellen der bewaffneten Organe als Reserveoffiziersbewerber gewonnen worden zu sein. Aus diesem Grund macht es sich dringend erforderlich, in der Zeit vom 27.9. bis 30.9.1989 das Gespräch mit jedem männlichen Studierenden in Ihrer Leitungsverantwortung zu führen mit dem Ziel, daß mindestens 90 % der in Ihrer Sektion immatrikulierten männlichen Studenten eine Bereitschaftserklärung abgeben.

Auf der Grundlage des Wehrdienstgesetzes, der Direktive des Ministers für Hoch- und Fachschulwesen vom 1. März 1987 und der Studienjahresdirektive 1989/90 sind Sie als staatlicher Leiter verpflichtet, alles in Ihren Kräften stehende zu tun, um den militärischen Nachwuchs unter den Studenten zu sichern.

Ich empfehle Ihnen, gemeinsam mit den Abteilungsparteiorganisationen, den Reservistenkollektiven und den FDJ-Leitungen Ihrer Sektion Aussprachgruppen unter Vorsitz eines Hochschullehrers zu bilden.

Ich erwarte von Ihnen, daß Sie in meiner Beratung mit den Sektionsdirektoren am 23. Oktober 1989 zu den Ergebnissen der Aussprachen eine Einschätzung vornehmen.

In der Anlage übergebe ich Ihnen einige Hinweise zur Gesprächsführung mit Studenten.

Mit sozialistischem Gruß”

Die in diesem Schreiben angesprochenen Hinweise enthalten unter laufender Nr. 7 folgende Ausführungen:

„Zu Argumenten, die einer Bereitschaft entgegenstehen:

  • schlechte Erfahrungen beim bisherigen Wehrdienst, dann

    1. von den Studenten/Reservisten schriftliche Darlegung des Namens des Kommandeurs, Ortes mit Postleitzahl und PSF-Nr., damit von der Militärischen Hauptabteilung entsprechende Maßnahmen getroffen werden können.
    2. den Studenten darauf hinweisen, daß evtl. falsche Angaben disziplinarische Maßnahmen zur Folge haben.
  • religiöse Bindungen,

    dann deutlich machen, daß solche keinen Widerspruch zur ROA-Bereitschaft darstellen, da Kirchen keine zwingenden einschränkenden Glaubenserlasse verkündet haben. Vielmehr sind nicht wenige Gläubige, sogar Pfarrersöhne, Reserveoffiziere. (Bei Pfarrersöhnen, Theologen, die eine ROA-Bereitschaft ablehnen, wird das akzeptiert und nicht weiter agitiert).

    Im übrigen gehört es zur Tradition und Geschichte der Kirche, daß streitbares Christentum auch militärische Führung eingeschlossen hat und einschließt. Insofern ist ein Gewissenszwang nicht vorhanden.

  • Nichteignung für militärische Führungsaufgaben Eine Hochschulausbildung impliziert vor allem in Fachrichtungen, die Ingenieure für Leitungsfunktionen, Vorbereitung, Lenkung und Kontrolle ausbilden, eine Erziehung und Ausbildung von Führungskadern, die sowohl im zivilen fachlichen Bereich wie auch in anderen Bereichen Führungsaufgaben zu übernehmen imstande sind.

    Vergleichsweise haben die Absolventen in ihren betrieblichen Einsatzbereichen meist wesentlich kompliziertere Führungsaufgaben als im militärischen Bereich. Außerdem sind die betrieblichen Aufgaben auch meist mit Aufgaben der Landesverteidigung und Zivilverteidigung verbunden.

    Eine Nichteignung für militärische Führungsaufgaben bedeutet auch Nichteignung für Führungsaufgaben im Betrieb, so daß somit ein erfolgreicher Studienabschluß generell in Frage steht.

    Die Eignung und Ausbildung zum Reserveoffizier wird erst in Gesprächen mit der Militärischen Abteilung Jena während des 1. Studienjahres festgestellt und durch die Einberufungsüberprüfung im 2. Studienjahr bestätigt.”

Am 1. Juli 1991 schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag über die Weiterbeschäftigung des Klägers als Angestellter auf unbestimmte Zeit unter Eingruppierung in die VergGr. I a des BAT-O,

Die vom Beklagten für die HAB auf der Grundlage der Evaluationsordnung für Thüringer Hochschulen vom 6. Juni 1991 (GVBl. S. 130) gebildete Personalkommission hörte den Kläger am 6. November 1991 an und sprach im Anschluß an die Sitzung vom 11. Dezember 1991 mit einem Stimmenverhältnis von 6: 2 die Empfehlung aus, dem Kläger fehle die persönliche Eignung zum Verbleib an der HAB. Der Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 23. Dezember 1991 mit, er beabsichtige aufgrund der Empfehlung der Personalkommission, das Arbeitsverhältnis wegen mangelnder persönlicher Eignung zu kündigen. Er enthob den Kläger von seiner Funktion als Rektor und ordnete mit Bescheid vom 10. Januar 1992 die sofortige Vollziehung der Amtsenthebung an.

Nachdem der Beklagte den Kläger am 10. und 17. Januar 1992 zur beabsichtigten Kündigung angehört hatte, unterrichtete der Beklagte den beim Ministerium für Wissenschaft und Kunst bestehenden Hauptpersonalrat über die beabsichtigte ordentliche Kündigung.

Mit Schreiben vom 25. März 1992, das dem Kläger am 26. März 1992 zuging, erklärte der Beklagte unter Bezugnahme auf Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 des Einigungsvertrages die Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen mangelnder persönlicher Eignung zum 30. Juni 1992. Gleichzeitig erklärte der Beklagte vorsorglich gemäß § 52 Abs. 2 Buchst. g des Vorläufigen Thüringer Hochschulgesetzes die Abberufung des Klägers als Hochschullehrer zum 30. Juni 1992. Das Schreiben enthält (auszugsweise) folgende Begründung:

„Ihnen fehlt die persönliche Eignung für den öffentlichen Dienst im Sinne der Anlage I, Kapitel XIX, Sachgebiet A, Abschnitt III, Ziffer 1 des Einigungsvertrages. Sie erfüllen auch nicht die persönlichen Anforderungen, die ich gemäß § 130 a Abs. 2 (GVBl. Nr. 8 S. 79 ff.) des Vorläufigen Thüringer Hochschulgesetzes vom 14.05.1991 in Verbindung mit der Evaluationsordnung für Thüringer Hochschulen vom 06. Juni 1991 (GVBl. Nr. 11, S. 130) an einen Hochschullehrer bzw. Bediensteten des Landes Thüringen stelle.”

„Ihre mangelnde persönliche Eignung ergibt sich aus folgenden Tatsachen:

Sie waren Nomenklaturkader i.S.d. § 1 Abs. 4 Ziffer 3 der Evaluationsordnung und haben als Nomenklaturkader des Ministers für Hoch- und Fachschulwesen der DDR (Anlage zum Schreiben von Prof. Dr.-Ing. G. vom 27.06.1987 an das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen) eine gezielte fachliche, persönliche und politische Entwicklung durchlaufen, welche im Widerspruch zur freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung steht, da Nomenklaturkader sich durch eine „unbedingte Treue zur Arbeiterklasse, ihrer Partei und dem Marxismus/Leninismus, sowie einem kompromißlosen Kampf gegen die bürgerliche Ideologie, durch Stolz auf die Errungenschaften des Sozialismus, Treue zum proletarischen Internationalismus und unerschütterliche Freundschaft zur Sowjetunion” auszeichnen mußten (Auszug aus einer „Ordnung für die Arbeit mit der Nomenklatur”). Dabei kommt es für die Tatsache, daß Sie als Nomenklaturkader für den öffentlichen Dienst ungeeignet sind, nicht entscheidend auf die Dauer der Ausübung des Nomenklaturamtes an, sondern vielmehr auf die in der Berufung zum Ausdruck gekommene langjährige Einbeziehung und Vertrauensstellung im ehemaligen SED-Unrechtssystem.”

„Obwohl Sie als Experte auf dem Gebiet der Straßenkonstruktion in der DDR galten (Beurteilung des Genossen Prof. Dr. sc. techn. Hans-Ulrich M. vom 13.03.1989 durch den ersten Prorektor Prof. S. und den Sekretär der HPL P.) und am 01.02.1984 zum Hochschuldozenten für das Lehrgebiet Verkehrsbau berufen worden sind, wurden Sie mit Wirkung vom 01.01.1985 mit dem Aufbau und der Leitung des neugebildeten Wissenschaftsbereiches Tropen- und Auslandsbau am Weiterbildungsinstitut der HAB W. beauftragt. Am 01.09.1986 wurden Sie zum ordentlichen Professor für Tropenbau berufen, obwohl bis zu diesem Zeitpunkt nicht eine wissenschaftliche Veröffentlichung von Ihnen auf diesem Gebiet vorlag (Gutachten von Prof. Dr. sc. techn. W. vom 24.01.1986, S. 69 ff. der Berufungsakte, der sogenannten Coswig-Akte). Unstreitig gab es eine derartige Berufungspraxis nur bei besonderen Förderkadern der SED, zu denen Sie, wie mehreren Gutachten Ihrer Berufungsakte zu entnehmen ist, zweifelsfrei gehörten.

Sie waren stellvertretender Sekretär der FDJ-AOL (1968–69) und Sekretär der FDJ-AOL (1970–71) und traten 1976 in die SED ein, in der Sie nebenamtlich Leitungsfunktionen eines SED-Parteigruppenorganisators (1978–80 im SBK Wasserbau; 1980–84 an der HAB W.) ausübten.

Sie besuchten die Parteihochschule „Karl Marx” in Berlin (1988, 5 Monate), die marxistisch-leninistische Abendschule (1986) und den Führungskaderlehrgang „Außenwirtschaft” an der Hochschule für Ökonomie (1984).

Die von Ihnen als Nomenklaturkader innegehabte Vertrauensstellung des ehemaligen DDR-Unrechtssystems läßt sich schon allein aus der Tatsache herleiten, daß Nomenklaturkader vom Minister persönlich ernannt bzw. bestätigt wurden, bzw. daß vor der Wahl in Nomenklaturfunktionen zuerst die Zustimmung des Ministers zur Besetzung der Nomenklaturfunktion mit dem vorgesehenen Kandidaten eingeholt werden mußte (Auszug aus einer „Ordnung für die Arbeit mit der Nomenklatur”). Zwar waren Sie ursprünglich im Kaderentwicklungsprogramm nicht für die Funktion des Rektors, sondern für die Funktion des Prorektors für Erziehung und Ausbildung der Hochschule für Architektur und Bauwesen W. vorgesehen (Beschluß über die Veränderung in der Besetzung einer Nomenklaturfunktion des Ministerrates im Bereich des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen, Seite 88 der Berufungsakte, der sogenannten Coswig-Akte). Die Tatsache, daß Sie gerade für diese besonders ideologiebelastete Nomenklaturkaderfunktion vorgesehen waren, spricht nicht weniger für Ihre besondere Systemnähe zum ehemaligen DDR-Regime.

Ihnen wurde das Amt des Rektors in einer Zeit übertragen, als der autoritäre Charakter des DDR-Systems immer offensichtlicher geworden ist und man deshalb der qualifizierten politischen Führung der Wissenschaftsprozesse auf allen Leitungsebenen der Hochschule besondere Aufmerksamkeit widmen wollte (Aktennotiz des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen, Hauptabteilung Kader vom 30.03.1989). Trotzdem haben Sie die Nomenklaturfunktion des Rektors der HAB W. ohne äußeren Zwang und in einer nach der Sputnik-Affäre an der HAB W. verschärften politischen Lage angenommen, in der die staatstragende SED kein Vertrauen mehr zu Ihrem Vorgänger im Amt des Rektors, Prof. Dr.-Ing. Hans G., hatte (Beurteilung der Grundorganisation des Genossen Prof. Dr.-Ing. Hans G. vom 06.04.1989 vom Sekretär der HPL P.) bzw. Prof. G. die Lösung der aktuellen Probleme der Hochschule aus der Sicht der SED nicht mehr zugetraut wurde. Sie dagegen schätzte man als einen Genossen ein, der sich in „neue, herangereifte Aufgabenstellungen rasch und gründlich einarbeiten könne, in hohem Maße flexibel sei” (Beschluß über die Veränderung in der Besetzung einer Nomenklaturfunktion des Ministerrates im Bereich des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen, S. 88 der Berufungsakte, der sogenannten Coswig-Akte) und der auch befähigt sei, „kommunistische Erziehung sozialistischer Nachwuchskader zu verwirklichen” (Begutachtung zum Berufungsvorhaben der HAB W. vom 23.12.1985 durch Prof. Dr. sc. techn. L.). Sie galten als ein „politisch engagierter und vorbildlicher Genosse” (Beschluß über die Veränderung in der Besetzung einer Nomenklaturfunktion des Ministerrates im Bereich des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen, S. 88 der Berufungsakte, der sogenannten Coswig-Akte), welcher langfristig (u.a. Sonderlehrgang an der Parteihochschule „Karl Marx”) für die Aufgaben der ersten Leitungsebene vorbereitet worden war (Schreiben von Prof. Dr. sc. techn. S. vom 28.03.1989 an die SED-Bezirksleitung E.), der sich durch „klares parteiliches Auftreten und hohes Verantwortungsbewußtsein bei der Umsetzung der Parteibeschlüsse” (Schreiben von Prof. Dr. sc. techn. S. vom 05.04.1989 an den Ministerrat der DDR) in den Augen der ehemaligen Machthaber auszeichnete und der einen klaren und konsequenten Klassenstandpunkt vertrat, wobei er an sich selbst hohe Anforderungen bei der Durchsetzung der Beschlüsse von Partei und Regierung stellte (Begutachtung zum Berufungsverfahren der HAB W.: Einrichtung einer Dozentur für das FG Verkehrsbau vom 06.07.1983 durch Prof. Dr. sc. techn. L.). Bei Ihrer feierlichen Investitur durch den DDR-Hochschulminister Prof. Dr.h.c. Böhme wurden Sie zur Ausübung Ihres Amtes „im Sinne der Politik von Partei und Regierung” verpflichtet (Zeitschrift „Konstruktiv” Ausgabe … Nr. 15/07. September 1989, S. 2).

Daß Sie die an Sie gerichteten Erwartungen auch erfüllten, zeigt Ihre heute z.T. durchaus auch noch dokumentarisch nachvollziehbare Amtsführung bis zur „Wende”.

Bereits in Ihrer Antrittsrede als Rektor am 07. Juli 1989 bekannten Sie sich zu Gedanken, die „im Gelöbnis enthalten waren, das vom damaligen FDJ-Sekretär, Erich Honecker, vor Wilhelm Pieck geleistet wurde”, sowie zur Programmatik der 8. Tagung des ZK der SED. Sie erklärten, daß es keine humane Alternative zum Sozialismus gäbe. Grundlegende Kritik an diesen Maximen des DDR-Unrechtsregimes duldeten Sie nicht, wandten sich vielmehr gegen „unerbetene Ratschläge” bei der Gestaltung des Sozialismus. Das war nicht zuletzt auch gegen systemkritische Kräfte an Ihrer Hochschule gemünzt (Artikel: Das Konzept unseres Rektors, in: Ausgabe Nr. 15 vom 07.09.1989 der Zeitschrift „Konstruktiv”).

Sie haben wiedereingesammelte und wohl zum größten Teil auch ausgefüllte Exemplare des zur Gesinnungsschnüffelei auffordernden „Sputnik-Fragebogens” entgegengenommen und direkt an die Hochschulparteileitung weitergeleitet. Gestoppt wurde nur das Ausfüllen zweier besonders heikler Fragen, nicht aber die Aktion als solche.

Sie haben sich auch noch nach der Wende aktiv für belastete Altkader eingesetzt, statt auf eine personelle Erneuerung an Ihrer Hochschule hinzuwirken. Damit förderten Sie Hochschulangehörige aus wissenschaftsfremden, weil politischen oder ideologischen Gründen, was gegen § 1 Abs. 2 der Evaluationsordnung verstößt. So wurde von Ihnen dem damaligen Prorektor für Erziehung und Ausbildung und Autor des „Sputnik-Fragebogens”, Prof. Dr. sc. techn. E. K., bescheinigt, daß er „in den letzten Jahren einen sichtbaren Beitrag zur Entwicklung der Hochschule geleistet habe” (Entpflichtungsschreiben an Prof. K. vom 31.08.1990). Sie sprachen ihm am 31.08.1990 für diese Tätigkeit im Namen der Hochschule Dank und Anerkennung aus, obwohl Ihnen bekannt war, daß der von dem damaligen Prorektor für Erziehung und Ausbildung verfaßte Fragebogen selbst dem Direktor der Sektion Marxismus/Leninismus zu scharf gefaßt war. Frage fünf des von Prof. K. verfaßten Fragebogens lautete: „Welche Studierenden zeigen ideologisch gefestigte Haltungen?”. Frage sechs lautete: „Welche Studierenden müssen ihre ideologische Haltung festigen? (ggf. Probleme angeben)”. In einer als Entwurf vorliegenden Vereinbarung zwischen der HAB W (vertreten durch Sie) und Prof. K. vom 01.03.1991 sollte Prof. K. nach seiner Abberufung als ordentlicher Professor eine Dauerstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fakultät Architektur oder im Institut für Industrie und Spezialbau erhalten.

In einer ganzen Reihe von ähnlich gelagerten Fällen von belasteten Altkadern wurde den betroffenen Hochschullehrern von Ihnen angeboten, daß sie sich, nachdem ihre Stelle neu ausgeschrieben werde, auf die Ausschreibung bewerben könnten und ihnen bei Nichtberufung ersatzweise eine Stelle als wissenschaftlicher Oberassistent angeboten würde.

Auch sollte unter Ihrem Rektorat ein als solcher bekannter ehemaliger hauptamtlicher Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes, Dr. W., als Personalchef der Hochschule für Architektur und Bauwesen W. eingesetzt werden. Dies wurde erst durch Proteste der Mitarbeiter der Fakultät Architektur verhindert. Auch wenn Ihnen zum damaligen Zeitpunkt nicht bekannt gewesen sein sollte, daß Dr. W. auch noch nach seinem Ausscheiden als hauptamtlicher Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit als IM weiterhin für das MfS tätig war, so hätten Sie sich als Rektor doch mit aller Entschiedenheit gegen die Besetzung des wichtigen Amtes des Personalchefs der HAB W. durch Dr. W. wenden müssen. Dies wäre nicht zuletzt deshalb dringend geboten gewesen, weil die Bevölkerung der ehemaligen DDR jahrzehntelang unter den Machenschaften und dem Terror des Ministeriums für Staatssicherheit zu leiden hatte und Dr. W. bekannterweise für dieses Ministerium in der Vergangenheit hauptamtlich gearbeitet hatte. Auch hätte so die Gefahr bestanden, daß Dr. W. als Personalchef unkontrolliert und unauffällig ehemalige Mitarbeiter des aufgelösten MfS an der HAB W. eingestellt hätte.

Sie haben noch im September 1989 in Erfüllung Ihrer politischen Aufgabe die ROA-Werbung aktiviert und die einzelnen Sektionsdirektoren angewiesen, daß diese dafür sorgen sollten, daß mindestens 90 % der in den einzelnen Sektionen immatrikulierten männlichen Studenten des Erstsemesters ihre Bereitschaft dazu erklären, in den bewaffneten Organen der NVA als Reserveoffiziere zu dienen. Die Forderung, daß mindestens 90 % der männlichen Erstsemester sich zum Reserveoffiziersdienst bereit erklären sollten, war für die Verhältnisse an der Hochschule für Architektur und Bauwesen W. außergewöhnlich hoch und spricht für Ihr besonderes Pflichterfüllungsbewußtsein als Nomenklaturkader. Die Wertung in den von Ihnen an die Sektionsdirektoren herausgegebenen Empfehlungen für die ROA-Werbung, daß die Nichteignung für militärische Führungsaufgaben gleichbedeutend mit Nichteignung für Führungsaufgaben in Betrieben sei und damit ein erfolgreicher Studienabschluß generell in Frage stehe, verletzt grundlegende Prinzipien der freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung. Nach dem Grundgesetz ist das Recht zur Kriegsdienstverweigerung ein Menschenrecht. Wenn eine über die obligatorische Wehrpflicht hinausgehende Verpflichtung zum Reserveoffizier zur Voraussetzung für einen erfolgreichen Studienabschluß gemacht wird, bedeutet dies eine unzulässige und massive Beeinträchtigung der Studien-, Gewissens- und Berufsfreiheit (Verstoß gegen § 1 Abs. 2 der Evaluationsordnung).

Zwar gehörte die Aktivierung der ROA-Werbung zu den Aufgaben eines Rektors in der ehemaligen DDR. Sie hätte aber im September 1989 nicht mehr in der von Ihnen praktizierten Form ausgeführt werden müssen. Dies ergibt sich aus der Tatsache, daß Sie nach eigener Aussage bereits Ende Juli 1989 die Kaderkommission an der HAB W. aufgelöst haben und damit, falls sich dies bestätigen sollte, gezeigt haben, daß gewisse systemkritische Aktivitäten bereits zu jener Zeit möglich waren. Um so unverständlicher ist es, daß Sie trotzdem zwei Monate später die ROA-Werbung angewiesen haben, als handele es sich dabei um einen völlig normalen Routinevorgang. Für die von Ihnen behauptete systemkritische Haltung in der „Vorwendezeit” wäre es folgerichtig und konsequent gewesen, wenn Sie nach der erfolgten Auflösung der Kaderkommission auch die Aktivierung der ROA-Werbung verhindert hätten.

Obwohl sie in Ihrem Fragebogen zur Vorlage bei der Personalkommission der Hochschule die Frage „Haben Sie mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) oder dem Amt für Nationale Sicherheit (AfNS) hauptamtlich/nebenamtlich gegen Vergütung/ohne Vergütung oder in sonstiger Weise zusammengearbeitet? (Wenn ja, in welcher Funktion und bei welcher Gelegenheit?)” verneint haben, fanden dennoch von Ihnen inzwischen bestätigte „funktionsbedingte offizielle dienstliche Kontakte” (Ihre Gegendarstellung in der Thüringer Allgemeine vom 30.01.1992), so am 01.11.1989 ein Gespräch zwischen Ihnen und einem weiteren Vertreter der Hochschule und zwei höheren Offizieren der Staatssicherheit, statt. Entsprechend eines von dem einen beteiligten MfS-Offizier angefertigten Aktenvermerkes war Gegenstand dieses Gespräches u.a. „Was wie gemeinsam getan werden könne, um die aktuelle Lage an der HAB W. weiter entsprechend den Forderungen des Generalsekretärs der SED, Genosse Krenz, konkret und bezogen auf die HAB auszurichten” und wie das Ministerium für Staatssicherheit bzw. die Kreisdienststelle diesen Prozeß unterstützen könne. Es sei der gemeinsame Standpunkt festgestellt worden, dort „konsequent und gemeinsam vorzugehen, wo mit öffentlichen Losungen und Meinungen am „schwarzen Brett” die Grundlagen des Sozialismus angegriffen würden”. Hierzu sei die jeweilige direkte Abstimmung zwischen dem Rektor und dem Leiter der Kreisdienststelle des Ministeriums für Staatssicherheit vereinbart worden. Sie hätten auch Interesse daran bekundet, dort, wo es angebracht erschiene, in entsprechend von Ihnen durchgeführten Dialogveranstaltungen im abgegrenzten Rahmen den Leiter der Kreisdienststelle des MfS mit auftreten zu lassen. Diesen Teil des Aktenvermerkes bestätigen Sie sogar in Ihrer Gegendarstellung in der Thüringer Allgemeine vom 30.01.1992, daß „möglicherweise von Ihnen unter Bezugnahme auf das große Bedürfnis der Studenten nach Transparenz der Tätigkeit des MfS die Möglichkeit eines studentischen Forums erörtert wurde”. Vom Verfasser des Aktenvermerkes wurde abschließend eingeschätzt, daß durch das stattgefundene Gespräch für den Leiter der Kreisdienststelle weitere Erkenntnisse zur Lagebeherrschung erarbeitet werden konnten. Allein die Tatsache, daß Sie als Rektor der HAB W. noch am 01.11.1989, also 9 Tage vor der Grenzöffnung und in einer Zeit der sich ankündigenden demokratischen Veränderungen in der DDR, über das in dieser Situation gebotene und notwendige Maß hinaus mit dem MfS zusammengearbeitet haben, zeigt, daß Sie für eine weitere Verwendung im öffentlichen Dienst ungeeignet sind. Sie haben durch Ihre damals gezeigte Haltung in Bezug auf das von Ihnen vorgeschlagene konsequente Vorgehen gegen Gegner des Sozialismus das alte Unrechtssystem der DDR zu unterstützen versucht und bieten daher keine Gewähr dafür, daß Sie sich nun für die freiheitlich-demokratische Grundordnung in dem gebotenen Maße einsetzen, wie dies von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes erwartet werden muß.

Alle Ihre vorstehend beschriebenen Aktivitäten zugunsten der Stabilisierung und Erhaltung des ehemaligen DDR-Systems rechtfertigen Sie heute mit dem alleinigen Hinweis, daß es zu dieser Zeit üblich und normal gewesen sei. Dies macht deutlich, daß bei Ihnen bis heute keine innere Abkehr stattgefunden hat. Sie waren bisher nicht in einer für mich erkennbaren Weise bereit, Ihre Rolle als Rektor in der ehemaligen DDR kritisch zu überdenken, obwohl man gerade von der geistigen Elite eines Landes verlangen sollte, daß sie ihre eigene Rolle kritisch beleuchtet und so einen wesentlichen Beitrag zur Aufarbeitung der Vergangenheit leistet.

Aus den Tatsachen, daß Sie Nomenklaturkader des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen waren, daß Sie bereit waren, eine eindeutige politische Führungsaufgabe in einer für die staatstragende SED brisanten Situation zu übernehmen, daß Sie während Ihres Rektorates belastete Altkader förderten bzw. zu konservieren versuchten, daß Sie die ROA-Werbung in einem bislang nicht gekannten Maße aktivieren wollten und daß Sie noch 9 Tage vor der Grenzöffnung Kontakte mit dem Ministerium für Staatssicherheit hatten, dies jedoch zu verheimlichen versuchten, ergibt sich für mich der Schluß, daß Ihnen die persönliche Eignung zum Verbleib an der Hochschule fehlt.

Die Personalkommission an Ihrer Hochschule kam auf ihrer Sitzung vom 11.12.1991 nach Anhörung, Diskussion und Akteneinsicht und bei Akzeptanz der eidesstattlichen Erklärung über die Nichtmitarbeit beim ehemaligen MfS/AfNS nach Mehrheitsbeschluß zum gleichen Ergebnis.

Der Hauptpersonalrat wurde gemäß den Vorschriften des Bundespersonalvertretungsgesetzes beteiligt, da die Gesetzesnovelle bezüglich des Vorläufigen Thüringer Hochschulgesetzes vom 14. Mai 1991, nach der Personalmaßnahmen in Bezug auf das wissenschaftliche oder künstlerische Personal, die aufgrund mangelnder fachlicher Qualifikation oder persönlicher Eignung getroffen werden, nicht der Beteiligung der Personalvertretung unterliegen, erst nach erfolgter Beteiligung des Hauptpersonalrates in Kraft getreten ist.

Der Hauptpersonalrat hat gegen die vorliegende Kündigung die aus der Anlage ersichtlichen Einwendungen geltend gemacht, welche jedoch nicht als Einwendungen im Sinne des § 79 Abs. 1 BPersVG angesehen werden können.

Die ausgesprochene Kündigung wird auch unter dem Gesichtspunkt der Abberufung als Hochschullehrer gemäß § 52 Abs. 2 g des Vorläufigen Thüringer Hochschulgesetzes getragen.”

Mit der am 10. April 1992 beim Kreisgericht eingereichten Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit von Abberufung und Kündigung geltend gemacht. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung habe sein Arbeitsverhältnis nicht wirksam beenden können, denn § 52 des Vorläufigen Thüringer Hochschulgesetzes stelle eine abschließende Sonderregelung für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen zwischen Hochschule und Hochschullehrern dar. Die Abberufung sei in jedem Falle unwirksam, weil sie nicht mit der gesetzlichen Frist zum Ende des Studienjahres erfolgt sei. Die Personalkommission sei nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen. Der Minister habe als „Vertreter des öffentlichen Lebens” drei Mitglieder nominiert, welche jeweils mehrjährig an der HAB tätig gewesen seien und deren Neutralität daher Zweifeln ausgesetzt sei. Darüber hinaus weise das Verfahren der Personalkommission schwere Mängel auf. Die Kommission habe den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt. Sie habe von ihm benannte Zeitzeugen nicht angehört. Außerdem habe das einzige Mitglied der Personalkommission, das der Hochschule nicht angehörte, an der Befragung des Klägers nicht teilgenommen.

Im übrigen lägen Kündigungsgründe nicht vor. Er sei entgegen der Darstellung des Beklagten aufgrund besonderer Umstände völlig unplanmäßig zum Rektor vorgeschlagen und gewählt worden. Dadurch habe sich als funktionsbedingtes Junktim die Mitgliedschaft als Nomenklaturkader des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen automatisch ergeben. Auch wenn er im Frühjahr 1989 in Vorbereitung auf das Rektorat eine Unterschrift zur Nomenklaturkadermitgliedschaft habe leisten müssen, sei ihm die hiermit verbundene Verpflichtung einer unbedingten Treue zur Arbeiterklasse, ihrer Partei und dem Marxismus/Leninismus sowie zum kompromißlosen Kampf gegen die bürgerliche Ideologie, zum Stolz auf die Errungenschaften des Sozialismus, zur Treue zum proletarischen Internationalismus und zur unerschütterlichen Freundschaft zur Sowjetunion nicht bekannt gewesen. Erst durch die Befragung in der Personalkommission und die bewußte Aufarbeitung der Vorgänge vor der Wende seien ihm Umfang und Bedeutung der Eigenschaft als Nomenklaturkader bekannt geworden.

Vor der Übernahme des Rektorats habe er keinerlei Funktion in der staatlichen oder politisch-gesellschaftlichen Leitung der HAB innegehabt. Die kurzzeitige Funktion in der FDJ Anfang der siebziger Jahre sei von den jungen Assistenten erwartet worden. In seinem beruflichen Werdegang habe es keine berufliche Etappe gegeben, die von politischen und gesellschaftlichen Tätigkeitsmerkmalen geprägt gewesen sei. Vielmehr sei seine berufliche Entwicklung durch fachliche Kompetenz, Einsatzbereitschaft und hohe intellektuelle Begabung gekennzeichnet. Er habe sie durch eigene Initiativen bestimmt und von allgemein zugänglichen Angeboten Gebrauch gemacht.

An der HAB habe es wie an jeder anderen wissenschaftlichen Hochschule der DDR Personalentwicklungspläne gegeben, die überwiegend ohne Kenntnis des betreffenden Mitarbeiters in jährlicher Fortschreibung durch die jeweilige Leitungsebene formuliert und dem Ministerium mitgeteilt worden seien. Ihm sei nicht bekannt gewesen, daß er für das Prorektorat Erziehung und Ausbildung vorgesehen gewesen sei. Er habe auch keine eindeutig politische Führungsaufgabe in einer für die staatstragende SED brisanten Situation übernommen, sondern bei der Übernahme des Rektorats unter äußerem Zwang und in guter Absicht für die HAB gehandelt. Dementsprechend sei der Tenor seiner Antrittsrede auch auf die Beseitigung von Unrecht ausgelegt und auf eine sozial orientierte Demokratie im Rahmen der zu diesem Zeitpunkt absehbaren Möglichkeiten ausgerichtet gewesen. Aufgrund seiner gesamten auf Ausgleich bedachten Lebenshaltung sei er auch sofort nach Erkenntnis der irreparablen Verlogenheit des Systems am 13. Dezember 1989 und damit sehr früh aus der SED ausgetreten. Gerade seine Rolle als Rektor vor und nach der Wende zeige, daß er nicht kritikunfähig sei und seine eigene Rolle als DDR-Rektor kritisch überdacht habe. Er habe keine Altkader konserviert oder gefördert.

Die ihm vorgehaltene Empfehlung zur Werbung von Reserveoffiziersanwärtern sei ein jährlich wiederkehrender Bestandteil der Ausführung einer sogenannten Studienjahresdirektive gewesen, die bis zum 15. August vor Beginn des Semesters vorzubereiten und durch Unterschrift des Rektors in Gang zu setzen gewesen sei. Die inhaltliche Vorbereitung sei vor seiner Amtsübernahme erfolgt und ihm als ausgearbeitete Direktive zur Bestätigung vorgelegt worden.

Er habe, wie es im Geschäftsgang der Hochschule allgemein üblich gewesen sei, das vom Prorektor vorgelegte Schreiben zur Reserveoffizierswerbung ohne Kenntnis der Anlagen unterschrieben. Die dort gegebenen Hinweise für die Gesprächsführung hätten mit Sicherheit seinen Widerspruch hervorgerufen.

Die Handhabung der Reserveoffiziersanwärterwerbung für das Studienjahr 1989/90 sei aufgrund der allgemeinen politischen Situation sehr formal erfolgt. Es habe keinen einzigen Fall der Benachteiligung oder Beeinträchtigung oder restriktiver Konsequenzen für den von ihm zu verantwortenden Zeitraum gegeben.

Er habe völlig wahrheitsgetreu eine Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Ministerium für Staatssicherheit verneint. Aus Ermittlungen der Staatsanwaltschaft habe sich erschlossen, daß es zum Gespräch mit Offizieren des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) am 1. November 1989 eine Gesprächskonzeption seitens des MfS gegeben habe. Danach habe die eigentliche Gesprächsabsicht der MfS-Offiziere darin bestanden, eine Prüfung des jungen Rektors hinsichtlich seiner politischen Zuverlässigkeit durchzuführen. Bis auf diesen dem Beklagten bekannten dienstlichen Kontakt habe es keinerlei konspirative oder anderweitige Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit gegeben.

In die Ereignisse der sogenannten Sputnik-Affäre sei er weder direkt noch indirekt einbezogen gewesen. Er sei nicht als linientreuer Nachfolger des Rektors G. mit politischem Auftrag ins Amt gekommen.

Die Erkenntnisse um seine Amtsenthebung als Rektor und der bisherige Verlauf des Kündigungsverfahrens machten im übrigen deutlich, daß aufgrund der persönlichen Differenzen in Sachfragen bezüglich der Strukturdiskussion um die HAB und durch eine persönliche Aversion des hochschulangehörigen FDP-Fraktionsvorsitzenden auf das Evaluations- und Kündigungsverfahren Einfluß genommen worden sei.

Der Kläger hat, soweit in der Revisionsinstanz von Bedeutung, beantragt:

  1. Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Abberufung als Hochschullehrer mit Schreiben vom 25.3.1992 – zugegangen am 26.3.1992 – nicht aufgelöst worden ist, sondern über den 30.6.1992 hinaus fortbesteht.

    Hilfsweise:

    Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers als Hochschullehrer durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 25.3.1992 – zugegangen am 26.3.1992 – nicht aufgelöst worden ist, sondern über den 30.6.1992 hinaus fortbesteht.

  2. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger über den 30.6.1992 hinaus zu unveränderten Bedingungen auf demselben Arbeitsplatz weiter zu beschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen.

Er hat die Auffassung vertreten, Zusammensetzung und Arbeit der Personalkommission seien für die Wirksamkeit der Kündigung ohne Belang, denn die Tätigkeit der Personalkommission sei keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung. Die mangelnde Eignung des Klägers ergebe sich aus den im Kündigungsschreiben angeführten Gründen.

Soweit der Kläger eine Vorreiterrolle in der hochschulpolitischen Diskussion im Anschluß an die Wende beanspruche, betreffe dies lediglich die fachliche Neustrukturierung, keinesfalls treffe es aber für die politische Neuerung der Hochschule zu. Der Kläger habe sich jeweils nur soweit an die Spitze der Bewegung gesetzt, als es nicht zu vermeiden gewesen sei, um die Kontrolle über die Abläufe zu behalten. Insoweit unterscheide er sich zwar von hohen ideologischen Parteivertretern, als überzeugend gewandelter Interessenvertreter demokratischer Verhältnisse könne er aber nicht gelten. Auch der Austritt aus der SED sei nicht als sehr frühzeitig zu bezeichnen und habe keinen Mut erfordert. Vielmehr hätte es zu diesem Zeitpunkt Mut erfordert, Mitglied der SED zu bleiben. Der Austritt könne heute nur unter dem Aspekt einer Absicht gesehen werden, die Position des Rektors zu behalten.

Der Kläger beanspruche zu Unrecht für sich allein, den „Runden Tisch” eingesetzt zu haben, denn entsprechende Bestrebungen habe es in allen Sektionen der HAB gegeben.

Der Kläger habe den Versuch unternommen, auf eines oder mehrere Mitglieder der Personalkommission Einfluß zu nehmen und hierbei Beleidigungen und allgemein gefaßte Drohungen geäußert.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat am 27. Mai 1993 unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen Gi. und Sc. verhandelt und beschlossen, im Fortsetzungstermin in derselben Besetzung zu entscheiden. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23. Juni 1993 hat das Berufungsgericht unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterin Sch. und des ehrenamtlichen Richters E. entschieden, die Klage abzuweisen. Mit der zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Zurückweisung der Berufung des Beklagten. Er hat klargestellt, daß die Feststellungsanträge nicht im Eventualverhältnis, sondern im Wege der objektiven Klaghäufung geltend gemacht werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zum Teil begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils hinsichtlich der Feststellungsanträge. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht durch die am 25. März 1992 erklärte Abberufung aufgelöst worden. Über die Kündigungsschutzklage und den Auflösungsantrag des Beklagten muß das Landesarbeitsgericht erneut verhandeln und entscheiden. Hingegen ist die Revision unbegründet, soweit der Kläger die vorläufige Weiterbeschäftigung erstrebt.

A. Die Rüge des absoluten Revisionsgrundes der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Berufungsgerichts (§ 551 Nr. 1 ZPO) ist nicht begründet. Die Entscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes, weil das erkennende Gericht vorschriftsmäßig besetzt war. Nach Auskunft des Präsidenten des Thüringer Landesarbeitsgerichts ist am 23. Juni 1993 nur die vorliegende Sache vor der Vierten Kammer des Thüringer Landesarbeitsgerichts verhandelt worden. Zu diesem Sitzungstag sind die ehrenamtliche Richterin Sch und der ehrenamtliche Richter E. in der nach dem Geschäftsverteilungsplan des Thüringer Landesarbeitsgerichts vorgesehenen Reihenfolge herangezogen worden. Damit war das Gericht vorschriftsmäßig besetzt.

Die Rüge des § 551 Nr. 1 ZPO ist nicht deshalb begründet, weil die an der vorangegangenen mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts vom 27. Mai 1993 mitwirkenden ehrenamtlichen Richterinnen Gi. und Sc. entgegen dem am Schluß dieser Sitzung verkündeten Beschluß nicht am Fortsetzungstermin mitgewirkt haben. Vielmehr wäre ausgehend von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei Mitwirkung dieser ehrenamtlichen Richterinnen eine Verletzung von § 551 Nr. 1 ZPO gegeben gewesen.

Aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG als dem Verbot der Entziehung des gesetzlichen Richters folgt, daß die Rechtsprechungsorgane nicht anders besetzt tätig werden dürfen als es in den allgemeinen Normen der Gesetze und der Geschäftsverteilungspläne dafür vorgesehen ist. Gesetzlicher Richter bedeutet, daß der für die einzelne Sache zuständige Richter sich im voraus möglichst eindeutig aus einer allgemeinen Regelung ergeben muß (BVerfGE 22, 254; 258; 40, 268, 271; Kissel, GVG, 2. Aufl. 1994, § 16 Rz 11). Kennzeichen der Gewährleistung des gesetzlichen Richters ist die normative, abstrakt-generelle Vorherbestimmung des jeweils für die Entscheidung zuständigen Richters (BVerfGE 82, 286, 298). Der zuständige Richter muß sich blindlings ergeben. Der gesetzliche Richter ist nicht gewahrt, wenn er nach freiem Ermessen bestimmt wird. Willkürlich ist die Bestimmung des Richters bereits dann, wenn die Zuständigkeitsbestimmung von Fall zu Fall im Gegensatz zu einer normativen, abstrakt-generellen Vorherbestimmung des Richters erfolgt. Willkür bezeichnet in diesem Zusammenhang die Freiheit von normativer Bindung (BVerfG Vorlagebeschluß vom 10. August 1995 – 1 BvR 1644/94 – NJW 1995, 2703).

Gemäß § 39 ArbGG sind die ehrenamtlichen Richter zu den Sitzungen nach der Reihenfolge einer Liste heranzuziehen, die der Vorsitzende vor Beginn des Geschäftsjahres oder vor Beginn der Amtszeit neu berufener ehrenamtlicher Richter gemäß § 38 Satz 2 ArbGG aufgestellt hat. Hiervon darf nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Urteil vom 19. Juni 1973 – 1 AZR 521/72 – AP Nr. 47 zu Art. 9 GG Arbeitskampf) grundsätzlich nicht abgewichen werden. Wird im Falle der Vertagung die Besetzung des Gerichts beibehalten, liegt aber eine Abweichung von der Liste vor. Eine derartige Abweichung von der abstrakt-generellen Regelung der Heranziehung ehrenamtlicher Richter bedeutet regelmäßig eine Verletzung von § 551 Nr. 1 ZPO (vgl. GK-ArbGG-Dörner, § 31 Rz 11; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 2. Aufl., § 31 Rz 13–16). Hiervon zu unterscheiden ist lediglich der Fall, daß nach der für das Geschäftsjahr abstrakt-generell aufgestellten Regelung in jedem Falle einer Vertagung dieselben ehrenamtlichen Richter am Fortsetzungstermin mitzuwirken haben (vgl. BGH Beschluß vom 22. Juni 1993 – X ZB 16/92 – ZIP 1993, 1340, 1341). Eine Regelung wie die im Geschäftsverteilungsplan des Thüringer Landesarbeitsgerichts, die dem Vorsitzenden oder der Kammer ein Ermessen einräumt, ist unwirksam.

Durch die Mitwirkung der besonders für den Sitzungstag der Vierten Kammer des Thüringer Landesarbeitsgerichts am 23. Juni 1993 herangezogenen ehrenamtlichen Richter wurde dieser Gesetzesverstoß aber vermieden, so daß es im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben kann, ob besondere Umstände des Einzelfalles es rechtfertigen könnten, eine Abweichung von der Liste nicht als Rechtsverletzung im Sinne von § 551 Nr. 1 ZPO zu bewerten (vgl. BAG Urteil vom 19. Juni 1973, aaO).

B. Wirksamkeit der Abberufung

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht durch die vorsorglich vom Beklagten erklärte Abberufung zum 30. Juni 1992 aufgelöst worden. Bei Ausspruch der Abberufung mit Schreiben vom 25. März 1992 waren die die Abberufung regelnden Bestimmungen des Arbeitsgesetzbuches der DDR nicht mehr in Kraft. Vielmehr lief die Geltung der §§ 62 ff. AGB-DDR 1977 mit Ablauf des 31. Dezember 1991 aus. Damit fehlt es seit dem 1. Januar 1992 an einer gesetzlichen Regelung der Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Abberufung. Insbesondere kommt nicht § 52 der als „Vorläufiges Thüringer Hochschulgesetz vom 14. Mai 1991” (GVBl. 1991 S. 79) fortgeltenden Verordnung über Hochschulen vom 18. September 1990 (GBl. DDR I S. 1585) die Bedeutung einer eigenständigen Regelung der Abberufung von Hochschullehrern zu. Vielmehr zielte diese Regelung des DDR-Rechts auf eine Modifizierung der Bestimmungen des Arbeitsgesetzbuches der DDR hinsichtlich der Abberufung von Hochschullehrern. Alle allgemein gültigen und auch für Hochschullehrer anwendbaren Bestimmungen ergaben sich nicht aus der Verordnung über Hochschulen, sondern aus den allgemeinen arbeitsrechtlichen Bestimmungen im Arbeitsgesetzbuch der DDR. Mit dem Auslaufen dieser gesetzlichen Regelung entfiel zugleich der Anwendungsbereich von § 52 des Vorläufigen Thüringer Hochschulgesetzes. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob dem Landesgesetzgeber überhaupt die Gesetzgebungszuständigkeit dafür zukommt, andere Beendigungstatbestände als die vom Bundesrecht vorgegebenen zu regeln. In jedem Falle stellten die gegenstandslos gewordenen Regelungen der Abberufung keine die Kündigung ausschließenden Normen dar.

C. Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung

I. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:

Das Arbeitsverhältnis der Parteien sei durch die vom Beklagten erklärte ordentliche Kündigung mit Ablauf des 30. Juni 1992 aufgelöst worden. Allerdings ergebe sich die mangelnde persönliche Eignung des Klägers im Sinne von Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 Einigungsvertrag nicht daraus, daß der Kläger mit seiner Ernennung zum Rektor der HAB zugleich Nomenklaturkader des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen der DDR wurde. Hierbei sei vor allem zu berücksichtigen, daß es sich bei dem Amt des Rektors um eine staatliche und keine Parteifunktion gehandelt habe. Zugunsten des Klägers sei besonders zu bewerten, daß seine Tätigkeit als Rektor nur eine kurze Zeitspanne umfaßt und daß er keine hauptamtlichen Parteiämter innegehabt habe. Wenn angesichts der vielen Beurteilungen durch Staats- und Parteiorgane davon auszugehen sei, daß der berufliche Aufstieg des Klägers nicht ohne die Förderung und Billigung der SED erfolgen konnte, schließe das nicht aus, daß der Kläger seine Karriere in höherem oder zumindest in gleichem Maße seinen in allen Beurteilungen hervorgehobenen fachlichen Kenntnissen und seinen beruflichen Fähigkeiten verdankte. Wenn in der DDR ein beruflicher Aufstieg gegen den Willen der Partei nicht möglich war, seien gleichwohl Fachleute vonnöten gewesen, ohne die kein Gemeinwesen auskommen könne. Dies gelte vor allem für Fachbereiche wie den des Klägers, der jedenfalls nicht im Zentrum einer politisch-ideologischen Aufgabenstellung gestanden habe. Eine im Hinblick auf das ins Auge gefaßte berufliche Fortkommen unumgängliche Anpassung an die herrschenden Verhältnisse könne dem Kläger nicht zum Vorwurf gemacht werden. Dies gelte letztlich sogar für den Besuch der Parteihochschule „Karl Marx” im Jahre 1988. Aus der Antrittsrede des Klägers anläßlich seiner Investitur ließen sich keine politisch-ideologisch eindeutigen Aussagen entnehmen, vielmehr gingen diese nicht über die allgemeine Parteiphraseologie hinaus. In bezug auf den Sputnik-Fragebogen habe der Kläger insgesamt zu einer Entschärfung beigetragen, denn er habe die Rücknahme der Fragen 5 und 6 dieses Fragebogens zu verantworten gehabt. Desweiteren habe sich der Kläger nach der Wende um eine Demokratisierung der Hochschule bemüht. Dies gelte auch für die Einsetzung der Sputnik-Untersuchungskommission am 9. November 1989, auch wenn sie nicht auf seine Initiative erfolgt sein sollte. Gleiches gelte für die Einsetzung des „Runden Tisches”, auch wenn der Kläger dessen Installierung nicht für sich allein beanspruchen könne. Der Vorwurf, der Kläger habe sich auch noch nach der Wende aktiv für belastete Altkader eingesetzt, statt auf eine personelle Erneuerung an der Hochschule hinzuwirken, sei nicht substantiiert worden.

Desweiteren sei vom Beklagten nicht substantiiert dargelegt worden, daß der Kläger die Frage, ob er mit dem Ministerium für Staatssicherheit haupt- oder nebenamtlich gegen oder ohne Vergütung oder in sonstiger Weise zusammengearbeitet habe, wahrheitswidrig mit Nein beantwortet habe. Das angeführte Gespräch vom 1. November 1989 rechtfertige keinesfalls den Vorwurf einer Zusammenarbeit mit dem MfS. Dies gelte selbst dann, wenn der von der Kreisdienststelle des Ministeriums für Staatssicherheit erstellte Aktenvermerk den tatsächlichen Gesprächsinhalt zutreffend wiedergäbe. Ebensowenig könne diesem Vermerk eine Unterstützung des alten Unrechtssystems entnommen werden. Konkrete Vereinbarungen oder Absprachen ließen sich dem Vermerk nicht entnehmen, so daß das Verhalten des Klägers auf natürlicher Vorsicht im Umgang mit der Staatssicherheit beruht haben könnte. Soweit sich der Beklagte auf Vorgänge nach Ausspruch der Kündigung beziehe, könnten diese lediglich den Auflösungsantrag, nicht aber die Kündigung rechtfertigen.

Die mangelnde persönliche Eignung des Klägers für den Beruf des Hochschullehrers folge jedoch aus seinem Verhalten anläßlich der Reserveoffizierswerbung für das Studienjahr 1989/90. Dabei habe der Kläger einen gravierenden Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit im Sinne der Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 5 Ziff. 1 des Einigungsvertrages begangen. Ein solcher Verstoß ergebe sich zwar nicht aus dem Text des Schreibens an die Sektionsdirektoren, das mit Ausnahme der Zielvorgabe (90 %) den rechtlichen Vorgaben der DDR für die Reserveoffizierswerbung entsprochen habe. Ebensowenig enthalte die Seite 1 des als Anlage dem Schreiben beigefügten Hinweises eine Abweichung von rechtlichen Vorgaben. Jedoch habe die auf Seite 2 des Hinweises an die Sektionsdirektoren gerichtete Empfehlung, in den Gesprächen mit den Studenten darauf hinzuweisen, die Nichteignung für militärische Führungsaufgaben sei gleichbedeutend mit der Nichteignung für Führungsaufgaben im Betrieb und stelle damit einen erfolgreichen Studienabschluß generell in Frage, grundlegende Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verletzt. Hierin habe eine unzulässige und massive Beeinträchtigung der Studien-, Gewissens- und Berufsfreiheit gelegen. Der Hinweis habe einen Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit dargestellt. Dabei ist das Berufungsgericht in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen, daß der Kläger nicht nur den Inhalt des Briefes an die Sektionsdirektoren, sondern auch die Informationen und Hinweise zur Gesprächsführung gekannt habe. Abweichenden Sachvortrag des Klägers hat das Berufungsgericht als verspätet unberücksichtigt gelassen. Die Gesprächshinweise seien zwar unstreitig nicht vom Kläger verfaßt worden, doch habe er den objektiven Unrechtscharakter des fraglichen Gesprächshinweises erkennen können. Die angeratene Gesprächsstrategie auf mögliche und erwartete Einwände der Studenten habe den Boden der Indoktrination verlassen und besitze eindeutig nötigenden Charakter. Damit habe der Hinweis auch gegen das Recht der DDR verstoßen, denn in der Sache habe der Hinweis darauf abgezielt, widerstrebende Studenten, die gerade einen der begehrten Studienplätze erhalten hatten, durch die Drohung, das Studienziel nicht zu erreichen, dem politischen Machtanspruch des Staates gefügig zu machen. Nach außen habe die DDR aber gerade den Eindruck einer umfänglichen Wehrbereitschaft und damit der Freiwilligkeit erwecken wollen. Der Verstoß gegen die Rechtsstaatlichkeit lasse ein Festhalten am Arbeitsverhältnis aus der Sicht des Beklagten unzumutbar erscheinen. Der Versuch, den Studenten nötigenfalls die Bereitschaftserklärung abzupressen, betreffe den Kernbereich von Forschung und Lehre, die gerade von staatlichem Druck freigehalten werden sollen. Insbesondere ein Hochschullehrer sei verpflichtet, seine Studenten vor entsprechenden staatlichen Eingriffen in Schutz zu nehmen.

II. Im Ergebnis hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen, daß die streitgegenständliche Kündigung nicht wegen Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Hauptpersonalrates unwirksam ist. Allerdings ist die vom Landesarbeitsgericht gegebene Begründung unzutreffend. Der Kläger ist nach VergGr. I a BAT eingruppiert gewesen. Gemäß § 11 BAT entspricht diese Vergütungsgruppe der Besoldungsgruppe A 15 der Bundesbesoldungsordnung. Damit lagen die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes nach § 79 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 77 Abs. 1 Satz 2 BPersVG nicht vor. Jedoch folgt die Unanwendbarkeit der Mitbestimmungsregelung des Bundespersonalvertretungsgesetzes aus § 130 a Abs. 2 Satz 3 des am 1. März 1992 und damit vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung in Kraft getretenen Gesetzes zur Änderung des Vorläufigen Thüringer Hochschulgesetzes vom 27. Februar 1992 (GVBl. S. 73). Diese Bestimmung lautet:

„Personalmaßnahmen in bezug auf das wissenschaftliche oder künstlerische Personal, die aufgrund mangelnder fachlicher Qualifikation oder persönlicher Eignung getroffen werden, unterliegen nicht der Beteiligung der Personalvertretung.”

Diese Regelung des Landesrechts ist wirksam. Insbesondere verstößt sie entgegen der Rechtsauffassung des Klägers nicht gegen Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 15 Buchst. c des Einigungsvertrages. Nach dieser Bestimmung des Einigungsvertrages gilt das Bundespersonalvertretungsgesetz im Beitrittsgebiet in Verwaltungen des Landes „bis zu einer Neuregelung durch diese Länder in allen seinen Teilen”, sofern nicht das Gesetz zur sinngemäßen Anwendung des Bundespersonalvertretungsgesetzes der Deutschen Demokratischen Republik noch Anwendung findet. Letzteres ist gem. Nr. 15 Buchst. a der vorbezeichneten Regelung des Einigungsvertrages hinsichtlich des Thüringer Ministeriums für Wissenschaft und Kunst und des dort errichteten Hauptpersonalrates nicht der Fall, denn diese Behörde wurde erst nach Bildung des Freistaates Thüringen errichtet. Der Thüringer Landesgesetzgeber konnte mit § 130 a Abs. 2 Satz 3 des Vorläufigen Hochschulgesetzes eine teilweise Neuregelung des Personalvertretungsrechts schaffen, denn er war durch Nr. 15 Buchst. c EV nicht gehalten, eine vollständige Neuregelung zu erlassen. Der Hinweis des Klägers auf die Formulierung „in allen seinen Teilen”, belegt nichts Gegenteiliges, sondern besagt lediglich, daß das Bundespersonalvertretungsgesetz im Beitrittsgebiet auch hinsichtlich des allein die Bundesverwaltung betreffenden Teiles als Landesrecht gilt. Eine Neuregelung der im Bundespersonalvertretungsgesetz aufgrund der Rahmenkompetenz des Bundes erlassenen Vorschriften durch den Landesgesetzgeber kommt mangels entsprechender Gesetzgebungskompetenz ohnehin nicht in Betracht.

Es bestehen darüber hinaus auch aus anderen Gesichtspunkten keine rechtlichen Bedenken gegen die Wirksamkeit von § 130 a Abs. 2 Satz 3 des Vorläufigen Hochschulgesetzes. Der Landesgesetzgeber ist weder aus Gründen des Verfassungsrechts noch des im Bundespersonalvertretungsgesetz enthaltenen Rahmenrechts gezwungen, auch für wissenschaftlich und künstlerisch tätiges Personal gleiche Mitbestimmungsregeln vorzusehen. Vielmehr haben auch andere Landesgesetzgeber für entsprechende Personenkreise Sonderregeln vorgesehen (vgl. dazu nur BAG Urteil vom 26. August 1993 – 2 AZR 37/93 – AP Nr. 8 zu § 72 LPVG NW).

III. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zum Kündigungsgrund halten nicht in allen Punkten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Ob die Kündigung vom 25. März 1992 das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgelöst hat, kann allerdings nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts noch nicht abschließend beurteilt werden. Die Kündigung könnte nach Abs. 4 Ziff. 1 EV wegen mangelnder persönlicher Eignung des Klägers gerechtfertigt sein.

1. Nach Art. 20 Abs. 1 EV gelten für die Rechtsverhältnisse der Angehörigen des öffentlichen Dienstes zum Zeitpunkt des Beitritts die in der Anlage I vereinbarten Regelungen. Der Kläger war zum Zeitpunkt des Beitritts als Rektor an der HAB tätig und gehörte dem öffentlichen Dienst an.

2. Nach Abs. 4 Ziff. 1 EV ist die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der öffentlichen Verwaltung auch zulässig, wenn der Arbeitnehmer wegen mangelnder persönlicher Eignung den Anforderungen nicht entspricht. Der Senat hat in seinen Entscheidungen vom 18. März 1993 und 4. November 1993 (– 8 AZR 356/92 – AP Nr. 12 zu Einigungsvertrag Anlage I Kapitel XIX und – 8 AZR 127/93 – AP Nr. 18, aaO, jeweils auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, mit weiteren Nachweisen) die Wirksamkeit der Kündigung nach einer auf den Kündigungszeitpunkt bezogenen Einzelfallprüfung beurteilt und hierzu im einzelnen folgende Grundsätze entwickelt:

Die mangelnde persönliche Eignung im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV ist eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft, die sich auch aus der bisherigen Lebensführung herausgebildet haben kann. Die persönliche Eignung eines Angestellten des öffentlichen Dienstes erfordert, daß er sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen muß. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.

Die hiernach zu stellenden Anforderungen haben sich an den Aufgaben des Angestellten auszurichten. Ist ein Angestellter im Wissenschaftsbereich einer Hochschule beschäftigt und ist diese Tätigkeit mit einem Lehrauftrag verbunden, so sind an ihn ähnlich hohe Anforderungen wie an einen Lehrer zu stellen (BAG Urteil vom 6. Juli 1995 – 8 AZR 827/93 – unveröffentlicht, zu II 1 der Gründe). Er muß insbesondere die Gewähr dafür bieten, daß er in Krisenzeiten und ernsthaften Konfliktsituationen zu den Grundwerten der Verfassung steht.

Abs. 4 Ziff. 1 EV zwingt den öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber nicht, gleichsam die rechtsstaatliche Einstellung eines Arbeitnehmers zunächst zu erproben. Ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen des Abs. 4 EV ist damit nicht verbunden. Es gelten nicht die Grundsätze für Einstellungen in den öffentlichen Dienst, sondern die für Kündigungen; denn durch eine auf Abs. 4 Ziff. 1 EV gestützte Kündigung wird in besonderer Weise in das Grundrecht der Berufsfreiheit des einzelnen Beschäftigten eingegriffen. Ein Beurteilungsspielraum kann sich nur im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallprüfung auf eine Abwägung besonders belastender Umstände bei der Identifikation mit den Staats- und Parteizielen in der ehemaligen DDR gegenüber spezifisch entlastenden Tatsachen zur persönlichen Eignung des Arbeitnehmers beziehen.

Ein Hochschullehrer ist nicht schon deshalb ungeeignet, weil er nach den früheren gesetzlichen Bestimmungen bei der Verwirklichung der Staatsziele der DDR mitzuwirken hatte. Eine mangelnde persönliche Eignung ist aber indiziert, wenn er sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert hat. Dies ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer nicht nur kurzfristig Funktionen wahrgenommen hat, aufgrund derer er in hervorgehobener Position oder überwiegend an der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED mitzuwirken hatte. Der kündigende Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes hat die vom Arbeitnehmer wahrgenommene Funktion einschließlich ihrer Grundlagen und ihrer Bedeutung in der Verfassungswirklichkeit der DDR darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Der Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, die Annahme der besonderen Identifikation durch substantiierten Sachvortrag zu entkräften. Dabei können neben den Umständen der früheren Tätigkeit auch sonstige die Eignung des Arbeitnehmers begründende Tatsachen berücksichtigt werden. Liegt ein dahingehender schlüssiger und nachprüfbarer substantiierter Vortrag vor, hat der Arbeitgeber darzutun, daß die behaupteten erheblichen nachprüfbaren Tatsachen nicht vorliegen oder daß trotz dieser Umstände aus weiteren Tatsachen auf eine Ungeeignetheit zu schließen ist. Eine Umkehr der im Kündigungsschutzprozeß allgemein bestehenden Beweislast findet nicht statt (vgl. Senatsurteil vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93 – NJ 1994, 483, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt, zu B II 3 b der Gründe).

3. Die Nichteignung des Klägers im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV folgt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht allein aus der Unterzeichnung des an die Sektionsdirektoren gerichteten Schreibens betreffend die Reserveoffizierswerbung im Studienjahr 1989/90.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts über den Kündigungsgrund der mangelnden Eignung des Arbeitnehmers nach Abs. 4 Ziff. 1 EV ist zwar in der Revisionsinstanz nur beschränkt nachprüfbar. Es geht insoweit um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen des Einigungsvertrages Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Einzelfallprüfung, bei der dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob seine Entscheidung in sich widerspruchsfrei ist (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. nur Urteil vom 29. August 1991 – 2 AZR 220/91 (A) – AP Nr. 32 zu § 622 BGB, zu II 1 der Gründe, mit weiteren Nachweisen). Doch auch unter Berücksichtigung dieses nur eingeschränkten Prüfungsmaßstabes ist die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht frei von Rechtsfehlern.

Wird zugunsten des Beklagten unterstellt, der fragliche Hinweis zur Führung der Anwerbungsgespräche mit der vom Berufungsgericht als Nötigungsversuch und Verletzung von Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit gewerteten Nr. 7 sei dem Kläger bei Unterzeichnung des Anschreibens bekannt gewesen, begründet dies nicht den Vorwurf mangelnder Eignung im Sinne von Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 EV. Insofern ist das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, die Nr. 7 des Hinweises habe die Aufforderung zu einer auch nach dem seinerzeitigen Recht der DDR strafbaren Handlung enthalten. Diese Auslegung der Nr. 7 des Hinweises ist aber keinesfalls die einzig denkbare, so daß hierauf allein die Kündigung nicht gestützt werden kann.

Berührt eine arbeitsgerichtliche Entscheidung die Meinungsfreiheit, so fordert Art. 5 Abs. 1 GG, daß die Gerichte der Bedeutung dieses Grundrechts bei der Auslegung und Anwendung der Vorschriften des Privatrechts Rechnung tragen. Dies kann bereits dann der Fall sein, wenn ein Gericht eine Äußerung unzutreffend erfaßt oder gewürdigt hat, indem es unter mehreren objektiv möglichen Deutungen einer den Vorzug gibt, ohne die anderen unter Angabe überzeugender Gründe auszuscheiden (vgl. BVerfG Beschluß vom 19. Mai 1992 – 1 BvR 126/85 – AP Nr. 12 zu Art. 5 Abs. 1 GG Meinungsfreiheit; Beschluß vom 26. Januar 1995 – 1 BvR 2071/94 – AP Nr. 77 zu Art. 9 GG).

Die Nr. 7 des Hinweises ermöglicht u.a. die Auslegung, daß dem einzelnen Studenten aufgezeigt werden sollte, sein Studienerfolg sei nicht wegen der Verweigerung der Reserveoffizierslaufbahn, sondern wegen mangelnder Qualifikation für den das Studienziel bildenden Beruf gefährdet. Immerhin sollte dem Studenten verdeutlicht werden, welche besonderen Führungseigenschaften von einem im Beruf erfolgreichen Absolventen der HAB erwartet würden. Diese sollten nach Nr. 7 des Hinweises über jenen liegen, die von einem Offizier der Nationalen Volksarmee zu erwarten seien. Ist aber eine andere Auslegung des Hinweises denkbar, die keine Annahme einer nach DDR-Recht strafbaren Handlung erlaubt, darf nicht zu Lasten des Klägers, der unstreitig selbst nicht der Verfasser dieses Hinweises ist, unterstellt werden, er habe die von mehreren denkbaren Auslegungen bereits nach DDR-Recht verbotene Variante den Sektionsdirektoren anempfehlen wollen.

4. Ob aus den weiteren vom Beklagten als Kündigungsgrund herangezogenen Tatsachen auf die mangelnde Eignung des Klägers für den Beruf des Hochschullehrers geschlossen werden kann, bedarf einer umfassenden Einzelfallprüfung, die das Berufungsgericht noch nicht vorgenommen hat. Insbesondere hat das Berufungsgericht nur unzureichend den Werdegang des Klägers und seine Tätigkeit als Rektor und damit seine Eigenschaft als Nomenklaturkader des Ministerrates der DDR gewürdigt. Die dadurch grundsätzlich indiziell gegebene Nichteignung könnte im Fall des Klägers zwar durch besondere Umstände entkräftet sein, doch hat das Landesarbeitsgericht seine Einzelfallprüfung auf nicht alle berücksichtigungsfähigen Tatsachen gestützt.

Zutreffend hat das Berufungsgericht auf die nur wenige Monate währende Tätigkeit als Rektor bis zur Wende und die nicht gering zu veranschlagende Mitwirkung des Klägers am Wendeprozeß abgestellt. Jedoch hat es rechtsfehlerhaft die dem Kläger zur Last gelegte Unterstützung von Altkadern nicht in seine Beurteilung der Tätigkeit des Klägers als Rektor einbezogen. Dazu hätte auch eine Bewertung der vom Beklagten beanstandeten öffentlichen Äußerungen des Klägers zur Personalpolitik des Ministeriums gehört. Desweiteren hätte das Berufungsgericht feststellen müssen, ob nicht das Verhalten des Klägers im Umgang mit Vertretern des Ministeriums für Staatssicherheit und seine im Verlaufe der verschiedenen Anhörungen variierten Antworten auf diesbezügliche Fragen des Beklagten Eignungszweifel begründen könnten. Entsprechendes gilt für die streitig gebliebenen Behauptungen des Beklagten, der Kläger habe Mitglieder der Personalkommission im Einzelgespräch beleidigt und bedroht. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht zutreffend darauf abgestellt, daß die bei Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung noch nicht entstandenen Tatsachen bei der Wirksamkeitsbeurteilung dieser Kündigung unberücksichtigt zu lassen sind. Sie wären nur im Rahmen der Entscheidung über den als Eventualantrag gestellten Auflösungsantrag des Beklagten rechtserheblich.

D. Auflösung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 9 KSchG auf Antrag des Arbeitgebers

Liegen bei einer Kündigung die Voraussetzungen nach Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 zum Einigungsvertrag nicht vor, und ist die Kündigung nicht aus anderen Gründen sozial gerechtfertigt, ist sie sozialwidrig im Sinne von § 1 KSchG. Der Arbeitgeber kann in einem solchen Fall zulässig einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG stellen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen (vgl. BAG Urteil vom 18. März 1993 – 8 AZR 331/92 – BAGE 72, 350 = AP Nr. 20 zu Einigungsvertrag Anlage I Kapitel XIX). Der entsprechende Antrag des Arbeitgebers ist gestellt worden. Der Beklagte hat unter Hinweis auf das vom Kläger nach Zugang der Kündigung insbesondere in der Öffentlichkeit gezeigte Verhalten den Auflösungsantrag begründet. Über diesen Antrag hat das Berufungsgericht konsequenterweise wegen der von ihm angenommenen Wirksamkeit der Kündigung nicht entschieden. Sollte das Landesarbeitsgericht aufgrund der erneuten Verhandlung zu dem Ergebnis gelangen, die Kündigung sei wegen Fehlens eines Kündigungsgrundes gemäß § 1 Abs. 1 des anwendbaren Kündigungsschutzgesetzes sozial ungerechtfertigt und unwirksam, müßte es über den hilfsweise gestellten Auflösungsantrag des Arbeitgebers entscheiden. Der Rechtsstreit ist deshalb auch aus diesem Grunde an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Insofern wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob dem Kläger als Rektor noch im Zeitpunkt der Kündigung die Stellung eines Betriebsleiters und damit eines leitenden Angestellten im Sinne von § 14 Abs. 2 KSchG zukam. In diesem Falle bedürfte die Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Parteien gemäß §§ 14 Abs. 2 Satz 2, 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG keines Grundes.

E. Im übrigen ist die Revision unbegründet, denn der Kläger ist nicht vorläufig weiterzubeschäftigen.

Die Ungewißheit über den Ausgang des Kündigungsprozesses begründet ein schutzwertes Interesse des Beklagten an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Klägers für die Dauer des Kündigungsprozesses im Sinne der Entscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Februar 1985 (– GS 1/84 – AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht). Das Arbeitsgericht hat zwar festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die erklärte Abberufung aufgelöst worden sei, doch ist die Kündigungsschutzklage vom Landesarbeitsgericht als unbegründet abgewiesen worden. Zudem hat der Beklagte in der Berufungsinstanz die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung beantragt. Die daraus folgende Ungewißheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses entspricht derjenigen, die vor Verkündung des erstinstanzlichen Urteils bestanden hat und begründet das schutzwürdige Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des Klägers (vgl. hierzu BAG Urteil vom 19. Dezember 1985 – 2 AZR 190/85 – AP Nr. 17 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht).

 

Unterschriften

Ascheid Dr., Wittek, Müller-Glöge, R. Iskra, Harnack

 

Fundstellen

Haufe-Index 441739

BAGE, 265

BB 1996, 224

NZA 1996, 589

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