Entscheidungsstichwort (Thema)

BAT-O. räumlicher Geltungsbereich

 

Leitsatz (redaktionell)

vgl. Urteil des Senats vom 26. Oktober 1995 – 6 AZR 125/95 – zur Veröffentlichung bestimmt.

 

Normenkette

Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften –

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 21.03.1995; Aktenzeichen 12 Sa 169/94)

ArbG Berlin (Urteil vom 24.11.1994; Aktenzeichen 91 Ca 36352/93)

 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 21. März 1995 – 12 Sa 169/94 – wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten, ob auf ihr Arbeitsverhältnis der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 Anwendung findet, oder ob sich das Arbeitsverhältnis – wie das beklagte Land meint – nach den Bestimmungen des Tarifvertrages zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 in seiner jeweils geltenden Fassung richtet.

Die Klägerin ist Mitglied der Gewerkschaft ÖTV, die ebenso wie das beklagte Land Partei beider Tarifverträge ist.

Die Klägerin war seit Juni 1973 bei dem im ehemaligen Ost-Berlin gelegenen Statistischen Amt der Stadt Berlin beschäftigt. Nach der Wiedervereinigung ist sie vom beklagten Land weiterbeschäftigt worden. In der Zeit vom 1. Januar 1991 bis zum 31. März 1992 war sie als Arbeiterin beim Statistischen Landesamt in einer im Westteil von Berlin gelegenen Dienststelle eingesetzt. Auf das Arbeitsverhältnis wurde in diesem Zeitraum der BMT-G-II angewandt.

Seit dem 1. April 1992 ist die Klägerin als Angestellte aufgrund eines am 23. April 1992 unterzeichneten Arbeitsvertrages, der die Anwendung des BAT-O vorsieht, in einer im Ostteil Berlins gelegenen Dienststelle des Statistischen Landesamtes Berlin tätig.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, auf ihr Arbeitsverhältnis sei nach ihrer Rückkehr in den Ostteil von Berlin der BAT anzuwenden. Sie hat den Arbeitsvertrag angefochten, weil sie nicht auf die Anwendung des BAT habe verzichten wollen. Auch sei der Personalrat bei der Zuweisung des jetzigen Arbeitsplatzes nicht beteiligt worden.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß auf das Arbeitsverhältnis der Parteien seit dem 1. April 1992 der BAT Anwendung findet.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land hat die Auffassung vertreten, aus der Beschäftigung der Klägerin im Westteil von Berlin bis zum 31. März 1992 folge nicht, daß bei einer Fortsetzung der Tätigkeit im Ostteil von Berlin westliches Tarifrecht anzuwenden sei.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Sie hat mit Schriftsatz vom 9. November 1995 in der Revisionsinstanz erstmals behauptet, daß eine Kollegin der Klägerin, Frau B K , geb. A , die wie die Klägerin im Beitrittsgebiet übernommen worden sei, zunächst vom Ostteil in den Westteil der Stadt umgesetzt worden sei, und seit dem 1. Februar 1992 wieder im Ostteil der Stadt arbeite. Sie habe die Bezahlung nach BAT (West) zuerkannt bekommen. Seit dem Umzug des gesamten Statistischen Landesamtes am 3. März 1995 vom Fehrbelliner Platz (Westteil von Berlin) in das neue Dienstgebäude nach Alt Friedrichsfelde (Ostteil von Berlin) erhielten alle Kolleginnen und Kollegen der Klägerin, deren Arbeitsverhältnis im Beitrittsgebiet begründet sind, die aber zwischenzeitlich unbefristet im Westteil eingesetzt worden waren, weiterhin die Vergütung nach BAT (West). Sie hätten über den zuständigen Personalrat vor dem Umzug die mündliche Zusage des Innensenators, Herrn Prof. Heckelmann erhalten, daß sie die Vergütung nach BAT (West) auch nach vollzogenem Umzug trotz der Tatsache, daß sie ihre Arbeitsplätze wieder im Ostteil der Stadt einnehmen, erhielten.

Das beklagte Land hat diesen Sachvortrag bestritten. Es bittet um Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

I. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, daß auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ab dem 1. April 1992 der BAT-O Anwendung findet.

1. Der erkennende Senat hat bei Anwendung des § 1 Abs. 1 BAT-O ein Arbeitsverhältnis als im Beitrittsgebiet begründet angesehen, wenn es vor oder nach dem 3. Oktober 1990 geschlossen wurde, sofern es einen Bezug zum Beitrittgebiet aufweist, der gegenwärtig noch vorhanden ist. Dabei ist für die Bestimmung des räumlichen Geltungsbereichs nicht auf den Sitz der Dienststelle, deren Zuständigkeit oder Aufgaben, sondern allein auf die Lage des Arbeitsplatzes abzustellen. Beginnt und beendet ein Arbeitnehmer seine tägliche Arbeit im Beitrittsgebiet und arbeitet er dort mindestens während der Hälfte der Arbeitszeit, so liegt sein Arbeitsplatz im Beitrittsgebiet. Dies gilt auch dann, wenn ein Arbeitnehmer nach einer Tätigkeit im räumlichen Geltungsbereich westlichen Tarifrechts und dessen Anwendung auf das Arbeitsverhältnis in das Beitrittsgebiet zurückkehrt. Auch dann findet wieder örtliches Tarifrecht Anwendung (ständige Rechtsprechung vgl. zuletzt Senatsurteile vom 23. Februar 1995 – 6 AZR 329/94 –, vom 1. Juni 1995 – 6 AZR 922/94 –, beide zur Veröffentlichung vorgesehen und vom 21. September 1995 – 6 AZR 151/95 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, m.w.N.). Diese Beschränkung des Anwendungsbereichs des BAT-O steht im Einklang mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, weil den auseinanderklaffenden Grundbedingungen in den alten und neuen Bundesländern für eine Übergangszeit durch unterschiedliche Tarifregelungen Rechnung getragen wird (vgl. Senatsurteil vom 24. Februar 1994 – 6 AZR 588/93 – AP Nr. 1 zu § 1 BAT-O, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

2.a) Nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist das Arbeitsverhältnis im Beitrittsgebiet begründet worden. Die Klägerin war seit dem Jahre 1973 bei dem im ehemaligen Ost-Berlin gelegenen Statistischen Amt beschäftigt. Dieser Bezug zum Beitrittsgebiet besteht auch gegenwärtig fort. Die Klägerin verrichtet nach ihrer Tätigkeit bei einer im Westteil von Berlin gelegenen Dienststelle ab 1. April 1992 als Angestellte wieder ihre Tätigkeit in einer im Ostteil der Stadt gelegenen Dienststelle. Sie ist damit in den räumlichen Geltungsbereich des BAT-O zurückgekehrt. Der BAT-O ist damit anzuwenden.

b) Rechtlich unerheblich ist, daß auf das Arbeitsverhältnis der Parteien in der Zeit vom 1. Januar 1991 bis zum 31. März 1992 der BMT-G-II Anwendung fand, weil die Klägerin als Arbeiterin tätig war. Es kann dahingestellt bleiben, ob trotz des am 1. April 1992 erfolgten Statuswechsel der Klägerin zur Angestellten das einmal im Beitrittsgebiet begründete Arbeitsverhältnis fortgesetzt wurde oder ob die Parteien ein neues Arbeitsverhältnis begründet haben. Auch im letzten Fall kommt der BAT-O zur Anwendung, weil ein nach dem 3. Oktober 1990 geschlossenes Arbeitsverhältnis ebenfalls im Beitrittsgebiet begründet ist, wenn wie vorliegend der gegenwärtige Bezug zum Beitrittsgebiet vorhanden ist.

3. Die tarifrechtliche Geltung des BAT-O vermag die Klägerin auch nicht durch die Anfechtung ihres Arbeitsvertrages rechtlich zu beseitigen. Eine erfolgreiche Anfechtung führt genausowenig wie eine etwaige fehlende Beteiligung des Personalrats bei der Zuweisung des Arbeitsplatzes zur übertariflichen Leistung nach dem BAT, wie es die Klägerin begehrt (vgl. BAG Urteil vom 29. September 1994 – 1 AZR 870/93 – AP Nr. 68 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

4. Ob der Klägerin ein Anspruch auf übertarifliche Leistungen nach dem BAT aus dem Gesichtspunkt arbeitsrechtlicher Gleichbehandlung zusteht, bleibt unentschieden. Der von der Revision mit Schriftsatz vom 9. November 1995 erstmals dazu behauptete neue Sachverhalt, den der Revisionsbeklagte bestritten hat, war vom Senat nicht zuberücksichtigen. Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur das Parteivorbringen, da aus dem Tatbestand des Berufungsurteils oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist (§ 561 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Mit streitigem Sachverhalt, der in den Tatsacheninstanzen hätte vorgebracht werden können und der noch weitere tatsächliche Feststellungen erfordert, kann die Klägerin in der Revisionsinstanz nicht mehr gehört werden (vgl. BAG Urteil vom 6. September 1988 – 3 AZR 141/87 – AP Nr. 9 zu § 9 BetrAVG).

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Jobs, Dr. Armbrüster, Bott, Kapitza, D. Knauß

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1102130

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