Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag auf Erlaß eines Mahnbescheids und Verjährung

 

Normenkette

BGB § 196 ff., § 209 Abs. 1, 2 Nr. 1, § 211 ff., §§ 222, 613a; ZPO § 270 Abs. 3, §§ 690-691, 693

 

Verfahrensgang

LAG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 21.11.1996; Aktenzeichen 7 (4) Sa 532/95)

ArbG Halberstadt (Urteil vom 11.05.1995; Aktenzeichen 2 Ca 46/94)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 21. November 1996 – 7 (4) Sa 532/95 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche aus übergegangenem Recht im Anschluß an einen angeblichen Betriebsübergang auf die Beklagte.

Die Arbeitnehmer D., E., G. F., H. F., J. F., G., G., H., Ha., H., K., Kr., Ku., P., S., Sc., Tr. und W. waren bei dem zum FDGB gehörenden „Organisationseigenen Betrieb (OEB) Reisebüro der Gewerkschaften Feriendienst” (künftig: FEDI) beschäftigt. Sie arbeiteten in dem ehemaligen Ferienheim „F”

in T.. Dabei handelte es sich um eine Einrichtung des FEDI, die der Urlaubsversorgung der Feriengäste diente, die über den FDGB in T untergebracht waren.

Der FEDI kündigte allen Arbeitnehmern des Ferienheims „F.” am 14. Januar 1991 ordentlich zum 30. April 1991 bzw. zu späteren Terminen.

Mit Vertrag vom 20. Februar 1991 pachtete die Beklagte „mit Wirkung vom Februar 1991” von der Treuhandanstalt die von dieser „treuhänderisch verwalteten Grundstücke, L. in T. mit aufstehenden Gebäuden und Anlagen, bestehend aus: Ferienheim F.”. Gegenstand des Pachtvertrags waren „weiterhin die in den Gebäuden vorhandenen und zum Pachtobjekt gehörenden Einrichtungsgegenstände und Wirtschaftszubehör”. Ausdrücklich nicht Gegenstand des Vertrages war „die Übernahme des Hotelpersonals”. Hinsichtlich des Pachtobjekts bestehende Miet- und sonstige Verträge waren in unveränderter Form zu übernehmen. Der Pächter hatte „das Pachtobjekt für die Zwecke des Betriebes eines Hotels mit Restaurant zu benutzen”; eine anderweitige Verwendung war nur mit Zustimmung der Treuhand gestattet.

Die Beklagte betrieb ab dem 1. Februar 1991 in den Räumlichkeiten des ehemaligen Ferienheims ein Hotel. Sie übernahm vier der namentlich genannten Arbeitnehmer und beschäftigte sie ab dem 1. Februar 1991 weiter.

Am 24. Mai 1991 eröffnete das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen des FEDI.

Die Klägerin erbrachte den oben namentlich genannten Arbeitnehmern ab 1. Januar 1991 Leistungen, nach ihrer Aufstellung insgesamt 68.001,27 DM an Konkursausfallgeld, Arbeitslosengeld sowie Krankenversicherungs- und Rentenversicherungsbeiträgen.

Die Klägerin hat geltend gemacht, die Vergütungsansprüche der in dem Ferienheim „F.” ehemals beschäftigten Arbeitnehmer seien auf sie übergegangen. Die Beklagte sei ab dem 1. Februar 1991 in die Arbeitsverhältnisse eingetreten, da sie den Betrieb mittels Pachtvertrag übernommen habe. Die Kündigungen seien wegen des Betriebsübergangs erfolgt und deshalb unwirksam. Der Betrieb sei nicht stillgelegt worden. Mit dem Pachtvertrag habe die Beklagte die tatsächliche Möglichkeit der Betriebsfortführung erlangt. Der Charakter des Betriebes sei auch im wesentlichen erhalten geblieben.

Die Klägerin hat mit einem Mahnbescheidsantrag vom 29. Dezember 1993, beim Arbeitsgericht per Fax am 30. Dezember 1993 eingegangen, einen Anspruch in Höhe von 68.001,27 DM gegen die Beklagte geltend gemacht. Sie hat diesen Anspruch im Mahnbescheidsantrag wie folgt bezeichnet:

„Arbeitnehmern des Reisebüros der Gewerkschaften ‚Feriendienst’ wurde aufgrund des Gesamtvollstreckungsverfahrens Konkursausfallgeld gemäß § 141 a ff. AFG bzw. Alg/Alhi gem. § 117 AFG gezahlt. Dadurch sind die Lohn/Gehaltsansprüche gem. § 141 m AFG bzw. § 115 SGB X auf die BA übergegangen. Infolge des Betriebsüberganges gem. § 613 a BGB zwischen dem insolventen Reisebüro der Gewerkschaften ‚Feriendienst’ und der Gemeindeverwaltung T. haftet die Antragsgegnerin für diese Ansprüche.”

Das Arbeitsgericht hat am 10. Januar 1994 den Mahnbescheid erlassen.

Nach dem Widerspruch der Beklagten hat die Klägerin zuletzt beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 58.824,12 DM zuzüglich 7,75 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, der Betrieb „Ferienheim F.” sei stillgelegt worden. Sie habe kein betriebsbereites Objekt angepachtet, sondern ein Hotel neu eröffnet. Ein Betriebsübergang liege nicht vor. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben und geltend genacht, ein ordnungsgemäßer Mahnbescheidsantrag sei bis zum 31. Dezember 1993 bei Gericht nicht eingegangen.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat darauf abgestellt, ein Betriebsübergang liege nicht vor. Mit der Anpachtung der Immobilie durch die Beklagte sei weder die Betriebsform noch der Kundenkreis erhalten geblieben. Nach der vollständigen Einstellung des Geschäftsbetriebs des FEDI seien die Ferienheime nicht mehr in Funktion gewesen. Die Aufnahme und Versorgung eines feststehenden, zugeteilten Personenkreises (Mitglieder) stelle im Verhältnis zu einem Hotel etwas anderes dar; bei diesem müsse der Betreiber täglich mit der Qualität und Einrichtung der Zimmer, seinen angebotenen Speisen und Getränken und vor allem unter Berücksichtigung des Preis-Leistungs-Verhältnisses um einen gänzlich neuen Gästekreis im Wettbewerb mit anderen Orten und Hotels werben.

II. Ob diese Ausführungen zutreffen, kann dahingestellt bleiben. Das Landesarbeitsgericht hat nicht eindeutig festgestellt, welcher Art die Einrichtung „Ferienheim F.” war. Handelte es sich hierbei um ein Hotel oder eine Pension und nicht um eine „Verpflegungsstelle”, bleiben nur die vom Landesarbeitsgericht herausgestellten Unterschiede zwischen staatlich gelenkter Planwirtschaft und Marktwirtschaft hinsichtlich Betriebsform und Kundenkreis der Einrichtung. Ob diese Unterschiede angesichts einer im übrigen möglicherweise unveränderten Nutzung der organisatorisch zusammengefaßten Betriebsmittel ausreichen, um einen Betriebsbergang zu verneinen, erscheint zumindest fraglich. So liegt bei Produktionsbetrieben ein Betriebsübergang auch dann vor, wenn der Absatz der Produktion bisher zu festen (subventionierten) Preisen durch staatliche Stellen garantiert war, während der Käufer oder Pächter des Betriebes unter marktwirtschaftlichen Bedingungen produziert.

III. Jedenfalls beruft sich die Beklagte zu Recht auf Verjährung. Sie ist gemäß § 222 Abs. 1 BGB berechtigt, die Leistung zu verweigern.

1. Den von der Klägerin erbrachten Sozialleistungen liegen nach ihrer Darstellung Lohnforderungen gegen die Beklagte zugrunde, die im Jahre 1991 fällig geworden sind. Diese Forderungen sind nach den §§ 196 Abs. 1 Nr. 9, 198, 201 BGB mit Ablauf des 31. Dezember 1993 verjährt.

2. Die Verjährung ist nicht unterbrochen worden (§§ 217, 211 ff. BGB).

a) Die Klägerin hat die Ansprüche nicht im Jahre 1993 im Sinne von § 209 BGB gerichtlich geltend gemacht. Der Mahnbescheid ist der Beklagten erst am 19. Januar 1994 zugestellt worden (§ 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB).

b) Zugunsten der Klägerin ist nicht die Wirkung des § 693 Abs. 2 ZPO eingetreten.

aa) Soll durch die Zustellung des Mahnbescheids die Verjährung unterbrochen werden, so tritt die Wirkung der Unterbrechung nach § 693 Abs. 2 ZPO bereits mit der Einreichung oder Anbringung des Antrags auf Erlaß des Mahnbescheids ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Die Klägerin hat den Mahnbescheidsantrag am 30. Dezember 1993 eingereicht. Die Zustellung des Mahnbescheids am 19. Januar 1994 geschah noch „demnächst” (vgl. § 270 Abs. 3 ZPO).

bb) Voraussetzung für die Wirkung des § 693 Abs. 2 ZPO ist ein wirksamer Mahnantrag nach § 690 ZPO. Insbesondere muß der geltend gemachte Anspruch nach § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO individualisiert sein. Eine Begründung des Anspruchs ist nicht erforderlich. Es bedarf lediglich der Bezeichnung des Anspruchs unter bestimmter Angabe der verlangten Leistung. Zur Unterbrechung der Verjährung muß der im Mahnbescheid bezeichnete Anspruch durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt werden können, daß er über einen Vollstreckungsbescheid Grundlage eines Vollstreckungstitels sein kann und dem Schuldner die Beurteilung möglich ist, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will oder nicht. Art und Umfang der erforderlichen Angaben hängen im Einzelfall von dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis und der Art des Anspruchs ab (BGH Urteil vom 8. Mai 1996 – XII ZR 8/95 – NJW 1996, 2152 f., m.w.N.; Thomas/Putzo, ZPO, 21. Auflage, § 693 Rz 3, § 690 Rz 9; Zöller/Vollkommer ZPO, 20. Auflage, § 693 Rz 3, § 690 Rz 14; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 56. Auflage, § 690 Rz 6–9; MünchKommZPO-Holch, § 693 Rz 11, § 690 Rz 10 f.).

cc) Der Anspruch war im Mahnbescheidsantrag vom 29. Dezember 1993 nicht hinreichend individualisiert. Eine Individualisierung ist erst nach Eintritt der Verjährung erfolgt. Deshalb scheidet die Rückwirkung auf den 30. Dezember 1993 aus. Aus dem Mahnbescheidsantrag ergab sich zwar, daß (übergegangene) Lohnansprüche von Arbeitnehmern geltend gemacht wurden. Erkennbar war weiter, daß es um Arbeitnehmer ging, die früher im Ferienheim „F.” beschäftigt waren, obwohl ausdrücklich nur der FEDI genannt war. Doch fehlt es an der namentlichen Bezeichnung der Arbeitnehmer und an der Angabe der Lohnzahlungszeiträume. Bei Lohnansprüchen ist die Person des Arbeitnehmers und der Vergütungszeitraum für die Stimmung des Anspruchs wesentlich. Beides war für die Beklagte selbst dann nicht erkennbar, wenn sie die Namen aller früher im Ferienheim beschäftigten Arbeitnehmer kannte. Die Beklagte konnte nicht wissen, welche Arbeitnehmer Sozialleistungen erhalten bzw. beantragt hatten und welche Zeiträume betroffen waren. Sie konnte deshalb die Ansprüche nicht überprüfen. Es war keinesfalls selbstverständlich, daß es um alle Arbeitnehmer des Ferienheims und um einheitliche Zeiträume ging. Worauf sich eine etwaige Rechtskraft des Vollstreckungsbescheids bezogen hätte, wäre danach völlig ungewiß geblieben.

dd) Auf die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob der Mahnbescheidsantrag wirksam per Fax eingereicht werden konnte, kommt es demnach nicht mehr an.

c) § 691 Abs. 2 ZPO hilft der Klägerin schon deshalb nicht, weil der Mahnbescheidsantrag weder zurückgewiesen, noch Klage eingereicht wurde. Im übrigen muß der Antrag auch hier dem § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO genügen (vgl. nur Thomas/Putzo, a.a.O., § 691 Rz 13); denn § 691 Abs. 2 ZPO bezweckt nur, solche Nachteile für den Antragsteller auszuschließen, die gerade aus der unzulässigen Wahl des Mahnverfahrens (statt Klage) resultieren. Auch eine Klage hätte den Gegenstand des Anspruchs bestimmt bezeichnen müssen (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

 

Unterschriften

Ascheid, Dr. Wittek, Mikosch, Noack, Hannig

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1257093

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