Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechnung der Lohnfortzahlung

 

Leitsatz (redaktionell)

Leistet ein Arbeitnehmer im Geltungsbereich des Manteltarifvertrages für gewerbliche Arbeitnehmer der Druckindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (einschließlich Berlin-West) in der ab 6. Juli 1984 geltenden Fassung regelmäßig an jedem dritten Sonnabend Überstunden, so errechnet sich der Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle für jeden Tag der unverschuldeten Arbeitsversäumnis nach dem Durchschnittsverdienst des Berechnungszeitraumes unter Anwendung des Divisors 69,33.

 

Normenkette

TVG § 1; LFZG § 2 Abs. 3, § 1 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 30.12.1986; Aktenzeichen 7 Sa 859/86)

ArbG Hannover (Entscheidung vom 14.02.1986; Aktenzeichen 9 Ca 447/85)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger für Sonnabend, den 18. Mai 1985, ein Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle zusteht.

Der Kläger ist seit dem 1. April 1974 bei der Beklagten beschäftigt. Er arbeitet in der "Montage". Sein Bruttostundenlohn betrug zuletzt 17,33 DM. Auf das Arbeitsverhältnis sind kraft Verbandszugehörigkeit der Parteien der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (einschließlich Berlin-West) in der ab 6. Juli 1984 geltenden Fassung (kurz: MTV) sowie der entsprechende Lohnrahmentarifvertrag anzuwenden.

Vom 17. bis zum 23. Mai 1985 war der Kläger arbeitsunfähig krank. Die Beklagte zahlte ihm für diese Zeit Arbeitsentgelt nach den tariflichen Bestimmungen weiter, jedoch mit Ausnahme des 18. Mai. An diesem Tage hätte der Kläger ohne Erkrankung - wie jeden dritten Sonnabend - Überstundenarbeit geleistet, zu der er sich gemeldet hatte und zu der er bereits in die entsprechenden Listen eingetragen worden war. Für die Ausführung der wegen des Drucks einer Sonntagszeitung regelmäßig anfallenden Überstunden melden sich in der Regel die Mitarbeiter der "Spät-Eins-Schicht" und, sofern die erforderliche Zahl von Mitarbeitern nicht erreicht wird, auch andere Arbeitnehmer.

Geschäftsleitung und Betriebsrat der Beklagten haben für die Sonnabendarbeit eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen. Sie wird durch eine Regelungsabsprache ergänzt, in der es unter anderem heißt:

"Diese Sonnabendarbeit ist Bestandteil der

vereinbarten Arbeitszeit. Das bedeutet,

daß kein Mitarbeiter die Sonnabendarbeit

ablehnen kann."

Im Arbeitsvertrag der Parteien vom 22. Januar 1974 heißt es:

"Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit

richtet sich nach dem Tarifvertrag und der

jeweils gültigen Arbeitszeitregelung, die

mit dem Betriebsrat vereinbart wurde. Soweit

es die betrieblichen Verhältnisse

erfordern, sind Sie verpflichtet, Mehrarbeit,

Schicht- oder Nachtarbeit sowie

Sonn- und Feiertagsarbeit im Rahmen der

tariflichen und gewerblichen Bestimmungen

zu leisten."

Der Kläger ist der Meinung, ihm stehe für den 18. Mai 1985 Lohnfortzahlung zu. Anspruch auf Lohnfortzahlung nach § 12 Nr. 1 MTV bestehe für alle Tage, an denen der Arbeiter ohne Arbeitsunfähigkeit gearbeitet hätte. Die Höhe des fortzuzahlenden Entgelts sei gemäß § 12 Nr. 2 MTV mit dem Divisor 65 zu ermitteln, da die tarifliche Wochenarbeitszeit im Betrieb der Beklagten auf fünf Tage und nur in Ausnahmefällen durch Betriebsvereinbarung auf sechs Tage verteilt worden sei.

Jedenfalls habe er Anspruch auf den tariflichen Lohn für 6,5 Arbeitsstunden, der ihm am 18. Mai 1985 ohne Arbeitsunfähigkeit vergütet worden wäre, sowie auf die übliche Zusatzvergütung (insgesamt 189,64 DM brutto).

Nachdem der Kläger im ersten Rechtszug 287,24 DM gefordert hatte, hat er zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 210,97 DM

brutto,

hilfsweise:

189,64 DM brutto,

jeweils nebst 4 % Prozeßzinsen aus dem Nettobetrag

zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Auffassung, dem Kläger stehe der erhobene Anspruch nicht zu. Da der Tarifvertrag die Lohnfortzahlung nach dem Vorverdienstprinzip regele, seien die im Berechnungszeitraum der letzten drei Monate geleisteten Überstunden in den Durchschnittsverdienst mit eingeflossen, so daß der Kläger auf diese Weise einen höheren täglichen Krankenlohn erhalten habe.

Mögliche Überstunden am 18. Mai 1985 hätten nicht zur regelmäßigen Arbeitszeit des Klägers gehört und müßten schon deshalb anders behandelt werden als die regelmäßige Arbeitszeit. Im übrigen sei die Arbeitsleistung am Sonnabend stets freiwillig, da kein Arbeitnehmer dazu gezwungen werde.

Selbst wenn man davon ausgehe, daß ein Tag, an dem ausschließlich Überstunden erbracht werden, lohnfortzahlungsrechtlich wie ein normaler Arbeitstag zu behandeln sei, müsse dies nach dem Tarifvertrag zur Folge haben, daß für die Berechnung des täglichen Arbeitsentgelts nicht auf den Divisor 65, sondern auf den Divisor 78 abzustellen sei, weil es sich dann nicht um eine Fünf-, sondern um eine Sechstagewoche handele.

Unstreitig ist zwischen den Parteien, daß der Kläger während der letzten 13 Wochen vor Beginn seiner Arbeitsunfähigkeit 13.713,14 DM brutto verdient hat.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat teilweise Erfolg. Dem Kläger steht Lohnfortzahlung für den 18. Mai 1985 in Höhe von 197,80 DM brutto zu. Im übrigen ist seine Klage jedoch unbegründet.

I. Der Kläger hat Anspruch auf Lohnfortzahlung für den 18. Mai 1985.

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Tarifvertragsparteien hätten von der in § 2 Abs. 3 LFZG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht und das der gesetzlichen Regelung (§ 2 Abs. 1 Satz 1 LFZG) zugrundeliegende Lohnausfallprinzip durch das Vorverdienstprinzip ersetzt. Mithin komme es nicht darauf an, ob der Kläger bei Arbeitsunfähigkeit am 18. Mai 1985 Überstunden geleistet hätte oder zu ihrer Leistung verpflichtet gewesen wäre. Die Tarifpartner hätten das Lohnausfallprinzip bewußt aufgegeben und durch die Fiktion des Ausfalls von Arbeitsentgelt in Höhe des Durchschnittsverdienstes während der der Arbeitsunfähigkeit vorausgegangenen Referenzperiode ersetzt. Dies könne zur Folge haben, daß die betroffenen Arbeitnehmer im Einzelfall Ergebnisse hinnehmen müßten, die ungünstiger seien als diejenigen, die sich bei Anwendung des Lohnausfallprinzips ergeben würden. Die Frage, welches Arbeitsentgelt dem Arbeitnehmer nach dem Lohnfortzahlungsgesetz während seiner Arbeitsunfähigkeit zu zahlen sei, werde von § 2 LFZG beantwortet, der gemäß Abs. 3 abweichende Regelungen durch Tarifvertrag zulasse.

2. Dem hält die Revision entgegen, das Landesarbeitsgericht habe die Frage, ob für den 18. Mai Lohnfortzahlung zu leisten sei, mit der Frage vermischt, in welcher Höhe Lohnfortzahlung gewährt werden müsse. Während von dem in § 2 LFZG vorgesehenen Lohnausfallprinzip durch tarifliche Regelung abgewichen werden könne, sei die Frage, ob das Arbeitsentgelt weiterzuzahlen sei, nicht tarifdispositiv. Es habe sich bei dem fraglichen Tag um einen weiteren, zusätzlichen Arbeitstag gehandelt, an dem der Kläger infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert gewesen sei. Insoweit sei es ohne Belang, daß es sich bei der am 18. Mai zu leistenden Arbeit um Überstunden gehandelt habe.

3. Der Revision ist insoweit zuzustimmen, wie dem Kläger für den 18. Mai 1985 dem Grunde nach ein Anspruch auf Lohnfortzahlung zusteht.

a) Auszugehen ist von dem in § 1 Abs. 1 Satz 1 LFZG aufgestellten Grundsatz, wonach der Arbeiter in den ersten sechs Wochen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Fortzahlung des Bruttoarbeitsentgelts hat.

Voraussetzung dafür sind Bestehen eines Arbeitsverhältnisses und Arbeitsverhinderung durch Arbeitsunfähigkeit. Diese muß nach dem Beginn der Beschäftigung eingetreten und darf vom Arbeiter nicht verschuldet sein. Der seit mehreren Jahren bei der Beklagten beschäftigte Kläger war, worüber zwischen den Parteien kein Streit herrscht, am 18. Mai 1985 ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung gehindert. Daher steht ihm grundsätzlich auch für diesen Tag ein Anspruch auf Lohnfortzahlung zu.

Das Lohnfortzahlungsgesetz trifft keine ausdrückliche Regelung darüber, ob auch für Tage, an denen ausschließlich Überstunden erbracht werden, Lohnfortzahlung zu gewähren ist. Das ist von seinem Regelungsstandpunkt aus auch nicht erforderlich. Denn es geht in § 1 Abs. 1 Satz 1 davon aus, daß dem Arbeiter - unter bestimmten Voraussetzungen - "für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit" das Arbeitsentgelt weiterzuzahlen ist. Der Wortlaut der gesetzlichen Regelung unterscheidet nicht zwischen regelmäßiger Arbeit und Mehrarbeit. Daraus folgt, daß jede Zeit, in der Arbeit geleistet wird, von der Grundregel der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle in gleicher Weise erfaßt wird und daß Unterschiede hinsichtlich bestimmter Arbeitstage nicht in Betracht kommen.

b) Dem steht nicht entgegen, daß der Kläger nur an jedem dritten Sonnabend arbeitet und daß es sich bei der an diesem Tage zu erbringenden Arbeitsleistung ausschließlich um Überstunden handelt. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 15. Februar 1978 - 5 AZR 739/76 - AP Nr. 8 zu § 2 LohnFG, mit zust. Anm. von Trieschmann; Urteil vom 8. Mai 1972 - 5 AZR 428/71 - AP Nr. 3 zu § 2 LohnFG) und übereinstimmender Auffassung in der Literatur (vgl. nur Kaiser/Dunkl, Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle, 2. Aufl. 1984, § 2 Rz 44; Schmatz/ Fischwasser, Vergütung der Arbeitnehmer bei Krankheit und Mutterschaft, 6. Aufl., Stand August 1987, § 2 Rz 42; Marienhagen, Lohnfortzahlungsgesetz, Neubearbeitung 1987, § 2 Rz 21 f.) sind Überstunden und Mehrarbeitszeiten bei der Ermittlung des fortzuzahlenden Lohnes dann zu berücksichtigen, wenn sie regelmäßig geleistet werden.

c) Der Ansicht der Beklagten, der 18. Mai 1985 sei in ihrem Betrieb kein regelmäßiger Arbeitstag und der Kläger an diesem Tage zur Arbeitsleistung nicht verpflichtet gewesen, steht bereits die Betriebsvereinbarung vom 23. April 1974 entgegen. In ihr heißt es, die Sonnabendarbeit sei Bestandteil der vereinbarten Arbeitszeit, so daß kein Mitarbeiter diese Arbeit ablehnen könne. Ferner haben sich die Parteien einzelvertraglich darauf geeinigt, die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit solle sich nach dem Tarifvertrag und der jeweils gültigen Arbeitszeitregelung mit dem Betriebsrat richten; der Kläger sei verpflichtet, soweit es die betrieblichen Verhältnisse erforderten, Mehrarbeit, Schicht- oder Nachtarbeit zu leisten (Nr. 3 des Arbeitsvertrages).

Betriebsvereinbarung wie Arbeitsvertrag sehen mithin eine Verpflichtung zur Arbeitsleistung über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden hinaus vor. Aber selbst wenn der Kläger nicht verpflichtet wäre, Überstunden zu erbringen, sondern diese freiwillig geleistet hätte, würde dies nicht zu einer anderen Beurteilung führen, weil jedenfalls die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 LFZG erfüllt sind.

d) An dieser Rechtslage ändert sich auch dadurch nichts, daß die Tarifpartner von der Möglichkeit des § 2 Abs. 3 LFZG Gebrauch gemacht haben, das Lohnausfallprinzip durch das Vorverdienstprinzip zu ersetzen.

Nach § 12 Nr. 2 Satz 1 MTV gilt als Arbeitsentgelt der Durchschnittsverdienst der drei abgerechneten Lohnabrechnungsmonate oder der 13 abgerechneten Lohnwochen, die der Lohnwoche vorausgehen, in der die Arbeitsunfähigkeit beginnt. Dazu regelt § 12 Nr. 2 Satz 2 MTV, wie der Durchschnittsverdienst zu ermitteln ist. § 12 Nr. 2 Satz 3 MTV schließlich bestimmt, daß zur Berechnung des täglichen Arbeitsentgelts der festgestellte Durchschnittsverdienst durch 65 geteilt wird. Der Divisor ist jedoch - wie die ergänzende Fußnote der Bestimmung klarstellt - abhängig von der Zahl der vereinbarten Arbeitstage je Woche. Von einem Arbeitstage bis zu sechs Arbeitstagen die Woche ist der jeweilige Divisor genau aufgeführt. Bei sechs Arbeitstagen in der Woche ist der Divisor auf 78 festgelegt. Der Normenkomplex des § 12 Nr. 2 MTV regelt aber nur das an einem Krankheitstag zu zahlende Arbeitsentgelt, dagegen regelt er nicht die Anzahl der Arbeitstage, für die dieses Entgelt zu gewähren ist.

II. Der Anspruch des Klägers beläuft sich der Höhe nach auf 197,80 DM brutto.

1. Der Kläger berechnet seinen Anspruch für den 18. Mai 1985 auf der Grundlage des Durchschnittsverdienstes im Berechnungszeitraum unter Anwendung des Divisors 65. Demgegenüber ist die Beklagte der Auffassung, daß das im Berechnungszeitraum erzielte Arbeitsentgelt durch den Divisor 78 geteilt werden müsse, wenn man den 18. Mai 1985 überhaupt als Arbeitstag ansehen wolle.

2. Beide Auffassungen entsprechen nicht dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelung.

a) Nach § 12 Nr. 2 Satz 3 MTV soll zwar grundsätzlich zur Ermittlung des täglichen Arbeitsentgelts der Durchschnittsverdienst des Berechnungszeitraumes durch 65 geteilt werden. Diese Regelung beruht jedoch auf der Bestimmung, daß die wöchentliche Arbeitszeit für den einzelnen Arbeitnehmer auf fünf Tage zu verteilen ist (§ 3 Nr. 1 Satz 3 MTV). Für Ausnahmefälle läßt § 3 Nr. 1 Satz 4 MTV die Verteilung der Wochenarbeitszeit auf sechs Tage zu. Dazu bedarf es aber einer Betriebsvereinbarung (Satz 5). Geschäftsleitung und Betriebsrat der Beklagten haben am 23. April 1974 eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen, wonach eine Sonntagszeitung am Sonnabend in Überstunden gedruckt werden soll. Sie haben damit eine Vereinbarung getroffen, die eine sechstägige Arbeitszeit im Betrieb grundsätzlich zuläßt. Diese Arbeitszeit stellt jedoch keine regelmäßige Arbeitszeit im Sinne des § 3 Nr. 1 MTV dar.

Der Manteltarifvertrag enthält keine ausdrückliche Regelung für den Fall, daß ein Arbeiter über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus jeden dritten Sonnabend arbeitet. Er bedarf daher der Auslegung. Dazu ist zunächst vom Wortlaut auszugehen und sodann Sinn und Zweck der Tarifnorm zu ermitteln (vgl. nur BAGE 46, 308 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung; Wiedemann/Stumpf, Tarifvertragsgesetz, 5. Aufl., § 1 Rz 390), wobei der tarifliche Gesamtzusammenhang von Bedeutung sein kann (vgl. Neumann, Zur Auslegung von Tarifverträgen, AuR 1985, 320, 322).

§ 12 Nr. 2 MTV ersetzt das Lohnausfallprinzip durch das Vorverdienstprinzip. Nach dem Lohnausfallprinzip muß - hypothetisch - ermittelt werden, welchen Lohn der Arbeiter ohne Krankheit erhalten hätte. Das kann im Einzelfall schwierig sein. Das Gesetz will daher Gesichtspunkten der Praktikabilität Raum schaffen, wenn es das Vorverdienstprinzip als Berechnungsgrundlage ermöglicht. Nach diesem Prinzip ist rein tatsächlich festzustellen, welchen Durchschnittsverdienst der erkrankte Arbeiter im Berechnungszeitraum erzielt hat. Zur Ermittlung des täglichen Arbeitsentgelts wird nach dem Manteltarifvertrag der Durchschnittsverdienst durch einen von den Arbeitstagen in der Woche abhängigen Divisor geteilt.

b) Die Tarifpartner gehen grundsätzlich von dem Divisor 65 aus (§ 12 Nr. 2 Satz 3 MTV). Das bedeutet jedoch nicht, daß dieser Divisor in jedem Falle zugrunde gelegt werden muß. Dies ist, wie aus der Fußnote deutlich wird, vielmehr nur dann der Fall, wenn die wöchentliche Arbeitszeit für den einzelnen Arbeitnehmer auf fünf Tage verteilt ist, wie dies § 3 Nr. 1 Satz 3 MTV grundsätzlich vorsieht. Im übrigen ist der Divisor unterschiedlich und richtet sich nach der Zahl der vereinbarten Arbeitstage je Woche.

Allerdings trifft der Manteltarifvertrag nur für den Fall eine Regelung, daß im Berechnungszeitraum wöchentlich die gleiche Anzahl von Arbeitstagen geleistet wurde. Werden dagegen, wie zwischen den Parteien unstreitig, weder fünf noch sechs Tage wöchentlich gearbeitet, sondern wechselt die Anzahl der wöchentlichen Arbeitstage, würde es dem Sinn und Zweck des Tarifvertrages widersprechen, wollte man diese Tatsache bei der Berechnung des durchschnittlichen Krankenlohnes unberücksichtigt lassen. Daher kann man vorliegend weder dem auf der Fünf-Tage-Woche beruhenden Divisor 65 noch aber den auf der Sechs-TageWoche beruhenden Divisor 78 zugrundelegen. Im ersten Fall würde der Krankenlohn überhöht, im anderen zu niedrig ausfallen.

c) Sinn und Zweck der tariflichen Regelung wird dadurch Rechnung getragen, daß das Arbeitsentgelt der letzten 13 Wochen durch den Divisor 69,33 geteilt wird. Dadurch ergibt sich der für jeden durch Krankheit versäumten Arbeitstag zutreffende Divisor. Dieser Weg bringt das Vorverdienstprinzip des § 12 Nr. 2 MTV, welches sicherstellen will, das durchschnittliche Arbeitsentgelt auf möglichst einfache Weise zu berechnen, voll zur Auswirkung und erlaubt eine gerechte Ermittlung des Krankenlohnes.

Der Kläger arbeitete an jedem dritten Sonnabend, so daß er in 13 Wochen rechnerisch an 4,33 Sonnabenden tätig war. Im Berechnungszeitraum arbeitete er folglich - rechnerisch - an 69,33 Tagen. Legt man für den Berechnungszeitraum einen unstreitigen Verdienst von 13.713,14 DM brutto zugrunde, so ergibt sich ein tägliches Arbeitsentgelt von 197,80 DM brutto (13.713,14 DM : 69,33). Diesen Krankenlohn kann der Kläger auch für den 18. Mai 1985 beanspruchen.

d) Die Beklagte hat für die Krankheitstage, die sie vergütet hat, das Arbeitsentgelt auf der Grundlage des Divisors 65 berechnet. Nach dem vorstehend Dargelegten wäre aber auch für diese Tage der Krankenlohn mit 197,78 DM brutto (Divisor 69,33) zu berechnen gewesen. Ob sich daraus Rückgewähransprüche zugunsten der Beklagten ergeben, kann dahinstehen. Die Beklagte hat gegenüber dem für den 18. Mai 1985 verfolgten Anspruch nicht mit etwaigen Forderungen aus einer Überzahlung aufgerechnet.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.

Dr. Thomas Dr. Gehring Richter Griebeling

ist durch Urlaub an

der Unterschrift verhindert

Dr. Thomas

Heinz Dr. Hirt

 

Fundstellen

DB 1988, 1858 (L1)

DOK 1988, 721 (K)

EEK, I/932 (LT1)

NZA 1988, 729-731 (LT1)

RdA 1988, 316

USK, 8826 (ST)

WzS 1988, 342 (K)

AP § 1 LohnFG (LT1), Nr 78

AR-Blattei, ES 1000.3.1 Nr 143 (LT1)

AR-Blattei, Krankheit IIIA Entsch 143 (LT1)

EzA § 1 LohnFG, Nr 93 (LT1)

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