Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeitpunkt des Betriebsübergangs

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Haftungsbeschränkung eines Betriebserwerbers im Konkurs (BAG Urteil vom 17.1.1980 3 AZR 160/79 = BAGE 32, 326 = AP Nr 18 zu § 613 a BGB) tritt nur dann ein, wenn der Übernehmer den Betrieb nach Eröffnung des Konkursverfahrens erworben hat.

2. Maßgeblich für den Betriebsübergang ist der Zeitpunkt, in dem der Erwerber die Leitungsmacht im Betrieb im Einvernehmen mit dem Betriebsveräußerer ausüben kann (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl zuletzt Urteil vom 23. Juli 1991 - 3 AZR 366/90 - DB 1992, 96).

3. Gehen Betriebsmittel in einzelnen Schritten auf den Erwerber über, so ist der Betriebsübergang jedenfalls in dem Zeitpunkt erfolgt, in dem die wesentlichen, zur Fortführung des Betriebs erforderlichen Betriebsmittel übergegangen sind und die Entscheidung über den Betriebsübergang nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 13.05.1992; Aktenzeichen 5 Sa 1124/91)

ArbG Hannover (Entscheidung vom 06.06.1991; Aktenzeichen 10 Ca 458/90)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte als Betriebserwerberin oder der Pensions-Sicherungs-Verein (PSV), der Streithelfer der Klägerin, als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung für Versorgungsansprüche der Klägerin einzustehen hat. Umstritten ist, ob der Betrieb vor oder nach Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der früheren Arbeitgeberin der Klägerin auf die Beklagte übergegangen ist.

Die am 26. März 1926 geborene Klägerin war ab 1958 als Angestellte bei der G KG beschäftigt. Die Arbeitgeberin sagte ihr am 1. Dezember 1970 eine Versorgung nach Maßgabe der Versorgungsordnung und den Versorgungsrichtlinien der G KG zu. In dem Versorgungswerk waren Alters-, Invaliden- und Witwenrente vorgesehen. Die Altersrente war dienstzeit- und endgehaltsabhängig ausgestaltet.

Die G KG stellte Verkehrszeichen her. Sie war Mitglied in der Güterschutzgemeinschaft Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen e.V.. Die Mitgliedschaft in der Güteschutzgemeinschaft ist Voraussetzung für den Vertrieb von Verkehrszeichen an Kommunen, weil diesen nur so die gleichbleibende Qualität und Einhaltung gesetzlicher Vorschriften gewährleistet erscheint. Als Mitglied der Güteschutzgemeinschaft führte die G KG das Gütezeichen "RAL". Außerdem war sie Inhaberin des Warenzeichens "Gespo" und des Bildzeichens "Gespal". Im Jahre 1986 geriet die G KG in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Am 15. April 1986 stellte der persönlich haftende Gesellschafter Antrag auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens. Der vorläufige Vergleichsverwalter übernahm die Geschäftsführung. Er bemühte sich um eine Veräußerung des Unternehmens. Verhandlungspartner war die Beklagte, die damals noch als "HPS-gesellschaft mbH" (HPS-GmbH) firmierte. Ferner fanden Verhandlungen mit dem Verein der Güteschutzgemeinschaft über den Erwerb der Mitgliedschaft durch die HPS-GmbH statt.

Am 11. August 1986 schlossen die G KG, vertreten durch den persönlich haftenden Gesellschafter, und die Beklagte unter der Voraussetzung der Zustimmung des vorläufigen Vergleichsverwalters drei Übernahmeverträge ab. Einer dieser Verträge regelte die allgemeinen Voraussetzungen der Übernahme des Anlage- und Umlaufvermögens der G KG, während Gegenstand des weiteren Vertrages der Verkauf des Anlagevermögens und die Übernahme des Umlaufvermögens sowie der Aufträge der G KG war. In einem dritten Vertrag wurden die Warenzeichen "Gespo" und "Gespal" auf die Beklagte übertragen. Am selben Tage benannte sich die Beklagte von "HPS-gesellschaft mbH" in "G GmbH" um. Die G KG sollte sich in "M KG" umbenennen. Der vorläufige Vergleichsverwalter genehmigte am 13. August 1986 den notariellen Vertrag, in dem die Warenzeichen übertragen wurden. Den beiden anderen Verträgen vom 11. August 1986 stimmte er nicht zu.

Die Güteschutzgemeinschaft stimmte am 13. August 1986 der Mitgliedschaft der Beklagten zu und teilte ihr mit, daß die Beklagte berechtigt sei, das Gütezeichen "RAL" zu führen. Am 14. oder 15. August 1986 fand eine Betriebsversammlung statt. Die Klägerin und die übrigen Arbeitnehmer kündigten ihre Arbeitsverhältnisse zur früheren G KG fristlos. Am 18. August 1986 wurde über das Vermögen der nunmehrigen M

KG das Anschlußkonkursverfahren eröffnet und der bisherige vorläufige Vergleichsverwalter zum Konkursverwalter bestellt. Der Konkursverwalter schloß am 19. August 1986 zwei Übernahmeverträge mit der Beklagten ab, die sich nur geringfügig von den nicht genehmigten Übernahmeverträgen unterschieden. In den neuen Verträgen wurde der Beklagten das Recht zur Nutzung der Betriebsmittel ab 19. August 1986 eingeräumt. Am selben Tage schloß die Beklagte mit einem Teil der früheren Arbeitnehmer der G KG neue Arbeitsverträge ab, nicht jedoch mit der damals bereits 60-jährigen Klägerin.

Die Klägerin erhält seit 12. April 1989 Altersrente. Wegen ihrer Ansprüche auf Betriebsrente wandte sie sich zunächst an den PSV. Dieser lehnte eine Einstandspflicht ab, da der Betrieb vor der Konkurseröffnung auf die Beklagte übergegangen sei.

Mit der am 9. November 1990 erhobenen Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Zahlung einer Betriebsrente ab 1. Mai 1989 in Anspruch genommen. Sie hat dem PSV den Streit verkündet. Dieser ist dem Rechtsstreit auf seiten der Klägerin beigetreten.

Die Klägerin und der Streithelfer haben die Auffassung vertreten, die Beklagte schulde der Klägerin Betriebsrente als Betriebserwerberin. Der Betriebsübergang sei vor der Konkurseröffnung vom 18. August 1986 erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt seien bereits gegenüber der Belegschaft endgültige Tatsachen geschaffen worden. Die Beklagte habe die Möglichkeit gehabt, die Leitungsmacht im Betrieb auszuüben. Mit dem Firmennamen G und der Mitgliedschaft in der Güteschutzgemeinschaft, der Berechtigung, das Gütezeichen "RAL" zu führen, sowie als Inhaber der Warenzeichen "Gespo" und "Gespal" habe die Beklagte die wesentlichen Betriebsmittel in ihren Besitz gebracht. Auch wenn die weiteren Übernahmeverträge erst nach Konkurseröffnung abgeschlossen worden seien, seien die Weichen für eine vorkonkursliche Vermögensverschiebung bereits vorher gestellt worden. Die Beklagte habe die Rechtsfolgen des § 613 a BGB nach dem sogenannten "Lemgoer Modell" umgehen wollen. Zu diesem Zweck seien die Arbeitnehmer zu fristlosen Eigenkündigungen veranlaßt worden mit dem Versprechen, daß mit einem Teil der vorhandenen Belegschaft der Betrieb fortgeführt werde.

Die Klägerin hat von der Beklagten ab 1. Mai 1989 eine Betriebsrente von monatlich 650,55 DM gefordert. Mit ihrer Klage hat sie rückständige Betriebsrente für die Zeit vom 1. Mai 1989 bis 31. Oktober 1990 (18 Monate) sowie laufende Betriebsrente ab 1. November 1990 geltend gemacht.

Die Klägerin und der Streithelfer haben beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin

für die Zeit vom 1. Mai 1989 bis 31. Oktober

1990 11.709,-- DM rückständige Betriebsrente

nebst 4 % Zinsen seit 9. November 1990 zu zah-

len,

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin

ab 1. November 1990 eine monatliche Rente von

650,55 DM, jeweils zahlbar am Ende eines jeden

Monats, zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der PSV müsse in die bis zur Konkurseröffnung erdienten unverfallbaren Versorgungsanwartschaften der früheren Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin eintreten und der Klägerin eine Betriebsrente zahlen. Die Betriebsübernahme habe erst im Konkursverfahren stattgefunden, so daß die vom Senat entwickelten Grundsätze der Haftungsbeschränkung des Betriebserwerbers einträten (BAG Urteil vom 17. Januar 1980 - BAGE 32, 326 = AP Nr. 18 zu § 613 a BGB). Erst nach Eröffnung des Konkursverfahrens, nämlich aufgrund der Verträge vom 19. August 1986, sei die Beklagte in der Lage gewesen, Leitungsmacht im Betrieb auszuüben und die Produktion fortzusetzen. Im übrigen seien etwaige Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte auf Betriebsrente verwirkt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Streithelfers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Streithelfer das Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Streithelfers ist begründet. Die Beklagte ist als Betriebserwerberin verpflichtet, die Versorgungsansprüche der Klägerin zu erfüllen. Der PSV braucht nicht einzustehen. Der Betrieb ist entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts schon vor Eröffnung des Konkursverfahrens auf die Beklagte übergegangen.

1. Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es darauf an, wann der Betrieb der G KG auf die Beklagte übergegangen ist.

a) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Zu den Rechten und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis gehören auch Anwartschaften auf eine betriebliche Altersversorgung (BAG Beschluß vom 5. Mai 1977 - 3 ABR 34/76 - AP Nr. 7 zu § 613 a BGB; Urteil vom 15. März 1979 - 3 AZR 859/77 - AP Nr. 15 zu § 613 a BGB; BAGE 50, 62 = AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung; BAGE 60, 118 = AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung; Urteil des Senats vom 23. Juli 1991 - 3 AZR 366/90 - DB 1992, 96).

b) Wird der Betrieb jedoch im Rahmen eines Konkursverfahrens veräußert, ist § 613 a BGB insoweit nicht anwendbar, wie die Vorschrift die Haftung des Betriebserwerbers für schon entstandene Ansprüche vorsieht. Insoweit haben die Verteilungsgrundsätze des Konkursverfahrens Vorrang. Das bedeutet für die betriebliche Altersversorgung, daß der Erwerber zwar in die Versorgungsanwartschaften der begünstigten Arbeitnehmer eintritt, daß er aber im Versorgungsfall nur die bei ihm erdiente Versorgungsleistung schuldet; für die beim Veräußerer bis zum Insolvenzfall erdienten unverfallbaren Anwartschaften haftet der Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung (ständige Rechtsprechung des Senats seit Urteil vom 17. Januar 1980, BAGE 32, 326 = AP Nr. 18 zu § 613 a BGB; zuletzt BAGE 62, 224 = AP Nr. 10 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung; Urteil des Senats vom 23. Juli 1991 - 3 AZR 366/90 - DB 1992, 96).

c) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Haftungsbegrenzung des Betriebserwerbers und die Eintrittspflicht des Trägers der Insolvenzsicherung ist die Eröffnung des Konkursverfahrens. Wird der Betrieb vorher auf einen nicht insolventen Erwerber übertragen, so treten die Rechtsfolgen des § 613 a BGB ohne eine Haftungsbegrenzung ein: Der Erwerber und nicht der PSV haftet dann auch für die beim Betriebsveräußerer erdienten Anwartschaften. Das gilt auch in den Fällen der Übernahme eines schon konkursreifen Betriebs (BAG Urteil vom 15. November 1978 - 5 AZR 199/77 - AP Nr. 14 zu § 613 a BGB) und der Ablehnung der Konkurseröffnung mangels einer ausreichenden Masse (BAGE 47, 206 = AP Nr. 38 zu § 613 a BGB).

2. Im Streitfall ist der Betrieb der Gemeinschuldnerin schon vor der Konkurseröffnung auf die Beklagte übergegangen. Das Landesarbeitsgericht hat die Voraussetzungen verkannt, bei deren Vorliegen ein Betriebsübergang im Sinne des § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB bereits vollendet ist.

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe erst nach der Konkurseröffnung vom 18. August 1986 die Möglichkeit gehabt, Leitungsmacht auszuüben. Zwar sei die Beklagte durch den am 13. August 1986 von dem vorläufigen Vergleichsverwalter genehmigten Vertrag vom 11. August 1986 Inhaber des Warenzeichens "Gespo" und des Bildzeichens "Gespal" gewesen, so daß sie sich im unmittelbaren Zusammenhang damit in G GmbH umbenannt und die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft in der Güteschutzgemeinschaft Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtung geschaffen habe. Damit habe sie aber noch nicht die Leitungsmacht im später erworbenen Betrieb erlangt. Die Beklagte sei nicht in der Lage gewesen, die Produktion in eigener Regie schon vor Konkurseröffnung fortzusetzen. Erst aufgrund des Vertrages zwischen dem Konkursverwalter und der Beklagten vom 19. August 1986 sei dies möglich gewesen.

b) Dem Berufungsgericht ist im Ausgangspunkt darin zuzustimmen, daß es für den Zeitpunkt des Betriebsübergangs darauf ankommt, wann der Betriebserwerber rechtlich nicht mehr gehindert war, die betriebliche Leitungs- und Organisationsgewalt an Stelle des Betriebsveräußerers auszuüben (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. zuletzt Urteil des Senats vom 16. Juni 1992 - 3 AZR 358/91 -, n.v., und BAG Urteil vom 16. Oktober 1987 - 7 AZR 519/86 - AP Nr. 69 zu § 613 a BGB; Urteil des Senats vom 12. November 1991 - 3 AZR 559/90 - ZIP 1992, 1013). Entschließt sich der Übernehmer erst später, die Betriebsleitung zu übernehmen, so kann er sich damit nicht den Rechtsfolgen aus § 613 a BGB entziehen oder sie auf einen späteren Zeitpunkt verlegen. Es ist lediglich darauf abzustellen, ob der Erwerber objektiv die Möglichkeit zur weiteren Verfolgung der bisherigen arbeitsorganisatorisch eigenständigen Leistungszwecke besitzt, um das Tatbestandsmerkmal des Übergangs des Betriebs im Sinne von § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB zu bejahen. Auf die tatsächliche Ausnutzung dieser Möglichkeit kommt es nicht an.

Damit der Betriebserwerber die betriebliche Leitungsmacht ausüben kann, brauchen aber noch nicht alle sächlichen und immateriellen Betriebsmittel übergegangen zu sein. Gehen die Betriebsmittel in einzelnen, nacheinanderfolgenden Schritten auf den Erwerber über, so ist der Betriebsübergang jedenfalls in dem Zeitpunkt erfolgt, in dem die wesentlichen, zur Fortführung des Betriebs erforderlichen Betriebsmittel übergegangen sind und die Entscheidung über den Betriebsübergang nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.

c) Die Beklagte konnte bereits vor der Konkurseröffnung am 18. August 1986 die betriebliche Leitungs- und Organisationsgewalt an Stelle des Betriebsveräußerers ausüben. Zu diesem Zeitpunkt führte die Beklagte bereits den Firmennamen G , unter dem die Gemeinschuldnerin bisher aufgetreten war. Die Gemeinschuldnerin hatte den Firmennamen G inzwischen abgelegt. Die Beklagte war Inhaberin der Warenzeichen "Gespo" und "Gespal" geworden. Zudem durfte die Beklagte als Mitglied der Güteschutzgemeinschaft Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen e.V. das Gütezeichen "RAL" führen. Damit waren die wesentlichen Betriebsmittel auf die Beklagte übergegangen. Die Beklagte konnte zumindest bereits werbend im Geschäftsverkehr als Betriebserwerberin unter dem Firmennamen G auftreten. Mit dem Gütezeichen als Mitglied der Gütegemeinschaft konnte die Beklagte bereits für die produzierten Verkehrseinrichtungen werben und für deren Qualität und Gesetzmäßigkeit bei den Kommunen garantieren. Die erst einen Tag nach der Konkurseröffnung, nämlich am 19. August 1986, übertragenen sächlichen Betriebsmittel spielen für den Betriebsübergang keine entscheidende Rolle mehr. Wie der Konkursverwalter in seinem Bericht vom 6. Oktober 1986 ausgeführt hat, war die Vermögensmasse der Gemeinschuldnerin ohne das "RAL"-Gütezeichen "fast wertlos". Die Übertragung der sächlichen Betriebsmittel auf einen anderen Betriebserwerber schied aus, da die wesentlichen Betriebsteile auf die Beklagte übergegangen waren. Für einen anderen Erwerber war das Anlagevermögen nahezu wertlos geworden. Damit war der Betriebsübergang am 18. August 1986 nicht mehr abänderbar und damit bereits vollzogen. Die nachfolgende Übertragung des Anlage- und Umlaufvermögens war lediglich die zwingende Folge der vorangegangenen Übertragung der wesentlichen Betriebsmittel.

d) Der Einwand der Beklagten, sie habe erst ab 19. August 1986 mit der Übernahme des Anlage- und Umlaufvermögens die Produktion fortsetzen können, überzeugt nicht. Er berücksichtigt nicht die Besonderheiten des vorliegenden Betriebs.

Bei einem normalen Produktionsbetrieb ist für den Betriebsübergang der Zeitpunkt maßgeblich, in dem die wesentlichen sächlichen und immateriellen Betriebsmittel übertragen werden (BAGE 48, 365 = AP Nr. 42 zu § 613 a BGB). Bei einem Dienstleistungsbetrieb kommt es nicht so sehr auf die sächlichen Betriebsmittel an. Es ist auf den Eintritt in Liefer- und Abnahmeverträge, die Übernahme von Schutzrechten, Geschäftspapieren und Kundenlisten abzustellen (BAGE 48, 345, 349 = AP Nr. 41 zu § 613 a BGB, zu II 1 der Gründe). Die Gespo KG war ein Produktionsbetrieb besonderer Art. Es wurden Verkehrszeichen hergestellt, die nur an die Kommunen geliefert werden konnten, wenn der Produzent über das Gütezeichen der Güteschutzgemeinschaft verfügte, das den Abnehmern die gleichbleibende Qualität und die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften garantierte. Beim Übergang eines solchen Betriebs kommt es ähnlich wie bei einem Dienstleistungsbetrieb nicht entscheidend auf den Übergang der sächlichen Betriebsmittel an. Wesentlich ist die Sicherung des Absatzmarktes durch Gütezeichen, Warenzeichen und Firmennamen. Diese Sicherung war die Grundlage für die Fortführung des Betriebs.

e) Damit kommt es auch nicht darauf an, ob im vorliegenden Fall die Folgen des § 613 a BGB durch Manipulation umgangen werden sollten. Für einen solchen Umgehungstatbestand spricht der Umstand, daß sämtliche Arbeitnehmer am 14. oder 15. August 1986 fristlos ihre Arbeitsverhältnisse zur Betriebsveräußerin kündigten. Die Behauptung der Beklagten, die Kündigungen seien von den Arbeitnehmern ohne vorherige Versprechungen der Betriebserwerberin wegen säumiger Lohnzahlungen erfolgt, ist nicht glaubhaft. Ebenso gibt es keine überzeugende Erklärung dafür, daß die Übernahmeverträge vom 11. August 1986 vom vorläufigen Vergleichsverwalter nicht genehmigt, aber am 19. August 1986 mit geringfügigen Änderungen abgeschlossen wurden. Es spricht vieles dafür, daß die Parteien schon vor Konkurseröffnung über den Betriebsübergang einschließlich der sächlichen Betriebsmittel einig waren, zumal die Güteschutzgemeinschaft das Gütezeichen "RAL" nicht an einen Erwerber ohne die dazugehörende Produktionsmöglichkeit verliehen hätte.

f) Danach hat die Klägerin gegen die Beklagte aus der Versorgungszusage vom 1. Dezember 1970 in Verbindung mit § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB ab 1. Mai 1989 einen Anspruch auf eine Betriebsrente.

3. Die Beklagte schuldet 648,-- DM monatlich. a) Die Klägerin hat für die Berechnung ihres Rentenanspruchs zwei verschiedene Rechenwege angegeben. Einmal geht sie von einem versicherungsmathematisch berechneten rentenfähigen Arbeitsverdienst aus und errechnet daraus die eingeklagte Rente von monatlich 650,55 DM. In einem zweiten Rechenweg geht sie von ihrem tatsächlichen Jahresbruttoverdienst des Jahres 1985 aus und berechnet daraus eine monatliche Rente von 648,-- DM. Der Senat folgt dem zweiten Rechenweg. Er entspricht dem in der Versorgungsordnung der G KG (VO) vorgeschriebenen Rechenweg.

b) Nach Abschnitt IV VO beträgt die Altersrente für jedes rentenfähige Dienstjahr 0,6 % - höchstens jedoch 15 % - des letzten rentenfähigen Arbeitsverdienstes. Nach dem Nachtrag zur VO vom 21. Dezember 1984 wird der rentenfähige Arbeitsverdienst auf 1/12 des Bruttoarbeitsverdienstes des Jahres 1985, vermindert um 20 %, berechnet. Nach der vorgelegten Verdienstbescheinigung verdiente die Klägerin 1985 64.800,-- DM brutto. Der um 20 % gekürzte monatliche Arbeitsverdienst beträgt somit 4.320,-- DM (64.800,-- DM x 0,8:12). Da die Klägerin die höchstens anrechenbare Betriebstreue von 25 Dienstjahren erreicht hat, kann sie 15 % des rentenfähigen Arbeitsverdienstes verlangen. Dies ergibt eine monatliche Betriebsrente von 648,-- DM (4.320,- DM x 15 %).

Einen weitergehenden Rentenanspruch hat die Klägerin nicht. Für eine Berechnung nach einem versicherungsmathematischen pensionsfähigen Gehalt bietet die Versorgungsordnung keine Grundlage.

c) Die Klägerin braucht keine zeitanteilige Kürzung wegen vorzeitigen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis hinzunehmen (§ 2 BetrAVG). Nach der Versorgungszusage konnte die Klägerin mit Vollendung des 60. Lebensjahres die volle betriebliche Altersrente beanspruchen. Sie ist nach Vollendung ihres 60. Lebensjahres (26. März 1986) am 14. oder 15. August 1986 ausgeschieden.

4. Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf Verwirkung des Rentenanspruchs berufen.

Ein Anspruch kann verwirkt werden, wenn der Berechtigte mit der Geltendmachung seines Rechts längere Zeit zuwartet (Zeitmoment) und daneben besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer der Verpflichtete nach Treu und Glauben annehmen durfte, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen (Umstandsmoment) und wenn die Erfüllung der Forderung dem Schuldner nicht mehr zuzumuten ist (Zumutbarkeitsmoment).

Die Klägerin hatte sich wegen ihrer Versorgung zunächst an den PSV als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung und dann an die Beklagte als Betriebserwerberin gewandt. Während der PSV seine Einstandspflicht ablehnte, hatte die Beklagte auf die Schreiben der Klägerin vom 1. und 22. Juli 1989 nicht reagiert. Auch wenn die Klägerin dann erst Ende 1990 Klage erhob, hatte sie sich vorher nicht so verhalten, daß die Beklagte annehmen konnte, sie werde von der Klägerin nicht mehr auf Versorgung in Anspruch genommen werden. Das bloße Schweigen, zumal in einer schwierigen Rechtsangelegenheit, genügt für eine solche Annahme nicht. Im übrigen konnte die Klägerin erst einmal abwarten, wie die Beklagte ihre Schreiben beantwortete.

Dr. Heither Griebeling Dr. Wittek Der ehrenamtliche Richter Grimm Dr. Schmidt ist wegen Ablaufs der Amtszeit an der Unterschrift verhindert. Dr. Heither

 

Fundstellen

BB 1994, 506

BB 1994, 506-507 (LT1-3)

DStR 1993, 1417-1417 (K)

NJW 1993, 2259

NJW 1993, 2259-2261 (LT1-3)

AiB 1993, 570-571 (LT1-3)

EWiR 1993, 757 (L1-3)

JR 1993, 440

JR 1993, 440 (S)

KTS 1993, 484-487 (LT1-3)

NZA 1993, 643

ZAP, EN-Nr 776/93 (S)

ZIP 1993, 1013

ZIP 1993, 1013-1016 (LT1-3)

AP § 1 VetrAVG, Nr 15

EzA § 613a BGB, Nr 106 (LT1-3)

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