Entscheidungsstichwort (Thema)

Wöchentliche Arbeitszeit von Erziehern an Sonderschulen

 

Orientierungssatz

Das Bundesland ist berechtigt, die wöchentliche Arbeitszeit von Erziehern an Sonderschulen während der Unterrichtszeit zum Ausgleich für die den Urlaubsanspruch übersteigende Freizeit während der Schulferien anzuheben.

 

Normenkette

BAT § 15 Abs. 1 Sätze 1-2

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 02.07.1985; Aktenzeichen 13 Sa 30/85)

ArbG Lüneburg (Entscheidung vom 30.01.1985; Aktenzeichen 1 Ca 1434/84)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das beklagte Land berechtigt ist, die wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin während der Unterrichtszeit zum Ausgleich für die den Urlaubsanspruch übersteigende Freizeit während der Schulferien anzuheben.

Das beklagte Land unterhält in B eine Sonderschule für geistig Behinderte. Dort ist die Klägerin, die staatlich anerkannte Erzieherin ist, seit dem 1. September 1978 als pädagogische Mitarbeiterin mit unterrichtsbegleitender Funktion tätig. Dem Arbeitsverhältnis der Parteien liegt der Arbeitsvertrag vom 29. August 1978 zugrunde, in dem die Parteien in § 2 den Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 und die diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge in Bezug genommen und in § 4 die durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit auf 40 Stunden wöchentlich festgelegt haben. In § 15 Abs. 1 und 4 BAT heißt es:

"(1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt aus-

schließlich der Pausen durchschnittlich

40 Stunden wöchentlich. Für die Berech-

nung des Durchschnitts der regelmäßigen

wöchentlichen Arbeitszeit ist in der

Regel ein Zeitraum von acht Wochen zugrunde

zu legen. Bei Angestellten, die ständig

Wechselschicht- oder Schichtarbeit zu

leisten haben, kann ein längerer Zeitraum

zugrunde gelegt werden.

...

(4) In Verwaltungen und Betrieben, die in

bestimmten Zeiten des Jahres regelmäßig zu

saisonbedingt erheblich verstärkter Tätig-

keit genötigt sind, kann für diese Zeiten

die regelmäßige Arbeitszeit bis zu 60

Stunden wöchentlich, jedoch nicht über

zehn Stunden täglich, verlängert werden,

sofern die regelmäßige Arbeitszeit in den

übrigen Zeiten des Jahres entsprechend

verkürzt wird (Jahreszeitenausgleich)."

Das Aufgabengebiet der Klägerin ist durch Erlaß vom 28. September 1982 (Schulverwaltungsblatt für Niedersachsen 1982 S. 297 f.) des Niedersächsischen Kultusministers beschrieben worden.

In der Vergangenheit war die Klägerin während der Unterrichtszeit von montags bis freitags von 8.30 Uhr bis 15.00 Uhr mit einer täglichen Pause von 12.30 Uhr bis 13.00 Uhr in der Schule anwesend. Das beklagte Land setzte pauschal weitere acht Stunden pro Woche für Elternabende, Klassen- und Schulfeiern, Schullandaufenthalte und anderes entsprechend Ziffer 3 des genannten Erlasses an. Ferner wurde unterstellt, daß die Klägerin in der Schule von 8.15 Uhr bis 15.09 Uhr anwesend war, um eine Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche während der Schulzeit zu erreichen. Während der den Urlaubsanspruch übersteigenden Ferienzeit war die Klägerin dagegen von der Arbeit freigestellt.

Mit Verfügung vom 2. Februar 1984 versuchte das beklagte Land, die Wochenarbeitszeit einverständlich in der Weise zu verändern, daß während der nichtunterrichtsfreien Zeit des Schuljahres die wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin einschließlich der weiterbestehenden Achtstundenpauschale 46,4 Stunden betragen sollte. Dadurch sollte die den Urlaubsanspruch übersteigende Freizeit während der Ferien ausgeglichen werden. Nachdem eine gütliche Einigung nicht zustande kam, setzte das beklagte Land die wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin während der Unterrichtszeit mit Verfügung vom 1. August 1984 einseitig auf 46 Stunden pro Woche fest.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, das beklagte Land habe sich mit seiner Verfügung vom 1. August 1984 über die Grenzen seines Direktionsrechtes hinweggesetzt. Schon die jahrelange anderweitige Übung des beklagten Landes stehe der Wirksamkeit der Neuregelung entgegen. Die vom beklagten Land verfügte Neuordnung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Klägerin sei auch nicht durch § 15 Abs. 1 BAT gedeckt. Sie stelle eine Dauerregelung dar, die das in § 15 Abs. 1 Satz 2 BAT vorgesehene Regel-Ausnahme-Verhältnis in sein Gegenteil verkehre. Zumindest komme aber eine analoge Anwendung der Verordnung über die Arbeitszeit der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen (ArbZVO-Lehr - in der Fassung vom 28. Januar 1980 ND GVBl S. 39) in Betracht, zumal eine strikte Trennung zwischen reinen Erziehungsaufgaben und reinen Lehraufgaben nicht möglich sei. Im übrigen verstoße die Neuordnung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit auch gegen Art. 3 GG, weil sie danach länger als Lehrkräfte in der Schule präsent sein müsse.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, daß die Klägerin nicht

verpflichtet ist, ihre Arbeitsleistung

über ihre regelmäßige Erziehungs- und

Unterrichtsarbeit sowie andere Verpflich-

tungen zu bestimmten Zeiten hinaus in der

Dienststelle zu erbringen.

2. hilfsweise festzustellen, daß das Arbeits-

verhältnis zu den bisherigen Bedingungen

fortbesteht.

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und vorgetragen, zur einseitigen Neuregelung der Arbeitszeit berechtigt gewesen zu sein, da die festgelegten neuen Anwesenheitszeiten an der tatsächlichen Arbeitszeit der Klägerin nichts geändert haben. Die einzelvertragliche Vereinbarung einer regelmäßigen 40stündigen wöchentlichen Arbeitszeit entspreche § 15 BAT und beschreibe insgesamt ein Jahresarbeitsleistungsmaß. Darüber hinaus gestatte § 15 BAT die Ermittlung der durchschnittlichen Arbeitszeit auf der Grundlage eines über acht Wochen hinausgehenden Zeitraumes in Ausnahmefällen. Ein solcher läge vor, weil nur während eines Teils des Kalenderjahres Dienstbetrieb in der Schule, in der die Klägerin tätig ist, stattfände. Im übrigen werde durch die über den Urlaubsanspruch hinausgehende Freizeit in den Schulferien der Ausgleichszeitraum des § 15 Abs. 1 Satz 2 BAT wegen deren Verteilung über das Schuljahr in der Regel eingehalten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat dem Hilfsantrag der Klägerin stattgegeben und festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zu den bis zum 31. Juli 1984 geltenden Bedingungen fortbesteht. Im übrigen hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land seinen klageabweisenden Antrag weiter, während die Klägerin darum bittet, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des beklagten Landes mußte Erfolg haben, da die nach § 256 ZPO zwar zulässige Feststellungsklage der Klägerin sachlich nicht begründet ist. Das Arbeitsverhältnis der Parteien besteht nicht zu den bis 31. Juli 1984 geltenden Bedingungen fort. Es ist vielmehr durch die "Verfügung" des beklagten Landes vom 1. August 1984 wirksam geändert worden.

I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die einseitige Regelung des beklagten Landes vom 1. August 1984 verstoße gegen vertraglich vereinbartes Recht der Parteien und habe daher die bis dahin bestehenden Arbeitsbedingungen nicht verändert. Die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit sei durch den Erlaß des Kultusministers vom 28. September 1982 in der Weise präzisiert worden, daß die Klägerin an 32 Wochenstunden in der Schule anwesend sein müsse und weitere acht Stunden für die Teilnahme an Dienstbesprechungen, Konferenzen, Vor- und Nacharbeiten pauschal berechnet werden. Auch der als Vertragsrecht zwischen den Parteien geltende BAT, insbesondere dessen § 15, gestatte keine einseitige Abänderung der Arbeitsbedingungen durch das beklagte Land. Der Zweck dieser Vorschrift liege in der von den Tarifvertragsparteien erkannten Notwendigkeit nach flexibler Gestaltung der Arbeitszeiten, die der Vielfältigkeit des öffentlichen Dienstes und den örtlichen und sachlichen Bedürfnissen Rechnung zu tragen habe. Je nach der Art der Dienstleistung sollen Schwankungen in der wöchentlichen Arbeitszeit möglich sein und über einen in der Regel achtwöchigen Zeitraum so ausgeglichen werden dürfen, daß sich insgesamt 320 Arbeitsstunden ergäben (8 Wochen x 40 Stunden). In Ausnahmefällen dürfe ein größerer Zeitraum herangezogen werden, um größere Schwankungsbreiten aufzufangen. Nach dem Normzweck sei es in ganz besonderen Ausnahmefällen sogar möglich, einen 52-Wochen-Zeitraum als Berechnungsgrundlage für den Ausgleichszeitraum heranzuziehen. § 15 Abs. 1 BAT erlaube jedoch nicht den Ausgleich von Schwankungen in der Weise, daß in einer oder mehreren Wochen überhaupt nicht gearbeitet werde, in anderen Wochen dafür entsprechend mehr. Dies scheitere zwar nicht an der in der Tarifnorm vorausgesetzten Regelmäßigkeit. Denn auch die wiederkehrende Woche ohne abverlangte Arbeitsleistung stelle ein Geschehen dar, das nach einer bestimmten, festen Ordnung in gleichmäßigen Abständen wiederkehre. Es könne jedoch nicht übersehen werden, daß die Tarifvertragsparteien für bestimmte Arbeitsverhältnisse mit ständig stark schwankenden Arbeitszeiten Sonderregelungen geschaffen haben, wie etwa die Sonderregelung 2 l für angestellte Lehrkräfte, deren Geltungsbereich die Klägerin jedoch nicht unterfalle. Daraus müsse geschlossen werden, daß § 15 Abs. 1 BAT nur zum Ausgleich geringer horizontaler Schwankungen, nicht jedoch zur arbeitszeitmäßigen Regelung eines ganzen Berufsstandes herangezogen werden könne.

II. Dieser Auslegung des § 15 Abs. 1 BAT vermag der Senat nicht in vollem Umfang zu folgen. Die Anordnung des beklagten Landes vom 1. August 1984 ist insoweit wirksam, als dadurch während der Schulzeit die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit bei Beachtung der durch die Arbeitszeitordnung gesteckten Grenzen innerhalb eines Zeitraumes von acht Wochen in der Regel nicht über insgesamt 320 Stunden angehoben wird.

1. Die "Verfügung" des beklagten Landes vom 1. August 1984, mit der es für die Schulzeit den Umfang der wöchentlichen Arbeitszeit der Klägerin neu geregelt hat, stellt sich rechtlich als Ausübung des Direktionsrechts des Arbeitgebers dar (vgl. dazu von Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, S. 141; Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung im Arbeitsverhältnis, S. 78). Das beklagte Land konnte diese einseitige Leistungsbestimmung auch vornehmen, da das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis einer weiteren Konkretisierung insoweit auch zugänglich war. Die Parteien haben zwar im Arbeitsvertrag vom 29. August 1978 die durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit auf 40 Stunden wöchentlich festgelegt, jedoch liegt darin nur eine wiederholende Bekräftigung des zugleich vereinbarten BAT, insbesondere des § 15 Abs. 1 Satz 1 BAT. Diese Vorschrift des § 15 Abs. 1 BAT gestattet aber grundsätzlich eine solche anderweitige Leistungsbestimmung, vorausgesetzt, sie berücksichtigt unter Abwägung aller wesentlicher Umstände in angemessener Weise die beiderseitigen Interessen, d.h. die Ausübung des Weisungsrechts muß billigem Ermessen gemäß § 315 Abs. 1 BGB entsprechen (vgl. dazu BAG Urteil vom 19. Juni 1985 - 5 AZR 57/84 - AP Nr. 11 zu § 4 BAT; BAGE 33, 71, 75 = AP Nr. 26 zu § 611 BGB Direktionsrecht; Senatsurteil vom 4. Dezember 1986 - 6 AZR 226/84 - nicht veröffentlicht).

2. Das dem beklagten Land danach zustehende Direktionsrecht wird durch andere Vorschriften des BAT weder eingeschränkt noch modifiziert oder erweitert. Eine Sonderregelung (SR) gemäß § 2 BAT greift nicht ein. Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 4 BAT liegen nicht vor.

a) Nach den mit zulässigen Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist die Klägerin keine Lehrkraft im Sinne der SR 2 l der Anlage 2 zum BAT. Denn Erzieher können nur dann als Lehrkräfte im Sinne der SR 2 l angesehen werden, wenn sie Kenntnisse und Fertigkeiten im Rahmen eines Schulbetriebes vermitteln und dies ihrer Tätigkeit das Gepräge gibt (BAG Urteil vom 18. September 1986 - 6 AZR 446/83 - AP Nr. 9 zu § 15 BAT).

b) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht auch festgestellt, daß § 15 Abs. 4 BAT als Rechtsgrundlage für die beabsichtigte Arbeitszeitneuregelung nicht herangezogen werden kann. Schulen sind zwar während der Unterrichtszeit - im Gegensatz zu den Schulferien - zu erheblich verstärkter Tätigkeit ihrer Arbeitnehmer genötigt, dies ist jedoch nicht saisonbedingt im Sinne von § 15 Abs. 4 BAT. Der Begriff der Saison hat in der Rechtsterminologie keinen festen Inhalt. Zu Recht hat deshalb der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf den allgemeinen Sprachgebrauch zurückgegriffen und - freilich im Geltungsbereich der im übrigen mit § 15 BAT inhaltsgleichen "Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR)" - danach die Saison als einen jahreszeitlichen Abschnitt definiert, in dem etwas bestimmtes gehäuft auftritt, vorzugsweise stattfindet, und die Jahreszeit als für den vermehrten Arbeitsanfall ursächlich verlangt. Der Vierte Senat hat die Anwendung der "Saisonregelung" im Geltungsbereich der AVR für vergleichbare Erzieher, die in von Kirchen unterhaltenen Schulen tätig sind, verneint, weil die Schwankungen im Arbeitsanfall nicht auf der Jahreszeit, sondern auf dem Schuljahresrhythmus und den Schulferien der staatlichen Schulen beruhen (BAG Urteil vom 10. Juni 1987 - 4 AZR 68/87 - nicht veröffentlicht), die allein an dem Erholungsbedürfnis der Lehrer und Schüler ausgerichtet sind.

3. Die regelmäßige Arbeitszeit der Klägerin richtet sich allein nach § 15 Abs. 1 BAT. Die vom beklagten Land vorgenommene Arbeitszeitverteilung gemäß "Verfügung" vom 1. August 1984 zum Abbau des sog. "Schulferienüberhangs" bewegt sich innerhalb der durch diese Vorschrift gezogenen Grenzen, sofern und soweit dadurch die gesamte Arbeitszeit während eines Zeitraumes von in der Regel acht Wochen 320 Stunden nicht überschreitet.

a) Bei der Auslegung von Tarifverträgen ist entsprechend den Grundsätzen der Gesetzesauslegung zunächst von dem Tarifwortlaut auszugehen (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. BAGE 46, 308 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung m.w.N.; Neumann, Zur Auslegung von Tarifverträgen, ArbuR 1985, 320 ff.). Dabei ist der maßgebliche Sinn zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften. Auf den der tariflichen Regelung zugrundeliegenden Willen der Tarifvertragsparteien kommt es insoweit an, als dieser im Wortlaut des Tarifvertrages erkennbaren Ausdruck gefunden hat. Bei verbleibenden Zweifeln verdient der Gesamtzusammenhang ebenso Beachtung wie die Tarifgeschichte. Ergänzend kann eine etwaige, bereits bestehende Tarifübung herangezogen werden. Sind Zweifel auch dann nicht vollends ausgeräumt, ist derjenigen Tarifauslegung der Vorzug zu geben, die zu einer vernünftigen, gerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAGE 40, 86, 94 = AP Nr. 9 zu § 1 TVG Auslösung; BAGE 42, 86, 89 = AP Nr. 128 zu § 1 TVG Auslegung; BAGE 42, 244, 253 f. = AP Nr. 2 zu § 21 TVAL II).

b) Der § 15 Abs. 1 Satz 1 BAT hat keinen eindeutigen Wortlaut. Im Arbeitsleben wird der Begriff "regelmäßige Arbeitszeit" nicht einheitlich gebraucht (vgl. Röhsler, Die Arbeitszeit, S. 48). Das Gesetz definiert diesen Begriff ebenfalls nicht (vgl. BAGE 47, 160 = AP Nr. 59 zu § 1 LohnFG). Seine Verwendung hängt zum einen davon ab, auf welcher rechtlichen Gestaltungsebene der Begriff eingesetzt wird (Gesetz, AZO, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Einzelarbeitsvertrag) und zum anderen davon, in welchem konkreten Kontext er steht.

aa) So hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 47, 160 = AP Nr. 59 zu § 1 LohnFG = DB 1985, 603) im Zusammenhang mit dem Lohnfortzahlungsgesetz unter dem zeitlichen Begriff "regelmäßig" ein Geschehen verstanden, das nach einer bestimmten festen Ordnung in gleichmäßigen Abständen und in gleichförmiger Aufeinanderfolge wiederkehrt. Ein ständig gleichbleibendes Geschehen sei nicht vorausgesetzt. Schwankungen und Ausnahmen seien zulässig. Entscheidend sei die Gleichförmigkeit des Geschehens über eine bestimmte Dauer hinweg. Im Rahmen des § 1 Abs. 3 Nr. 2 LohnFG sei zu fordern, daß die Arbeitszeit fortlaufend annähernd um wöchentlich zehn Stunden oder monatlich 45 Stunden liege (BAG, aaO).

Der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat im Zusammenhang mit von bestimmten Pflegepersonen verlangten Zulagen den Begriff "regelmäßig" im Sinne eines "sich wiederholenden Vorkommens ohne Rücksicht auf den Rhythmus der Wiederholung" verwandt (BAG Urteil vom 1. Februar 1983 - 3 AZR 408/80 - AP Nr. 5 zu § 33 BAT).

bb) Auch im Schrifttum gehen die Auffassungen darüber auseinander, was unter "regelmäßiger Arbeitszeit" in § 15 Abs. 1 Satz 1 BAT zu verstehen ist. Ebenso ist das Verhältnis strittig zwischen "regelmäßiger Arbeitszeit" in § 15 Abs. 1 Satz 1 BAT und des der Berechnung des Durchschnitts der wöchentlichen Arbeitszeit bezüglich des "in der Regel" zugrunde zu legenden Zeitraums in § 15 Abs. 1 Satz 2 BAT. Einigkeit besteht nur darin, daß die Vorschrift im Gegensatz zur Arbeitszeitordnung (§§ 3, 4 AZO) nicht eine tägliche, sondern eine wöchentliche Arbeitszeit festschreibt.

Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese (BAT, Bd. I, Stand: September 1987, Erl. 5 zu § 15 BAT) meinen, § 15 BAT gebe dem Arbeitgeber die Möglichkeit, den Dienstplan so zu gestalten, daß die dort festgelegten Stundenzahlen in einer Woche über-, aber auch unterschritten werden können. Der Durchschnitt der wöchentlichen oder der geringeren vereinbarten Arbeitszeit sei jedoch in der Regel in einem Zeitraum von acht Wochen zu erreichen. Nur ausnahmsweise sei bei der Berechnung die Überschreitung des Zeitraums von acht Wochen zulässig, um den Besonderheiten des Betriebes gerecht zu werden, wenn der ungleichmäßige Arbeitsanfall betrieblich bedingt sei. Das sei etwa bei hauptberuflich tätigen pädagogischen Mitarbeitern der Volkshochschulen anzunehmen, weil die Bildungsarbeit dort mehrere Monate im Jahr ruhe. Den besonderen betrieblichen Belangen könne dadurch Rechnung getragen werden, daß die Arbeitszeit nach einem längeren Zeitraum, zweckmäßigerweise nach dem Durchschnitt eines Jahres, berechnet werde (aaO, unter Hinweis auf ein Rundschreiben der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände vom 25. April 1979 - R 194/79 -). Die Berechnung auf der Grundlage des Jahresdurchschnittes sei auch für Angestellte in Internatsschulen möglich, die unter die SR 2 b fielen, wenn ihre Arbeit wegen der Schulferien notwendigerweise mehrere Monate im Jahr ruhe. Ebenso meinen Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr (BAT, Bd. I, Stand: September 1987, § 15 Rz 6), daß sich auch außerhalb der Wechselschicht und Schichtarbeit die Notwendigkeit einer Abweichung vom Achtwochenzeitraum ergeben könne, z.B. bei kommunalen Nahverkehrsbetrieben über den gesamten Zeitraum einer Fahrplanperiode oder bei Lehrern für den Zeitraum eines Jahres unter Einschluß der Schulferien.

Demgegenüber weisen Crisolli/Tiedtke/Ramdohr (Das Tarifrecht der Angestellten im öffentlichen Dienst, Bd. I, Stand: August 1987, § 15 BAT Anm. 5, S. 60, 60 a) darauf hin, ein längerer Zeitraum als der von acht Wochen dürfe der Durchschnittsberechnung nur in besonderen Ausnahmefällen zugrundegelegt werden, ohne solche allerdings zu nennen (ebenso Uttlinger/Breier/Kiefer, BAT, Bd. I, Stand: 1. August 1987, § 15 Erl. 3; Arndt/Baumgärtel in GK-Fürst, Bd. IV Teil 1, Recht der Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst, T § 15 BAT Rz 15).

c) Im Geltungsbereich der inhaltsgleichen AVR ist der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts davon ausgegangen, daß bei der Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen Arbeitszeit von durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich in der Regel ein Zeitraum von acht Wochen zugrunde zu legen sei. Dies bedeute, daß innerhalb eines Zeitraums von acht Wochen die Arbeitszeit durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich erreichen dürfe (vgl. BAG Urteil vom 10. Juni 1987 - 4 AZR 68/87 - nicht veröffentlicht). Dabei sei eine Regelung des Zeitpunktes, von welchem an der jeweilige Berechnungszeitraum von acht Wochen zu laufen beginne, nicht erforderlich. Wenn keine entsprechende Regelung getroffen worden sei, bedeute dies, daß in jeder Woche, bezogen auf einen Zeitraum von acht Wochen, die durchschnittliche Arbeitszeit 40 Stunden nicht übersteigen dürfe. Das mache bei schwankenden Wochenarbeitsleistungen die Einbeziehung sowohl der vorangegangenen sieben Wochen als auch die der darauffolgenden sieben Wochen notwendig. Der so beschriebene Acht-Wochen-Zeitraum könne zwar im Einzelfall auch überschritten werden. Dies sei jedoch durch einseitige Anordnung des Arbeitgebers nicht möglich, weil die AVR selbst regelten, wann der Regelzeitraum von acht Wochen überschritten werden dürfe; in allen anderen Fällen bedürfe die Abweichung von dem Regelzeitraum von acht Wochen der einzelvertraglichen Vereinbarung.

d) Der erkennende Senat schließt sich im Ergebnis für den Bereich des BAT dieser Auffassung an.

aa) Zwar verkennt der Senat nicht, daß die Tarifvertragsparteien Abweichungen von den Grundregeln des BAT für bestimmte Berufsgruppen jeweils in Sonderregelungen vereinbart haben. Dies gilt insbesondere auch für Abweichungen von § 15 BAT. So sind etwa in den SR für Angestellte in Kranken-, Heil-, Pflege- und Entbindungsanstalten sowie in sonstigen Anstalten und Heimen, in denen die betreuten Personen in ärztlicher Behandlung stehen (SR 2 a BAT) in Nr. 5 und in den SR für Angestellte in Anstalten und Heimen, die nicht unter die SR 2 a fallen (SR 2 b BAT) in Nr. 4 besondere Bestimmungen zu § 15 BAT getroffen worden. In den SR für Angestellte als Lehrkräfte (SR 2 l BAT) ist in Nr. 3 sogar ausdrücklich die Anwendung des § 15 BAT ausgeschlossen und festgelegt worden, daß insoweit die Bestimmungen für die entsprechenden Beamten gelten. Weder daraus noch aus der Bestimmung des § 15 Abs. 1 Satz 3 BAT für die Angestellten in Wechselschicht- oder Schichtarbeit folgt, daß eine Abweichung von der Regel des § 15 Abs. 1 Satz 1 BAT für ganze Berufsgruppen im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 2 BAT nur bei Vorliegen einer entsprechenden SR möglich ist. Eine besondere Gestaltung der Arbeitszeit im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 2 BAT ist vielmehr auch aufgrund besonderer Arbeitsbedingungen einer ganzen Berufsgruppe möglich. Aus dem Wortlaut von § 15 Abs. 1 Satz 2 BAT, der allgemein der Berechnung des Durchschnitts der wöchentlichen Arbeitszeit einen Zeitraum von acht Wochen zugrundelegt, ergeben sich insoweit jedenfalls keine Einschränkungen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 15 Abs. 1 Satz 3 BAT. Der durch § 1 Nr. 2 des 47. Änderungstarifvertrages vom 1. Juli 1981 mit Wirkung vom 1. Januar 1981 eingefügte Satz 3 des Abs. 1 des § 15 BAT räumt für die dort genannten Ausnahmefälle lediglich die Möglichkeit ein, über den Berechnungszeitraum von acht Wochen hinauszugehen, nicht jedoch eine Einschränkung dieses Berechnungszeitraums.

bb) Die hier vertretene Auffassung trägt auch dem tariflichen Gesamtzusammenhang Rechnung. Der § 15 BAT befindet sich im Abschnitt IV des BAT, der die Arbeitszeit, und zwar zunächst für alle denkbaren Formen und Möglichkeiten von Arbeitsverhältnissen der Angestellten im öffentlichen Dienst, regelt. Die Vorschrift stellt damit gleichsam den zusammenfassenden Teil allgemeiner Regelungen, den "kleinsten gemeinsamen Nenner" dar, der als allgemeingültiger Grundsatz alle Arten von Arbeitsverhältnissen im Geltungsbereich des BAT erfassen soll. Das bedeutet aber im Ergebnis, daß alle nicht durch Sonderregelungen abweichend geregelten Arbeitsverhältnisse nach dieser Vorschrift zu beurteilen sind, gleichgültig, ob einzelne Arbeitnehmer oder eine ganze Berufsgruppe betroffen sind. Freilich ist nicht auszuschließen, daß die Tarifvertragsparteien bei Schaffung dieser Vorschrift nur an eine Ausgleichsmöglichkeit bei "normalen", d. h. bei typisch verlaufenden Arbeitsverhältnissen gedacht haben, bei denen es nur gelegentlich zu einer unterschiedlichen wöchentlichen zeitlichen Arbeitsbelastung mit der Notwendigkeit zum Ausgleich kommt, nicht aber bei Arbeitsverhältnissen mit von vornherein atypischer Arbeitszeitbelastung, bei denen wegen eines permanenten Ausgleichsbedürfnisses die Notwendigkeit zur Aneinanderreihung des 8-Wochen-Zyklus besteht, was im praktischen Ergebnis zu der Gefahr einer von den Tarifvertragsparteien nicht vorausgesehenen Ausweitung des tariflichen Ausgleichszeitraumes führen könnte. Sofern die Tarifvertragsparteien die Anwendung des § 15 Abs. 1 Satz 2 BAT tatsächlich auf die normal verlaufenden Arbeitsverhältnisse im oben dargestellten Sinne beschränkt wissen wollten, haben sie diese Absicht nach Auffassung des Senats jedoch nicht mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht. Vielmehr haben sie sich auf die Regelung beschränkt, daß für die Durchschnittsberechnung ein Zeitraum von acht Wochen zugrunde zu legen ist, ohne den Zeitraum näher einzugrenzen. Dies führt dazu, daß in allen Fällen, in denen keine Sonderregelung eingreift, der Arbeitgeber die wöchentliche Arbeitszeit gemäß § 15 Abs. 1 BAT in Ausübung seines Weisungsrechts insoweit neu regeln kann, als nicht im Verlaufe von jeweils acht Wochen mehr als insgesamt 320 Stunden (8 x 40 Stunden) Arbeitszeit verlangt wird. Das beklagte Land durfte daher die Arbeitszeit der Klägerin im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 2 BAT ab 1. August 1984 neu regeln.

4. Diese Regelung entspricht auch billigem Ermessen, soweit in Zeiträumen von jeweils acht Wochen die wöchentliche Arbeitszeit durchschnittlich 40 Stunden nicht überschreitet. Damit wird von der Klägerin einerseits nur die vertraglich geschuldete Arbeitszeit verlangt, andererseits liegt die tatsächliche Arbeitszeit der Klägerin in den Unterrichtswochen noch unter der nach §§ 3, 4 AZO zulässigen regelmäßigen Arbeitszeit von 96 Stunden in der Doppelwoche.

5. Aufgrund der "Verfügung" vom 1. August 1984 ist die Arbeitszeit der Klägerin neu geregelt worden. Damit besteht das Arbeitsverhältnis nicht mehr zu den bis zum 31. Juli 1984 geltenden Bedingungen fort. Bereits aus diesem Grunde ist die Klage unbegründet. Deswegen kommt es im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob die "Verfügung" teilweise unwirksam ist, soweit im konkreten Einzelfall die zulässige Höchststundenzahl von 320 in einem Acht-Wochen-Zeitraum (40 Stunden wöchentlich x 8) überschritten wird. Eine darin liegende Überschreitung des Direktionsrechts des beklagten Landes läßt die Wirksamkeit der Anordnung im übrigen - soweit sie sich im Rahmen des Direktionsrechts hält - unberührt.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO.

Dr. Röhsler Dr. Etzel Schneider

Ostkamp Scheerer

 

Fundstellen

ZTR 1988, 300-303 (KT1)

EzBAT § 15 BAT, Nr 12 (ST1)

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