Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung - Umsatzrückgang

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Führt ein dauerhafter Umsatzrückgang unmittelbar zur Verringerung einer bestimmten Arbeitsmenge (Verpackungstätigkeit), so kann der Arbeitgeber die Kündigung eines Arbeitnehmers darauf stützen, durch den Umsatzrückgang sei ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Entlassung eines Arbeitnehmers entstanden.

2. Wenn Umfang und Auswirkung des Umsatzrückganges streitig sind, hat das Gericht zu prüfen, ob ein dauerhafter Umsatzrückgang vorliegt, und in welchem Ausmaß er sich auf die Arbeitsmenge bestimmter Arbeitnehmer auswirkt.

 

Orientierungssatz

Bei der sozialen Auswahl gemäß § 1 Abs 3 Satz 1 KSchG hat der Arbeitgeber zwar keinen Ermessens- wohl aber einen Wertungsspielraum.

 

Normenkette

KSchG § 1

 

Verfahrensgang

LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 14.11.1988; Aktenzeichen 3 Sa 523/87)

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 21.05.1987; Aktenzeichen 3 Ca 406/87)

 

Tatbestand

Der am 9. Juli 1961 geborene Kläger, ledig, war seit 15. August 1980 als gewerblicher Arbeitnehmer bei der Beklagten zu einem Stundenlohn von zuletzt 10,80 DM zuzüglich einer Prämie beschäftigt. Durch Mitteilung vom 21. Oktober 1980 setzte die Beklagte den Kläger offiziell ab 1. Oktober 1980 als Packer in die Abteilung Export um; für die Bezahlung sollte die Lohngruppe 6 maßgebend sein.

Die Beklagte wickelte die im Versand/Export anfallenden Arbeiten rechnerisch mit 5,5 Mitarbeitern ab. Sechs Arbeitnehmer dieser Abteilung waren vollzeitbeschäftigt, von denen der Betriebsratsvorsitzende wegen der Beanspruchung mit Betriebsratstätigkeit als halbe Arbeitskraft berücksichtigt wurde. Die Beschäftigten in dieser Abteilung gehörten mit Ausnahme der Arbeitnehmerin M länger als der Kläger dem Betrieb an. Die Arbeitnehmerin M war als Aufsetzerin, nicht als Packerin tätig.

Die benötigte Personenzahl errechnete die Beklagte im Versandbereich Export nach der Formel:

Umsatz (Auftragswert)

--------------------- = Anzahl der benötigten

Leistung/Stunden + Stunden Personen

Unter Zugrundelegung eines Leistungsgrades von 123 % ging sie hierbei davon aus, die Leistung eines Mitarbeiters in einer Stunde entspreche einem Umsatz von 1.158,-- DM.

In der Abteilung Versand/Export sind einem Aufsetzer, der die Waren nach der jeweiligen Bestellung im Lager zusammenführt, vier Packer zugeordnet, in der Abteilung Versand/Inland arbeiten jeweils Zweiergruppen, nämlich ein Aufsetzer und ein Packer. Von den insgesamt acht dort beschäftigten Mitarbeitern gehörten drei weniger lang als der Kläger dem Betrieb an (Eintrittsdaten: 1. 9. 1981; 8. 9. 1980; 15. 7. 1985). Zwei davon waren als Aufsetzerinnen tätig, einer als Packer und Aufsetzer. Außerdem war dieser Arbeitnehmer verheiratet und hatte ein Kind.

Der Umsatz im Export entwickelte sich 1987 im Verhältnis zu den veranschlagten Zahlen rückläufig und lag insgesamt auch niedriger als die Vergleichszahlen für 1986, was die Beklagte auf den damaligen Verfall des Dollars zurückführte:

Plan Ist Abweichung zum Plan

1985 1986 1987 1987

Januar 862,7 811,9 909,1 560,9 ./. 348,2

Februar 780,3 509,4 656,2 542,1 ./. 114,1

März 825,1 873,9 929,5 812,9 ./. 116,6

April 764,0 813,9 828,7 716,8 ./. 111,9

Mai 552,9 697,4 645,3 906,9 + 261,6

Juni 823,3 766,2 716,3 406,0 ./. 310,3

------------------------------------------------------------

Gesamt 4608,3 4472,7 4685,1 3945,6 ./. 739,5

============================================================

Mit Schreiben vom 13. Februar 1987 unterrichtete die Beklagte den Betriebsrat von der beabsichtigten fristgemäßen Kündigung des Klägers zum 31. März 1987. Als Kündigungsgrund gab sie an: Beschäftigungsrückgang/Auftragsmangel gem. Begleitschreiben vom 13. Februar 1987. Dieses Schreiben lautet wie folgt:

"...

wir beziehen uns auf das mit Ihnen bereits

geführte Gespräch bezüglich der z.Zt. extrem

schwierigen Beschäftigungslage im Exportbe-

reich und geben Ihnen hiermit zur Kenntnis, daß

der erzielte Umsatz im Monat Januar ein Minus von

348.000,-- DM im Export brachte und daß die Umsatz-

entwicklung Februar zum gegenwärtigen Zeitpunkt

mit minus 105.000,-- DM zu Buche schlägt.

Verantwortlich für diesen Umsatzeinbruch ist die

Dollarentwicklung, wie sie allen exportierenden

Unternehmen Schwierigkeiten bereitet. Die zukünf-

tige Entwicklung deutet darauf hin, daß eine Erho-

lung der Beschäftigung im Export noch nicht abzu-

sehen ist.

Wir sehen uns deswegen leider gezwungen, die Perso-

nalkapazität im Exportbereich der Beschäftigungs-

lage anzupassen. Unter Beachtung der Sozialauswahl-

kriterien Betriebszugehörigkeit und Alter stehen

folgende Personen zur Disposition:

, M Betriebszugehörigkeit 1,5 Jahre

Alter 21 (Aufsetzerin)

D , -"- 6,5 Jahre

Alter 26 (Präm.-Arbeiter)

Ma , -"- 6,5 Jahre

Alter 26 (Präm.-Arbeiter)

Beim Vergleich dieser Mitarbeiter gehen wir davon

aus, daß Frl. M als einzige Frau für die Tätig-

keit als Aufsetzerin im Export nicht entbehrlich ist.

Bei der Auswahl zwischen Herrn D und Herrn

M ist zu beachten, daß Herr Ma Heiratsabsich-

ten geäußert hat, so daß unserer Meinung nach für den

erforderlichen Personalabbau Herr D in Frage

kommt.

Sie erhalten in der Anlage die Anhörung zur Kündigung

des Arbeitsverhältnisses von Herrn D frist-

gerecht zum 31.03.1987."

Der Betriebsrat stimmte der beabsichtigten Kündigung nicht zu.

Mit Schreiben vom 23. Februar 1987 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31. März 1987. Sie berief sich auf betriebsbedingte Gründe und führte aus, aufgrund des in erheblichem Maße zurückgegangenen Auftragsbestandes und geringer Aussichten auf eine Besserung der Beschäftigung im Versand/Export sehe sie sich zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses leider gezwungen.

Am 10. März 1987 - nach Ausspruch der Kündigung - bot die Beklagte dem Kläger einen ab 1. April 1987 frei werdenden Arbeitsplatz in der Lackiererei an, was der Kläger nach Bedenkzeit aus gesundheitlichen Gründen ablehnte.

Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam. Er hat geltend gemacht, der Vortrag der Beklagten zum Auftragsrückgang sei unzureichend, die vorgelegten Zahlen seien nicht aussagekräftig. Der Umsatz sei über Jahre hinaus zu Beginn des Jahres immer rückläufig. Auch werde die konkrete Auswirkung des Umsatzrückganges auf den Wegfall einer Beschäftigungsmöglichkeit nicht dargelegt.

Soweit die Beklagte bei ihrer Kalkulation von einem Leistungsgrad von 123 % und von einem Stundensatz eines Mitarbeiters von 1.158,-- DM ausgehe, sei dies unrichtig. Der Stundensatz liege unter 1.158,-- DM. In die Formel hätten die unterschiedlichen Werte der einzelnen Umsätze eingesetzt werden müssen. Ebenso würden der Betriebsurlaub und die Freischichten nicht berücksichtigt. Richtigerweise sei von einem Leistungsgrad von 100 % im Export und einem Stundensatz von 777,-- DM bei Kartonverpackung und von 1.090,-- DM bei Palettenverpackung auszugehen, so daß sich ein Personalbedarf von 5,39 Mitarbeitern ergebe.

Die getroffene Maßnahme sei auch nicht dringlich gewesen, er hätte auch in der Abteilung Versand/Inland arbeiten können; in der Lackiererei habe die Beklagte sogar seit Ende März 1987 befristete Neueinstellungen vorgenommen.

Die Grundsätze der sozialen Auswahl seien nicht ausreichend beachtet. Im Bereich Versand/Export sei Frau M fünf Jahre nach ihm eingestellt worden, auch sei sie fünf Jahre jünger. Daß der kurz vor ihm eingetretene Mitarbeiter M habe heiraten wollen, hätte nicht berücksichtigt werden dürfen. Außerdem hätte die Beklagte die Abteilung Versand/Inland in ihre Überlegungen einbeziehen müssen. Von den dort tätigen acht Arbeitnehmern seien Frau K, Frau C und Herr O, der allerdings verheiratet sei, weniger schutzbedürftig als er.

Der Kläger hat beantragt

1. festzustellen, daß sein Arbeitsverhältnis

durch die Kündigung der Beklagten vom

23. Februar 1987 zum 31. März 1987 nicht

aufgelöst worden sei;

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn über den

31. März 1987 hinaus, vertragsgemäß weiter-

zubeschäftigen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat vorgetragen, die Kündigung sei durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt. Sie habe die Anzahl der Beschäftigungsmöglichkeiten direkt dem verringerten Umsatz angepaßt; in diesem Beschäftigungsbereich errechne sich nach allgemeiner betriebswirtschaftlicher Betrachtung die Zahl der benötigten Mitarbeiter nach der von ihr verwendeten Formel unmittelbar aus dem Umsatz, da jedem einzelnen Arbeitnehmer ein bestimmter Umsatz zugerechnet werde. Die vom Kläger geltend gemachten Kriterien seien alle berücksichtigt. Der Auftragsrückgang sei auch nachhaltig gewesen. Gegenüber dem Geschäftsjahr 1986 habe die Jahresdifferenz 1987 1,4 Mio. DM betragen. Einem solchen Rückgang könne nur mit einer Personalreduzierung begegnet werden. Zur vollen Auslastung der Mitarbeiter in der Abteilung Versand/Export sei ein Umsatz von 1,2 Millionen DM erforderlich. Die Anordnung von Kurzarbeit sei nicht in Frage gekommen, weil der Umsatz nicht nur vorübergehend zurückgegangen sei.

Eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit habe nicht bestanden. Die einzige mögliche Verwendung des Klägers als Lackierer habe dieser abgelehnt.

In die Sozialauswahl habe sie die Arbeitnehmer einbezogen, die sie als vergleichbar angesehen habe. Dabei sei der Kläger in der Abteilung Versand/Export der am wenigsten schutzbedürftige Arbeitnehmer gewesen, weil er die kürzeste Betriebszugehörigkeit aufweise und auch sozial weniger hart getroffen werde als andere Packer. Auf Frau M könne er sich nicht berufen, da diese als Aufsetzerin und nicht als Packerin tätig sei und zudem nach Lohngruppe 2 bezahlt werde. Der mit dem Kläger vergleichbare Arbeitnehmer M weise eine drei Monate längere Dauer der Betriebszugehörigkeit auf und habe zudem Heiratsabsichten offenbart.

Mit Arbeitnehmern der Abteilung Versand/Inland sei der Kläger schon von der Art der Tätigkeit her nicht vergleichbar. Dort würden in Zweiergruppen insgesamt geringe Mengen bearbeitet, die Arbeitstechnik sei anders. Zudem sei der Kläger auch personaldatenmäßig mit den von ihm benannten Arbeitnehmern nicht vergleichbar. Diese seien nämlich nicht als Packer, sondern als Aufsetzer tätig. Die Kommissioniererinnen müßten genaue Lagerkenntnisse haben, um die bestellten Waren sofort ohne Zeitverlust auffinden zu können. Eine Umsetzung bringe wegen fehlender Erfahrungen eine Leistungseinbuße von 30 % mit sich, wodurch der Prämienlohn der jeweiligen Beschäftigten maßgebend beeinträchtigt werde. Die Packer im Inlandsbereich müßten die verschiedenen Verpackungsarten und Versandvorschriften genau kennen, damit es nicht zu Reklamationen komme. Die Versandarten im Inland seien erheblich komplizierter, da es sich anders als im Export, in dessen Bereich ganze Paletten abgerufen würden, um viel anfallende Kleinmengen handele. Von den Packern Inland sei einer Betriebsratsmitglied, zwei, von denen einer schwerbehindert sei, wiesen längere Betriebszugehörigkeit auf, seien älter und verheiratet. Der Mitarbeiter O sei zwar kürzere Zeit als der Kläger bei ihr beschäftigt, sei aber fünf Jahre älter, verheiratet und habe ein Kind. Zudem sei der vom Kläger erwähnte Mitarbeiter O auch als Aufsetzer tätig.

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben, den Weiterbeschäftigungsanspruch hat es abgewiesen.

Das Landesarbeitsgericht hat Beweis zu der Frage erhoben, ob aus den von der Beklagten mitgeteilten produktions- und absatzwirtschaftlichen Daten der Jahre 1986 und 1987 hervorgehe, daß der Arbeitsanfall im Versand/Export sich um das Arbeitspensum eines Packers vermindert habe, und zwar durch Einholung eins Sachverständigengutachtens.

Nachdem der Sachverständige das Gutachten schriftlich erstellt hatte, erhielten die Parteien Gelegenheit, zu diesem Gutachten schriftlich Stellung zu nehmen, und haben dies auch getan. Das Landesarbeitsgericht hat den Sachverständigen sodann zur Erörterung des schriftlichen Gutachtens zum Termin geladen. Im Protokoll ist festgestellt, der Vorsitzende habe in den Sach- und Streitstand eingeführt, der Sachverständige habe sein Gutachten erläutert. Irgendwelche Fragen oder Beweisanträge der Parteien ergeben sich aus dem Protokoll nicht.

Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Kündigungsschutzklage abgewiesen und die Anschlußberufung des Klägers zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Kündigung sei wegen dringender betrieblicher Erfordernisse nicht sozialwidrig. Zum Zeitpunkt der Kündigung habe festgestanden, daß zum Zeitpunkt des Kündigungstermins ein Überhang an Arbeitskräften bestehen würde. Die Beklagte habe sich zur Begründung dieser Tatsache auf den Umsatzrückgang Versand/Export beziehen können. Dies sei zum Nachweis konkreter Auswirkungen auf die Beschäftigungsmöglichkeiten dann zulässig, wenn die Tätigkeit einer Gruppe oder einer bestimmten Anzahl von Arbeitnehmern proportional zum Umsatz, hier zum Absatz der gefertigten Produkte, stehe. Ihrer Substantiierungspflicht sei die Beklagte durch die Gegenüberstellung der Exportumsätze der entsprechende Monate 1986 und 1987 nachgekommen. Aufgrund der damals absehbaren wirtschaftlichen Entwicklung sei die Fortdauer der Schwäche des Dollarkurses zu erwarten und infolgedessen eine negative Exportprognose gerechtfertigt gewesen.

Unter Zugrundelegung des Sachverständigengutachtens sei von einem Auftragspersonalbedarf von max. 4,84 Personen in der Abteilung Versand/Export auszugehen gewesen. Das nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstattete Gutachten enthalte weder Widersprüche noch erkennbare Lücken. Es gehe nicht von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus und berücksichtige die betrieblichen Umstände und Verhältnisse in ausreichendem Maße. Der Sachverständige habe bei der Errechnung des Auftragspersonalbestandes hierbei auch den durchschnittlichen Krankenstand und die tariflichen Urlaubsansprüche berücksichtigt. Er habe keine vorgetragenen Betriebsfaktoren vernachlässigt und keine streitigen Tatsachenbehauptungen seiner Begutachtung zugrundegelegt. Eine Änderungskündigung sei nicht vorrangig gewesen, da feststehe, daß der Kläger den allein freien Arbeitsplatz in der Lackiererei nicht angenommen habe.

Hinsichtlich der sozialen Auswahl habe die Beklagte soziale Belange ausreichend berücksichtigt. Der Kläger sei gegenüber den anderen Packern nicht schutzbedürftiger, es habe daher kein Anlaß bestanden, von der regelmäßigen Gewichtung abzuweichen. Ob die Beklagte die Arbeitnehmer im Bereich Versand/Inland hätte in ihre Erwägungen einbeziehen müssen, sei letztlich unerheblich, denn auch wenn dies geschehe, ergebe sich für den Kläger keine günstigere Position. Dort sei nur der Packer O kürzer als der Kläger im Betrieb. Die Dauer der Betriebszugehörigkeit sei zwar ein wichtiges, aber keineswegs das allein entscheidende Kriterium einer sachgerechten Auswahl. Im vorliegenden Fall habe die Beklagte erwägen dürfen, daß der Packer O deshalb schutzbedürftiger sei, weil er verheiratet sei und ein Kind habe.

II. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten in allen Punkten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

1. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, die Kündigung sei durch dringende betriebliche Gründe gerechtfertigt gewesen.

a) Nach § 1 KSchG ist bei Vorliegen der weiter dort genannten Voraussetzungen eine Kündigung rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung auch sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist, wobei der Arbeitgeber nach § 1 Abs. 2 Satze 4 KSchG die Tatsachen zu beweisen hat, die die Kündigung bedingen.

Der Senat hat insbesondere in den Urteilen vom 7. Dezember 1978 - 2 AZR 155/77 - und 24. Oktober 1979 - 2 AZR 940/77 - (BAGE 31, 157 und 32, 150 = AP Nr. 6 und 8 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; vom 7. Februar 1985 - 2 AZR 91/84 - AP Nr. 9 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, zu III 3 der Gründe und vom 30. April 1987 - 2 AZR 184/86 - AP Nr. 42 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung) Grundsätze für den Prüfungsmaßstab des Gerichts bei der betriebsbedingten Kündigung aufgestellt.

Danach können sich betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung aus innerbetrieblichen Umständen (Unternehmerentscheidung: z.B. Rationalisierungsmaßnahme, Umstellung oder Einschränkung der Produktion) oder durch außerbetriebliche Gründe (z.B. Auftragsmangel) ergeben. Diese betrieblichen Erfordernisse müssen "dringend" sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebes unvermeidbar machen. Diese weitere Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Kündigung die notwendige Folge der betrieblichen Erfordernisse ist. Ein Auftragsrückgang kann dann eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn dadurch der Arbeitsanfall so zurückgeht, daß für einen oder mehrere Arbeitnehmer das Bedürfnis zur Weiterbeschäftigung entfällt.

Bei einem Streit über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung hat das Gericht voll nachzuprüfen, ob die vom Arbeitgeber behaupteten Gründe für die Kündigung tatsächlich vorliegen und ob sie sich im betrieblichen Bereich dahin auswirken, daß für die Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers kein Bedürfnis mehr besteht (BAGE 31, 157 = AP, aaO; BAG Urteil vom 30. Mai 1985 - 2 AZR 321/84 - AP Nr. 24 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Behauptet der Arbeitgeber, bereits außerbetriebliche Gründe allein hätten ein Bedürfnis für eine Weiterbeschäftigung entfallen lassen, bindet der Arbeitgeber sich also selbst an diese von ihm so gesehenen Sachzwänge, so hat das Gericht nachzuprüfen, ob zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruches feststand, zum Zeitpunkt des Kündigungstermins sei eine Beschäftigungsmöglichkeit für den gekündigten Arbeitnehmer nicht mehr gegeben.

b) Wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat, hat die Beklagte vorliegend keine gestaltende Unternehmerentscheidung getroffen. Sie hat ihren Betrieb nicht umorganisiert, sondern sie wollte die Anzahl der benötigten Arbeitnehmer unmittelbar der Arbeitsmenge anpassen, die sich aus dem verringerten Umsatz ergab. Wenn sich der Umfang der Tätigkeit einer Gruppe oder einer bestimmten Anzahl von Arbeitnehmern proportional zum Absatz der gefertigten Erzeugnisse verhält, so genügt der Arbeitgeber seiner Vortragslast, wenn er die Richtigkeit des Berechnungsmodus so darlegt, daß aus der Verringerung des Umsatzes auf die Veränderung der Beschäftigungsmöglichkeiten geschlossen werden kann (vgl. Ascheid, DB 1987, 1144, 1147).

aa) Die Beklagte hat nach den Feststellungen des Berufungsgerichts den Personalbedarf zutreffend nach dem verringerten Verpackungsbedarf, der sich wiederum aus dem Rückgang des Umsatzes ergab, berechnet. Hiergegen sind revisionsrechtlich keine Bedenken zu erheben. Es ist einsichtig, daß bei der Abfertigung weniger gleichartiger Bestellungen auch weniger Arbeitnehmer be nötigt werden. Der Hinweis der Revision, ein Rückgang der versandfähig zu machenden Waren führe dann nicht zu einem geringeren Arbeitsanfall, wenn die verbleibenden Aufträge arbeitsintensiver abzuwickeln seien, ist, zwar an sich zutreffend, aber vorliegend unerheblich, weil nach dem festgestellten Sachverhalt nicht von einer derartigen Entwicklung auszugehen ist.

bb) Der Kläger hat gegen die Richtigkeit der Berechnungsformel keine erheblichen Rügen vorgebracht. Indem der Kläger selbst geltend macht, die Beklagte hätte dem Rückgang der Arbeitsmenge mit Kurzarbeit begegnen können, bestätigt er die Feststellung des Berufungsgerichts, bei gleicher Beschäftigtenzahl sei ein Überhang an Arbeitskräften vorhanden gewesen.

Soweit der Kläger in der Revision rügt, das Landesarbeitsgericht habe das Gutachten nicht hinreichend gewürdigt, kann dem nicht gefolgt werden. Das Berufungsgericht hat in verständlicher Weise die wissenschaftlichen Erkenntnisse des Gutachtens in seinem Urteil wiedergegeben. Die Parteien hatten in der Tatsacheninstanz Gelegenheit den Gutachter zu befragen. Im Anschluß an die mündliche Gutachtenerläuterung sind vom Kläger bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung keine Erklärungen abgegeben worden.

cc) Das Landesarbeitsgericht hat die Dringlichkeit der Personalreduzierung auch ohne Rechtsfehler deshalb bejaht, weil mit Kurzarbeit dem festgestellten andauernden Arbeitsmangel nicht hätte begegnet werden können. Die Frage nach der Kurzarbeit ist materiell-rechtlich die Frage nach der Dauer des Arbeitsmengenmangels. Besteht dieser nicht nur vorübergehend, ist ein Beendigungsgrund gegeben (vgl. BAGE 16, 134 = AP Nr. 14 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; Ascheid, Beweislastfragen im Kündigungsschutzprozeß, 1989, S. 150; Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen, 1988, S. 407, 408). Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts besteht deswegen vorliegend kein Anlaß, die Auffassung des Senats zu überprüfen, auf die Möglichkeit, Kurzarbeit einzuführen, könne der Arbeitnehmer sich im übrigen auch dann nicht berufen, wenn ein für seinen Betrieb bestehender Betriebsrat dieses Begehren noch durchzusetzen versuche (Urteil vom 11. September 1986 - 2 AZR 564/85 - BB 1987, 1882; krit. Preis, DB 1988, 1387, 1390 f.; Meinhold, BB 1988, 623, 624 ff.).

c) Die Frage der Weiterbeschäftigung und die des Vorrangs einer Änderungskündigung hat das Landesarbeitsgericht ebenfalls rechtsfehlerfrei behandelt. Da der Kläger es unter Berufung auf gesundheitliche Gefahren unstreitig abgelehnt hatte, in der Lackiererei, in der ein Arbeitsplatz frei wurde, zu arbeiten, brauchte die Beklagte vor der Beendigungskündigung keine Änderungskündigung auszusprechen (vgl. BAGE 47, 26 = AP Nr. 8 zu § 2 KSchG 1969).

2. Das Urteil läßt auch bezüglich der sozialen Auswahl keine Rechtsfehler erkennen.

a) Hinsichtlich der Mitarbeiter der Abteilung Versand/Export ist der Kläger der am wenigsten Schutzbedürftige. Es ist kein einziger Mitarbeiter als Packer kürzer als der ledige Kläger in dieser Betriebsabteilung tätig.

b) Soweit der Kläger sich auf den im Bereich Versand/Inland beschäftigten Arbeitnehmer O beruft, hat das Landesarbeitsgericht es mit zutreffenden Erwägungen für rechtsfehlerfrei erachtet, daß die Beklagte insoweit den Familienstand und die Unterhaltsverpflichtung dieses Arbeitnehmers berücksichtigt hat. Die Dauer der Betriebszugehörigkeit ist nur ein zu berücksichtigender Faktor und kann bei entsprechender sozialer Fallkonstellation hinter anderen Kriterien zurückstehen. Bei der sozialen Auswahl gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG hat der Arbeitgeber zwar keinen Ermessens- wohl aber einen Wertungsspielraum (vgl. BAGE 47, 80 = AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl). Weitere mit dem Kläger vergleichbare Arbeitnehmer waren nicht vorhanden, wie das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler festgestellt hat.

3. Soweit der Kläger in der Revision erstmals rügt, der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß angehört worden, kann er mit dieser Rüge in der Revision nicht durchdringen. Wie das Bundesarbeitsgericht (BAGE 43, 129 = AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; BAG Urteil vom 14. Oktober 1982 - 2 AZR 811/79 - AP Nr. 36 zu § 613 a BGB) hat wiederholt entschieden, das Tatsachengerichte zur Überprüfung der Voraussetzungen des § 102 BetrVG erst dann Veranlassung, wenn der Arbeitnehmer die nicht ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates geltend macht. Das gilt nur dann nicht, wenn sich eine unrichtige Anhörung bereits aus dem Vortrag der Parteien als unstreitig ergibt. Im vorliegenden Fall lagen Anhaltspunkte dafür, der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß angehört worden, nicht vor, zumal der Kläger sich in der Berufung nicht mit der Feststellung des Arbeitsgerichts auseinandergesetzt hatte, die Kündigung sei nach ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrates erfolgt.

Hillebrecht Triebfürst Dr. Ascheid

Nipperdey Peter Jansen

 

Fundstellen

BB 1989, 2190-2191 (LT1-2)

DB 1989, 2384-2385 (LT1-2)

BetrVG, (12) (LT1-2)

DRsp, VI (614) 124 b-c (T)

EWiR 1990, 179 (L1-2)

Gewerkschafter 1990, Nr 1, 39-39 (ST1)

JR 1990, 220

JR 1990, 220 (S)

NZA 1990, 65-66 (LT1-2)

RdA 1989, 380

RzK, I 5c 30 (LT1-2)

ZAP, EN-Nr 180/90 (S)

ZIP 1989, 1605

ZIP 1989, 1605-1608 (LT1-2)

AP § 1 KSchG 1969, Nr 45

AR-Blattei, ES 1020 Nr 300 (LT1-2)

AR-Blattei, Kündigungsschutz Entsch 300 (LT1-2)

EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung, Nr 63 (LT1-2)

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