Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschäftigungsanspruch - tarifliche Ausschlußfrist

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Anspruch auf eine bestimmte vertragsgemäße Beschäftigung wird nicht von der tariflichen Ausschlußfrist des § 16 BauRTV erfaßt.

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Entscheidung vom 04.04.1990; Aktenzeichen 7 Sa 39/90)

ArbG Köln (Entscheidung vom 02.11.1989; Aktenzeichen 13 Ca 6330/89)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger einen Anspruch auf Beschäftigung als Kraftfahrer hat.

Der am 17. Mai 1934 geborene Kläger ist seit dem 28. Februar 1960 als gewerblicher Arbeitnehmer bei der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin tätig. Eine schriftliche Vereinbarung über die Art seines Arbeitseinsatzes besteht nicht.

Der Kläger verlangt in diesem Rechtsstreit seine Beschäftigung als Kraftfahrer mit der Begründung, er sei schon von der Rechtsvorgängerin der Beklagten als Kraftfahrer eingestellt und als solcher auch von der Beklagten bis 1984 ständig beschäftigt worden. Als die Beklagte danach während einer ausgedehnten Kurzarbeitsphase ihre Lastkraftwagen abgeschafft habe, sei der Kläger bereit gewesen, zeitweise als Aufzugfahrer zu arbeiten oder den Autokran zu bedienen, der ebenfalls Führerscheinklasse zwei vorausgesetzt habe. Als die Beklagte 1987 neue Lastkraftwagen angeschafft habe, seien diese mit anderen Fahrern besetzt worden. Der Kläger habe danach immer wieder erfolglos seine Beschäftigung als Kraftfahrer verlangt.

Der Kläger hat daher beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihn als LKW-Fahrer

einzusetzen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und demgegenüber behauptet, der Kläger sei nicht als Kraftfahrer, sondern als Baumaschinenführer eingestellt worden. Dementsprechend sei er tariflich eingruppiert gewesen. Er sei von der Beklagten erst ab 1976 entsprechend den betrieblichen Erfordernissen nur teilweise, aber keineswegs ausschließlich als Kraftfahrer eingesetzt worden. Als der von ihm bis dahin gelegentlich gefahrene Klein-LKW 1984 stillgelegt worden sei, habe die Beklagte den Kläger auf wechselnden Baustellen nur als Baumaschinenführer verwendet. Der Kläger habe zwar dann erstmals 1986 um seine Beschäftigung als Kraftfahrer gebeten, die Beklagte habe aber damals keine Möglichkeit gesehen, dieser Bitte zu entsprechen. Erstmals mit Schreiben seines Prozeßbevollmächtigten vom 28. Juli 1989 habe er seine Beschäftigung als Kraftfahrer ausdrücklich begehrt. Nachdem er schon vorher seit etwa sechs Jahren nicht mehr als Kraftfahrer eingesetzt worden sei, müsse er sich die Verfallfrist des § 16 BRTV-Bau entgegenhalten lassen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Der Kläger will mit der Revision die Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts erreichen.

 

Entscheidungsgründe

Der Revision war stattzugeben. Die Sache muß zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden (§ 565 Abs. 1 ZPO).

I. Das Landesarbeitsgericht hat offengelassen, ob der Kläger als Kraftfahrer eingestellt worden ist oder ob sich in anderer Weise das Arbeitsverhältnis hierauf konkretisiert hat. Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann der Kläger schon deswegen seine Beschäftigung als Kraftfahrer nicht verlangen, weil er sich die Ausschlußfrist des § 16 des allgemeinverbindlichen Bundesrahmentarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer des Baugewerbes in der Bundesrepublik Deutschland und im Land Berlin (BRTV-Bau) entgegenhalten lassen müsse. Insoweit müsse zwischen einem Anspruch auf Beschäftigung im allgemeinen und einem Anspruch auf eine bestimmte Beschäftigung unterschieden werden. Der Anspruch auf eine bestimmte Beschäftigung, den der Kläger in diesem Rechtsstreit verfolge, werde von der tariflichen Verfallfrist des § 16 BRTV-Bau erfaßt. Nach dem Vorbringen des Klägers sei eine Beschäftigung als Kraftfahrer spätestens ab 1986 wieder möglich gewesen, und damit sei sein Anspruch darauf wieder fällig geworden. Er habe ihn dann aber nicht fristgerecht gemäß § 16 BRTV-Bau geltend gemacht.

II. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Der Anspruch des Klägers auf vertragsgemäße Beschäftigung wird nicht von der Verfallfrist des § 16 BRTV-Bau erfaßt. Danach verfallen zwar alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Darüber hinaus verlangt diese Vorschrift eine fristgerechte gerichtliche Geltendmachung dieser Ansprüche. Der Beschäftigungsanspruch des Klägers als Persönlichkeitsrecht wird dagegen nicht von dieser Tarifvorschrift erfaßt. Die Rechtsprechung hat dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht den Schutz der absoluten Rechte zuerkannt (vgl. nur BGHZ 13, 334, 338; 24, 72, 76 f.; 27, 284, 286). Absolute Rechte fallen nicht unter eine tarifliche Ausschlußklausel, die ihren Wirkungsbereich über Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag oder dem Arbeitsverhältnis erstreckt (BAGE 54, 365, 373 = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Persönlichkeitsrecht, zu A III der Gründe; BAGE 24, 247, 258 f. = AP Nr. 9 zu § 611 BGB Öffentlicher Dienst, zu III b aa der Gründe; Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 4 Rz 426). Eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts ist wegen der Notwendigkeit des Schutzes der Persönlichkeit ein Tatbestand eigener Art, der neben der Verletzung von Pflichten aus dem Arbeitsvertrag steht (BAGE 24, 247, 259 = AP Nr. 9 zu § 611 BGB Öffentlicher Dienst, zu III b aa der Gründe). Zwar ist die Rechtsgrundlage eines Beschäftigungsanspruchs der Arbeitsvertrag (§ 611 BGB), der den Arbeitnehmer gemäß § 613 BGB zur persönlichen Dienstleistung für den Arbeitgeber verpflichtet. Damit handelt es sich aber nicht lediglich um einen arbeitsvertraglichen Anspruch, sondern er beruht unmittelbar auf der sich für den Arbeitgeber aus § 242 BGB unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung der Art. 1 und 2 GG über den Persönlichkeitsschutz ergebenden arbeitsvertraglichen Förderungspflicht der Beschäftigungsinteressen des Arbeitnehmers (BAGE 48, 122, 139 = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht, zu C I 2 b der Gründe). Wenn sich damit auch der Beschäftigungsanspruch nicht unmittelbar aus dem durch Art. 1 und 2 GG garantierten Persönlichkeitsschutz herleiten läßt (BAGE 48, 122, 138 = AP, aaO), so bestimmt sich doch der Inhalt eines solchen Anspruches aus der in den Grundrechten des Grundgesetzes zum Ausdruck gekommenen Wertentscheidung der Verfassung. Damit gewinnt der verfassungsrechtliche Persönlichkeitsschutz für das Arbeitsverhältnis und für den sich daraus ergebenden Beschäftigungsanspruch Bedeutung (BAGE 48, 122, 139 = AP, aaO). Ein solcher Beschäftigungsanspruch im ungekündigten Arbeitsverhältnis ist in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts schon frühzeitig anerkannt worden (BAGE 28, 168, 172 = AP Nr. 4 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht, zu I 3 a der Gründe) und nur hinsichtlich der Rechtsgrundlagen durch den Beschluß des Großen Senats vom 27. Februar 1985 vertieft worden (BAGE 48, 122, 138 f. = AP, aaO).

Im Rahmen dieser verfassungsrechtlichen Wertentscheidung kann nicht mit der Vorinstanz zwischen einem Beschäftigungsanspruch im allgemeinen, der nicht der tariflichen Ausschlußfrist unterliegen soll, und einem Anspruch auf eine bestimmte, vertragsgemäße Beschäftigung unterschieden werden. Der Anspruch auf Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis läßt sich nur dadurch verwirklichen, daß der Arbeitnehmer mit einer bestimmten Tätigkeit betraut wird.

Dieser Beschäftigungsanspruch entsteht während des Arbeitsverhältnisses fortlaufend und ist auch deswegen einer tariflichen Ausschlußfrist nicht zugänglich, denn eine Ausschlußfrist erfaßt nur in der Vergangenheit bereits entstandene Ansprüche und soll dazu dienen, diese fristgerecht zu erfüllen.

2. Da der Anspruch auf vertragsgerechte Beschäftigung des Klägers in Zukunft nicht unter eine tarifliche Ausschlußfrist fällt, muß das Landesarbeitsgericht klären, auf welche Beschäftigung der Kläger Anspruch hat. Der Vortrag dazu ist in der Vorinstanz streitig geblieben und bedarf der weiteren Sachaufklärung.

Dr. Thomas Dr. Olderog Dr. Wittek

Dr. Schlemmer Schwitzer

 

Fundstellen

Haufe-Index 439943

BAGE 68, 60-64 (LT1)

BAGE, 60

DB 1991, 2442 (LT1)

EBE/BAG 1991, 157-158 (LT1)

ARST 1992, 11-12 (LT1)

EWiR 1991, 1069 (L)

NZA 1991, 979-980 (LT1)

RdA 1991, 382

ZTR 1991, 518 (LT1)

AP § 611 BGB Beschäftigungspflicht (LT1), Nr 24

AR-Blattei, Baugewerbe VIII Entsch 129 (LT1)

AR-Blattei, ES 370.8 Nr 129 (LT1)

ArztR 1992, 104-105 (T)

AuA 1992, 191 (LT1)

EzA § 4 TVG Ausschlußfristen, Nr 91 (LT1)

MDR 1992, 61 (LT1)

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