Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Zweckbefristung nach § 21 Abs. 3 BErzGG

 

Leitsatz (redaktionell)

Parallelsache zum Senatsurteil vom 9. November 1994 – 7 AZR 243/94 – (zur Veröffentlichung bestimmt)

 

Normenkette

BErzGG § 21 Abs. 1, 3

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 03.06.1994; Aktenzeichen 12 Sa 960/93)

ArbG Gießen (Urteil vom 15.06.1993; Aktenzeichen 4 Ca 144/93)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 3. Juni 1994 – 12 Sa 960/93 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.

Der Kläger ist von Beruf Diplom-Ingenieur und wurde durch schriftlichen Arbeitsvertrag vom 2. Juli 1991 mit Wirkung ab 5. August 1991 als Aushilfsangestellter zur Vertretung für die Angestellte Sigrid D. bei der beklagten Stadt eingestellt. Die §§ 1 und 2 des Arbeitsvertrages lauten:

㤠1

Herr Lothar G. wird ab 05. August 1991 als Aushilfsangestellter zur Vertretung für die Dauer der Mutterschutzfrist und eines evtl. Erziehungsurlaubs der Frau Sigrid B. eingestellt.

§ 2

Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen, insbesondere der Sonderregelung 2y zum BAT. Außerdem finden die für den Bereich des Arbeitgebers jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung.

Ungeachtet der in Nr. 7 SR 2y BAT enthaltenen Regelungen kann das Arbeitsverhältnis nach § 21 Abs. 4 Bundeserziehungsgeldgesetz gekündigt werden.”

Der Kläger erhielt Vergütung nach Vergütungsgruppe IV a BAT, die sich auf rund 5.300,– DM brutto monatlich beläuft.

Mit Schreiben vom 1. Februar 1993 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß der Erziehungsurlaub der Angestellten D. mit Ablauf des 22. März 1993 beendet sei und demzufolge auch das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger aufgrund der Befristung zu diesem Zeitpunkt auslaufe.

Der Kläger ist der Ansicht, die vereinbarte Befristung des Arbeitsvertrages sei unwirksam. Insbesondere entspreche die im Arbeitsvertrag getroffene Vereinbarung, wonach das Arbeitsverhältnis für die Dauer des Erziehungsurlaubs der Angestellten D. befristet sei, nicht den Anforderungen des § 21 Abs. 3 BErzGG. Denn die getroffene Vereinbarung mit dem Kläger sei so abstrakt, daß sie weder kalendermäßig bestimmt noch bestimmbar sei. Die Vorschrift des § 21 Abs. 3 BErzGG gehe als einseitig zwingendes Recht den tarifvertraglichen Regelungen des BAT vor. Deshalb genüge der Umstand, daß der befristete Arbeitsvertrag möglicherweise den Anforderungen dieses Tarifvertrages entspreche, nicht auch gleichzeitig den Erfordernissen der gesetzlichen Regelung.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 22. März 1993 hinaus unbefristet fortbesteht;

die beklagte Stadt zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Sachbearbeiter im Amt für Umwelt und Naturschutz bis zum rechtskräftigen Abschluß des Feststellungsverfahrens weiterzubeschäftigen.

Die beklagte Stadt hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, entsprechend der Sonderregelungen SR 2y BAT handele es sich bei dem Arbeitsverhältnis um ein solches für eine Aufgabe von begrenzter Dauer, bei der das Arbeitsverhältnis durch Eintritt eines bestimmten Ereignisses enden solle. Diesen Voraussetzungen entspreche die vorliegende Zweckbefristung, so daß § 21 Abs. 3 BErzGG nicht eingreife. Im übrigen sei der Beklagten eine datumsmäßige Befristung auch gar nicht möglich gewesen, da im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses das genaue Ende des Erziehungsurlaubes der Angestellten D. noch nicht bekannt gewesen sei.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Arbeitsgericht, dessen Entscheidungsgründe sich das Landesarbeitsgericht in zulässiger Weise gemäß § 543 ZPO zu eigen gemacht hat, hat zutreffend festgestellt, daß die Befristung des Arbeitsverhältnisses der Parteien wegen Verstoßes gegen § 21 Abs. 3 BErzGG unwirksam ist. Diese Vorschrift, nach der die Dauer der Befristung des Arbeitsvertrages mit einer zur Vertretung einer wegen der Mutterschutzfristen oder eines Erziehungsurlaubs ausfallenden Arbeitnehmerin kalendermäßig bestimmt oder bestimmbar sein muß, gilt für den Bereich derartiger Vertretungsfälle zwingend und geht damit auch den entsprechenden Regelungen der SR 2y BAT vor.

A. Diese Rechtsauffassung hat der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 9. November 1994 (– 7 AZR 243/94 –, zur Veröffentlichung bestimmt) vertreten und näher begründet. Hieran hält der Senat auch nach erneuter Prüfung fest.

I. Die Befristung auf die Dauer der Mutterschutzfrist und des sich eventuell anschließenden Erziehungsurlaubs ist schon deshalb unwirksam, weil sie, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, gegen § 21 Abs. 3 BErzGG verstößt. Nach dieser Vorschrift muß die Dauer der Befristung des Arbeitsvertrages kalendermäßig bestimmt oder bestimmbar sein. Hiermit ist eine Zweckbefristung bis zum noch Ungewissen Ende einer Mutter Schutzfrist bzw. eines Erziehungsurlaubs unvereinbar.

1. Nach der im Schrifttum herrschenden Meinung schließt § 21 Abs. 3 BErzGG eine Zweckbefristung bis zum noch Ungewissen Ende des Vertretungsfalles aus (vgl. zum Beispiel KR-Weller, 3. Aufl., § 21 BErzGG Rz 16, 17; Meisel/Sowka, MuSchG, 3. Aufl., § 21 BErzGG Rz 19, 21; Zmarzlik/Zipperer/Viethen, MuSchG, 5. Aufl., § 21 BErzGG Rz 15; Gröninger/Thomas, MuSchG, Stand Mai 1992, § 21 BErzGG Rz 12; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl., S. 808; Halbach, DB Beil. 1986/1, S. 1, 18; Grüner/Dalichau, BErzGG, Bd. 1. Stand August 1994, § 21 Anm. III 2; Wiegand, BErzGG, Stand März 1987, § 21 Rz 13; a. A. Winterfeld. Mutterschutz und Erziehungsurlaub, 1986, S. 79 Rz 347 = Neues Arbeitsrecht, Stand Oktober 1986, Teil M Rz 347).

2. Der Senat folgt der herrschenden Ansicht. Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 21 Abs. 3 BErzGG lassen nur die Auslegung zu, daß die Zweckbefristung eines zur Vertretung wahrend der Dauer der Beschäftigungsverbote nach dem Mutterschutzgesetz und/oder für die Dauer eines Erziehungsurlaubs abgeschlossenen Arbeitsvertrages unzulässig ist. Nach § 21 Abs. 3 BErzGG muß die Dauer eines solchen Arbeitsvertrages kalendermäßig bestimmt oder bestimmbar sein. Bei Abschluß des Arbeitsvertrages muß sich also der Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses allein nach dem Kalender errechnen lassen.

Zwar ist richtig, daß durch § 21 BErzGG die Einstellung von Ersatzkräften erleichtert werden sollte und daß nach der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. zum Beispiel Urteil vom 17. Februar 1983, BAGE 41, 391, 399 = AP Nr. 14 zu § 15 KSchG 1969, zu B II 2 der Gründe) eine Zweckbefristung bis zum Ablauf der Mutterschutzfrist und des sich gegebenenfalls anschließenden Mutterschaftsurlaubs für zulässig gehalten wurde. Durch § 21 des BErzGG vom 6. Dezember 1985 ist jedoch die Befristung für die Dauer der Beschäftigungsverbote nach dem Mutterschutzgesetz und/oder für die Dauer des Erziehungsurlaubs abschließend geregelt worden. Die von ihm angestrebte Erleichterung der Einstellung von Ersatzkräften hat der Gesetzgeber durch die Einbeziehung der notwendigen Einarbeitungszeiten in die Befristungsdauer, die Gewährung eines Sonderkündigungsrechts und den Ausschluß des Kündigungsschutzgesetzes in § 21 Abs. 5 BErzGG verwirklicht (KR-Weller, a.a.O., § 21 BErzGG Rz 17 am Ende). Neben diesen Erleichterungen hat der Gesetzgeber jedoch erkennbar für den Bereich der Befristungen wegen der Mutterschutzfrist und/oder des Erziehungsurlaubs auch eine klare gesetzliche Rechtslage schaffen wollen. In der amtlichen Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drucks. 10/3792) heißt es auf Seite 21 ausdrücklich, für die befristete Einstellung einer Ersatzkraft, die bisher nur auf die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte gestützt werden konnte, solle eine eindeutige Grundlage im Gesetz geschaffen werden. Dementsprechend heißt es auf Seite 22 (a.a.O.) zum damaligen § 21 Abs. 4 des Regierungsentwurfs, Absatz 4 regele die Art der Bestimmung der Befristungsdauer, damit der Endzeitpunkt des befristeten Arbeitsvertrages von Anfang an für die Vertragspartner klargestellt sei. Damit aber würde die Anerkennung einer Zweckbefristung im Bereich des § 21 BErzGG gegen den erkennbaren Willen des Gesetzgebers verstoßen.

3. Die von der Beklagten aufgeworfene Frage des Verhältnisses von § 21 BErzGG zu tarifvertraglichen Regelungen stellt sich im Entscheidungsfalle nicht, weil hier allein die SR 2y BAT in Betracht kommen und diese jedenfalls für zur Vertretung oder zeitweiligen Aushilfe eingestellte Arbeitnehmer (Nr. 1 Buchst. c SR 2y BAT) keine von § 21 BErzGG abweichenden Anforderungen für die Zulässigkeit einer Befristung aufstellen, sondern nur die Aufnahme bestimmter Angaben in den Arbeitsvertrag fordern (vgl. Nr. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Unterabs. 3 SR 2y BAT). Insbesondere enthalten die SR 2y BAT keine Bestimmung des Inhalts, daß mit zur Vertretung eingestellten Arbeitnehmern abweichend von § 21 Abs. 3 BErzGG auch eine Zweckbefristung vereinbart werden dürfe.

Dementsprechend beziehen sich die Senatsentscheidungen vom 26. März 1986 (BAGE 51, 319 = AP Nr. 103 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag) und vom 12. Juni 1987 (AP Nr. 113 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag) auch nur auf Vertretungsfälle außerhalb des Anwendungsbereichs des § 21 BErzGG und sind auch nicht zur Auslegung der SR 2y BAT ergangen. Vielmehr betreffen sie Bereiche, in denen im Gegensatz zu § 21 Abs. 3 BErzGG eine Zweckbefristung grundsätzlich zulässig ist. Für diese Bereiche hat der Senat ausgeführt, daß eine Zweckbefristung zwar unwirksam sei, wenn ihr Ende für den Arbeitnehmer nicht voraussehbar ist oder nicht in überschaubarer Zeit liegt, daß dies aber nur dazu führe, daß das Arbeitsverhältnis erst mit Ablauf einer der Mindestkündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist ende. Auf den in § 21 BErzGG abschließend geregelten Bereich einer Befristung wegen einer Vertretung während einer Mutter Schutzfrist oder eines Erziehungsurlaubs sind diese Entscheidungen damit nicht übertragbar.

B. Entgegen der Ansicht der Revision weist auch der vorliegende Streitfall keine tatsächlichen Besonderheiten auf, die zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung führen könnten. Insbesondere ist unerheblich, daß der Beklagten bei Abschluß des Arbeitsvertrages die Absicht der zu vertretenden Arbeitnehmer in, Erziehungsurlaub zu beantragen, mitgeteilt worden war und daß zu einem späteren Zeitpunkt, als auch der Geburtstermin mitgeteilt worden war, das Ende des Erziehungsurlaubs bestimmt werden konnte. Denn für die Wirksamkeit der Befristung kommt es allein auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses an. Zu diesem Zeitpunkt aber war das Vertragsende weder aus der Vertragsurkunde noch aus sonstigen den Parteien bekannten Umständen datumsmäßig bestimmbar.

 

Unterschriften

Weller, Schmidt, Steckhan, Ruppert, Straub

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1093062

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