Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftungsbeschränkung für nachkonkurslichen Sozialplan

 

Leitsatz (redaktionell)

Parallelsache zu BAG 15. Januar 2002 – 1 AZR 58/01 -

 

Normenkette

BGB § 613a Abs. 1; KO § 59 Abs. 1, § 61 Abs. 1-2; SozplKonkG §§ 2-4

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 24.10.2000; Aktenzeichen 11 Sa 1753/99)

ArbG Minden (Urteil vom 11.08.1999; Aktenzeichen 2 Ca 566/99)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine Sozialplanabfindung.

Der Kläger war seit 1983 bei der R GmbH & Co. KG beschäftigt. Über deren Vermögen wurde am 24. Januar 1998 das Anschlußkonkursverfahren eröffnet. Am 17./24. März 1998 schlossen der Konkursverwalter und der bei der Gemeinschuldnerin gebildete Betriebsrat einen Interessenausgleich, dem eine Liste der zu kündigenden Arbeitnehmer beigefügt war. Diese enthielt auch den Namen des Klägers. Mit Schreiben vom 31. März 1998 kündigte der Konkursverwalter dessen Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 1998. Der Kläger erhob keine Kündigungsschutzklage.

Am 26. März 1998 kam zwischen Konkursverwalter und Betriebsrat ein Sozialplan zustande. Aus diesem steht dem Kläger – rechnerisch unstreitig – eine Abfindung in Höhe von 13.951,64 DM ( 7.133,36 Euro) zu.

Mit Kaufvertrag vom 1. Juni 1998 erwarb die Beklagte vom Konkursverwalter das gesamte Anlagevermögen der Gemeinschuldnerin. Noch im selben Monat ging die betriebliche Ordnungs- und Leitungsmacht auf sie über. Die im Sozialplan vorgesehenen Abfindungsansprüche der Arbeitnehmer wurden bei der Festlegung des Kaufpreises nicht berücksichtigt. Der Konkursverwalter hat der Beklagten für den Fall einer erfolgreichen Inanspruchnahme aus dem Sozialplan einen Freistellungsanspruch eingeräumt.

Der Kläger hat seinen Abfindungsanspruch zur Konkurstabelle angemeldet. Nach Schätzungen des Konkursverwalters wird die Gemeinschuldnerin den Anspruch nach Abschluß des Konkursverfahrens mit 20 bis 25 vH begleichen können.

Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung der Sozialplanabfindung in Anspruch genommen. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte hafte für seine Forderung gemäß § 613a BGB, weil sein Arbeitsverhältnis erst nach der Betriebsübernahme geendet habe. Die Beklagte könne sich nicht auf konkursbedingte Haftungsbeschränkungen berufen. Zwar würden Sozialplanforderungen, die nach Konkurseröffnung entstanden seien, gesetzlich bloßen Konkursforderungen gleichgestellt. Dies schließe jedoch nicht aus, sie gegenüber einem Betriebserwerber in vollem Umfang geltend zu machen. Im übrigen werde die Beklagte von einem Unternehmen beherrscht, das seinerseits eine der Hauptgläubigerinnen der Gemeinschuldnerin sei und auf Grund anderer Sicherungsmittel mit einer Quote von 85 vH habe befriedigt werden können. Haftungsbeschränkungen zu Gunsten der Beklagten seien deshalb nicht angezeigt.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7.133,36 Euro netto nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Juli 1998 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, eine Haftung des Betriebserwerbers scheide auch für nachkonkursliche Sozialplanansprüche aus. Die Verteilungsgrundsätze des Konkursverfahrens müßten Vorrang haben. Im übrigen sei es widersprüchlich, wenn sie als Betriebserwerberin eine Haftung für Sozialplanansprüche übernehmen müßte, obwohl sie im Falle einer eigenen Betriebsänderung gemäß § 112a Abs. 2 Satz 1 BetrVG nicht zum Abschluß eines Sozialplans gezwungen werden könnte.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht eine Haftung der Beklagten für die Sozialplanforderung des Klägers verneint.

  • Die Voraussetzungen für eine solche Haftung liegen allerdings grundsätzlich vor.

    • Der Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Abfindung in Höhe der Klageforderung folgt aus den Bestimmungen des Sozialplans vom 26. März 1998. Partei und Schuldner dieses Sozialplans war zunächst der Konkursverwalter. In dessen Rechtsstellung ist die Beklagte eingetreten. Der Betrieb der Gemeinschuldnerin ist durch Rechtsgeschäft vollständig auf die Beklagte übergegangen. Nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat diese vom Konkursverwalter im Juni 1998 das gesamte Anlagevermögen der Gemeinschuldnerin sowie die Ordnungs- und Leitungsmacht übernommen. Darin liegt ein Betriebsübergang iSd. § 613a Abs. 1 BGB. Dies steht zwischen den Parteien außer Streit.
    • Der Betrieb der Gemeinschuldnerin hat durch den Übergang auf die Beklagte seine bisherige Identität nicht verloren. Die Beklagte als Betriebserwerberin ist damit auch in die betriebsverfassungsrechtliche Stellung des bisherigen Betriebsinhabers eingetreten. Die im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Betriebsvereinbarungen wirken unmittelbar für und gegen sie. Mit der Identität des Betriebs bleibt die entscheidende Grundlage für die Fortgeltung der Betriebsvereinbarungen aufrechterhalten. Zwar bestimmt § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB, daß Rechte und Pflichten, die durch eine Betriebsvereinbarung geregelt sind, Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Betriebsinhaber und dem Arbeitnehmer werden. Daraus läßt sich aber nicht ableiten, daß Betriebsvereinbarungen nach einem Betriebsinhaberwechsel nicht mehr normativ fortwirken, sondern stets zum Inhalt der Arbeitsverhältnisse werden. Dies gilt nur, wenn der Betrieb anläßlich des Übergangs seine bisherige Identität verliert (BAG 14. August 2001 – 1 AZR 619/00 – NZA 2002, 276; 27. Juli 1994 – 7 ABR 37/93 – AP BGB § 613a Nr. 118 = EzA BGB § 613a Nr. 123, zu B II der Gründe mwN auch aus der Literatur; 5. Februar 1991 – 1 ABR 32/90 – BAGE 67, 168, zu B IV 2c cc der Gründe). Die Beklagte ist damit gegenüber den im Zeitpunkt des Betriebsübergangs zur Belegschaft gehörenden Arbeitnehmern unmittelbar Schuldnerin aus dem Sozialplan vom 26. März 1998 geworden. Das Arbeitsverhältnis des Klägers bestand bis Ende Juni 1998, also noch nach dem Betriebsübergang. Grundsätzlich kann er deshalb aus dem Sozialplan selbst Ansprüche gegen die Beklagte herleiten.
  • Gleichwohl vermag der Kläger die Beklagte nicht mit Erfolg in Anspruch zu nehmen. Ihr betriebsverfassungsrechtlicher Eintritt in die Rechte und Pflichten aus dem Sozialplan vom 26. März 1998 wirkt nicht in Ansehung solcher Sozialplanforderungen, deren Erfüllung die zur Verteilung stehende Konkursmasse geschmälert hätte. Dies verlangt der Schutz der übrigen Konkursgläubiger.

    • Im Hinblick auf eine individualrechtliche Haftung nach § 613a Abs. 1 BGB ist bei Geltung der Konkursordnung anerkannt, daß der Erwerber eines Betriebs(teils) von der Haftung für vorkonkursliche Sozialplanforderungen auf Grund einer teleologischen Reduktion der Vorschrift freigestellt ist. § 613a Abs. 1 BGB als Schutznorm zugunsten der Arbeitnehmer gilt zwar grundsätzlich auch im Konkurs. Die unbeschränkte Haftung des Betriebserwerbers für Sozialplanansprüche würde in diesen Fällen aber in Konflikt geraten mit den berechtigten Interessen Dritter. Die Arbeitnehmer sind in aller Regel nicht die einzigen Gläubiger des bisherigen Arbeitgebers und Gemeinschuldners. Die Eröffnung des Konkursverfahrens führt dazu, daß die Ansprüche der Konkursgläubiger nunmehr nur noch in einem gesetzlich geregelten und dem Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger verpflichteten Verfahren geltend gemacht werden können. Haftungsgrundlage für die Ansprüche der Gläubiger ist die vorhandene Konkursmasse, die gemäß §§ 59 ff. KO verteilt wird. Gläubigeransprüche, die bereits vor Konkurseröffnung begründet waren, werden nach Maßgabe des § 61 KO in der dortigen Rangfolge befriedigt. Müßte der Betriebserwerber für Ansprüche der Arbeitnehmer aus einem vor Konkurseröffnung geschlossenen Sozialplan nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB einstehen, würde damit die Masse zu Lasten der anderen Gläubiger und unter Verletzung des Prinzips der gleichmäßigen Befriedigung geschmälert. Ein Betriebserwerber, der für vorkonkurslich begründete Ansprüche der Arbeitnehmer aufkommen müßte, würde die durch diese Ansprüche zu erwartende Belastung von dem Kaufpreis, den er ansonsten für den Betrieb zu zahlen bereit wäre, abziehen oder den Betrieb erst gar nicht erwerben. Der der Masse zufließende Gegenwert für die Betriebsveräußerung wäre folglich um die Sozialplanansprüche der Arbeitnehmer gemindert. Damit wären die Arbeitnehmer wirtschaftlich zu Lasten der übrigen Konkursgläubiger, die sich mit der geschmälerten Masse zufrieden geben müßten, bevorzugt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat deshalb die Vorschrift des § 613a Abs. 1 BGB für vorkonkursliche Ansprüche hinter das konkursrechtliche Prinzip der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger zurückzutreten (grundlegend BAG 17. Januar 1980 – 3 AZR 160/79 – BAGE 32, 326; 20. November 1984 – 3 AZR 584/83 – BAGE 47, 206; 13. November 1986 – 2 AZR 771/85 – AP BGB § 613a Nr. 57 = EzA BGB § 613a Nr. 55; 23. Juli 1991 – 3 AZR 366/90 – BAGE 68, 160).

      Die besonderen Schutzbedürfnisse der Arbeitnehmer werden durch eine Reihe von Spezialregelungen der Konkursordnung selbst berücksichtigt. Wenn die vom Betriebserwerber übernommene Belegschaft mit diesem außerdem einen neuen Haftungsschuldner für die bei Konkurseröffnung schon bestehenden Ansprüche erhielte, wäre sie im Vergleich zu anderen Gläubigern und den ausscheidenden Arbeitnehmern bevorzugt. Dieser Vorteil müßte von den übrigen Gläubigern und den zuvor ausgeschiedenen Arbeitnehmern finanziert werden. Eine solchermaßen ungleiche Verteilung der Lasten ist mit dem Konkursrecht nicht vereinbar. Dabei ist unerheblich, ob es sich bei den von der Haftung des Betriebserwerbers ausgeschlossenen Ansprüchen um einfache oder bevorrechtigte Konkursforderungen handelt, ob die Konkursmasse zur Befriedigung ausreicht oder ob die Forderungen anderweitig gesichert sind. Es kommt nicht auf die rechtliche oder tatsächliche Insolvenzsicherung an, sondern entscheidend für den Haftungsausschluß ist der Vorrang des das Konkursrecht beherrschenden Grundsatzes gleichmäßiger Befriedigung aller Konkursgläubiger (BAG 13. Juli 1994 – 7 ABR 50/93 – BAGE 77, 218 mwN).

    • Im Streiffall geht es allerdings um eine Sozialplanforderung, die erst nach Konkurseröffnung durch den Konkursverwalter selbst begründet worden ist. Erst dieser hat den Sozialplan abschlossen. Dennoch ist auch der Abfindungsanspruch des Klägers Konkursforderung.

      • Für die rechtliche Behandlung der Forderung gelten weiterhin die Vorschriften der Konkursordnung und des Gesetzes über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren vom 20. Februar 1985 (SozplKonkG). Zwar ist am 1. Januar 1999 die Insolvenzordnung in Kraft getreten (Art. 110 Abs. 1 EG InsO). Gemäß Art. 103 EGInsO sind aber auf Konkurs- und Vergleichsverfahren, die vor dem 1. Januar 1999 beantragt worden sind, und deren Wirkungen weiter die bisherigen gesetzlichen Vorschriften anzuwenden. Gleiches gilt für Anschlußkonkursverfahren, bei denen der dem Verfahren vorausgehende Vergleichsantrag vor dem 1. Januar 1999 gestellt worden ist. Über das Vermögen der Gemeinschuldnerin ist sowohl der Vergleichsantrag vor dem 1. Januar 1999 gestellt als auch das Anschlußkonkursverfahren selbst noch vor diesem Datum eröffnet worden.
      • Nach der Konkursordnung sind Ansprüche, die vom Konkursverwalter selbst und nicht schon vom Gemeinschuldner begründet worden sind, regelmäßig Masseschulden. Masseschulden sind aus der Konkursmasse vor der Verteilung an die Konkursgläubiger vorab zu befriedigen (§ 59 KO). Für Sozialplanansprüche, die nach § 2 SozplKonkG vom Konkursverwalter begründet worden sind, sieht § 4 SozplKonkG aber ausdrücklich vor, daß sie mit dem Rang des § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO berichtigt werden. Auch Forderungen aus einem Sozialplan, der nach Eröffnung des Konkursverfahrens aufgestellt wurde, sind danach Konkursforderungen, Arbeitnehmer insoweit Konkursgläubiger iSv. § 3 KO (vgl. BAG 3. Dezember 1985 – 1 AZR 545/84 – BAGE 50, 221; BAG 27. Oktober 1998 – 1 AZR 94/98 – AP KO § 61 Nr. 29 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 102).

        Soweit die Revision einwendet, eine solche Sozialplanforderung könne keine Konkursforderung nach § 3 KO sein, weil sie erst nach Konkurseröffnung entstanden sei, übersieht sie, daß das SozplKonkG insoweit spezielle Regelungen für den Sozialplan enthält, die die Vorschriften der Konkurs- und der Vergleichsordnung ergänzen. Auch der Einwand, § 4 Satz 2 2. Halbs. SozplKonkG sehe eine entsprechende Anwendung des § 61 Abs. 2 Satz 2 KO vor, was überflüssig wäre, wenn es sich bei nachkonkurslichen Sozialplanansprüchen ohnehin um Konkursforderungen handelte, überzeugt nicht. Die Verweisung auf § 61 Abs. 2 Satz 2 KO steht im Zusammenhang mit der Begrenzung des für die Berichtigung von Sozialplanforderungen einsetzbaren Gesamtbetrags auf ein Drittel der für die Verteilung an die Konkursgläubiger zur Verfügung stehenden Konkursmasse in § 4 Satz 2 1. Halbs. SozplKonkG. Sind die nach § 2 SozplKonkG begründeten Sozialplanforderungen insgesamt größer, sind sie in entsprechender Anwendung von § 61 Abs. 2 Satz 2 KO anteilig zu kürzen (GK-BetrVG/Fabricius 6. Aufl. §§ 112, 112a Rn. 201; Fitting/Kaiser/Heither/Engels BetrVG 19. Aufl. Anh. 3a SozplKonkG § 4 Rn. 17).

      • Im übrigen waren Forderungen aus Sozialplänen, die nach Konkurseröffnung aufgestellt wurden, auch schon vor Inkrafttreten des Sozialplankonkursgesetzes bloße Konkursforderungen (BAG 30. April 1984 – 1 AZR 34/84 – BAGE 45, 357). Nach § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO sind Masseschulden die Ansprüche aus zweiseitigen Verträgen, deren Erfüllung zur Konkursmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Verfahrens erfolgen muß. Wie der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts mit Beschluß vom 13. Dezember 1978 (– GS 1/77- BAGE 31, 176) festgestellt hat, sind Abfindungsansprüche aus Sozialplänen unabhängig davon, ob diese vor oder nach Konkurseröffnung vereinbart wurden, lediglich Konkursforderungen iSd. § 61 KO. Es handelt sich auch bei nachkonkurslich begründeten Abfindungsansprüchen nicht um Entgelt für eine Arbeitsleistung, die erst nach Konkurseröffnung erbracht wird. Dies aber wäre Voraussetzung für eine Privilegierung als Masseschuld nach § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO. Das Bundesverfassungsgericht hat diese konkursrechtliche Einordnung durch das Bundesarbeitsgericht für verfassungsrechtlich unbedenklich gehalten. Es hat die Entscheidung des Großen Senats lediglich im Hinblick auf die Bildung einer in § 61 KO nicht vorgesehenen vorrangigen Rangstelle aufgehoben, ohne die Einordnung der Sozialplanabfindungen als Konkursforderungen zu beanstanden (BVerfG 19. Oktober 1983 – 2 BvR 485/80 und 2 BvR 486/80 – BVerfGE 65, 182).

        § 4 SozplKonkG hat diese Einordnung lediglich übernommen und mit der Zuordnung zur Rangstelle des § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO konkretisiert.

    • Die für vorkonkurslich begründete Sozialplanansprüche geltende Haftungsbeschränkung ist auch auf Ansprüche aus nachkonkurslichen Sozialplänen zu erstrecken. Auch insoweit ist eine teleologische Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 613a Abs. 1 BGB geboten.

      Aus konkursrechtlicher Sicht, dh. aus der Sicht der übrigen Konkursgläubiger ist nicht entscheidend, ob die Forderung eines anderen Gläubigers vorkonkurslich oder nachkonkurslich entstanden ist. Maßgeblich ist, ob sie gleichrangig ist oder nicht. Hat der Gesetzgeber bestimmte Konkursforderungen als gleichrangig angesehen, gilt das Prinzip der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung. § 4 SozplKonkG hat auch nachkonkurslichen Sozialplanforderungen den Rang einer bloßen Konkursforderung eingeräumt. Es ist deshalb auch in diesem Fall nicht gerechtfertigt, die abfindungsberechtigten Arbeitnehmer durch Inpflichtnahme des Betriebserwerbers gemäß § 613a Abs. 1 BGB zu Lasten der übrigen gleichrangigen Konkursgläubiger zu bevorzugen. Die Überlegungen, die im Interesse der übrigen Konkursgläubiger zur Einschränkung der Haftung des Betriebserwerbers bei vorkonkurslichen Sozialplanansprüchen geführt haben, treffen für nachkonkursliche Ansprüche in derselben Weise zu. Auch hier würde eine Haftung des Betriebserwerbers zur Kaufpreisminderung und damit zur Schmälerung der für die Verteilung zur Verfügung stehenden Masse führen. Im vorliegenden Fall kommt dies durch den der Beklagten eingeräumten Freistellungsanspruch unmittelbar zum Ausdruck. Die erst nach Betriebsübergang ausscheidenden Arbeitnehmer würden außerdem im Vergleich zu vorher ausgeschiedenen Sozialplangläubigern ohne sachlichen Grund bevorzugt. Diese wären auf das Verteilungsverfahren nach § 61 KO angewiesen, erstere könnten ihre Abfindungsforderungen gegenüber dem Betriebserwerber in vollem Umfange durchsetzen.

      Dabei macht es auch in Ansehung nachkonkurslicher Forderungen keinen Unterschied, ob die Konkursgläubiger im Einzelfall anderweitig gesichert sind und ob – wie nach Behauptung des Klägers die Beklagte – der Betriebsübernehmer mit einem solchen Konkursgläubiger wirtschaftlich eng verbunden ist. Ausreichend für die Haftungsbeschränkung ist schon die Möglichkeit einer Benachteiligung der anderen Konkursgläubiger.

    • Die Beschränkung der Haftung des Betriebserwerbers für vor- und nachkonkursliche Sozialplanansprüche ist nicht nur im Fall der individualrechtlichen Haftung nach § 613a Abs. 1 BGB geboten, sondern auch bei normativer Weitergeltung der bestehenden Betriebsvereinbarungen und einer betriebsverfassungsrechtlichen Haftung des Erwerbers als (neue) Partei des Sozialplans.

      Die konkursrechtlichen Wertungswidersprüche, die mit der teleologischen Reduktion des § 613a BGB vermieden werden sollen, treten in gleicher Weise auf, wenn der Betriebserwerber für vor- und nachkonkursrechtliche Sozialplanforderungen schon unmittelbar betriebsverfassungsrechtlich einzustehen hat. Für die übrigen Konkursgläubiger bedeutet es keinen Unterschied, ob der Betriebsübernehmer auf individualrechtlicher oder kollektivrechtlicher Rechtsgrundlage auf Erfüllung der Sozialplanforderungen in Anspruch genommen werden kann. Bei normativer Fortgeltung des Sozialplans verlangt deshalb der Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung, daß der Betriebserwerber in die betriebsverfassungsrechtliche Stellung als Schuldner des Sozialplans insoweit nicht eintritt, als die Pflicht zur Erfüllung darin begründeter Ansprüche zu Lasten der Konkursmasse gegangen wäre. Nur durch die entsprechende teleologische Reduktion auch der betriebsverfassungsrechtlichen Folgen eines Betriebsinhaberwechsels läßt sich der gebotene Vorrang des Konkursrechts umfassend erreichen. Andernfalls hinge die Verwirklichung des Grundsatzes der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung auch davon ab, ob der Erwerber nur Teile eines Betriebs mit den – beschränkten – Haftungsfolgen des § 613a Abs. 1 BGB oder den gesamten Betrieb mit der Folge der normativen Weitergeltung des Sozialplans übernommen hat.

      Eine Haftung der Beklagten für die Sozialplanforderung des Klägers scheidet aus. Ob sich die Rechtslage insoweit nach der Insolvenzordnung geändert hat, war nicht zu entscheiden.

 

Unterschriften

Wißmann, Schmidt, Kreft, Dr. Blank, Rath

Wißmann für den in Urlaub befindlichen Richter Dr. Blank

 

Fundstellen

Haufe-Index 788720

ZInsO 2002, 1156

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