Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsweg für Streitigkeiten aus der Heranziehung zu gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit - Entschädigung

 

Orientierungssatz

1. Wird ein Sozialhilfeempfänger zu einer Arbeitsleistung unter Weitergewährung der Hilfe zum Lebensunterhalt zuzüglich einer angemessenen Entschädigung für Mehraufwendungen herangezogen, so scheidet die Annahme eines Arbeitsverhältnisses aus.

2. Die rückwirkende Aufhebung des Heranziehungsbescheides führt nicht rückwirkend zu einem bürgerlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis.

3. Bei unrechtmäßiger Heranziehung zu gemeinnützigen und zusätzlichen Arbeiten kann sich ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch ergeben, über den aber nicht die Gerichte für Arbeitssachen zu entscheiden haben, sondern dafür ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.

4. Zu diesem Rechtsproblem siehe auch die Urteile des BAG vom gleichen Tag 5 AZR 759/87 und 5 AZR 661/86.

 

Normenkette

BSHG § 19 Abs. 2-3; ArbGG § 48a Abs. 3 S. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a

 

Verfahrensgang

LAG Schleswig-Holstein (Entscheidung vom 30.09.1987; Aktenzeichen 5 Sa 351/87)

ArbG Lübeck (Entscheidung vom 04.02.1987; Aktenzeichen 4b Ca 2996/86)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht und ob der Kläger daraus Arbeitsentgelt und sonstige Leistungen beanspruchen kann.

Der Kläger bezieht seit November 1984 laufend ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG). Dafür zog der beklagte Senat den Kläger mit Bescheid vom 19. November 1984 zu Tätigkeiten heran, die er als gemeinnützige und zusätzliche Arbeiten ansieht. Dem Kläger wurden im Bereich des Tiefbauamtes Arbeiten zur Energieeinsparung bei der öffentlichen Beleuchtung übertragen. Er hatte Schalttafeln (Verteilungen) umzubauen und stattete Straßenleuchten mit energiesparenden Lichtquellen aus. Dafür erhielt er eine Mehraufwandsentschädigung zusätzlich zur Sozialhilfe von 1,50 DM je Arbeitsstunde; seine Arbeitszeit betrug acht Stunden täglich. In dem Heranziehungsbescheid vom 19. November 1984 hat der beklagte Senat darauf hingewiesen, daß durch die Leistung dieser Arbeiten "kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts und kein Beschäftigungsverhältnis im Sinne der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung" begründet werde.

Der Kläger führte diese Arbeiten aus, jedoch hat er gegen den Heranziehungsbescheid am 11. November 1985 Widerspruch eingelegt, der mit Bescheid vom 31. Januar 1986 zurückgewiesen wurde.

Mit Schreiben vom 8. April 1986 teilte der beklagte Senat dem Kläger mit, daß sein Arbeitseinsatz mit Wirkung vom 12. April 1986 beendet sei, da für ihn keine geeignete Arbeit mehr vorhanden sei.

Danach hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht mit Urteil vom 10. Juli 1986 rechtskräftig festgestellt, daß die Bescheide vom 19. November 1984 und 31. Januar 1986 rechtswidrig sind, weil die Heranziehung zu gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit - wenn sie vorgelegen haben sollte - nicht im Umfang einer Vollzeittätigkeit erfolgen dürfe.

Der Kläger sieht sich dadurch in seiner Rechtsauffassung bestätigt, daß er nicht zusätzliche gemeinnützige Arbeit im Sinne des § 19 BSHG geleistet habe, denn er habe einen Elektriker ohne entsprechende Bezahlung ersetzt und vollschichtig eine hochwertige Arbeitsleistung erbracht. Da der Heranziehungsbescheid von vornherein rechtswidrig gewesen sei, habe zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden; deswegen beanspruche er Arbeitsentgelt auf der Grundlage der Vergütungsgruppe V/VI sowie Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und an Feiertagen im gleichen Umfang wie ein Tarifangestellter.

Der Kläger hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an den

Kläger DM 65.165,70 rückständiges Gehalt seit

dem 20.11.1984 bis 30.11.1985 zu zahlen (darin

enthalten sind 13. Gehalt, 30 % Urlaubsgeld,

vermögenswirksame Leistungen und VBL),

2. 4 % Zinsen auf die Klagsumme seit Klagerhebung

(13. November 1985) zu zahlen.

3. Die Klagsumme seit dem 01.12.1985 um monatlich

DM 4.500,-- zu erhöhen zzgl. DM 26,-- vermögens-

wirksame Leistungen und DM 200,-- VBL.

4. Die Klagsumme seit dem 01.01.1986 um monatlich

DM 4.657,50 zu erhöhen (tarifliche Erhöhung

öffentlicher Dienst 3,5 % ab 01.01.1986), zzgl.

DM 26,-- vermögenswirksame Leistungen und zzgl.

DM 200,-- VBL sowie für 1986 ein 13. Gehalt zu

zahlen und für 1986 ein Urlaubsgeld von 30 % zu

zahlen.

5. Die Klagsumme seit dem 01.01.1987 um monatlich

DM 4.825,17 zu erhöhen (tarifliche Erhöhung

öffentlicher Dienst seit dem 01.01.1987), sowie

zusätzlich DM 26,-- vermögenswirksame Leistungen

und DM 200,-- VBL, für 1987 ein 13. Gehalt zu

zahlen, für 1987 30 % Urlaubsgeld zu zahlen,

fortlaufend bis zur Entscheidung.

Der beklagte Senat hat Klageabweisung beantragt und dazu ausgeführt, der Kläger könne keinen Arbeitsverdienst beanspruchen, denn zwischen den Parteien habe kein Arbeitsverhältnis bestanden. Der Kläger habe nur gemeinnützige und zusätzliche Arbeiten im Rahmen von Energiesparmaßnahmen verrichtet, denn diese seien nicht unabdingbar notwendig gewesen, weil die öffentliche Beleuchtung auch ohne diese Maßnahmen voll funktionsfähig und betriebssicher gewesen sei. Zwischen den Parteien habe eine öffentlich-rechtliche Beziehung bestanden. Dafür seien die Verwaltungsgerichte zuständig.

Das Arbeitsgericht ist dieser Rechtsauffassung gefolgt und hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung dagegen zurückgewiesen und hat den Rechtsstreit auf den Hilfsantrag des Klägers an das Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein verwiesen. Der Kläger verfolgt mit der Revision sein Klagziel weiter.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen zu Recht verneint, denn zwischen den Parteien hat kein Arbeitsverhältnis bestanden.

Das ist noch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen, wenn es um den Rechtsweg zu den Verwaltungs-, Sozial- oder Finanzgerichten geht (BAGE 6, 300, 305 = AP Nr. 12 zu § 2 ArbGG 1953 Zuständigkeitsprüfung, zu III der Gründe; BAGE 45, 228 = AP Nr. 1 zu § 2 ArbGG 1979).

1. Der Kläger meint, daß zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestehe und er Kündigungsschutz beanspruchen könne. Zwar sind die Gerichte für Arbeitssachen nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten aus einem Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern sachlich zuständig. Dafür kommt es aber nicht auf die Rechtsansicht des Klägers an und ebensowenig allein auf seinen Tatsachenvortrag (BAGE 19, 355, 360 = AP Nr. 30 zu § 2 ArbGG 1953 Zuständigkeitsprüfung). Vielmehr haben die zunächst angerufenen Gerichte für Arbeitssachen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu untersuchen, ob wirklich ein Arbeitsverhältnis vorliegt, bevor es zu einem Sachurteil kommt (BAGE 15, 292, 295 = AP Nr. 26 zu § 2 ArbGG 1953 Zuständigkeitsprüfung; BAGE 19, 355, 359, 360 = AP Nr. 30 zu § 2 ArbGG 1953 Zuständigkeitsprüfung). Diese Überprüfung ergibt jedoch, daß die Klage zu Recht als unzulässig angesehen worden ist, weil kein Arbeitsverhältnis bestanden hat.

2. Durch den Heranziehungsbescheid vom 19. November 1984 ist kein Arbeitsverhältnis begründet worden. Nach § 19 Abs. 2 BSHG kann der Träger der Sozialhilfe wählen, ob er den Leistungsempfänger ("Hilfesuchenden") mit zusätzlicher und gemeinnütziger Arbeit gegen Zahlung des üblichen Arbeitsentgelts beschäftigen will oder ob er hierfür nur Hilfe zum Lebensunterhalt zuzüglich einer angemessenen Entschädigung für Mehraufwendungen gewähren will. Der Beklagte hat sich für die letztgenannte Möglichkeit entschieden und im Heranziehungsbescheid ausdrücklich darauf hingewiesen, daß dadurch kein Arbeitsverhältnis begründet wird. Das entspricht der gesetzlichen Regelung (§ 19 Abs. 3 BSHG). Die Heranziehung des Klägers erfolgte hiernach durch Verwaltungsakt und nicht durch einen Arbeitsvertrag (BVerwGE 68, 97, 99; ebenso Senatsurteil vom 14. Januar 1987 - 5 AZR 166/85 - EzA § 611 BGB Faktisches Arbeitsverhältnis Nr. 1 = NVwZ 1988, 966).

3. Die durch den Heranziehungsbescheid begründete öffentlichrechtliche Beziehung ist nicht dadurch zu einem Arbeitsverhältnis geworden, daß der Beklagte den Kläger über den Umfang der gemeinnützigen und zusätzlichen Arbeit (§ 19 Abs. 2 BSHG) hinaus beschäftigt hat.

a) Zwar streiten die Parteien darüber, ob der Beklagte dem Kläger überhaupt gemeinnützige und zusätzliche Arbeiten übertragen hat. Er durfte ihn damit aber nicht im Umfang von täglich acht Stunden beschäftigen (BVerwGE 67, 1, 7; 68, 91, 96). Deswegen hat das Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein in einem Vorprozeß mit Urteil vom 10. Juli 1986 - 10 A 196/85 - festgestellt, daß der Heranziehungsbescheid vom 19. November 1984 und der ablehnende Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 31. Januar 1986 rechtswidrig sind.

b) Der Kläger ist der Auffassung, daß durch die rechtswidrige Heranziehung zu gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit rückwirkend ein Arbeitsverhältnis entstanden sei, ohne daß der Träger der Sozialhilfe sich insoweit auf den fehlenden rechtsgeschäftlichen Bindungswillen oder auf die Regelung des § 19 Abs. 3 Satz 1 BSHG berufen könne. Allerdings wird in der Literatur teilweise ein ähnlicher Standpunkt vertreten (Knopp-Fichtner, BSHG, 5. Aufl., § 19 Rz 9). Danach soll in der Übertragung von Arbeiten, die der normale Geschäftsverkehr mit sich bringe, nach Treu und Glauben die Erklärung der Behörde gesehen werden, ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis begründen zu wollen.

Dafür hatte sich unter bestimmten tatsächlichen Voraussetzungen früher schon das Reichsarbeitsgericht mit Urteil vom 14. Dezember 1938 - RAG 121/38 - mit folgender Begründung ausgesprochen (ARS 35, 180): Zwar komme es grundsätzlich auf den Willen der Beteiligten an, ob ein öffentlich-rechtliches Unterstützungsverhältnis oder ein bürgerlich-rechtliches Arbeitsverhältnis zustandegekommen sei. Zur Erforschung des Willens der Parteien seien aber alle Umstände erschöpfend heranzuziehen. Danach könne der gegen ein Arbeitsverhältnis gerichtete Wille einer Gemeinde nicht berücksichtigt werden, wenn sie sich dazu durch ihr tatsächliches Verhalten in einen offenen Widerspruch setze und das öffentliche Fürsorgeverhältnis willkürlich ausnutze. In diesem Zusammenhang meint das Reichsarbeitsgericht, wenn ein Fürsorgeempfänger - mit Ausnahme der Bezahlung - im übrigen ebenso wie die anderen Arbeitnehmer in den Arbeitsablauf eingegliedert worden sei, so erwerbe er arbeitsvertragliche Ansprüche.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Urteil vom 15. Februar 1961 (- V C 105.60 -) an dieser Rechtsauffassung des Reichsarbeitsgerichts Zweifel erkennen lassen, sich aber dazu nicht abschließend geäußert (BVerwGE 12, 64, 66). Die Rechtsauffassung des Reichsarbeitsgerichts wird in neueren Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte abgelehnt (LAG Frankfurt am Main vom 3. Oktober 1985 - 12 Sa 575/85 -; LAG Hamm vom 8. November 1985 - 16 Sa 1567/85 -). Dagegen hat sich ebenfalls ausdrücklich das Oberverwaltungsgericht für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein im Urteil vom 9. Februar 1988 - 4 OVG A 93/87 - ausgesprochen. Das gleiche Ergebnis vertritt Berger-Delhey, der sich auf der Grundlage des Senatsurteils vom 14. Januar 1987 (- 5 AZR 166/85 - EzA § 611 BGB Faktisches Arbeitsverhältnis Nr. 1) mit dieser Frage auseinandersetzt (NVwZ 1988, 899, 901 sowie Anmerkung zum vorgenannten Senatsurteil in EzA § 611 BGB Faktisches Arbeitsverhältnis Nr. 1).

4. Die Heranziehung des Klägers über den Umfang der gemeinnützigen und zusätzlichen Arbeit hinaus hat nicht zur Entstehung eines Arbeitsverhältnisses geführt. Wenn diese Tätigkeit auch nicht durch den Begriff der gemeinnützigen und zusätzlichen Arbeit sowie durch den deswegen rechtswidrigen Heranziehungsbescheid gedeckt ist, so wird das öffentlich-rechtliche Beschäftigungsverhältnis damit nicht zu einem Arbeitsverhältnis. Dafür fehlt es an tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen. Ebensowenig ist ein faktisches Arbeitsverhältnis entstanden.

a) Ein Arbeitsvertrag kommt nur zustande, wenn die Parteien darauf gerichtete Willenserklärungen abgegeben haben. Daran fehlt es auf seiten des Beklagten, denn er hat schon bei der Verpflichtung des Klägers im Bescheid vom 19. November 1984 darauf hingewiesen, daß er kein Arbeitsverhältnis begründen wolle.

Ebenso hat der Kläger am 20. November 1984 ein Formblatt unterschrieben und anerkannt, daß zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis besteht. Zwar mag er hier unter dem Druck unterzeichnet haben, daß ihm sonst keine Unterstützung gewährt wird, aber das macht seine Erklärung nicht von vornherein unwirksam, sondern allenfalls anfechtbar (§ 123 BGB). Daran fehlt es jedoch. Zumindest hat er nicht fristgerecht (§ 124 BGB) eine Anfechtung erklärt. Er hat erst verspätet in diesem Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 22. Mai 1986 derartige Andeutungen gemacht. Aber selbst wenn er seine Erklärung vom 20. November 1984 erfolgreich angefochten hätte, wäre nur sie unwirksam und nicht die gegen den Abschluß eines Arbeitsvertrages gerichtete Erklärung des Beklagten.

Es ist während der Tätigkeit des Klägers auch nicht durch andere Erklärungen der Parteien zum Abschluß eines Arbeitsvertrages gekommen. Der beklagte Senat hat dem Kläger zwar ein dreiviertel bis ein Jahr nach Beginn der Tätigkeit des Klägers den Abschluß eines befristeten Arbeitsvertrages angeboten und ihn zu einer Einstellungsuntersuchung gebeten. Darauf ist der Kläger aber nicht eingegangen und ist auch nicht zur Einstellungsuntersuchung erschienen. Er hat lediglich seine Bereitschaft zum Abschluß eines unbefristeten Arbeitsvertrages erkennen lassen. Im Urteil des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein vom 9. Februar 1988 (- 4 0VG A 93/87 - findet sich dazu die Feststellung, daß der Kläger in der mündlichen Verhandlung verdeutlicht habe, es gehe ihm nicht darum, daß ihn der Beklagte gemäß § 19 Abs. 2 BSHG weiterbeschäftige (er wolle keine der beiden in § 19 Abs. 2 Halbs. 1 BSHG genannten Alternativen verwirklicht sehen).

b) Danach haben die Parteien weder im Zeitpunkt der Heranziehung noch später einen Arbeitsvertrag abgeschlossen. Die dagegen gerichteten Erklärungen des beklagten Senats können nicht im Wege der Auslegung in ihr Gegenteil umgedeutet werden. Zwar hat das Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein mit Urteil vom 10. Juli 1986 - 10 A 196/85 - festgestellt, daß der Heranziehungsbescheid vom 19. November 1984 und der ablehnende Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 31. Januar 1986 rechtswidrig sind. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß der Kläger aufgrund eines bis dahin rechtsbeständigen Verwaltungsaktes und nicht durch einen Arbeitsvertrag zur Arbeitsleistung herangezogen worden ist. Zwar erfolgte die Heranziehung des Klägers - zumindest dem Umfang nach - zu Unrecht. Das falsche Verwaltungshandeln führt aber nicht schon zu einem faktischen Arbeitsverhältnis, denn ein solches kann nicht durch einen Verwaltungsakt begründet werden. Unter einem faktischen Arbeitsverhältnis versteht man ein Arbeitsverhältnis, bei dem ein Arbeitnehmer ohne wirksamen Arbeitsvertrag Arbeitsleistungen erbringt (von Hoyningen-Huene, AR-Blattei (D) Arbeitsvertrag - Arbeitsverhältnis VI (tatsächliches Arbeitsverhältnis) unter A). Zwar sind von diesem Ausgangspunkt betrachtet verschiedene Fallgestaltungen denkbar, doch ist immer Voraussetzung, daß es sich um ein Arbeitsverhältnis auf nichtiger oder fehlerhafter Vertragsgrundlage handelt. Voraussetzung für die Anwendung der Grundsätze über das faktische Arbeitsverhältnis ist hiernach stets eine Willensübereinstimmung der Beteiligten (mag sie auch nichtig oder fehlerhaft sein), es muß also "dem Tatbestand nach ein Vertragsabschluß gegeben sein" (Senatsurteil vom 14. Januar 1987 - 5 AZR 166/85 - EzA § 611 BGB Faktisches Arbeitsverhältnis Nr. 1, zu I 5 der Gründe = NVwZ 1988, 966, 967; im Anschluß an Fenn in Anm. zum BAG, NJW 1974, 380 - AR-Blattei D (Arbeitnehmer) Entscheidung 13 unter 2 a, m.w.N.). Es fehlt hier ebenfalls an den auch für ein faktisches Arbeitsverhältnis notwendigen übereinstimmenden Willenserklärungen der Parteien, einen Arbeitsvertrag abzuschließen.

c) Einem Arbeitsverhältnis steht auch entgegen, daß der Heranziehungsbescheid vom 11. November 1984 und der ablehnende Widerspruchsbescheid des beklagten Senats vom 31. Januar 1986 weder nichtig noch vor Beendigung der Tätigkeit des Klägers wieder aufgehoben worden sind.

Die Bescheide sind nicht nichtig, wie das Oberverwaltungsgericht für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in einem Vorprozeß zwischen den Parteien mit Urteil vom 9. Februar 1988 - 4 OVG A 97/87 - rechtskräftig entschieden hat. Es hat damit die Rechtsansicht des Klägers zurückgewiesen, die Heranziehung zu Tätigkeiten, die den Rahmen zusätzlicher und gemeinnütziger Arbeit überschreiten, verstoße gegen die guten Sitten und führe nach § 40 Abs. 2 Nr. 5 SGB X zur Nichtigkeit des Bescheides. Ein rechtswidriger Verwaltungsakt verstößt nicht deshalb, weil er rechtswidrig ist, gegen die guten Sitten, wie das Oberverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang zutreffend ausgeführt hat. Dieser Ansicht ist zu folgen, denn sonst wäre jeder rechtswidrige Verwaltungsakt zugleich nichtig. Die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts ist aber eine Ausnahme, wie schon die einschränkende Aufzählung in § 40 Abs. 2 SGB X erkennen läßt.

Die hiernach nicht von vornherein nichtigen Bescheide bleiben bestehen, bis sie zurückgenommen, widerrufen oder wiederaufgehoben worden sind (§ 39 Abs. 2 SGB X). Die vom Kläger angegriffenen Bescheide sind vom Verwaltungsgericht aber nicht aufgehoben worden; ebensowenig hat der beklagte Senat sie zurückgenommen oder widerrufen. Zwar hat der Kläger zunächst dagegen eine Anfechtungsklage erhoben. Das Verwaltungsgericht hat die Klage jedoch nur als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwG0 für zulässig gehalten, denn der Heranziehungsbescheid vom 19. November 1984 hat sich nach Auffassung des Verwaltungsgerichts erledigt, weil der Arbeitseinsatz mit dem 11. April 1986 beendet worden sei.

Mit einer Fortsetzungsfeststellungsklage wird gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwG0 nachträglich festgestellt, daß ein Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger an dieser Feststellung ein berechtigtes Interesse hat und der Verwaltungsakt sich vorher durch Zurücknahme oder in anderer Weise erledigt hat. Eine Aufhebung des ursprünglich angefochtenen Bescheides ist damit nicht verbunden, weil der beklagte Senat ihn im Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht mehr vollzogen hat (§ 113 Abs. 1 Satz 2 VwG0). Nur vorher hätte das Verwaltungsgericht darüber entscheiden können, wie der beklagte Senat die Vollziehung rückgängig zu machen hat (§ 113 Abs. 1 Satz 2 VwG0).

5. Es bedarf nicht eines Arbeitsverhältnisses, um den Kläger für das unrechtmäßige Verwaltungshandeln zu entschädigen. Bei unrechtmäßiger Heranziehung zu gemeinnützigen und zusätzlichen Arbeiten kann sich ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch ergeben, über den aber nicht die Gerichte für Arbeitssachen zu entscheiden haben, sondern dafür ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet (vgl. Senatsurteil vom 14. Januar 1987 - 5 AZR 166/85 - EzA § 611 BGB Faktisches Arbeitsverhältnis Nr. 1).

II. Die Klage auf Zahlung einer Arbeitsvergütung in tariflicher Höhe ist unzulässig, weil kein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Ob Zahlungsansprüche aus öffentlich-rechtlichen Gründen bestehen, kann nicht durch die Gerichte für Arbeitssachen entschieden werden. Auf den in der Vorinstanz zulässigerweise gestellten Hilfsantrag des Klägers ist der Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein verwiesen worden (§ 48 a Abs. 3 Satz 1 ArbGG).

Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Olderog

Dr. Koffka H. Pallas

 

Fundstellen

Haufe-Index 440435

ZfF 1990, 256-258 (KT)

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