Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsauslegung. Anspruch eines Schulleiters auf eine außertarifliche Besitzstandszulage

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Vereinbarung, wonach ein Schulleiter neben seiner Vergütung nach Vergütungsgruppe III BAT-O eine Besitzstandszulage in Höhe des Differenzbetrages zwischen seiner Vergütung kraft Eingruppierung in Vergütungsgruppe III BAT-O und derjenigen nach Vergütungsgruppe Ia BAT-O erhält, kann so ausgelegt werden, dass nur die Vergütung als Besitzstand gesichert werden soll, die dem Arbeitnehmer nach den Regelungen über die Besoldung von beamteten Schulleitern für seine Tätigkeit objektiv höchstens hätte zustehen können. Mit dem Absinken der Schülerzahl kann die Besitzstandszulage entfallen.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157

 

Verfahrensgang

Sächsisches LAG (Urteil vom 09.01.2004; Aktenzeichen 3 Sa 602/03)

ArbG Dresden (Urteil vom 06.05.2003; Aktenzeichen 7 Ca 7698/02)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch über einen Anspruch des Klägers auf eine “außertarifliche, dynamische” Besitzstandszulage ab 1. Oktober 2000.

Der am 26. März 1941 geborene Kläger hat das Staatsexamen für Lehrer der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule im Jahre 1968 abgelegt und verfügt über die Lehrbefähigung für die Fächer Geografie und Mathematik bis zur Klasse 10. Er ist seit langer Zeit als Lehrer im staatlichen Schuldienst beschäftigt. Im Jahre 1992 wurde ihm zunächst kommissarisch die Leitung der Mittelschule in D… übertragen. Für diese Tätigkeit erhielt der Kläger eine außertarifliche Zulage, welche dem Differenzbetrag zwischen seiner Vergütung kraft Eingruppierung in VergGr. III BAT-O und derjenigen nach VergGr. Ia BAT-O entsprach. Mit Beginn des Schuljahres 1993/1994 wurde er vom Beklagten “endgültig” zum Schulleiter der Mittelschule in D… bestellt. Diese Schulleitertätigkeit übt der Kläger, der Mitglied des DBB ist, seither aus.

Im Schuljahr 1998/1999 hatte die vom Kläger geleitete Mittelschule mehr als 360 Schüler. Mit Schreiben vom 4. November 1998, das dem Kläger abschriftlich übermittelt worden ist, teilte das Oberschulamt D… dem Landesamt für Finanzen mit:

“Direkteingruppierung als Schulleiter/stellvertretender Schulleiter einer Mittelschule

Frau/Herr D…, geb. 26.03.1941, Pers.-Nr.:,

ist bisher gemäß Änderungsvertrag vom 14.10.1994 als Lehrkraft in die Vergütungsgruppe III BAT-O eingruppiert und erhält für die Tätigkeit als Schulleiter eine Zulagenzahlung zur Vergütungsgruppe Ia BAT-O.

Die Direkteingruppierung erfolgt nach Maßgabe der Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) über die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte (Ost) (Lehrer-Richtlinien-O der TdL) vom 22.06.1995 und § 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O vom 08.05.1991 i. V. m. § 11 Satz 2 BAT-O sowie dem Sächsischen Besoldungsgesetz unter Einschluß der Vorbemerkung Nr. 6 zu den Sächsischen Besoldungsordnungen entsprechend verbeamteten Lehrkräften.

Darüber hinaus wird eine außertarifliche, dynamische Besitzstandszulage zur bisherigen Vergütungshöhe aufgrund der Eingruppierung als Lehrkraft zuzüglich der Zahlung der Zulage für die Tätigkeit als Schulleiter gewährt.

Die Vergütung einschließlich der Zahlung der außertariflichen, dynamischen Besitzstandszulage erfolgt in Anwendung des Sächsischen Besoldungsgesetzes abhängig von der Schülerzahl. Bei einer vergütungsrelevanten Änderung erhält der Angestellte eine entsprechende schriftliche Information.

Als Schulleiter einer Mittelschule mit mehr als 360 Schülern erfolgt die Eingruppierung ab 01.08.1998 in die Vergütungsgruppe Ib BATO.

Die Besitzstandszulage wird ab 01.08.1998 zur Vergütungsgruppe Ia BAT-O gewährt.”

Ein Schreiben des Oberschulamtes D… an den Kläger vom selben Tage beschäftigt sich zunächst mit den rechtlichen Grundlagen für die Eingruppierung des Klägers. Sodann heißt es in diesem Schreiben:

“…

Darüber hinaus wird Ihnen bei einer unveränderten Schülerzahl zur Eingruppierung in die VGr. IIa BAT-O bzw. Ib BAT-O eine außertarifliche, dynamische Besitzstandszulage zur bisherigen Differenzzulage gezahlt.

Die Besitzstandszulage wird so lange gewährt, bis Sie – wären Sie erstmals zum Schulleiter/stellv. Schulleiter bestellt – in die entsprechende Vergütungsgruppe auf der Grundlage beamtenrechtlicher Grundsätze höhergruppiert worden wären.

Sofern an Ihrer Schule ab dem Zeitpunkt der Ersteingruppierung nach den Sächsischen Besoldungsordnungen A und B eine vergütungsrelevante Verringerung der Schülerzahl eintritt, richtet sich die Besitzstandszulage – aufgrund der tariflichen Verweisungsvorschrift – zukünftig nach dem SächsBesG. Nach erfolgter Ersteingruppierung ist gemäß Nr. 6 der Vorbemerkungen zu den Sächsischen Besoldungsordnungen A und B die Schülerzahl nach der letzten amtlichen Statistik maßgebend.

Sollte an Ihrer Schule zukünftig eine nach dem SächsBesG vergütungsrelevante Verringerung der Anzahl der Schüler eintreten, wird durch das Oberschulamt automatisch eine Korrektur der Besitzstandszulage und bei einer Direkteingruppierung in die VGr. Ib BATO eine Korrektur Ihrer Eingruppierung erfolgen.

Dies ergibt sich aus der Tarifautomatik, wonach der Arbeitnehmer automatisch in die Vergütungsgruppe eingruppiert ist, deren Tätigkeitsmerkmalen die von ihm ausgeübte Tätigkeit entspricht.

…”

In dem Schuljahr 2000/2001 sank die Schülerzahl der Mittelschule in D… auf weniger als 361 Schüler (2000/2001 263 Schüler). Mit Schreiben vom 14. November 2000 informierte der Beklagte den Kläger darüber, wegen des Absinkens der Schülerzahl unter 361 (Schülerzahlschwellenwert) entfalle bei ihm ab 1. Oktober 2000 die persönliche Besitzstandszulage; er erhalte ab diesem Zeitpunkt Vergütung nach der VergGr. Ib BAT zzgl. Amtszulage. Das Bemühen des Klägers um Weitergewährung der Besitzstandszulage durch den Beklagten blieb vergeblich.

Mit seiner Klage hat der Kläger – von einem in der Revisionsinstanz nicht mehr interessierenden Zahlungsantrag abgesehen – die Feststellung erstrebt, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm eine außertarifliche dynamische Besitzstandszulage in Höhe des Differenzbetrages zwischen der VergGr. Ib BAT-O zzgl. Amtszulage und der VergGr. Ia BAT-O ab 1. August 2000 nebst Verzugszinsen zu zahlen. Er hat die Auffassung vertreten, er habe einen vertraglichen Anspruch auf die außertarifliche dynamische Besitzstandszulage. Aus dem Schreiben des Beklagten vom 4. November 1998 ergebe sich dessen Wille, die Vergütung nach VergGr. Ia BAT-O “besitzstandswahrend” zu gewährleisten. Die Ausdrucksweise im letzten Absatz dieses Schreibens: “Wird durch das Oberschulamt automatisch eine Korrektur der Besitzstandszulage und bei einer Direkteingruppierung in die VGr. Ib BAT-O eine Korrektur Ihrer Eingruppierung erfolgen” bedeute, dass die tatsächlich gewährte Zulage jeweils von der Eingruppierung abhängig sein solle, somit eine dynamische Zulage sei. Der dynamische Charakter ergebe sich auch aus dem Erlass des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus (SMK) vom 8. Oktober 1997 und aus dem Festlegungsschreiben des SMK vom 19. Juni 1998. Sein Anspruch auf die Zulage sei jedenfalls dadurch entstanden, dass der Beklagte die Vergütung auch über den 30. Juni 1995 hinaus geleistet habe. Denn nach dem 30. Juni 1995 habe es beim Beklagten kein Regelwerk mehr gegeben, welches die Eingruppierung von Schulleitern mit einer Ausbildung nach dem Recht der DDR ermöglicht hätte.

Der Kläger hat, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, beantragt

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine außertarifliche, dynamische Besitzstandszulage in Höhe des Differenzbetrages zwischen der VergGr. Ib BAT-O zzgl. Amtszulage nach Anlage IX des Bundesbesoldungsgesetzes und der VergGr. Ia BAT-O ab dem 1. August 2000 weiterhin zu zahlen zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz (bis 31. Dezember 2001 nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes und ab 1. Januar 2002 nach § 247 BGB) ab dem 16. des jeweils laufenden Monats, beginnend mit dem 16. Dezember 2000.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat geltend gemacht, ein vertraglicher Anspruch auf die geforderte Zulage bestehe nicht. Dem Schreiben vom 4. November 1998 sei kein Änderungsangebot zu entnehmen. Es sei hieraus nicht erkennbar, dass er eine übertarifliche Vergütung habe zahlen wollen. Vielmehr sei auf die Tarifautomatik hingewiesen worden. Mit der Besitzstandszulage habe dem Kläger seine bisherige Vergütung lediglich solange erhalten bleiben sollen, wie er Leiter einer Schule mit mehr als 360 Schülern sei. Dies entspreche der allgemeinen Regelung gem. dem Erlass des SMK vom 8. Oktober 1997. Er – der Beklagte – habe mit dem Schreiben erkennbar gemacht, dass er lediglich die Vergütung zahlen wolle, die nach den Regelungen für beamtete Schulleiter maximal gemäß Sächsischer Besoldungsordnung A möglich sei. Im Übrigen fehle ein Rechtsbindungswille. Das Schreiben vom 4. November 1998 sei ein reines Informationsschreiben über einen Normenvollzug.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Nach Rücknahme des in erster Instanz verfolgten Zahlungsantrages durch den Kläger im Berufungsrechtszug hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen und die Revision für den Kläger zugelassen. Mit der Revision erstrebt der Kläger – der Sache nach – die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils hinsichtlich des Feststellungsantrages für die Zeit ab 1. Oktober 2000. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Mit Recht und mit im Wesentlichen zutreffender Begründung hat das Landesarbeitsgericht die Klage, soweit sie Gegenstand der Revision ist, abgewiesen.

I. Der Kläger hat keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf die von ihm geforderte außertarifliche, dynamische Besitzstandszulage in Höhe des Differenzbetrages nebst Verzugszinsen zwischen der Vergütung nach VergGr. Ib BAT-O zzgl. Amtszulage und derjenigen der VergGr. Ia ab 1. Oktober 2000.

1. Das Landesarbeitsgericht hat die Klageabweisung damit begründet, der Beklagte, der einer vertraglichen Anspruchsgrundlage nicht grundsätzlich entgegentrete, stehe zutreffend auf dem Standpunkt, vereinbart sei lediglich eine Anknüpfung an die jeweils höchstmögliche Besoldung für vergleichbare Beamte. Dies sei bei einer Schule mit mehr als 360 Schülern die BesGr. A 15, die der VergGr. Ia ohne Amtszulage entspreche, und bei einer Schule mit weniger als 361 Schülern die BesGr. A 14 also VergGr. Ib (mit Amtszulage). Aus allen Erklärungen des Beklagten, insbesondere aus dem Schreiben vom 4. November 1998 an den Kläger, der ursprünglich lediglich in die VergGr. IIa hätte eingruppiert werden können, gehe hervor, dass ihm ein Verdienst nach VergGr. Ia hätte gesichert werden sollen, wenn diese Vergütungsgruppe für ihn überhaupt erreichbar gewesen wäre. Darin liege auch der Sinn der Bezeichnung “Besitzstandszulage”. Ein vertraglicher Bindungswille des Beklagten, die Zulage unabhängig vom Vorliegen der objektiven Voraussetzungen der VergGr. Ia (BesGr. A 15) zu zahlen, komme nirgends zum Ausdruck. So beziehe sich das Schreiben des Oberschulamtes D… vom 4. November 1998 an den Kläger auch ausdrücklich auf eine Abhängigkeit – scil.: seiner Vergütung – von der Zahl der Schüler. Auch aus der vorläufigen Weiterzahlung der Zulage, die auf verschiedenen Gründen beruhen könne, könne ein vertraglicher Anspruch auf deren Weitergewährung bei Wegfall der objektiven Voraussetzungen nicht hergeleitet werden.

2. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts lassen einen Rechtsfehler nicht erkennen.

a) Das Schreiben des Beklagten an den Kläger vom 4. November 1998, auf das der Kläger seinen Anspruch vorrangig stützt, enthält bezüglich seiner Vergütung für den Einzelfall abgegebene nichttypische Erklärungen, wobei hier zugunsten des Klägers unterstellt werden kann, dass es sich um Willenserklärungen handelt. Die Auslegung von nichttypischen Willenserklärungen und Verträgen ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in erster Linie Sache der Tatsachengerichte und revisionsrechtlich nur eingeschränkt darauf überprüfbar, ob sie Verstöße gegen Denkgesetze, allgemeine Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) oder Erfahrungssätze enthält und ob der Tatsachenstoff vollständig verwertet wurde (zB Senat 15. September 2004 – 4 AZR 9/04 – AP BGB § 157 Nr. 29 = EzA BGB 2002 § 779 Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu I 1b bb (1) der Gründe; 23. Januar 2002 – 7 AZR 611/00 – BAGE 100, 204, 206; 15. November 2000 – 5 AZR 296/99 – BAGE 96, 237, 241 f., jeweils mwN). Dem Revisionsgericht steht somit die Prüfung nur dahin offen, ob die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der Willenserklärung oder des Vertrages möglich ist, nicht aber, ob sie tatsächlich richtig ist (BAG 5. Mai 1988 – 2 AZR 795/87 – AP AÜG § 1 Nr. 8, zu III 1c bb der Gründe mwN; Senat 24. November 1999 – 4 AZR 737/98 –, zu I 3.2 der Gründe).

b) Ein revisibler Auslegungsfehler im Sinne der vorstehenden Ausführungen wird vom Kläger weder ausdrücklich noch der Sache nach gerügt. Ein solcher Fehler ist auch nicht zu erkennen. Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts, der Beklagte habe dem Kläger – übertariflich – nur die Vergütung als Besitzstand sichern wollen, die ihm nach den Regelungen über die Besoldung von beamteten Schulleitern für seine Tätigkeit objektiv höchstens hätte zustehen können, ist nach den Gesamtumständen des Falles, insbesondere nach dem Inhalt des Schreibens vom 4. November 1998 an den Kläger nahe liegend. Jedenfalls ist sie möglich. Diesbezüglich behauptet die Revision nicht das Gegenteil. Der Kläger setzt lediglich seine Auslegung an die Stelle derjenigen des Landesarbeitsgerichts. Damit kann die Auslegung nichttypischer Willenserklärungen durch das Berufungsgericht revisionsrechtlich nicht mit Erfolg angegriffen werden. Aus der Zahlung der Besitzstandszulage über den Zeitpunkt der Änderung der Eingruppierungsrechtslage am 30. Juni 1995 hinaus kann ebenfalls nicht geschlossen werden, der Kläger solle diese unabhängig von der Entwicklung der Schülerzahl weiter erhalten. Der Beklagte war – wie er mit Recht geltend macht – zur Weiterzahlung der Besitzstandszulage kraft der vertraglichen Vereinbarung der Parteien so lange verpflichtet, wie die Vergütung nach VergGr. Ia objektiv die höchstmögliche Vergütung des Klägers war. Dies war bei der Schülerzahl der von ihm geleiteten Schule bis zum Ende des Schuljahres 1999/2000 der Fall.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Bepler, Wolter, Bott, Görgens, Redeker

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1471866

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