Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung von Lebensmittelkontrolleur

 

Orientierungssatz

Parallelsache zu BAG Urteil vom 14.8.1985 4 AZR 322/84.

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Entscheidung vom 08.11.1983; Aktenzeichen 8 Sa 74/83)

ArbG Berlin (Entscheidung vom 14.04.1983; Aktenzeichen 19 Ca 70/82)

 

Tatbestand

Der Kläger steht seit 1. Mai 1975 in den Diensten des beklagten Landes. Die Parteien haben die Anwendung des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT) auf das Arbeitsverhältnis einzelvertraglich vereinbart.

Der Kläger war zunächst als Desinfektor und ab 13. Dezember 1977 als Gesundheitsaufseher im Bezirksamt C des beklagten Landes beschäftigt. Die Gesundheitsaufseher nahmen beim beklagten Land damals auch die Aufgaben der Lebensmittelkontrolle wahr. Aufgrund der Lebensmittelkontrolleurverordnung vom 16. Juni 1977 wurde die Lebensmittelkontrolle aus dem Aufgabenbereich der Gesundheitsaufseher herausgenommen und speziellen Lebensmittelkontrolleuren übertragen.

Nach einem zweiwöchigen Lehrgang wird der Kläger seit 19. März 1979 als Lebensmittelkontrolleur eingesetzt und erhielt hierfür zunächst Vergütung nach VergGr. VI b BAT. Seit 19. März 1982 bezieht er Vergütung nach VergGr. V c BAT. Mit Schreiben vom 6. August 1979 hat er vom beklagten Land erfolglos Vergütung nach VergGr. V b BAT begehrt.

Dem Kläger obliegen folgende Aufgaben mit folgenden zeitlichen Anteilen an der Gesamtarbeitszeit:

1. Überwachung von Lebensmittelbetrie-

ben 72 v.H.

2. Amtliche Probenentnahmen 10 v.H.

3. Mithilfe bei Untersuchungen von Le-

bensmittelproben und Bedarfsgegen-

ständen, Vornahme einfacher chemi-

scher und physikalischer Untersu-

chungsverfahren 1 v.H.

4. Besichtigungen von Lebensmittelbe-

trieben bzw. Lebensmittelräumen an-

läßlich von regelmäßig wiederkehren-

den Großveranstaltungen 3 v.H.

5. Überwachung von Tierhaltungen nach

dem Tierschutzgesetz 3 v.H.

6. Mitwirkung bei der Durchführung und

Überwachung von Schutzmaßnahmen bei

Tierseuchen, Tierseuchenverdacht und

Tierausstellungen sowie Tierkörper-

beseitigung 10,7 v.H.

Der Kläger hat vorgetragen, entgegen den von der Mitgliederversammlung der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) beschlossenen Richtlinien für die Eingruppierung der Lebensmittelkontrolleure vom 5. Juli 1977 sei er nicht im Wege der Lückenausfüllung in Anlehnung an Tätigkeitsmerkmale für Gesundheitsaufseher nach VergGr. VI b BAT und nach dreijähriger Tätigkeit nach VergGr. V c BAT einzugruppieren. Vielmehr seien für ihn die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale der jeweils ersten Fallgruppen für den Verwaltungsdienst heranzuziehen. Danach erfülle er das Tätigkeitsmerkmal der VergGr. V b BAT Fallgruppe 1 a, weil seine Tätigkeit gründliche, umfassende Fachkenntnisse und selbständige Leistungen erfordere. Selbst wenn er aber im Wege der Lückenausfüllung wie ein Gesundheitsaufseher einzugruppieren sei, erfülle er das Tätigkeitsmerkmal der VergGr. V c Fallgruppe 14 des Teils II Abschnitt D der Anlage 1 a zum BAT, da er überwiegend schwierige Aufgaben wahrzunehmen habe. Dann sei er nach dreijähriger Bewährung in die VergGr. V b Fallgruppe 13 des Teils II Abschnitt D der Anlage 1 a zum BAT einzugruppieren.

Der Kläger hat demgemäß beantragt

festzustellen, daß das beklagte Land ver-

pflichtet ist, an ihn Vergütung nach

VergGr. V b BAT seit dem 19. März 1979

zu zahlen,

hilfsweise

festzustellen, daß das beklagte Land ver-

pflichtet ist, an ihn Vergütung nach

VergGr. V c BAT seit dem 19. März 1979

und Vergütung nach VergGr. V b BAT seit

dem 19. März 1982 zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat vorgetragen, die Tätigkeit des Lebensmittelkontrolleurs stelle einen speziellen Ausschnitt aus der Tätigkeit des Gesundheitsaufsehers dar. Daher kämen für die Eingruppierung der Lebensmittelkontrolleure im Wege der Lückenausfüllung nur die Tätigkeitsmerkmale für Gesundheitsaufseher in Betracht. Insoweit übe der Kläger aber nicht überwiegend schwierige Aufgaben im Sinne der VergGr. V c BAT Fallgruppe 14 aus.

Das Arbeitsgericht hat dem Hilfsantrag des Klägers stattgegeben und die Klage im übrigen abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat nur das beklagte Land Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Landes zurückgewiesen.

Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben der in der Revisionsinstanz noch anhängigen Klage im Ergebnis mit Recht stattgegeben. Das beklagte Land ist verpflichtet, an den Kläger ab 19. März 1979 Vergütung nach VergGr. V c BAT und ab 19. März 1982 Vergütung nach VergGr. V b BAT zu zahlen. Denn der Kläger erfüllt seit 19. März 1979 die Anforderungen der VergGr. V c Fallgruppe 1 a des Teils I der Anlage 1 a zum BAT und seit 19. März 1982 die Anforderungen der VergGr. V b Fallgruppe 1 c des Teils I der Anlage 1 a zum BAT. Seine Tätigkeit erfordert gründliche und vielseitige Fachkenntnisse sowie selbständige Leistungen. In dieser Tätigkeit hat er sich seit 19. März 1979 bewährt.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der BAT als Vertragsrecht Anwendung. Danach kommt es für die Eingruppierung des Klägers darauf an, ob bei ihm zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die jeweils für sich die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals der von ihm in Anspruch genommenen Vergütungsgruppe erfüllen (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 1 und Unterabs. 2 Satz 1 BAT). Hierbei ist als Arbeitsvorgang eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen (BAG 42, 29, 34 = AP Nr. 70 zu §§ 22, 23 BAT 1975 mit weiteren Nachweisen). Davon geht auch das Landesarbeitsgericht zutreffend aus.

Das Landesarbeitsgericht nimmt vorliegend für die gesamte Kontrolltätigkeit des Klägers einschließlich der Entnahme von Proben, die nach seinen Feststellungen 82 v.H. der Arbeitszeit des Klägers in Anspruch nehmen (Ziff. 1 und 2 der Tätigkeitsdarstellung), einen einheitlichen Arbeitsvorgang an. Es bezeichnet hierbei als Arbeitsergebnis der Tätigkeit des Klägers die "Kontrolle des Verkehrs von Lebensmitteln tierischer und nichttierischer Herkunft, von Tabakerzeugnissen, kosmetischen Mitteln und sonstigen Bedarfsgegenständen, ihres Transports, ihrer Herstellung und Lagerung sowie Kennzeichnung". Es stellt hierzu fest, daß die Anforderungen an die Herstellung und Lagerung von Lebensmitteln und somit an die hierauf gerichtete Kontrolltätigkeit des Klägers gleich seien, der Kläger für einen bestimmten räumlichen Bezirk allein und für alle anfallenden Aufgaben der Lebensmittelkontrolleure zuständig sei, hierbei das gesamte Fachwissen für seinen Arbeitsbereich tatsächlich bei allen Kontrollen ständig parat halten müsse und die Beratung von Lebensmittelpersonal und Gewerbetreibenden sowie die Überprüfung der amtsärztlichen Untersuchungsbescheinigungen des Lebensmittelpersonals als Zusammenhangstätigkeiten der Kontrolltätigkeit unterzuordnen seien. Damit bringt das Landesarbeitsgericht zum Ausdruck, daß alle Einzelaufgaben des Klägers der Kontrolltätigkeit dienen und daß bei der gesamten Kontrolltätigkeit gleich hohe Anforderungen gestellt werden, so daß eine einheitliche tarifliche Bewertung möglich ist und eine unterschiedliche Bewertung der Kontrolltätigkeiten nicht in Betracht kommt.

Wenn demgegenüber die Revision meint, das Landesarbeitsgericht habe unzulässigerweise Arbeitsaufgaben mit unterschiedlicher tariflicher Bewertung zu einem Arbeitsvorgang zusammengefaßt, greift es damit die tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zu den gleichen Anforderungen der Tätigkeit des Klägers und zum ständig erforderlichen Vorhaltewissen an. Diese Feststellungen hätten aber mit Verfahrensrügen angegriffen werden müssen. Soweit das Landesarbeitsgericht Zusammenhangstätigkeiten angenommen hat, liegt dies im Rahmen seines Beurteilungsspielraums unter Zugrundelegung des zutreffenden Rechtsbegriffs der Zusammenhangstätigkeiten.

Die Revision wendet weiter ein, das Landesarbeitsgericht habe den Arbeitsvorgang des Klägers deshalb unzutreffend bestimmt, weil es ihn mit "Lebensmittelkontrolle" umschrieben habe, die aber nicht die Aufgabe des Klägers speziell sei, sondern die Aufgabe des Verwaltungszweigs, dem der Kläger angehöre. Diese Auffassung der Revision trifft nicht zu. Die Lebensmittelkontrolle wird vielmehr vom Kläger allein ausgeführt. Unter Lebensmittelkontrolle ist hierbei die Kontrolle vor Ort zu verstehen. Damit haben die Untersuchungsämter nichts zu tun, die nur die vom Kläger gelieferten Stoffe (Proben) chemisch und physikalisch untersuchen; ebensowenig ist das Eingreifen von Vorgesetzten, z. B. durch Ordnungsverfügungen gegen Gewerbebetriebe, eine Lebensmittelkontrolle im eigentlichen Sinne.

Im übrigen kommt es auf den Zuschnitt der Arbeitsvorgänge des Klägers nicht an, da für die vorliegend zu prüfenden und zu bejahenden gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse ohnehin nach § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 BAT eine Gesamtbetrachtung der Tätigkeit des Klägers vorzunehmen ist und das Landesarbeitsgericht ersichtlich weiterhin für die gesamte Kontrolltätigkeit des Klägers, die 82 v.H. seiner Arbeitszeit in Anspruch nimmt, selbständige Leistungen rechtsfehlerfrei bejaht. Damit fallen bei jedem denkbaren Zuschnitt der Arbeitsvorgänge des Klägers zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge an, die die Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals der VergGr. V c BAT Fallgruppe 1 a und ab 19. März 1982 der VergGr. V b BAT Fallgruppe 1 c erfüllen.

Für die Eingruppierung des Klägers sind die Tätigkeitsmerkmale der allgemeinen Fallgruppen für den Verwaltungsdienst maßgebend, da es spezielle tarifliche Tätigkeitsmerkmale für Lebensmittelkontrolleure nicht gibt. Die tariflichen Tätigkeitsmerkmale für Gesundheitsaufseher sind entgegen der Auffassung der Vorinstanzen und des beklagten Landes auf Lebensmittelkontrolleure nicht anwendbar. Gesundheitsaufseher haben aufgrund ihrer Ausbildung insbesondere im Bereiche der folgenden Dienstaufgaben der Gesundheitsämter mitzuwirken: Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten einschließlich der Geschlechtskrankheiten; Ortshygiene einschließlich der Schädlingsbekämpfung; Lebensmittelhygiene; Leichenschau und Leichenöffnungen (vgl. BAG Urteil vom 19. Oktober 1983 - 4 AZR 340/81 -, AP Nr. 80 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Der Kläger als Lebensmittelkontrolleur ist kein Gesundheitsaufseher in diesem Sinne. Damit können die Tätigkeitsmerkmale für Gesundheitsaufseher auf ihn nicht unmittelbar angewendet werden, mag auch der Beruf des Lebensmittelkontrolleurs aus dem Beruf des Gesundheitsaufsehers hervorgegangen sein. Unerheblich ist insoweit auch, ob Lebensmittelkontrolleure ebenso wie Gesundheitsaufseher organisatorisch dem Gesundheitsamt zugeordnet sind, wie dies z. B. im Lande Berlin zutrifft, oder dem Ordnungsamt oder einer anderen Behörde.

Trotz sachlicher Berührungspunkte mit den Aufgaben eines Gesundheitsaufsehers können für die Eingruppierung der Lebensmittelkontrolleure auch nicht im Wege einer tariflichen Lückenausfüllung die Tätigkeitsmerkmale für Gesundheitsaufseher in entsprechender Anwendung herangezogen werden. Eine Tariflücke im Bereiche der Vergütungsordnung des BAT kann nach ständiger Senatsrechtsprechung nur dann angenommen werden, wenn beim Fehlen spezieller Tätigkeitsmerkmale für die zu bewertende Tätigkeit auch eine Eingruppierung nach den allgemeinen tariflichen Tätigkeitsmerkmalen für den Verwaltungsdienst nicht möglich ist. Die allgemeinen tariflichen Tätigkeitsmerkmale für den Verwaltungsdienst haben nach dem Willen der Tarifvertragsparteien eine Auffangfunktion und können daher auch für solche Aufgaben herangezogen werden, die nicht zu den eigentlichen behördlichen bzw. herkömmlichen Verwaltungsaufgaben im engeren Sinne zählen (vgl. zuletzt BAG Urteil vom 21. März 1984 - 4 AZR 76/82 -, AP Nr. 89 zu §§ 22, 23 BAT 1975, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen, mit weiteren Nachweisen). Demgemäß hat der Senat die allgemeinen tariflichen Tätigkeitsmerkmale für den Verwaltungsdienst angewendet auf Angestellte mit Aufgaben des Verfassungsschutzes (BAG Urteil vom 28. Oktober 1981 - 4 AZR 244/79 -, AP Nr. 54 zu §§ 22, 23 BAT 1975), den Leiter einer Musikschule mit verschiedenartigen Unterrichtsaufgaben (BAG Urteil vom 9. September 1981 - 4 AZR 59/79 -, AP Nr. 48 zu §§ 22, 23 BAT 1975), Güteprüfer der Verteidigungsverwaltung im nichttechnischen Bereich (BAG Urteile vom 28. Mai 1980 - 4 AZR 461/78 -, AP Nr. 33 zu §§ 22, 23 BAT 1975, und vom 3. Juni 1981 - 4 AZR 1118/78 -, AP Nr. 45 zu §§ 22, 23 BAT 1975), Materialkontrollmeister der Bundeswehrverwaltung (BAG Urteil vom 29. September 1982 - 4 AZR 1172/79 -, BAG 40, 183 = AP Nr. 67 zu §§ 22, 23 BAT 1975), Grafiker mit medizinischen und veterinärmedizinischen Aufgabenstellungen (BAG Urteile vom 26. September 1979 - 4 AZR 1008/77 -, AP Nr. 26 zu §§ 22, 23 BAT 1975, und vom 4. Oktober 1981 - 4 AZR 225/79 -, AP Nr. 49 zu §§ 22, 23 BAT 1975), Dokumentare mit nichttechnischen Dokumentationsaufgaben (BAG Urteile vom 9. Februar 1972 - 4 AZR 153/71 -, AP Nr. 49 zu §§ 22, 23 BAT, und vom 19. März 1975 - 4 AZR 265/74 -, AP Nr. 85 zu §§ 22, 23 BAT), Angestellte, die bei einem Naturschutzzentrum Ausstellungsmaterial herstellen und bei der Vorbereitung und Durchführung entsprechender Ausstellungen mitwirken (BAG Urteil vom 21. März 1984 - 4 AZR 76/82 -, AP Nr. 89 zu §§ 22, 23 BAT 1975, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen) sowie auf Angestellte mit Ausbildungsaufgaben im Bereiche der Justizverwaltungen und bei Katastrophenschutzschulen (BAG 25, 268, 273 = AP Nr. 72 zu §§ 22, 23 BAT; BAG Urteile vom 26. Januar 1972 - 4 AZR 104/71 -, AP Nr. 48 zu §§ 22, 23 BAT, und vom 31. März 1982 - 4 AZR 1099/79 -, AP Nr. 64 zu §§ 22, 23 BAT 1975), ferner auf Betreuer ausländischer Studenten an einer Universität (BAG Urteil vom 23. Mai 1979 - 4 AZR 576/77 -, AP Nr. 24 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Bei allen diesen Aufgaben besteht trotz ihrer Spezialität ein unmittelbarer Bezug zu den eigentlichen Aufgaben der betreffenden Dienststellen, Behörden und Institutionen. Nur wenn es hieran fehlt, wie z. B. bei Küchenmeistern in Truppenküchen der Bundeswehr (vgl. BAG 32, 364 = AP Nr. 31 zu §§ 22, 23 BAT 1975) oder bei Angestellten, die in Schulen vor, während und nach dem Unterricht körperbehinderte Kinder betreuen (vgl. BAG Urteil vom 18. Mai 1983 - 4 AZR 539/80 -, AP Nr. 74 zu §§ 22, 23 BAT 1975), hat der Senat eine Tariflücke angenommen.

Bei der Tätigkeit eines Lebensmittelkontrolleurs handelt es sich um eine polizeiliche (ordnungsbehördliche) Aufgabe. Dies wird besonders deutlich dadurch, daß aufgrund der Untersuchungen und Kontrollen des Klägers ordnungsbehördliche Maßnahmen gegen die betreffenden Gewerbebetriebe entweder vom Kläger selbst oder - in schwerwiegenderen Fällen - von seiner Behörde ergriffen werden können. Damit ist der Bezug zu dem eigentlichen Aufgabengebiet der Dienststelle des Klägers hergestellt. Insoweit läßt sich die Tätigkeit des Klägers durchaus mit der Tätigkeit einer Politesse vergleichen, die ebenfalls im Außendienst polizeiliche Kontrolltätigkeiten ausführt und auf die der Senat die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale für den Verwaltungsdienst angewendet hat (BAG Urteil vom 24. August 1983 - 4 AZR 32/81 -, AP Nr. 78 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

Die Aufgaben des Klägers haben zwar Berührungspunkte zur ärztlichen Tätigkeit, wenn er Messungen vorzunehmen und Proben zu untersuchen hat. Insoweit obliegen dem Kläger aber nur ganz einfache Prüfungen, während die eigentlichen Untersuchungen von den Fachleuten (Untersuchungsämtern) durchgeführt werden, so daß die Tätigkeit des Klägers nicht als medizinische Tätigkeit angesehen werden kann. Ebensowenig haben die vom Kläger vorzunehmenden einfachen physikalischen und chemischen Messungen trotz ihres technischen Bezugs technischen Charakter, so daß auch eine Anwendung der Tätigkeitsmerkmale für technische Angestellte auf den Kläger ausscheidet. Für den Kläger steht vielmehr die ordnungsbehördliche Überprüfung aufgrund bestimmter Vorschriften zur Lagerung und zum Inverkehrbringen von Lebensmitteln im Vordergrund seiner Tätigkeit. Diese polizeiliche Aufgabe wird von den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen für den Verwaltungsdienst erfaßt.

Der Senat verkennt nicht, daß es zweckmäßig wäre, wenn für Lebensmittelkontrolleure - ebenso wie für Gesundheitsaufseher - spezielle Tätigkeitsmerkmale beständen. Solche Tätigkeitsmerkmale zu schaffen ist aber allein Aufgabe der Tarifvertragsparteien. Solange diese keine speziellen tariflichen Tätigkeitsmerkmale für Lebensmittelkontrolleure normieren, sind die Lebensmittelkontrolleure nach den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen für den Verwaltungsdienst einzugruppieren. Die von der Mitgliederversammlung der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) am 5. Juli 1977 beschlossenen Richtlinien für die Eingruppierung der Lebensmittelkontrolleure haben als einseitige Willenserklärung einer Tarifvertragspartei keine tarifrechtliche Wirkung.

Demgemäß sind für die Eingruppierung des Klägers folgende allgemeinen Tätigkeitsmerkmale des Teils I der Anlage 1 a zum BAT heranzuziehen:

VergGr. V b Fallgruppe 1 c BAT:

-------------------------------

Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen

Innendienst und im Außendienst, deren Tätig-

keit gründliche und vielseitige Fachkenntnis-

se und selbständige Leistungen erfordert,

nach dreijähriger Bewährung in VergGr. V c

Fallgruppe 1 a.

(Die gründlichen und vielseitigen Fachkennt-

nisse brauchen sich nicht auf das gesamte Ge-

biet der Verwaltung (des Betriebes), bei der

der Angestellte beschäftigt ist, zu beziehen.

Der Aufgabenkreis des Angestellten muß aber

so gestaltet sein, daß er nur beim Vorhanden-

sein gründlicher und vielseitiger Fachkennt-

nisse ordnungsgemäß bearbeitet werden kann.

Selbständige Leistungen erfordern ein den

vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechen-

des selbständiges Erarbeiten eines Ergebnis-

ses unter Entwicklung einer eigenen geisti-

gen Initiative; eine leichte geistige Arbeit

kann diese Anforderungen nicht erfüllen.)

VergGr. V c Fallgruppe 1 a BAT:

-------------------------------

Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen

Innendienst und im Außendienst, deren Tätig-

keit gründliche und vielseitige Fachkenntnis-

se und selbständige Leistungen erfordert.

(Die gründlichen und vielseitigen Fachkennt-

nisse brauchen sich nicht auf das gesamte Ge-

biet der Verwaltung (des Betriebes), bei der

der Angestellte beschäftigt ist, zu beziehen.

Der Aufgabenkreis des Angestellten muß aber

so gestaltet sein, daß er nur beim Vorhanden-

sein gründlicher und vielseitiger Fachkennt-

nisse ordnungsgemäß bearbeitet werden kann.

Selbständige Leistungen erfordern ein den

vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechen-

des selbständiges Erarbeiten eines Ergebnis-

ses unter Entwicklung einer eigenen geisti-

gen Initiative; eine leichte geistige Arbeit

kann diese Anforderungen nicht erfüllen.)

Der Kläger erfüllt seit Beginn des Klagezeitraums (19. März 1979) die Anforderungen der VergGr. V c BAT Fallgruppe 1 a und ab 19. März 1982 die Anforderungen der VergGr. V b BAT Fallgruppe 1 c. Er ist seit 19. März 1979 als Lebensmittelkontrolleur im Außendienst und Bürodienst beschäftigt. Darüber hinaus setzt das Tätigkeitsmerkmal der VergGr. V c BAT Fallgruppe 1 a voraus, daß die Tätigkeit des Angestellten gründliche und vielseitige Fachkenntnisse sowie selbständige Leistungen erfordert. Diese tariflichen Anforderungen werden vom Landesarbeitsgericht nicht ausdrücklich geprüft, da das Landesarbeitsgericht - von seinem Standpunkt aus zu Recht - nur untersucht, ob der Kläger schwierige Aufgaben wie ein Gesundheitsaufseher im Sinne der VergGr. VI b Fallgruppe 17 und VergGr. V c Fallgruppe 14 des Teils II Abschnitt D der Anlage 1 a zum BAT erfüllt. Aus den subsumierenden Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ergibt sich jedoch, daß für die Tätigkeit des Klägers gründliche und vielseitige Fachkenntnisse sowie überwiegend selbständige Leistungen zwingend zu bejahen sind. Das Landesarbeitsgericht begründet nämlich die Schwierigkeit der Aufgaben des Klägers mit solchen gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen und selbständigen Leistungen, wenn man diese tariflichen Rechtsbegriffe zugrunde legt.

Unter gründlichen Fachkenntnissen sind Fachkenntnisse von nicht ganz unerheblichem Ausmaß und nicht nur oberflächlicher Art zu verstehen (BAG Urteil vom 24. August 1983 - 4 AZR 32/81 -, AP Nr. 78 zu §§ 22, 23 BAT 1975 mit weiteren Nachweisen). Demgegenüber fordert das Tarifmerkmal der "gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse" eine Erweiterung der Fachkenntnisse dem Umfange, d. h. der Quantität nach, wobei alle von dem Angestellten benötigten Fachkenntnisse zu berücksichtigen sind (BAG Urteil vom 28. April 1982 - 4 AZR 707/79 -, AP Nr. 62 zu §§ 22, 23 BAT 1975 mit weiteren Nachweisen). Hierzu führt das Landesarbeitsgericht aus, der Kläger habe bei seiner Kontrolltätigkeit so häufig und ständig wechselnd unterschiedliche Betriebe und Produkte zu überprüfen, daß er das gesamte Fachwissen für seinen Arbeitsbereich tatsächlich ständig parat haben müsse. Der Umfang der Fachkenntnisse ergebe sich dabei aus der auszugsweisen Aufzählung der wichtigsten einschlägigen Bestimmungen in der Beschreibung seines Aufgabenkreises, in der 63 verschiedene Gesetze, Verordnungen und Richtlinien aufgeführt sind. Auch wenn der Kläger nicht alle Bestimmungen in vollem Umfange, sondern nur jeweils einige Vorschriften aus diesen Bestimmungen für seine Arbeit benötige, ergebe sich in Verbindung mit der Vielzahl der Betriebe und der zu überwachenden Produkte doch zweifelsfrei das Moment der Vielfalt. Zusammenfassend stellt das Landesarbeitsgericht fest, daß die gesamte Kontrolltätigkeit des Klägers einheitlich zu bewerten sei, weil andernfalls die Breite des vom Kläger bereitzuhaltenden und insgesamt einzusetzenden Fachwissens qualitativ tarifmäßig nicht erfaßt werden könnte. Damit begründet das Landesarbeitsgericht die Schwierigkeit der Aufgaben des Klägers. Zugleich ergeben aber seine Ausführungen zur Vielfalt der von dem Kläger einzusetzenden Fachkenntnisse, daß mit dieser Begründung das Tarifmerkmal der "gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse" bejaht werden muß.

Selbständige Leistungen im tariflichen Sinne erfordern ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer geistigen Initiative, wobei eine leichte geistige Tätigkeit diese Anforderungen nicht erfüllen kann (Klammerzusatz zur VergGr. V c BAT Fallgruppe 1 a). Hinsichtlich der selbständigen Leistungen des Klägers führt das Landesarbeitsgericht aus, seine Tätigkeit erstrecke sich auch auf die Bewertung des Sachverhalts, das Ziehen notwendiger Folgerungen und das Entwerfen der damit zusammenhängenden Berichte und sonstigen Schreiben. Das ergebe sich bereits aus den vom Kläger unterzeichneten Schreiben an bestimmte Personen - z. B. Gaststätteninhaber -, in denen bestimmte Beanstandungen aufgrund einer Besichtigung festgehalten und Auflagen dem Betriebsinhaber erteilt sowie Verfahren aufgrund des Ordnungswidrigkeitengesetzes eingeleitet würden. Von Ausnahmen abgesehen führe der Kläger die Betriebsbesichtigung alleine durch. Insofern habe er jeweils sein Fachwissen einzusetzen bzw. vorzuhalten, ohne im Regelfall auf Anweisungen eines Veterinärs warten zu können. Bei der Kontrolltätigkeit des Klägers handele es sich zusammenfassend unter Beachtung der Vielfalt der vorzunehmenden Überprüfungen im Hinblick auf unterschiedliche Branchen, Produkte und anzuwendende Bestimmungen um eine schwierige Tätigkeit, die weitaus mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit des Klägers ausmache. Aus dieser Begründung folgt, daß die Tätigkeit des Klägers ein selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer geistigen Initiative erfordert, wobei es sich nicht um eine leichte geistige Tätigkeit handelt. Wenn nämlich das Landesarbeitsgericht für die Tätigkeit des Klägers die Bewertung des Sachverhalts, das Ziehen notwendiger Folgerungen, das Entwerfen der damit zusammenhängenden Berichte und Schreiben bejaht und auf die alleinige Durchführung der Betriebsbesichtigungen durch den Kläger hinweist, liegt darin notwendig ein selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative. Diese Tätigkeit bewertet das Landesarbeitsgericht als schwierig, womit zugleich eine leichte geistige Arbeit im Sinne des Klammerzusatzes zur VergGr. V c BAT Fallgruppe 1 a zu verneinen ist. Die selbständigen Leistungen nehmen nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit des Klägers in Anspruch, so daß unabhängig vom Zuschnitt der Arbeitsvorgänge des Klägers selbständige Leistungen im Sinne der VergGr. V c BAT Fallgruppe 1 a zu bejahen sind.

Für die Zeit ab 19. März 1982 steht dem Kläger Vergütung nach VergGr. V b BAT zu, da er seit dieser Zeit die Anforderungen der VergGr. V b BAT Fallgruppe 1 c erfüllt. Dieses Tätigkeitsmerkmal verlangt über die Anforderungen der VergGr. V c BAT Fallgruppe 1 a hinaus nur noch eine dreijährige Bewährung in VergGr. V c BAT Fallgruppe 1 a. Diese Bewährung ist unstreitig. Die Bewährungszeit beginnt mit dem 19. März 1979, so daß der Kläger für die Zeit nach Ablauf der dreijährigen Bewährungsfrist ab 19. März 1982 Vergütung nach VergGr. V b BAT beanspruchen kann.

Das beklagte Land hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

Dr. Neumann Dr. Feller hat Urlaub Dr. Etzel

Dr. Neumann

Hauk Engert

 

Fundstellen

Dokument-Index HI439007

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