Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung wissenschaftlicher Hilfskraft

 

Orientierungssatz

1. Wissenschaftliche Hilfskraft als Verwalter der Stelle eines wissenschaftlichen Assistenten.

2. Nach wirksamer Kündigung der Vergütungsordnung des BAT zum 31.12.1983 konnten im Zeitraum der Nachwirkung nach § 4 Abs 5 TVG bei allen neu begründeten Arbeitsverhältnissen abweichende und andere, auch ungünstigere Abmachungen getroffen werden.

3. Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 14. Juni 1989 - 4 AZR 139/89 - im einzelnen ausgeführt hat, ist in Übereinstimmung mit dem Urteil des Dritten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 25. Januar 1979 - 3 AZR 363/77 = AP Nr 9 zu § 242 BGB Ruhegehalt-VBL - davon auszugehen, daß diejenigen wissenschaftlichen Mitarbeiter aus dem Geltungsbereich des BAT ausgenommen sind, bei denen Stellung, Aufgaben und Zielsetzung der Beschäftigung materiell dem entsprechen, was früher für die Verwalter von Stellen wissenschaftlicher Assistenten gegolten hat.

 

Normenkette

BAT § 74; BAT Anlage 1a; BAT § 3 Buchst. g, § 22 Fassung: 1975-03-17

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 19.09.1989; Aktenzeichen 14 Sa 47/89)

ArbG Mannheim (Entscheidung vom 02.12.1988; Aktenzeichen 10 Ca 6/88 H)

 

Tatbestand

Die am 12. Juli 1958 geborene Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 1. Oktober 1985 gemäß schriftlichem Arbeitsvertrag vom 13. Mai 1986 als wissenschaftliche Hilfskraft, zunächst befristet bis zum 30. September 1988, beschäftigt gewesen. Sie hatte sich nach Abschluß ihrer Hochschulausbildung als Diplom-Chemikerin bei der Beklagten am Institut für Nuklearmedizin beworben, um dort eine Doktorarbeit anzufertigen. Da die Klägerin ihre Forschungsarbeiten und damit ihre Dissertation bis zum 30. September 1988 nicht abschließen konnte, wurde das Vertragsverhältnis bis zum 31. Dezember 1988 verlängert. In dem zwischen den Parteien nach einem Musterarbeitsvertrag als Dienstvertrag für eine wissenschaftliche Hilfskraft mit abgeschlossener Hochschulausbildung bezeichneten Vertrag ist bestimmt, daß auf das Vertragsverhältnis gemäß § 3 Buchst. g und q des Bundes-Angestelltentarifvertrages vom 23. Februar 1961 das Tarifrecht für Angestellte des Landes keine Anwendung finde, soweit nichts anderes vereinbart ist. Für die auf 86 Stunden monatlich vertraglich festgelegte Arbeitszeit sollte die Klägerin eine Vergütung erhalten, die sich pro Arbeitsstunde auf 1/92 von 50 v. H. des Grundgehaltes der 1. Dienstaltersstufe der BesGr. A 13 und des Ortszuschlages nach Tarifklasse I b, Stufe 1, gerundet auf volle DM belaufen sollte. Die monatliche Vergütung der Klägerin betrug damit 1.686,-- DM brutto.

Die Klägerin führte die zur Erfüllung des übertragenen Forschungsthemas, das Gegenstand der Doktorarbeit war, notwendigen Forschungsarbeiten von der Planung bis zur Auswertung selbständig und eigenverantwortlich durch. Mit anderen Forschungsaufgaben war sie nicht befaßt. Mit Kenntnis der beklagten Stiftung betrug die tatsächliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit mindestens 40 Stunden.

Mit Schreiben vom 15. Oktober 1986 verlangte die Klägerin, wie auch andere Doktoranden, die Anwendung des BAT und Eingruppierung nach VergGr. II a BAT. Mit ihrer Klage vom 5. Januar 1988 verlangt die Klägerin Vergütung später nach VergGr. III BAT ab 1. Mai 1986, da ein in § 3 BAT geregelter Ausnahmetatbestand nicht vorliege. Sie sei als vollwertige wissenschaftliche Angestellte und nicht als wissenschaftliche Hilfskraft tätig und könne auch nicht als Verwalterin einer Stelle eines wissenschaftlichen Assistenten bezeichnet werden, da die beklagte Stiftung über entsprechende Stellen nicht verfüge. Da von ihr und den übrigen Doktoranden ein über 40 Stunden in der Woche hinausgehender Einsatz erwartet werde, sei die Ausnahmevorschrift des § 3 Buchst. q BAT nicht anzuwenden. Sie übe exakt die gleichen Tätigkeiten wie alle anderen bei der beklagten Stiftung beschäftigten Wissenschaftler aus, auf die der BAT und die ihn ergänzenden Tarifverträge angewandt würden.

Die Klägerin hat demgemäß beantragt:

1. Es wird festgestellt, daß auf das zwischen den

Parteien bestehende Angestelltenverhältnis der

Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) mit allen

seinen ergänzenden Tarifverträgen anzuwenden ist.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin

als Vollzeitangestellte ab dem 1. Mai 1986 nach

BAT III zu vergüten.

Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten und geltend gemacht, daß die Klägerin einem Praktikanten vergleichbar sei. Sie werde befristet beschäftigt, um eine weitere wissenschaftliche Qualifikation zu erlangen und habe einen Freiraum für eigene Forschungstätigkeiten gehabt. Die Klägerin habe mit ihrer Dissertation möglichst schnell fertig werden wollen und deshalb im eigenen Interesse im Hinblick auf ihr berufliches Fortkommen mehr als das geschuldete Maß an Arbeit aufgewandt. Wenn dies auch mit dem Wissen der beklagten Stiftung geschehen sei, sei dies jedoch nicht von der Klägerin gefordert worden. Als Doktorandin sei die Klägerin auch nicht mit anderen wissenschaftlichen Mitarbeitern vergleichbar, deren Arbeitsverhältnis sich nach dem BAT richte. Solche Angestellte könnten zu den unterschiedlichsten Arbeiten herangezogen werden, während der Zweck des Beschäftigungsverhältnisses eines Doktoranden ausschließlich in der Anfertigung der Dissertation bestehe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin beantragt festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin als Vollzeitangestellte vom 1. Mai 1986 bis 31. Dezember 1988 nach BAT III zu vergüten. Die Berufung wurde zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren in der Berufungsinstanz gestellten Antrag weiter. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision war zurückzuweisen. Zutreffend nehmen die Vorinstanzen an, daß der Klägerin eine Vergütung nach VergGr. III BAT nicht zusteht.

Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht zunächst davon aus, daß auf das Rechtsverhältnis der Parteien der BAT nicht kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit Anwendung findet, da die Beklagte nicht tarifgebunden ist. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts besteht jedoch Einigkeit darüber, daß auf das Vertragsverhältnis der Parteien der BAT Anwendung finden würde, wenn die sonstigen Voraussetzungen für den BAT vorlägen. Daraus ist zu entnehmen, daß sich die Beklagte arbeitsvertragsrechtlich wie eine tarifgebundene Partei behandeln lassen will. Sie würde danach mit der Klägerin eine Vereinbarung entsprechend dem BAT abschließen, wenn dessen Voraussetzungen vorliegen. Damit wendet aber die Beklagte den BAT so an, wie er auch sonst mit tarifgebundenen Arbeitnehmern angewendet würde, so daß insoweit die Vertragsverhältnisse nur das widerspiegeln sollen, was unter tarifgebundenen Parteien Geltung hat (vgl. BAGE 27, 22 = AP Nr. 8 zu § 4 TVG Nachwirkung). Dies folgt insbesondere daraus, daß nicht tarifgebundene Arbeitsvertragsparteien nicht besser und nicht schlechter gestellt werden sollen als tarifgebundene.

Damit fehlt es aber, was von den Parteien und dem Landesarbeitsgericht bisher übersehen worden ist, schon deshalb für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Vergütung nach VergGr. III BAT an einer Rechtsgrundlage, weil die Vergütungsordnung des BAT, aus der allein ein Mindestvergütungsanspruch der Klägerin folgen könnte, zum 31. Dezember 1983 wirksam gekündigt worden ist (vgl. BAGE 50, 258 = AP Nr. 2 zu § 74 BAT). Im Zeitraum der Nachwirkung konnten demgemäß nach § 4 Abs. 5 TVG bei allen neu begründeten Arbeitsverhältnissen abweichende und andere, auch ungünstigere Abmachungen getroffen werden. Eine solche Vereinbarung enthält der Vertrag der Klägerin vom 13. Mai 1986 hinsichtlich der Vereinbarung einer Vergütung. Gegen deren Rechtswirksamkeit bestehen deshalb keine Bedenken. Ein Anspruch der Klägerin auf Vergütung nach der Vergütungsordnung des BAT besteht danach nicht.

Darüber hinaus geht das Landesarbeitsgericht aber auch zutreffend davon aus, daß die Klägerin bei Anwendung des BAT und seiner Vergütungsordnung hiervon nach § 3 Buchst. g BAT ausgenommen wäre, da ihr Vertragsverhältnis nach Ausgestaltung, Aufgabenstellung und Zielsetzung nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts dem entsprach, was früher für den Verwalter einer Stelle eines wissenschaftlichen Assistenten gegolten hat. Wie der Senat in seiner den Parteien bekannten Entscheidung vom 14. Juni 1989 (- 4 AZR 139/89 -) im einzelnen ausgeführt hat, ist in Übereinstimmung mit dem Urteil des Dritten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 25. Januar 1979 (- 3 AZR 363/77 - AP Nr. 9 zu § 242 BGB Ruhegehalt-VBL) davon auszugehen, daß diejenigen wissenschaftlichen Mitarbeiter aus dem Geltungsbereich des BAT ausgenommen sind, bei denen Stellung, Aufgaben und Zielsetzung der Beschäftigung materiell dem entsprechen, was früher für die Verwalter von Stellen wissenschaftlicher Assistenten gegolten hat. Das hat aber das Landesarbeitsgericht revisionsrechtlich bindend festgestellt. Gegen die Subsumtion des Landesarbeitsgerichts bestehen keine Bedenken, da feststeht, daß die Klägerin ihre Forschungsarbeiten für ihre Dissertation betrieben hat und die notwendigen Forschungsarbeiten zur Erfüllung des übertragenen Forschungsthemas Gegenstand der Doktorarbeit waren. Mit anderen Forschungsaufgaben wurde die Klägerin nicht befaßt.

Stellt sich aber auch danach das Urteil des Landesarbeitsgerichts als zutreffend dar, war die Revision mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Dr. Neumann Dr. Etzel Dr. Freitag

Schmalz Dr. W. Knapp

 

Fundstellen

Dokument-Index HI439470

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