Entscheidungsstichwort (Thema)

Tariflicher Urlaubsanspruch. Befristung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Durch die Bestimmung in einem Tarifvertrag (hier: § 15 Abs 1 Nr 1 und 7 Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitenden Industrie vom 1.1.1983, daß Urlaubsansprüche erlöschen, wenn sie nicht bis zum 31. März des folgenden Jahres geltend gemacht sind, wird die Befristung des Urlaubsanspruchs nicht berührt.

2. Eine solche Regelung enthält nur den Hinweis, daß es der Geltendmachung des Urlaubs bedarf, um den mit dem Ende der Befristung eintretenden Rechtsverlust zu vermeiden.

3. Die Geltendmachung ist nur beachtlich, wenn der Urlaubsanspruch gegenüber dem Arbeitnehmer vor Fristablauf erfüllt werden kann. Daran fehlt es, wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig krank ist.

 

Normenkette

TVG § 1; BUrlG § 7 Abs. 3, § 13 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Entscheidung vom 31.01.1984; Aktenzeichen 11 Sa 1570/83)

ArbG Minden (Entscheidung vom 28.06.1983; Aktenzeichen 2 Ca 438/83)

 

Tatbestand

Der Kläger ist seit Mai 1980 bei der Beklagten als Arbeiter tätig. In der Zeit vom 16. Juli 1982 bis zum 30. April 1983 war er infolge eines Arbeitsunfalls arbeitsunfähig krank.

Auf das Arbeitsverhältnis ist kraft Tarifbindung der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitenden Industrie vom 1. Januar 1983 (MTV) anzuwenden. § 15 MTV lautet auszugsweise:

"I. Allgemeine Urlaubsbestimmungen

1. Der Arbeitnehmer hat in jedem Urlaubsjahr

Anspruch auf bezahlten Urlaub. Das Urlaubs-

jahr ist das Kalenderjahr.

...

7. Der Urlaub muß im laufenden Urlaubsjahr

gewährt und genommen werden. Eine Übertra-

gung des Urlaubs auf das nächste Urlaubs-

jahr ist nur ausnahmsweise statthaft. Ur-

laubsansprüche erlöschen, wenn sie nicht

bis zum 31. März des folgenden Jahres gel-

tend gemacht sind."

Der Kläger hat seinen im Jahre 1982 noch nicht gewährten Urlaub von 25 Tagen im März 1983 von der Beklagten verlangt.

Die Beklagte weigert sich, nach Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers den Urlaub zu gewähren. Bereits am 21. März 1983 hatte sie ihn schriftlich darauf hingewiesen, daß der Urlaubsanspruch am 31. März 1983 erlöschen werde und die in § 15 I Nr. 7 MTV vorgesehene Geltendmachung von Urlaubsansprüchen zu ihrer Wirksamkeit die Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers voraussetze.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihm 25 Tage Resturlaub aus dem Urlaubsjahr 1982 zu gewähren. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger sechs Arbeitstage Resturlaub aus dem Urlaubsjahr 1982 zu gewähren und hat im übrigen die Klage abgewiesen.

Mit den zugelassenen Revisionen verfolgen beide Parteien ihre Verfahrensziele weiter und bitten jeweils um Zurückweisung der Revision der anderen Partei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung der Entscheidung des Arbeitsgerichts. Dagegen ist die Revision des Klägers unbegründet.

I. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf den Resturlaub, weil der Urlaubsanspruch jedenfalls am 31. März 1983 erloschen ist.

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, daß nach § 15 I Nr. 7 Satz 2 und 3 MTV der Urlaubsanspruch nicht mit dem 31. März des Folgejahres erlösche, wenn der Arbeitnehmer ihn bis zu diesem Zeitpunkt geltend gemacht habe. Dann bestehe für den Arbeitgeber die Pflicht zur sofortigen Gewährung. Habe der Arbeitgeber als Schuldner der Pflicht zur Urlaubserteilung die Unmöglichkeit der Urlaubsgewährung nicht zu vertreten, sei der Urlaub erloschen. Deshalb stehe dem Kläger, dem der Urlaub wegen seiner Krankheit auch bis zum 30. April 1983 (= 19 Arbeitstage) nicht habe gewährt werden können, noch ein Urlaubsanspruch von sechs Tagen zu, weil die Beklagte in der Zeit vom 1. Mai bis zum 9. Mai 1983 keinen Urlaub erteilt habe, obwohl dies möglich gewesen sei.

2. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Zuzustimmen ist dem Landesarbeitsgericht zwar darin, daß der noch nicht erfüllte Urlaubsanspruch des Klägers aus dem Jahre 1982 wegen dessen Arbeitsunfähigkeit auf das nächste Urlaubsjahr übertragen ist (§ 15 I Nr. 7 Satz 2 und 3 MTV).

Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts enthält § 15 I Nr. 7 Satz 3 MTV jedoch keine Regelung, die es einem Arbeitnehmer ermöglicht, einen solchen Urlaubsanspruch über den 31. März des folgenden Jahres hinaus aufrechtzuerhalten. Durch § 15 I Nr. 7 Satz 3 MTV ist - insoweit in Übereinstimmung mit § 7 Abs. 3 BUrlG - ein solcher Urlaubsanspruch in seinem Bestand auf den 31. März des Folgejahres befristet. Die Tarifnorm enthält im übrigen nur den Hinweis, daß es der Geltendmachung des Urlaubsanspruchs bedarf, um den mit dem Ende der Befristung eintretenden Rechtsverlust zu vermeiden.

Das Landesarbeitsgericht hat übersehen, daß aus der Regelung, "Urlaubsansprüche erlöschen, wenn sie nicht bis zum 31. März des folgenden Jahres geltend gemacht sind", nicht zugleich zwingend geschlossen werden kann, daß ein Urlaubsanspruch nicht erlischt, dieser also über den 31. März hinaus fortbesteht, wenn der Arbeitnehmer ihn zwar vom Arbeitgeber gefordert hat, aber keine Möglichkeit besteht, den Urlaubsanspruch vor dem 31. März des Folgejahres zu erfüllen. Ein Urlaubsanspruch ist nur dann wirksam geltend gemacht, wenn er erfüllt werden kann. Nach dem Urteil des Sechsten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 7. November 1985 (- 6 AZR 62/84 - AP Nr. 8 zu § 7 BUrlG Übertragung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; vgl. ebenso schon Urteil des Fünften Senats BAG 22, 85 = AP Nr. 1 zu § 7 BUrlG Urlaubsjahr), setzt die Geltendmachung eines Urlaubsanspruchs voraus, daß der Urlaub vor dem Eintritt der Befristung noch erfüllt werden kann. Wird der Urlaub zu spät geltend gemacht oder so spät, daß er nicht mehr oder nicht mehr in vollem Umfang vor dem Ende der Befristung verwirklicht werden kann, ist die Erfüllung ganz oder zum Teil unmöglich. Dieser Auffassung tritt der erkennende Senat bei.

Damit ist ausgeschlossen, daß ein Arbeitnehmer durch Zuwarten bis zum 31. März einen nur ausnahmsweise übertragenen Urlaubsanspruch, dessen Erfüllung vor diesem Zeitpunkt möglich war, für einen späteren Zeitraum aufrechterhalten kann. Entsprechend bedeutet dies, daß für den Arbeitgeber die Möglichkeit bestehen muß, den Urlaubsanspruch zu erfüllen, wenn der Arbeitnehmer die Gewährung des Urlaubs begehrt. Das Bundesarbeitsgericht hat wiederholt dargelegt (vgl. zuletzt Urteil des Senats vom 14. Mai 1986 - 8 AZR 604/84 - zur Veröffentlichung vorgesehen), daß die Erfüllung von Urlaubsansprüchen unmöglich ist, wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig krank ist.

Der Kläger war arbeitsunfähig krank, als er den Urlaub von der Beklagten forderte. Dies hat sich bis zum 31. März 1983 nicht geändert. Zu Recht geht das Landesarbeitsgericht davon aus, die Geltendmachung erfordere, daß der arbeitsfähige Arbeitnehmer bis zum Ablauf des 31. März des nachfolgenden Urlaubsjahres um seinen Urlaub bemüht sei. Dazu steht aber im Widerspruch, wenn das Landesarbeitsgericht weiter meint, die Geltendmachung des Urlaubs sei auch bei Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers beachtlich, der Arbeitnehmer müsse dann seinen Urlaub unmittelbar nach dem 31. März antreten können, wenn der Urlaub nicht ganz oder teilweise verfallen solle. Für eine solche Auffassung fehlt jeder Anhaltspunkt in § 15 I Nr. 7 MTV.

II. Da dem Kläger kein Urlaubsanspruch aus dem Jahre 1982 zusteht, kann seine Revision keinen Erfolg haben.

Michels-Holl Dr. Leinemann Dr. Peifer

Harnack Hannig

 

Fundstellen

Haufe-Index 441551

BAGE 53, 328-331 (LT1-3)

BAGE, 328

BB 1987, 1036

BB 1987, 1036-1036 (LT1-3)

DB 1987, 895-895 (LT1-3)

AuB 1987, 196-196 (T)

ARST 1987, 124-124 (LT1-3)

NZA 1987, 390-391 (LT1-3)

RdA 1987, 126

AP § 13 BUrlG (LT1-3), Nr 26

AR-Blattei, ES 1640 Nr 286 (LT1-3)

AR-Blattei, Urlaub Entsch 286 (LT1-3)

EzA § 7 BUrlG, Nr 47 (LT1-3)

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