Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütung von Bereitschaftsdienst der Krankenhausärzte

 

Leitsatz (amtlich)

  • Nach den Sonderregeln für die Abgeltung der Bereitschaftsdienste für Ärzte nach den Richtlinien des Deutschen Caritasverbandes hat der Arbeitgeber ein Wahlrecht, ob er den Bereitschaftsdienst vergütet oder durch Freizeit ausgleicht.
  • Ein Freizeitausgleich kann nicht an solchen Tagen erfolgen, an denen der Arzt ohnehin nicht zur Arbeit verpflichtet ist. An diesen Tagen ist dem Arbeitgeber unmöglich, Dienstbefreiung zu erteilen.
 

Normenkette

Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR): § 10; Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR): § 23; Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR): Anl. 5 § 9; FeiertagslohnzahlungsG § 1

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 13.03.1990; Aktenzeichen 7 Sa 47/90)

ArbG Hamm (Urteil vom 24.10.1989; Aktenzeichen 2 Ca 808/89)

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 13. März 1990 – 7 Sa 47/90 – wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger ist als Assistenzarzt in einem vom Beklagten betriebenen Krankenhaus beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) Anwendung.

Der Kläger ist zur Leistung von Bereitschaftsdienst verpflichtet. Der Ausgleich von geleisteten Bereitschaftsdienstzeiten ist vom Beklagten seit dem 1. Juli 1986 in der Weise geregelt, daß Bereitschaftsdienstzeiten, die in der Nacht von Freitag auf Samstag und in der Nacht von Samstag auf Sonntag anfallen, vergütet werden. Im übrigen wird für Bereitschaftsdienstzeiten an dem folgenden Tag Freizeitausgleich gewährt.

Der Kläger leistete am 30. April 1987, 17. Juni 1987, 31. Oktober 1988, 3. Mai 1989 und 14. Mai 1989 und damit in den Nächten zu einem folgenden Wochenfeiertag Bereitschaftsdienst. An diesen Wochenfeiertagen bestand für ihn keine Arbeitsverpflichtung. Mit Schreiben vom 16. Juli 1987 und 9. September 1987 machte er Vergütungsansprüche für die in den Nächten vor den Wochenfeiertagen geleisteten Bereitschaftsdienstzeiten geltend.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß der Beklagte die geleisteten Bereitschaftsdienstzeiten nicht durch Freizeit an den folgenden Wochenfeiertagen habe ausgleichen können, da er an diesen Tagen nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet gewesen sei.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.223,12 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Juni 1989 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, daß dem Kläger der geltend gemachte Vergütungsanspruch nicht zustehe. Bereitschaftsdienstzeiten könnten nach § 9 Abs. 4 der Anlage 5 AVR durch Freizeit abgegolten werden. Ein entsprechender Freizeitausgleich sei für alle Bereitschaftsdienstzeiten außer für am Freitag und am Samstag beginnende Bereitschaftsdienste seit dem 1. Juli 1986 angeordnet worden. Dies gelte auch, wenn der darauffolgende Tag zufällig ein Wochenfeiertag sei. Der Arbeitsausfall an diesem Tag beruhe damit auf der dienstplanmäßigen Freizeitgewährung. Dies entspreche der Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 6 der Anlage 5 AVR, nach der dienstplanmäßige Sonntagsarbeit durch entsprechende Freizeit an einem Wochenfeiertag ausgeglichen werden könne, ohne daß ein Vergütungsanspruch entstehe. Ein Teil der Ansprüche sei im übrigen nach § 23 AVR verfallen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben mit Recht erkannt, daß dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Vergütung von Bereitschaftsdienstzeiten, die in den Nächten vor Wochenfeiertagen geleistet wurden, zusteht.

Auf das Arbeitsverhältnis finden aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) Anwendung. Die Abgeltung von Bereitschaftsdiensten ist in § 9 der Anlage 5 AVR geregelt. Diese Bestimmung hat, soweit sie vorliegend von Bedeutung ist, folgenden Wortlaut:

  • § 9 Sonderregelung für die Abgeltung der Bereitschaftsdienstzeiten und Rufbereitschaft für Ärzte, Zahnärzte, Hebammen, medizinisch-technische Assistentinnen und Gehilfinnen sowie für Mitarbeiter im Pflegedienst.
  • In Kranken-, Heil- und Pflege- und Entbindungseinrichtungen, in denen die betreuten Personen in ärztlicher Behandlung stehen, und in Altenpflegeheimen und Pflegebereichen in Altenheimen erfolgt die Abgeltung des Bereitschaftsdienstes und der Rufbereitschaft für Ärzte, Zahnärzte, Hebammen, medizinisch-technische Assistentinnen und Gehilfinnen sowie für Mitarbeiter im Pflegedienst abweichend von § 8 nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen. § 9 findet auch Anwendung für Ärzte, die nicht in einer in Satz 1 näher bezeichneten Einrichtung tätig sind.
  • Zum Zwecke der Vergütungsberechnung wird die Zeit des Bereitschaftsdienstes einschließlich der geleisteten Arbeit wie folgt als Arbeitszeit gewertet:

  • Für die nach Abs. (2) errechnete Arbeitszeit wird die Überstundenvergütung nach § 1 Abs. (3) Unterabsatz 2 der Anlage 6a zu den AVR gezahlt.
  • Die nach Abs. (2) errechnete Arbeitszeit kann auch durch entsprechende Freizeit abgegolten werden.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß die Vergütung für Bereitschaftsdienstzeiten, die der Kläger in den Nächten vor den betreffenden Wochenfeiertagen leistete, 1.223,12 DM brutto beträgt. Dem Kläger steht nach § 9 Abs. 3 der Anlage 5 AVR ein Anspruch auf Zahlung dieses Betrages zu, wenn der Beklagte die für die Ableistung der Bereitschaftsdienste errechnete Arbeitszeit nicht nach § 9 Abs. 4 der Anlage 5 AVR durch Freizeit abgegolten hat. Dies ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht der Fall.

Gegen die in § 9 Abs. 4 der Anlage 5 AVR vorgesehene Möglichkeit, geleistete Bereitschaftsdienstzeiten durch Freizeitausgleich abzugelten, bestehen keine rechtlichen Bedenken (BAG Urteil vom 16. Februar 1989 – 6 AZR 325/87 – ZTR 1989, 320). Dem Arbeitgeber wird insoweit ein Wahlrecht eingeräumt. Dieses Wahlrecht hat der Beklagte dadurch ausgeübt, daß er generell bestimmte, daß Bereitschaftsdienste, die in der Nacht von Freitag auf Samstag und in der Nacht von Samstag auf Sonntag geleistet werden, vergütet werden und im übrigen Freizeitausgleich am folgenden Wochentag gewährt wird. Für die vom Kläger in den Nächten vor Wochenfeiertagen geleisteten Bereitschaftsdienste konnte jedoch eine Abgeltung durch Freizeitausgleich an den folgenden Wochenfeiertagen nicht erfolgen, da der Kläger an diesen Wochenfeiertagen nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet war.

Die Abgeltung der für den Bereitschaftsdienst errechneten Arbeitszeit durch Freizeit nach § 9 Abs. 4 der Anlage 5 AVR führt nur dann zur Erfüllung des grundsätzlich nach § 9 Abs. 3 der Anlage 5 AVR entstehenden Vergütungsanspruchs, wenn der vom Arbeitgeber gewährte Freizeitausgleich zu einer Arbeitsbefreiung führt. Arbeitsbefreiung bedeutet die Freistellung von einer an sich bestehenden Arbeitspflicht. Die Freistellung erfolgt durch eine entsprechende Erklärung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer, durch die der Arbeitgeber auf sein vertragliches Recht auf Leistung der geschuldeten Dienste in einem bestimmten Umfang verzichtet und damit die entsprechende Dienstleistungspflicht des Arbeitnehmers zum Erlöschen bringt (BAG Urteil vom 7. Dezember 1989 – 6 AZR 129/88 – ArztR 1990, 283; Urteil vom 20. Juli 1989 – 6 AZR 774/87 – ZTR 1990, 155, 156).

Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts bestand für den Kläger an den betreffenden Wochenfeiertagen, an denen der Beklagte Freizeitausgleich für die in der Nacht zuvor geleisteten Bereitschaftsdienstzeiten gewähren wollte, keine Pflicht zur Arbeitsleistung. Demgemäß konnte der Kläger an diesen Tagen nicht von der Arbeitsleistung freigestellt werden. Daraus folgt, daß sein für die Bereitschaftsdienstzeiten nach § 9 Abs. 3 der Anlage 5 AVR entstandener Vergütungsanspruch nicht erloschen ist, sondern fortbesteht.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ergibt sich eine andere Beurteilung weder aus § 1 FeiertagslohnfortzahlungsG noch aus § 2 Abs. 1 der Anlage 5 AVR. Ansprüche auf Bezahlung von Arbeitszeit, die wegen des Feiertages ausgefallen ist, macht der Kläger nicht geltend, da er Vergütung für geleistete Arbeit begehrt. Soweit § 2 Abs. 1 der Anlage 5 AVR vorsieht, daß dienstplanmäßige Sonntagsarbeit an Wochenfeiertagen ausgeglichen werden kann, ist diese Bestimmung auf die vorliegende Fallgestaltung nicht anwendbar.

Bei der Leistung von Bereitschaftsdiensten handelt es sich nicht um dienstplanmäßige Arbeitszeit im Sinne von § 2 der Anlage 5 AVR, sondern um Dienstleistungen außerhalb der dienstplanmäßigen Arbeitszeit (§ 7 Abs. 1 der Anlage 5 AVR). Deren Abgeltung bestimmt sich allein nach der entsprechenden Sonderregelung des § 9 der Anlage 5 AVR. Diese enthält, entgegen der Auffassung des Beklagten, hinsichtlich der vorliegenden Fallgestaltung auch keine Lücke, die eine entsprechende Anwendung der Regelungen für dienstplanmäßige Arbeitszeit in § 2 der Anlage 5 AVR gebieten könnte, sondern sieht vielmehr vor, daß Bereitschaftsdienstzeiten zu vergüten sind, wenn ein Freizeitausgleich nicht erfolgt. Kommt der vom Arbeitgeber beabsichtigte Freizeitausgleich nicht zum Tragen, weil an dem in Aussicht genommenen Tag von vornherein keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung besteht, so bleibt der nach § 9 Abs. 3 der Anlage 5 AVR entstandene Vergütungsanspruch bestehen.

Mit Recht führt das Landesarbeitsgericht auch aus, daß der Kläger seinen Vergütungsanspruch für alle streitgegenständlichen Bereitschaftsdienstzeiten im Rahmen der Ausschlußfrist nach § 23 AVR geltend gemacht hat. Seine Schreiben vom 16. Juli 1987 und 9. September 1987 beinhalten auch eine Geltendmachung für die danach anfallenden Bereitschaftsdienstzeiten, da die Ansprüche auf demselben Sachverhalt im Sinne von § 23 Abs. 2 AVR beruhen.

Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

 

Unterschriften

Schaub, Dr. Etzel, Dr. Freitag, Schamann, Dr. Apfel

 

Fundstellen

Haufe-Index 839200

RdA 1991, 380

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