Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialarbeiter als Zivildienstbeauftragter

 

Leitsatz (amtlich)

  • Die Aufgaben eines Zivildienstbeauftragten können einem Arbeitnehmer nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) zugewiesen und wieder entzogen werden, soweit der Arbeitsvertrag hierüber keine Bestimmungen enthält.
  • Der Zivildienstbeauftragte hat kein eigenes Amt, kraft dessen er eine besondere rechtliche Stellung gegenüber seinem Arbeitgeber einnimmt, sondern bleibt ihm gegenüber weisungsgebunden. Er handelt als Vertreter des Arbeitgebers oder Dienststellenleiters.
 

Normenkette

BGB §§ 611, 315; ZDG §§ 30-31

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 30.03.1994; Aktenzeichen 3 Sa 1418/93)

ArbG Bielefeld (Urteil vom 17.06.1993; Aktenzeichen 3 Ca 393/93)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die beklagte Sozialeinrichtung berechtigt war, dem Kläger die Aufgaben eines Beauftragten für den Zivildienst zu entziehen und seine Befugnisse gegenüber den Zivildienstleistenden einzuschränken.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 1. Januar 1986 als Sozialarbeiter angestellt. Er gehörte dem Betriebsrat der Beklagten mehrere Jahre an, zuletzt als dessen Vorsitzender. Seine Mitgliedschaft im Betriebsrat endete aufgrund der außerordentlichen Neuwahl des Betriebsrats bei der Beklagten am 6. Oktober 1993.

Der Kläger war durch Schreiben des Geschäftsführers der Beklagten vom 28. September 1990 gegenüber dem Bundesamt für den Zivildienst als “Beauftragter” für den Zivildienst benannt worden. Mit Schreiben vom 10. Oktober 1991 lehnte die Beklagte einen Höhergruppierungswunsch des Klägers in die VergGr. IVa BAT ab.

Darin heißt es:

  • Sie sind als Diplom-Sozialarbeiter in der Individuellen Schwerstbehindertenbetreuung tätig. Folgende Tätigkeiten werden von Ihnen ausgeübt:
  • Individuelle Schwerstbehindertenbetreuung

  • Verwaltung der Zivildienstplätze der Gesellschaft für Sozialarbeit

    • Einstellungen von Zivildienstleistenden
    • Ausübung der Dienstaufsicht und Fürsorgepflicht gegenüber den Zivildienstleistenden
    • Überwachung der allgemeinen Verwaltungsarbeiten im Rahmen des Einsatzes von Zivildienstleistenden bei der Gesellschaft (Kontrolle der Sold-, Mietkosten und Fahrgeldauszahlung, Bearbeitung und Genehmigung von Urlaubs- und Sonderurlaubsanträgen, Bearbeitung und Genehmigung von Anträgen auf Bildungsmaßnahmen, Ausstellen verschiedener Bescheinigungen für Zivildienstleistende, Abwicklung mit der Verwaltungsstelle Zivildienst, Abwicklung mit dem Bundesamt für Zivildienst, Disziplinarangelegenheiten, verwaltungstechnische Abwicklung des Dienstsportes, Ansprechpartner für die Regionalbeauftragten des Bundesamtes für Zivildienst, Aufwandszuschüsse).
    • Überwachung der Geld- und Sachbezüge
    • Überwachung des Eingangs für Aufwandszuschüsse
  • Gremienarbeit

    Aufgrund der aufgeführten Tätigkeitsbeschreibung stimmt der Vorstand einer Einstufung Ihrer Tätigkeit im Rahmen der Strukturverbesserung in die Vergütungsgruppe IVb, Fallgruppe 16, zu. Die entsprechende Zulage wird Ihnen im Rahmen der Auszahlung der Strukturverbesserung für die Sozialarbeiter/innen und Erzieher/innen ausgezahlt.

Mit Schreiben vom 10. September 1992 teilte der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger mit:

“Strukturierung Zivildienstverwaltung/Einsatz von Zivildienstleistenden

  • Die Funktion des Beauftragten für die Beschäftigungsstelle Gesellschaft für Sozialarbeit wird von der Geschäftsführung übernommen.
  • Als Weisungsbefugte ernenne ich hiermit:

    Für die Individuelle Schwerstbehindertenbetreuung

    Frau W…

    (Kläger)

    Herrn H…

    Herrn S…

    Für den Mobilen Sozialen Dienst und Essen auf Rädern:

    Frau G…

    Frau V…

    Herr N…

    Die Weisungsbefugten sind verantwortlich für den ordnungsgemäßen Einsatz der Zivildienstleistenden, die in ihrem Betreuungs- und Aufgabenbereich tätig sind.

    Die Weisungsbefugten sind gleichgestellt. Aufgabenschwerpunkte sind im einzelnen noch zu benennen.

  • In regelmäßigen Abständen tagt die “Arbeitsgruppe Zivildienstleistende”. Diese Arbeitsgruppe besteht aus den Weisungsbefugten und dem Dienststellenleiter. Nach Bedarf wird auch die Regionalbetreuerin an diesen Treffen teilnehmen.

    Die Arbeitsgruppe erarbeitet Regelungen, um die Bestimmungen des Leitfadens auf die einzelnen Praxisfelder bezogen, für alle Zivildienstleistende gleich anwenden zu können.

    Diese Regelungen werden verbindlich festgeschrieben und sind von allen Weisungsbefugten zu beachten.

Mit einem nicht datierten Schreiben, in dem auf eine Dienstbesprechung vom 21. September 1992 Bezug genommen wird, setzt sich der Kläger gegen die Umverteilung der Verwaltungsaufgaben zur Wehr, die bisher nur von Frau W…, von Herrn S… und vom Kläger wahrgenommen wurden. In einem Schreiben vom 5. Oktober 1992 teilte der Geschäftsführer der Beklagten dem Betriebsrat mit, der Kläger sei nicht mehr Beauftragter für die Durchführung des Zivildienstes. Am 21. Oktober 1992 schrieb der Geschäftsführer der Beklagten an den Betriebsrat:

“Strukturierung Zivildienstverwaltung

Sehr geehrte Damen und Herren,

  • hiermit möchte ich Ihnen folgende Änderung mitteilen:
  • Die Funktion des Beauftragten für die Beschäftigungsstelle Gesellschaft für Sozialarbeit wird ab sofort von der Geschäftsführung übernommen.
  • Als Weisungsbefugte habe ich folgende Personen benannt:

    Für die Individuelle Schwerstbehindertenbetreuung:

    Frau W…, Herr H…, Herr S….

    Für den Mobilen Sozialen Dienst und Essen auf Rädern:

    Frau G…, Frau V…, Herr N….

Der Geschäftsführer der Beklagten nahm von Oktober 1992 bis Mai 1993 die Aufgaben des Beauftragten für den Zivildienst selbst wahr. Mit Zustimmung des Betriebsrates wurde ab Juni 1993 Frau W… zur Beauftragten für den Zivildienst bestellt.

Der Kläger hat geltend gemacht, er müsse weiterhin mit den Aufgaben des Zivildienstbeauftragten betraut werden. Diese Aufgaben seien infolge Konkretisierung Inhalt seines Arbeitsvertrags geworden. Zumindest habe die Beklagte ihr Direktionsrecht nicht nach billigem Ermessen ausgeübt, als sie ihm diese Aufgaben entzogen habe. Vielmehr habe sich die Beklagte von sachfremden Erwägungen leiten lassen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihn weiterhin mit den folgenden Aufgaben des Beauftragten für den Zivildienst nach §§ 30, 30a Zivildienstgesetz zu beschäftigen:

  • Regelungen des Einsatzes der Zivildienstleistenden an den Arbeitsstellen im Einvernehmen mit dem Geschäftsführer der Beklagten,
  • Überwachung der Arbeitszeit der Zivildienstleistenden,
  • Regelung des inneren Dienstbetriebes der Zivildienstleistenden,
  • Erledigung sonstiger Verwaltungsaufgaben des Zivildienstes, bestehend aus

    • Einstellung von Zivildienstleistenden,
    • Ausübung der Dienstaufsicht und Fürsorgepflicht gegenüber den Zivildienstleistenden,
    • Überwachung der allgemeinen Verwaltungsarbeiten im Rahmen des Einsatzes von Zivildienstleistenden bei dem Beklagten, wie Kontrolle der Sold-, Mietkosten und Fahrgeldauszahlung, Bearbeitung und Genehmigung von Urlaubs- und Sonderurlaubsanträgen, Bearbeitung und Genehmigung von Anträgen auf Bildungsmaßnahmen der Zivildienstleistenden, Ausstellen der verschiedenen Bescheinigungen für die Zivildienstleistenden, Abwicklung der Aufgaben gegenüber der Verwaltungsstelle Zivildienst und gegenüber dem Bundesamt für Zivildienst, Durchführung der Disziplinarangelegenheiten gegenüber den Zivildienstleistenden, verwaltungstechnische Abwicklung des Dienstsports der Zivildienstleistenden, Wahrnehmung der Rolle des Ansprechpartners für die Regionalbeauftragen des Bundesamtes für Zivildienst, Überwachung der Auszahlung der Aufwandszuschüsse, Überwachung der Geld- und Sachbezüge der Zivildienstleistenden, Überwachung des Eingangs für Aufwandszuschüsse der Zivildienstleisten.

Hilfsweise hat der Kläger beantragt,

  • die Beklagte zu verurteilen, ihn wie folgt zu beschäftigen:
  • Individuelle Schwerstbehindertenbetreuung

    • Feststellung des Betreuungsbedarfs beim Klienten,
    • Beratung des Klienten,
    • Koordinierung des Hilfsangebots evtl. Absprache mit anderen Trägern,
    • Einsatzplanung für Zivildienstleistende, Honorarkräfte u.a. Hilfskräfte,
    • Sicherstellung der kontinuierlichen Betreuung,
    • Begleitung und Beratung der Zivildienstleistenden und der Honorarkräfte im Rahmen der Betreuung,
  • Verwaltung der Zivildienstplätze der Gesellschaft für Sozialarbeit

    • Einstellungen von Zivildienstleistenden,
    • Ausübung der Dienstaufsicht und Fürsorgepflicht gegenüber den Zivildienstleistenden,
    • Überwachung der allgemeinen Verwaltungsarbeiten im Rahmen des Einsatzes von Zivildienstleistenden bei der Gesellschaft (Kontrolle der Sold-, Mietkosten und Fahrgeldauszahlung, Bearbeitung und Genehmigung von Urlaubs- und Sonderurlaubsanträgen, Bearbeitung und Genehmigung von Anträgen auf Bildungsmaßnahmen, Ausstellen verschiedener Bescheinigungen für Zivildienstleistende, Abwicklung mit der Verwaltungsstelle Zivildienst, Abwicklung mit dem Bundesamt für Zivildienst, Disziplinarangelegenheiten, verwaltungstechnische Abwicklung des Dienstsportes, Ansprechpartner für die Regionalbeauftragten des Bundesamtes für Zivildienst, Aufwandszuschüsse),
    • Überwachung der Geld- und Sachbezüge,
  • Überwachung des Eingangs für Aufwandszuschüsse,
  • Gremienarbeit

    • Arbeitskreis Individuelle Schwerstbehindertenbetreuung auf DPWV-Landesebene,
    • Arbeitskreis Individuelle Schwerstbehindertenbetreuung DPWV Ostwestfalen-Lippe,
    • weitere Facharbeitskreise.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat entgegnet: Für die gesamte Klage fehle das Rechtsschutzbedürfnis, zumindest sei der Hauptantrag nicht hinreichend bestimmt. Die Klage sei auch nicht begründet. Die Aufgabe als Zivildienstbeauftragter sei nicht Inhalt des Arbeitsvertrages mit dem Kläger geworden. Der Kläger sei als Sozialarbeiter eingestellt worden. Die Aufgabe als Beauftragter für den Zivildienst sei ihm kraft Direktionsrechts zugewiesen worden. Sie könne ihm gleichermaßen wieder entzogen werden. Der Kläger sei dieser Aufgabe nicht gewachsen gewesen; er habe sie nicht hinreichend wahrgenommen und die Geschäftsführung nicht entlastet. Allgemein habe Unzufriedenheit darüber geherrscht, wie der Kläger die Aufgaben des Beauftragten für den Zivildienst gelöst habe. Einzelne Regiekräfte, aber auch Zivildienstleistende selbst, hätten darauf gedrängt, den Kläger abzulösen.

Das Arbeitsgericht hat dem Hauptantrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge (Haupt- und Hilfsantrag) weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht. Der bisherige Sach- und Streitstand rechtfertigt die Klageabweisung nicht.

1. Das Klagebegehren läßt sich nicht allein auf den Arbeitsvertrag der Parteien stützen. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß die Aufgabe des Zivildienstbeauftragten nicht bindender Inhalt des Arbeitsvertrags des Klägers geworden ist. Der Kläger ist bei der Beklagten als Sozialarbeiter eingestellt und nicht mit der Aufgabe des Zivildienstbeauftragten. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, daß sich das Arbeitsverhältnis des Klägers auf diese (Teil-) Aufgabe konkretisiert haben könnte. Bereits die Dauer der offiziellen Bestellung des Klägers zum Zivildienstbeauftragten genügt hierfür nicht. Sie betrug nur gut zwei Jahre.

2. Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers kann vielmehr nur der auf dem Arbeitsvertrag mit der Beklagten beruhende allgemeine Beschäftigungsanspruch in Verb. mit § 315 Abs. 1, 3 BGB sein (BAG ≪GS≫ Beschluß vom 27. Februar 1985 – GS 1/84 – BAGE 48, 122, 130 f., 132 = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht = EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 9). Hiernach hat der Kläger einen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung. Die Konkretisierung der Arbeitsaufgabe durch den Arbeitgeber kraft seines Direktionsrechts muß sich nicht nur hinsichtlich der Zuweisung, sondern auch hinsichtlich des Entzugs von Arbeitsaufgaben in den Grenzen billigen Ermessens halten.

Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, das billige Ermessen sei “unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien festzustellen”. Es hat indessen verkannt, welche Anforderungen an eine Entscheidung nach billigem Ermessen zu stellen sind.

a) Kraft seines Direktionsrechts bestimmt der Arbeitgeber die näheren Einzelheiten, unter denen die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen ist, vor allem deren Ort, Zeit und näheren Inhalt. Das Direktionsrecht kann durch Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarungen oder Einzelarbeitsvertrag eingeschränkt sein. Soweit hiernach das Direktionsrecht ausgeübt werden kann, muß der Arbeitgeber die Grenzen des billigen Ermessens i.S.d. § 315 Abs. 3 BGB einhalten (ständige Rechtsprechung, zuletzt BAG Urteil vom 24. April 1996 – 5 AZR 1031/94 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt; siehe auch BAG Urteil vom 23. Juni 1993 – 5 AZR 337/92 – AP Nr. 42 zu § 611 BGB Direktionsrecht, zu II 1 der Gründe, m.w.N.).

Die Wahrung billigen Ermessens setzt voraus, daß die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden. Ob dies geschehen ist, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB), die in der Revisionsinstanz uneingeschränkt nachprüfbar ist (BAG Urteil vom 24. April 1996 – 5 AZR 1031/94 –, aaO; BAG Urteil vom 23. Januar 1992 – 6 AZR 87/90 – AP Nr. 39 zu § 611 BGB Direktionsrecht, zu II 2c der Gründe; BAG Urteil vom 19. Juni 1985 – 5 AZR 57/84 – AP Nr. 11 zu § 4 BAT, zu II 2a der Gründe, m.w.N.).

Das Landesarbeitsgericht hat diesen Rechtssatz verkannt, wie seine Ausführungen zu der Frage zeigen, was billigem Ermessen entspricht. Es hat die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht etwa nur verkürzt wiedergegeben, um dann die nötige Abwägung der wesentlichen Umstände des Falles und die angemessene Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vorzunehmen. Vielmehr hat es, wie seine subsumierenden Ausführungen zeigen, allein auf die Interessen der Arbeitgeberin abgestellt, ohne die sonstigen Umstände des Falles festzustellen und zu würdigen.

3. Bereits dieser Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts hat die Aufhebung des Berufungsurteils zur Folge. Das Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 563 ZPO).

a) Dem Landesarbeitsgericht kann nicht in der Annahme gefolgt werden, der Entzug der Aufgaben des Zivildienstbeauftragten stelle eine der gerichtlichen Überprüfung entzogene unternehmerische Entscheidung dar. An eine unüberprüfbare Unternehmerentscheidung wäre allenfalls zu denken, wenn die Beklagte sich entschlossen hätte, künftig auf die Bestellung von Zivildienstbeauftragten völlig zu verzichten oder damit nur die Geschäftsführung der Beklagten zu betrauen. Dann wäre es eine Frage des Vollzuges einer solchen Unternehmerentscheidung gewesen, dem Kläger die Aufgabe des Zivildienstbeauftragten insoweit zu entziehen. Indessen hat das Landesarbeitsgericht eine solche, von der Person des Klägers gelöste Unternehmerentscheidung nicht festgestellt. Es hat vielmehr nur aus der Sachdarstellung des Klägers geschlossen, die Beklagte habe eine gerichtlich nicht überprüfbare Unternehmerentscheidung getroffen. Die Würdigung, die der Kläger selbst vorgenommen hat und aus der das Landesarbeitsgericht seinerseits Schlüsse gezogen hat, ersetzt die tatrichterliche Feststellung über das Vorliegen einer solchen abstrakten Unternehmerentscheidung nicht.

b) Sollte eine solche abstrakte Unternehmerentscheidung festgestellt werden, wäre zu prüfen, inwieweit der Entzug der Stellung des Zivildienstbeauftragten als Vollzug der Unternehmerentscheidung billigem Ermessen entspricht. Insoweit – darin ist dem Landesarbeitsgericht wiederum zu folgen – kommt eine gerichtliche Überprüfung der Unternehmerentscheidung selbst nicht in Betracht. Wenn deren einzige Umsetzungsmöglichkeit darin bestünde, dem Kläger die Aufgabe des Zivildienstbeauftragten zu entziehen, so bedürfte es schwerwiegender Gründe, um billiges Ermessen zu verneinen.

Sollte die tatrichterliche Feststellung allerdings zu dem Ergebnis führen, daß eine solche unternehmerische Entscheidung nur getroffen wurde, um dem Kläger das Amt des Zivildienstbeauftragten zu entziehen oder ihn gar bei seinem weiteren beruflichen Aufstieg zu behindern, so könnte sich die Beklagte auf die Unternehmerentscheidung allein nicht stützen. In diesem Fall wäre der Vollzug einer solchen Entscheidung auch mit § 315 BGB nicht zu vereinbaren.

c) Stellt sich dagegen heraus, daß es keine derartige abstrakte Unternehmerentscheidung gibt – dem bisherigen Vorbringen der Beklagten dürfte eine solche abstrakte Entscheidung nur schwerlich zu entnehmen sein –, so ist das Vorgehen der Beklagten nur dann rechtlich unwirksam, wenn es nicht billigem Ermessen entspricht.

Hierzu hat das Landesarbeitsgericht alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und die Interessen beider Seiten gegeneinander abzuwägen. Zu den zu berücksichtigenden Umständen zählen auch die Hilfstatsachen, die der Kläger vorgetragen hat und aus denen er schließt, die Maßnahme habe nur dazu dienen sollen, seinen beruflichen Aufstieg zu verhindern oder ihn gar zu diskriminieren.

Andererseits zählen zu den Umständen aber auch die Tatsachen, die die Beklagte als ihre Beweggründe angeführt hat, dem Kläger die Aufgabe des Zivildienstbeauftragten zu entziehen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Vorwürfe, die Dritte (Zivildienstleistende, andere Mitarbeiter der Beklagten) gegen den Kläger erhoben haben sollen, zutreffen oder nicht. Vielmehr ist es Sache des Arbeitgebers zu entscheiden, wie er auf solche – vom Landesarbeitsgericht ggf. festzustellenden – Konfliktlagen reagieren will. Der Arbeitgeber kann in einer solchen Situation eine Lösung der Problematik auch darin suchen, daß er einen Mitarbeiter, der seinen Aufgaben nicht gewachsen zu sein scheint, von diesen Aufgaben entbindet (vgl. BAG Urteil vom 24. April 1996 – 5 AZR 1031/94 –, zur Veröffentlichtung in der Fachpresse bestimmt).

4. Stellt das Landesarbeitsgericht fest, daß der Entzug der Aufgaben des Zivildienstbeauftragten nicht gegen § 315 BGB verstößt, so hat es zu prüfen, ob die Maßnahme der vorherigen Anhörung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG unter dem Gesichtspunkt der Versetzung bedurfte und – falls dies zu bejahen ist – ob die Beklagte den Anforderungen des § 99 BetrVG genügt hat.

a) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts kann diese Frage nicht dahingestellt bleiben. Die Zuweisung eines anderen Aufgabenbereiches kann gem. § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unter den dort weiter genannten Voraussetzungen eine Versetzung darstellen.

Zwar könnte offengelassen werden, ob der Entzug der Aufgabe des Zivildienstbeauftragten eine mitbestimmungspflichtige Versetzung darstellt, wenn die Beklagte den Betriebsrat vor dem Entzug dieser Aufgaben gemäß § 99 BetrVG beteiligt hätte. Das Landesarbeitsgericht hat aber keine Tatsachen festgestellt, aus denen sich dies ergäbe. Das spätere Verhalten des Betriebsrats, nämlich die Rücknahme eines in diesem Zusammenhang eingeleiteten Beschlußverfahrens und die dann erteilte Zustimmung zur Bestellung von Frau W… zur Zivildienstbeauftragten, ersetzen die vorherige Anhörung des Betriebsrates nicht.

b) Die bloße Zuweisung und der bloße Entzug der Aufgaben des Zivildienstbeauftragten stellt für sich allein keine Versetzung im Sinne der §§ 99 Abs. 1, 95 Abs. 3 BetrVG dar.

Allerdings wird angenommen, der Entzug der Aufgabe des Datenschutzbeauftragten (§ 36 BDSG) sei eine Versetzung i.S.d. § 95 Abs. 3 BetrVG und unterliege insoweit dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG (statt vieler: Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 18. Aufl., § 99 Rz 24, m.w.N. auch der abweichenden Ansichten). Ob dieser Auffassung für den Datenschutzbeauftragten zu folgen ist, mag dahinstehen. Der Datenschutzbeauftragte nach § 36 BDSG hat gegenüber dem ihn bestellenden Unternehmer eine unabhängige Stellung. Insoweit ändert sich mit der Zuweisung oder dem Entzug der Tätigkeit des Datenschutzbeauftragten auch die Stellung dieses Mitarbeiters gegenüber dem Arbeitgeber.

So verhält es sich beim Zivildienstbeauftragten nicht. Im Zivildienstgesetz selbst und in den dazu ergangenen Verordnungen ist ein Zivildienstbeauftragter mit eigenen Aufgaben nicht vorgesehen. Vielmehr ergeben sich Stellung und Funktion des Zivildienstbeauftragten aus Regelungen im Verwaltungsweg, die in einem Leitfaden zu den §§ 30, 30a ZDG zusammengefaßt sind. Der Zivildienstbeauftragte übt danach kein eigenes Amt aus, kraft dessen er eine besondere rechtlich selbständige Stellung gegenüber seinem Arbeitgeber hätte. Vielmehr bleibt er gegenüber dem Arbeitgeber oder dem vom Arbeitgeber eingesetzten Leiter der Beschäftigungsstelle weisungsgebunden. Er handelt als Vertreter des Arbeitgebers oder Beschäftigungsstellenleiters. Schon deshalb scheidet eine Parallele zum Datenschutzbeauftragten aus.

c) Ob die Voraussetzungen des § 95 Abs. 3 BetrVG für eine Versetzung i.S.d. Betriebsverfassungsgesetzes vorliegen, bedarf noch näherer Aufklärung. Nach § 95 Abs. 3 BetrVG ist eine Versetzung im Sinne dieses Gesetzes die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereiches liegt vor, wenn dem Arbeitnehmer ein neuer Tätigkeitsbereich zugewiesen wird, so daß der Gegenstand der geschuldeten Arbeitsleistung, der Inhalt der Arbeitsaufgabe, ein anderer wird und sich das Gesamtbild der Tätigkeit ändert (BAG in ständiger Rechtsprechung; statt vieler: Beschluß vom 2. November 1993 – 1 ABR 36/93 – BAGE 75, 24, 35, m.w.N. = AP Nr. 32 zu § 95 BetrVG 1972, unter B II 1 der Gründe). Die Aufgabe des Klägers als Zivildienstbeauftragter war zwar nur ein Teil seiner ihm insgesamt übertragenen Aufgaben. Eine mitbestimmungspflichtige Versetzung kann aber auch darin liegen, daß einem Arbeitnehmer ein wesentlicher Teil der bisher von ihm wahrzunehmenmenden Aufgaben entzogen wird. Dazu muß die entzogene Tätigkeit der Gesamttätigkeit ein solches Gepräge geben, daß nach ihrem Wegfall insgesamt von einer anderen Tätigkeit ausgegangen werden kann (BAG Urteil vom 2. April 1996 – 1 AZR 743/95 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt). Ob dies hier der Fall ist, hat das Landesarbeitsgericht gegebenenfalls noch festzustellen.

 

Unterschriften

Griebeling, Schliemann, Reinecke, Glaubitz, Dittrich

 

Fundstellen

Haufe-Index 875307

BAGE, 116

BB 1996, 2099

NJW 1997, 1526

NZA 1997, 381

SAE 1998, 120

MDR 1997, 371

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge