Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang der Rechtskraft. Versorgung im Konzern

 

Leitsatz (amtlich)

Wird die Klage eines Arbeitnehmers gegen den Pensions-Sicherungs-Verein auf Gewährung von Insolvenzschutz abgewiesen, so kann auch ein Hinterbliebener keinen Insolvenzschutz verlangen. Der Versorgungsanspruch der Hinterbliebenen teilt das rechtliche Schicksal der Hauptrente.

 

Normenkette

ZPO § 322 Abs. 1, § 325 Abs. 1; BetrAVG §§ 1, 7

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 13.09.1988; Aktenzeichen 11 Sa 338/88)

ArbG Köln (Urteil vom 14.01.1988; Aktenzeichen 6 Ca 8006/87)

 

Tenor

  • Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 13. September 1988 – 11 Sa 338/88 – wird zurückgewiesen.
  • Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 13. September 1988 – 11 Sa 338/88 – aufgehoben, soweit es der Klage stattgegeben und über die Kosten entschieden hat.
  • Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 14. Januar 1988 – 6 Ca 8006/87 – wird zurückgewiesen.
  • Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte für die Altersversorgung des Klägers und dessen Ehefrau einzutreten hat.

Der Kläger ist Schweizer Staatsbürger. Er ist am 31. März 1913 geboren. Am 1. August 1936 trat er in die Dienste der … -Werke AG, B…. Vom 1. Januar 1954 bis zum 31. März 1957 war er bei einer Tochtergesellschaft in Z… beschäftigt. Vom 1. April 1957 bis 31. März 1963 arbeitete er für eine Verkaufsgesellschaft der A… -Werke in H…. Seit dem 1. April 1963 war er wieder bei der Tochtergesellschaft in Z…, der … AG – später A… System AG (im folgenden A…) – angestellt. 1973 wurde auf Wunsuch der A… -Werke ein neuer Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger und der A… geschlossen.

Am 27. April 1976 wurde über das Vermögen der A… -Werke das Konkursverfahren eröffnet. Dadurch wurde auch die Unterstützungskasse zahlungsunfähig. Die A… in Z… wurde nicht insolvent.

Die A… -Werke hatten dem Kläger mit Wirkung vom 1. August 1936 eine betriebliche Versorgung über ihre Unterstützungskasse zugesagt.

Seit 1978 bezieht der Kläger eine deutsche und eine schweizerische Sozialversicherungsrente. Er forderte vom beklagten PSV die von der A… -Werke AG zugesagte Versorgungsleistung, weil die Unterstützungskasse die in ihrer Versorgungsregelung vorgesehene Versorgung wegen des Konkurses der A… -Werke AG nicht mehr erbringen konnte. Der PSV weigerte sich, für die Versorgungszusagen der A… -Werke AG einzustehen. Daraufhin erhob der Kläger im Jahre 1979 beim Arbeitsgericht Köln (Az. 12 Ca 3179/79) gegen den beklagten PSV Klage mit den Anträgen,

  • den Beklagten zu verurteilen, an ihn 41.379,-- DM als Versorgungsleistung bzgl. einer unverfallbaren Anwartschaft auf eine betriebliche Altersversorgung aus dem A… – Sozial-Verein für die Zeit vom 1.4.1978 bis 31.4.1979 zu zahlen,
  • festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ab 1.5.1979 monatlich 3.183,-- DM als Versorgungsleistung aus einer unverfallbaren Anwartschaft auf eine betriebliche Altersversorgung aus dem A… -Sozial-Verein zu zahlen.

Das Arbeitsgericht wies diese Klage mit Urteil vom 18. Januar 1980 ab. Es führte zur Begründung aus, die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme des Pensions-Sicherungs-Vereins gemäß § 7 BetrAVG seien nicht gegeben, weil der Kläger seit 1963 nicht mehr Arbeitnehmer der in Konkurs gefallenen A… -Werke AG gewesen sei und dieser gegenüber keinen Versorgungsanspruch im Sinne des Betriebsrentengesetzes habe. Für die Zeit bis 1963 habe der Kläger einen Anspruch nicht schlüssig dargelegt. Das Urteil wurde rechtskräftig.

Der Kläger verlangt nunmehr vom Beklagten die Erfüllung von Betriebsrentenansprüchen für die Zeit ab 1985, sowie die Feststellung, daß im Falle seines Todes seine Ehefrau einen Anspruch auf Versorgung habe. Er macht geltend, aufgrund des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 6. August 1985 (– 3 AZR 185/85 – BAGE 49, 225 = AP Nr. 24 zu § 7 BetrAVG) habe sich die Rechtslage zu seinen Gunsten verändert. Die geänderte Rechtsprechung sei für seine Ansprüche verbindlich. Im übrigen sei über die jetzt geltend gemachten Ansprüche durch das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 21. Mai 1979 nicht entschieden worden. Jedenfalls werde der Anspruch auf Versorgung seiner Ehefrau von der Rechtskraft dieses Urteils nicht berührt.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

  • an ihn einen Teilbetrag der Betriebsrente für das Jahr 1985 in Höhe von DM 11.514,24 zzgl. 4 % Zinsen ab 1.1.1985 auf den jeweiligen Verfalltag zu zahlen;

    hilfsweise

    an ihn den gleichen Teilbetrag von DM 11.514,24 zu zahlen, jedoch berechnet nach einem monatlichen Teilbetrag von DM 1.208,24 für neun Monate ab dem 1.1.1985 mit 10.872,81 DM und den Rest von 641,43 DM zur beliebigen Verrechnung auf Ansprüche des Klägers;

  • festzustellen, daß die Versorgungsregelung auch die Versorgung seiner Ehefrau im Falle der Verwitwung umfasse.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, der Klage stehe die Rechtskraft des Urteils vom 18. Januar 1980 entgegen. Dies gelte auch für die Witwenrente. Die Hinterbliebenenversorgung sei ein vom Rentenanspruch des Arbeitnehmers abgeleitetes Recht. Zudem sei der Kläger bis zum 31. März 1963 nicht ununterbrochen für die A… -Werke tätig gewesen. Die bis dahin entstandenen Anwartschaften seien deshalb nicht unverfallbar geworden und jedenfalls nicht insolvenzgeschützt. Da der Kläger anschließend nur Arbeitnehmer der nicht in Konkurs gefallenen A… in Z… gewesen sei, könne er den Beklagten nicht wegen des Konkurses der A… -Werke in Anspruch nehmen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr hinsichtlich der Witwenversorgung stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Beide Parteien verfolgen mit ihren Revisionen ihre ursprünglichen Ziele weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers kann keinen Erfolg haben. Die Revision des Beklagten ist hingegen begründet. Der beklagte PSV braucht weder für die Versorgungsansprüche des Klägers noch für die eventuellen Versorgungsansprüche seiner Ehefrau Insolvenzschutz zu leisten. Einer Verurteilung des Beklagten steht die Rechtskraft des klageabweisenden Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 18. Januar 1980 entgegen.

I. Die Klage ist hinsichtlich der Anträge, mit denen der Kläger Rentenzahlung für 1985 geltend macht, unzulässig. Ihr steht die Rechtskraft des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 18. Januar 1980 im früheren Rechtsstreit zwischen den Parteien deshalb entgegen. Dieses Urteil betrifft denselben Streitgegenstand wie die Anträge im vorliegenden Rechtsstreit (§§ 322, 325 ZPO).

1. Eine Klage ist unzulässig, wenn über denselben Gegenstand zwischen den Parteien schon ein Rechtsstreit geschwebt hat, der durch ein rechtskräftiges Urteil entschieden worden ist. Nach § 322 Abs. 1 ZPO reicht die Rechtskraft soweit, wie über den geltend gemachten Anspruch entschieden worden ist. Damit wird der Umfang der Rechtskraft durch den Gegenstand des Urteils bestimmt. Dieser wiederum ergibt sich aus der Urteilsformel, für deren Auslegung – insbesondere beim klageabweisenden Urteil – der Tatbestand und die Entscheidungsgründe nebst den Anträgen heranzuziehen sind (BGHZ 34, 337, 339).

2. Durch das Urteil vom 18. Januar 1980 hat das Arbeitsgericht Köln die vom Kläger begehrte Feststellung, daß der Beklagte ihm ab 1. Mai 1979 monatlich eine Rente von 3.183,-- DM zu zahlen habe, abgewiesen. Es hat eine Einstandspflicht des Beklagten gemäß § 7 BetrAVG für eine Versorgungszusage der A… -Werke wegen deren Konkurses geprüft und verneint. Damit steht rechtskräftig fest, daß der Beklagte dem Kläger ab 1. Mai 1979 nicht für eine monatliche Rente in Höhe von 3.183,-- DM aus einer Versorgungszusage der A… -Werke im Zusammenhang mit deren Konkurs einzustehen hat.

Eine solche Rente verlangt der Kläger für 1985 erneut. Er hat die Rente jetzt lediglich niedriger berechnet, aber nach wie vor auf der Grundlage der Versorgungsrichtlinien der Unterstützungskasse. Auch der niedrigere Betrag wird von der rechtskräftigen Feststellung umfaßt. Das gilt auch für den Hilfsantrag. Mit diesem macht der Kläger die Rente geltend, die sich nach seiner Ansicht bei einer Anwartschaftsdauer von 1936 bis 1963 ergäbe. Das ist nichts anderes als ein Teil des rechtskräftig abgewiesenen Rentenanspruchs. Mit diesem Teil hatte sich das Arbeitsgericht Köln in seinem Urteil gesondert befaßt; es hat ihn mangels Schlüssigkeit abgelehnt. Der Kläger irrt, soweit er geltend macht, das Arbeitsgericht habe diesen Teil seiner früheren Klage als unzulässig abgewiesen. Fehlende Schlüssigkeit macht eine Klage nicht unzulässig, sondern unbegründet.

3. Unzutreffend ist auch die Ansicht des Klägers, die Rechtskraft des Vorprozesses erstrecke sich deshalb nicht auf die jetzt geltend gemachten Ansprüche, weil es damals nur um das Einstehenmüssen für die A… -Sozialvereine (Unterstützungskasse) gegangen sei, er nunmehr aber auch die Einstandspflicht für Ansprüche gegen das Trägerunternehmen geltend mache. Eine solche Unterscheidung ist nicht möglich. Es geht hier nicht um zwei unterschiedliche Ansprüche, sondern allenfalls um verschiedene Begründungen für die Einstandspflicht des Beklagten. Die Rechtskraft beschränkt sich aber nicht auf die rechtliche Begründung für den geltend gemachten Anspruch, sondern erfaßt den Anspruch selbst (Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 20. Aufl., § 322 Rz 108; Thomas/Putzo, ZPO, 14. Aufl., § 322 Anm. 6d). Zudem hat das Arbeitsgericht seinerzeit eine Einstandspflicht des Beklagten auch unter dem Gesichtspunkt einer unmittelbaren Verpflichtung der A… -Werke geprüft und verneint.

4. Der Kläger kann nicht wegen der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 6. August 1985 (BAGE 49, 225 = AP Nr. 24 zu § 7 BetrAVG) erneut die rechtskräftig beschiedenen Ansprüche geltend machen.

Selbst wenn das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 18. Januar 1980 gemessen an dieser Rechtsprechung unrichtig wäre, würde seine Rechtskraft und deren Wirkung davon nicht berührt. Auch ein sachlich unrichtiges Urteil bindet im Umfang seiner Rechtskraft (BAGE 1,196 = AP Nr. 7 zu § 11 ArbGG 1953). Die Rechtskraft verbietet es, die Frage der Richtigkeit oder Unrichtigkeit nochmals aufzuwerfen (Zöller/Vollkommer, ZPO, 15. Aufl., Vor § 322 Rz 71).

Ob das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 6. August 1985 zu einer Änderung der Rechtsprechung führte, kann dahinstehen. Ein Wandel der Rechtsprechung läßt die Rechtskraftwirkung früherer Urteile unberührt (BGHZ 89, 114, 121; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 20. Aufl., § 322 Rz 256).

II. Die Klage ist insoweit unbegründet, als der Kläger festgestellt haben will, daß im Falle seines Todes seiner Witwe ein Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung einer Witwenrente zusteht. Die rechtskräftige klageabweisende Entscheidung über die Einstandspflicht des Beklagten für das Rentenstammrecht bindet auch in einem späteren Rechtsstreit, der die Hinterbliebenenrente zum Gegenstand hat.

1. Es ist umstritten, unter welchen Voraussetzungen auch ohne ausdrückliche gesetzliche Vorschrift die Rechtskraft eines Urteils gegenüber Dritten wirkt, wenn deren Rechtsstellung von der rechtskräftig festgestellen Rechtslage zwischen den früheren Prozeßparteien abhängt. Nach Ansicht eines Teils der Literatur bindet die rechtskräftige Feststellung eines Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien auch einen Dritten, in dessen Prozeß das Urteil eines rechtskräftig entschiedenen Vorprozesses präjudiziell ist (Schwab, ZZP 77, 124 ff.; Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 14. Aufl., § 157, m.w.N. in Fn 2). Von anderen Autoren wird diese Auffassung unter Berufung auf § 325 Abs. 1 ZPO abgelehnt (Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 20. Aufl., § 325 Rz 83, m.w.N. in Fn 136; Zöller/Vollkommer, ZPO, 15. Aufl., § 325 Rz 2, m.w.N.).

2. Im Bereich der betrieblichen Altersversorgung entfaltet eine rechtskräftige Entscheidung in einem Prozeß zwischen dem versorgungsberechtigten Arbeitnehmer und dem Versorgungsschuldner – PSV oder Arbeitgeber – auch Wirkung für und gegen die Hinterbliebenen. Der Versorgungsanspruch der Hinterbliebenen beruht stets auf dem Rentenstammrecht des Arbeitnehmers (Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 7 Rz 28), er teilt das Schicksal der Hauptrente (Paulsdorff, Kommentar zur Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung, 3. Aufl., § 7 Rz 341). Das gilt auch im Rahmen des Insolvenzschutzes. Nur wenn und nur soweit ein Anspruch oder eine Anwartschaft insolvenzgeschützt ist, hat der beklagte PSV für daraus abgeleitete Ansprüche oder Anwartschaften auf Hinterbliebenenversorgung einzustehen. Die materielle Rechtskraft wirkt auch dann, wenn die festgestellte oder verneinte Rechtsfolge in einem späteren Prozeß als Vorfrage von Bedeutung ist (Stein/Jonas /Leipold, ZPO, 20. Aufl., § 322 Rz 204; Zöller/Vollkommer, ZPO, 15. Aufl., Vor § 322 Rz 19, 22, m.w.N.).

Ist aber die Rechtsstellung des Hinterbliebenen von der des Versprechensempfängers abhängig, so muß er auch an die materielle Beurteilung der Versorgungsansprüche oder Anwartschaften in einem Vorprozeß mit dem Inhaber des Rentenstammrechts gebunden sein, selbst wenn der Hinterbliebene an diesem Rechtsstreit nicht beteiligt war. Es wäre mit den praktischen Bedürfnissen in der betrieblichen Altersversorgung nicht vereinbar, wenn nach dem Tod des versorgungsberechtigten Arbeitnehmers der bereits rechtskräftig abgeschlossene Streit über dessen Ansprüche allein deshalb wieder aufleben könnte, weil abgeleitete Hinterbliebenenansprüche geltend gemacht werden.

3. Durch das Urteil vom 18. Januar 1980 ist rechtskräftig entschieden, daß der beklagte PSV dem Kläger keinen Insolvenzschutz zu leisten hat. Der Kläger kann mithin auch nicht verlangen, daß im Falle seines Todes der Beklagte seiner Witwe Insolvenzschutz leistet.

 

Unterschriften

Dr. Heither, Kremhelmer, Griebeling, Dr. Reinfeld, Gnade

 

Fundstellen

Haufe-Index 841019

BAGE, 194

BB 1990, 2269

RdA 1990, 380

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