Entscheidungsstichwort (Thema)

Anordnung von Bereitschaftsdienst für Krankenpfleger

 

Leitsatz (redaktionell)

Wenn tarifliche Normen und ihnen entsprechende Arbeitsvertragsrichtlinien, die der Arbeitgeber einseitig festgelegt hat und mit seinen Arbeitnehmern vereinbart (hier: AVR-Caritas), das Ermessen des Arbeitgebers bei der Anordnung von Bereitschaftsdienst durch bestimmte Vorgaben beschränken, ist davon auszugehen, daß sie es im übrigen der Entscheidung des Arbeitgebers überlassen wollen, ob er Bereitschaftsdienst anordnen will. Für eine Überprüfung der Entscheidung des Arbeitgebers auf Billigkeit und Rechtsmißbrauch ist dann grundsätzlich kein Raum.

 

Orientierungssatz

Hinweise des Senats: "Keine Verpflichtung des Arbeitgebers, feste Blöcke von Arbeitsleistungen innerhalb eines Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit zu vergüten und insoweit von der Anordnung eines Bereitschaftsdienstes abzusehen (möglicherweise Abweichung von BAG Urteil vom 4. Dezember 1986 - 6 AZR 123/84 - nicht veröffentlicht, dessen Ausführungen insoweit aber nicht tragend sind".

 

Normenkette

BGB § 315; DCVArbVtrRL Anlage 5 §§ 7, 9

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Entscheidung vom 23.05.1991; Aktenzeichen 10 Sa 959/90)

ArbG Bonn (Entscheidung vom 12.09.1990; Aktenzeichen 3 Ca 963/90)

 

Tatbestand

Der 56jährige Kläger wird seit 1. Oktober 1969 im St. Antonius Krankenhaus S , dessen Rechtsträger die beklagte katholische Pfarrgemeinde ist, als Krankenpfleger beschäftigt. Er wird zur Zeit in der Ambulanz des Krankenhauses eingesetzt. Im Arbeitsvertrag haben die Parteien vereinbart, daß für das Dienstverhältnis die "Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritas-Verbandes" (AVR) in der jeweils veröffentlichten und im Amtsblatt des Ortsbistums in Kraft gesetzten Fassung gelten.

In der OP-Abteilung des Krankenhauses, zu der auch die Ambulanz gehört, war bis 31. August 1989 die Aufteilung von Arbeitszeit und Bereitschaftsdienst so geregelt, daß die Zeiten von Montag bis Freitag zwischen 6.00 Uhr und 21.00 Uhr und an Samstagen, Sonn- und Feiertagen von 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr als Arbeitszeit gewertet und entsprechend vergütet wurden. Die Zeiträume von Montag bis Freitag zwischen 21.00 Uhr und 6.00 Uhr und an Samstagen, Sonn- und Feiertagen zwischen 20.00 Uhr und 8.00 Uhr wurden als Bereitschaftsdienst angeordnet und vergütet. An Wochenenden wurde das Pflegepersonal entsprechend den Dienstplänen samstags und sonntags jeweils von 8.00 Uhr bis 8.00 Uhr des folgenden Tages eingesetzt.

Mit Wirkung vom 1. September 1989 ordnete die Verwaltung des Krankenhauses an, daß die Wochenend- und Feiertagszeiten von jeweils 8.00 Uhr bis 8.00 Uhr des folgenden Tages bzw. von 8.00 Uhr bis 6.00 Uhr des folgenden Tages als Bereitschaftsdienst zu leisten seien.

Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte sei nicht berechtigt, die Zeit von 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr an Wochenenden und Feiertagen von Arbeitszeiten in Bereitschaftsdienstzeiten umzuwandeln. In der Zeit von 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr an Wochenenden und Feiertagen fielen erfahrungsgemäß durchgehend Arbeitsleistungen im OP und in der Ambulanz an. Das OP-Personal müsse zu 100 % die Arbeitsleistung erbringen, wie sie auch an anderen Wochentagen tagsüber regelmäßig anfalle. Oftmals müsse das Personal pausenlos weiterarbeiten. Er sei nach wie vor bereit, an Wochenenden in einer Schicht von 24 Stunden an seinem Arbeitsplatz anwesend zu sein, wenn diese Zeit wie vor dem 1. September 1989 nur mit den Nachtstunden als Bereitschaftsdienst abzuleisten sei.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß die Beklagte mit Wirkung vom

1. September 1989 die Samstags-, Sonntags- und

Feiertagsarbeit des Klägers in der Zeit von 8.00

Uhr bis 20.00 Uhr als Arbeitszeit zu vergüten

hat.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, nach den Vorschriften der Anlage 5 zu den AVR sei sie berechtigt, an den Wochenenden und Feiertagen einen durchgehenden Bereitschaftsdienst anzuordnen. Voraussetzung hierfür sei lediglich, daß in den Zeiten des Bereitschaftsdienstes durchschnittlich weniger als 50 % Arbeitsleistung zu erwarten sei. Diese Voraussetzung sei für die 24-stündigen Dienstzeiten an Wochenenden erfüllt. Im Zeitraum vom 1. September 1989 bis 28. Februar 1990 seien aufgrund der von den Bereitschaftsdienstleistenden vorgelegten Arbeitsnachweise an Wochenenden und Feiertagen insgesamt 37,42 % der Zeit als Arbeitsleistung zu bewerten. Ohne die Berücksichtigung der Zeiten von 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr an Wochenenden und Feiertagen ergäbe sich hingegen nur ein Anteil von 23,47 % Arbeitszeit an Wochenenden und Feiertagen. Die Neuregelung der Beklagten seit 1. September 1989 führe zu keinen finanziellen Einbußen des Klägers, da Bereitschaftsdienstzeiten mit einem Arbeitszeitanteil von 37,42 % höher vergütet würden (mit 40 v. H. der Arbeitszeitvergütung) als Bereitschaftsdienstzeiten mit einem Arbeitszeitanteil von 23,47 % (mit 25 v. H. der Arbeitszeitvergütung).

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile und zur Klageabweisung. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, mit Wirkung vom 1. September 1989 die Samstags-, Sonntags- und Feiertagsarbeit des Klägers in der Zeit von 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr als Arbeitszeit zu vergüten. Denn die Anordnung der Beklagten, daß an Wochenenden und Feiertagen durchgehend (jeweils von 8.00 bis 8.00 Uhr bzw. 6.00 Uhr) Bereitschaftsdienst zu leisten ist, ist wirksam. Diese Entscheidung entspricht den zwischen den Parteien vereinbarten AVR und ist nicht unbillig.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die "Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritas-Verbandes" (AVR) in ihrer jeweiligen veröffentlichten Fassung kraft einzelvertraglicher Vereinbarung Anwendung. Die Anlage 5 zu den AVR enthält folgende Regelungen:

"§ 1

Regelmäßige Arbeitszeit

(1) Die regelmäßige Arbeitszeit der Mitarbeiter

beträgt durchschnittlich 38,5 Stunden in

der Woche ...

§ 7

Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft

(1) Auf Anordnung des Dienstgebers haben die

Mitarbeiter außerhalb der dienstplanmäßigen

Arbeit Dienstleistungen in der Form des Be-

reitschaftsdienstes oder der Rufbereit-

schaft zu erbringen.

Der Dienstgeber darf Bereitschaftsdienst

nur anordnen, wenn zu erwarten ist, daß

zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber

die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt ...

(2) Bei Bereitschaftsdienstzeit ist der Mitar-

beiter verpflichtet, sich außerhalb der re-

gelmäßigen Arbeitszeit in der Einrichtung

aufzuhalten und im Bedarfsfalle die Arbeit

aufzunehmen. Als Bereitschaftsdienst gilt

nicht das Wohnen im Bereich der Einrich-

tung.

...

§ 9

Sonderregelung für die Abgeltung der Bereit-

schaftsdienste und Rufbereitschaften für Ärzte,

Zahnärzte, Hebammen, medizinisch-technische Assi-

stentinnen und Gehilfinnen sowie für Mitarbeiter

im Pflegedienst

(1) ...

(2) Zum Zwecke der Vergütungsberechnung wird

die Zeit des Bereitschaftsdienstes ein-

schließlich der geleisteten Arbeit wie

folgt als Arbeitszeit gewertet:

a) Nach dem Maß während des Bereitschaftsdien-

stes erfahrungsgemäß durchschnittlich an-

fallender Arbeitsleistungen wird die Zeit

des Bereitschaftsdienstes wie folgt als Ar-

beitszeit gewertet:

Stufe Arbeitsleistung Die Wertung

innerhalb des als Arbeits-

Bereitschafts- zeit

dienstes

A 0 bis 10 v.H. 15 v.H.

B mehr als 10-25 v.H. 25 v.H.

C mehr als 25-40 v.H. 40 v.H.

D mehr als 40-49 v.H. 55 v.H.

b) Entsprechend der Zahl der vom Mitarbeiter

je Kalendermonat abgeleisteten Bereit-

schaftsdienste wird die Zeit eines jeden

Bereitschaftsdienstes zusätzlich wie folgt

als Arbeitszeit gewertet:

Zahl der Bereitschafts- Bewertung als

dienste im Kalendermonat Arbeitszeit

1.-8. Bereitschaftsdienst 25 v.H.

9.-12. " 35 v.H.

13. u. folgende Bereit-

schaftsdienste 45 v.H.

...

(5) Der Dienstgeber hat die Zuweisung zu den

einzelnen Stufen des Bereitschaftsdienstes

jeweils für die Dauer eines Kalenderjahres

neu festzusetzen. Bei Änderung der tatsäch-

lichen Arbeitsbelastung hat der Dienstgeber

für das folgende Jahr eine höhere oder

niedrigere Stufe festzusetzen. Der Dienst-

geber ist berechtigt, von den am Bereit-

schaftsdienst beteiligten Mitarbeitern die

Führung schriftlicher Aufzeichnungen über

die tatsächliche arbeitszeitmäßige Bela-

stung im Bereitschaftsdienst zu verlangen.

..."Die Anordnung von Bereitschaftsdienst durch die Beklagte unterliegt zwar einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB (ebenso: BAG Urteil vom 25. Oktober 1989 - 2 AZR 633/88 -, AP Nr. 36 zu § 611 BGB Direktionsrecht). Da die Beklagte sich jedoch hierbei an die nicht unbilligen Vorgaben der Anlage 5 zu den AVR und an die arbeitszeitrechtlichen Vorschriften gehalten hat, ist es entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht rechtsmißbräuchlich, wenn sie die danach zulässigen durchgehenden Bereitschaftsdienste an Wochenenden und Feiertagen angeordnet hat.

Die Regelungen der vereinbarten AVR sind nicht unbillig. Sie entsprechen den tariflichen Regelungen des öffentlichen Dienstes für das Krankenpflegepersonal. Nach der allgemeinen Vorschrift des § 15 Abs. 6 a BAT ist ein Angestellter des öffentlichen Dienstes verpflichtet, sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfalle die Arbeit aufzunehmen (Bereitschaftsdienst). Der Arbeitgeber darf danach Bereitschaftsdienst nur anordnen, wenn zu erwarten ist, daß zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt. Die Zuweisung zu den einzelnen Stufen des Bereitschaftsdienstes zum Zwecke der Vergütungsberechnung ist in den Sonderregelungen für Angestellte in Kranken-, Heil-, Pflege- und Entbindungsanstalten sowie in sonstigen Anstalten und Heimen, in denen die betreuten Personen in ärztlicher Behandlung stehen (SR 2 a BAT) geregelt. Dort entspricht die Nr. 6 Abschn. B (Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft) den in § 9 der Anlage 5 zu den AVR getroffenen Regelungen. Es ist nicht ersichtlich, daß die tariflichen Regelungen gegen zwingendes Gesetzesrecht verstoßen. Im übrigen dürfen tarifliche Normen ebensowenig wie Gesetze von den Gerichten für Arbeitssachen auf ihre Vereinbarkeit mit § 242 BGB überprüft werden (BAGE 48, 65 = AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Süßwarenindustrie; BAG Urteil vom 22. Februar 1989 - 4 AZR 630/88 - nicht veröffentlicht). Es ist davon auszugehen, daß tarifliche Regelungen wegen der Kampfparität der Tarifpartner einen angemessenen Ausgleich der gegenseitigen Interessen darstellen. Die Überprüfung auf Zweckmäßigkeit, Billigkeit und Treu und Glauben wäre ein unzulässiger Eingriff in die durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierte Tarifautonomie (vgl. BAG Urteil vom 22. Februar 1989, aa0, nicht veröffentlicht). Wenn aber tarifliche Normen über den Bereitschaftsdienst wirksam sind, gilt dies auch für entsprechende Arbeitsvertragsrichtlinien, die - wie im vorliegenden Fall - ein Arbeitgeber für einen entsprechenden Personenkreis nachbildet.

Die Voraussetzungen des § 7 der Anlage 5 zu den AVR für die Anordnung von Bereitschaftsdienst sind erfüllt. Die Beklagte hat den Bereitschaftsdienst für Zeiten "außerhalb der dienstplanmäßigen Arbeit" angeordnet. Nach § 1 Abs. 1 der Anlage 5 zu den AVR beträgt die regelmäßige Arbeitszeit der Mitarbeiter durchschnittlich 38,5 Stunden in der Woche. Diese regelmäßige Arbeitszeit wird im Regelfall in der Fünf-Tage-Woche von Montag bis Freitag geleistet, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch ausdrücklich eingeräumt hat. Die Erwägung des Landesarbeitsgerichts, als regelmäßige Arbeitszeit Zeitblöcke anzusehen, in denen ein kontinuierlicher Arbeitsanfall erwartet wird, geht daher fehl. Der Begriff der "regelmäßigen Arbeitszeit" richtet sich üblicherweise - so auch im vorliegenden Fall - danach, welche regelmäßige Arbeitszeit mit dem Arbeitnehmer vereinbart wird oder kraft kollektivrechtlicher Regelung gilt, nicht aber danach, in welchen Zeiträumen Arbeit anfällt. Die weitere Voraussetzung für die Anordnung von Bereitschaftsdienst, daß dieser nur angeordnet werden darf, wenn zu erwarten ist, daß zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt (§ 7 Abs. 1 Unterabs. 2 der Anlage 5 zu den AVR), ist ebenfalls erfüllt. Denn innerhalb des von der Beklagten angeordneten Bereitschaftsdienstes fallen nach den Arbeitsaufzeichnungen des Klägers insgesamt nur 37,42 % Zeiten an, die als Arbeitsleistung zu bewerten sind. Die übrigen Voraussetzungen der AVR für die Anordnung von Bereitschaftsdienst sind zwischen den Parteien nicht im Streit.

Arbeitszeitrechtliche Vorschriften stehen der Anordnung der Beklagten zur Ableistung von Bereitschaftsdienst an Wochenenden und Feiertagen nicht entgegen. Die Beklagte hat zu beachten, daß bei den Arbeitsleistungen innerhalb des Bereitschaftsdienstes, der als solcher "arbeitsfreie Zeit" ist (vgl. Denecke/Neumann, AZO, § 7 Rz 27; BAG Urteil vom 25. Oktober 1989 - 2 AZR 633/88 -, AP Nr. 36 zu § 611 BGB Direktionsrecht), eine tägliche Arbeitszeit von zehn Stunden nicht überschritten wird (vgl. § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Arbeitszeit in Kranken- und Pflegeanstalten vom 13. Februar 1924 - Kr AZO -). Diese Voraussetzung ist erfüllt, da 37,4 % von 24 Stunden nicht 10 Stunden Arbeitsleistung ergeben.

Wenn die Tarifvertragsparteien - und (wie im vorliegenden Fall) den tariflichen Normen entsprechende Arbeitsvertragsrichtlinien - das Ermessen des Arbeitgebers bei der Anordnung von Bereitschaftsdienst durch bestimmte Vorgaben beschränken, ist davon auszugehen, daß sie es im übrigen der Entscheidung des Arbeitgebers überlassen wollen, ob er Bereitschaftsdienst anordnen will. Für eine weitere Überprüfung der Entscheidung des Arbeitgebers, der unter Beachtung wirksamer tariflicher Normen (bzw. entsprechender Arbeitsvertragsrichtlinien) und zwingenden Gesetzesrechts Bereitschaftsdienst anordnet, auf Billigkeit und Rechtsmißbrauch ist kein Raum, wenn nicht außergewöhnliche Umstände des Einzelfalles Anlaß zu einer solchen Überprüfung ergeben. Solche besonderen Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich.

Soweit der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 4. Dezember 1986 (- 6 AZR 123/84 - nicht veröffentlicht) eine andere Auffassung vertreten haben sollte, wenn er ausführt, eine Anordnung von Bereitschaftsdiensten in der tarifvertraglich zulässigen Anzahl würde der gegebenen Sachlage nicht gerecht, wenn der überwiegende Teil der Arbeitsleistungen innerhalb der Bereitschaftszeiten in einem festen Block im unmittelbaren Anschluß an die regelmäßige Arbeitszeit oder an Wochenenden anfalle, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Eine Anrufung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts ist aber entbehrlich, da die Ausführungen des Sechsten Senates insoweit für sein Urteil nicht tragend waren (vgl. BAG Urteil vom 16. Januar 1991 - 4 AZR 341/90 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Wenn aufgrund der tariflichen Regelungen innerhalb eines Bereitschaftsdienstes zulässigerweise 49 % Arbeit anfallen kann, ist es geradezu unvermeidlich, daß hierbei auch Zeitblöcke mit mehr als 50 v. H. Arbeitsleistung entstehen. Gleichwohl haben die Tarifvertragsparteien des BAT es zugelassen, daß insoweit Bereitschaftsdienst außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit angeordnet werden kann. Weder diese tarifliche Regelung noch darauf beruhende Anordnungen verstoßen gegen gesetzliche Vorschriften.

Die Anordnung der Beklagten von Bereitschaftsdienst für das gesamte Wochenende ist auch nicht deshalb unbillig, weil sie zu einer unangemessen niedrigen Vergütung des Klägers führen würde. Die tarifliche Vergütung des Bereitschaftsdienstes (und entsprechend die Vergütung nach den AVR) ist nicht unangemessen niedrig. Die gesamte Bereitschaftsdienstzeit des Klägers, in der auf 37,42 % Zeitanteil Arbeitsleistungen des Klägers entfallen, wird nach § 9 Abs. 2 der Anlage 5 zu den AVR mit 65 v. H. als Arbeitszeit vergütet. D. h.: Die Arbeitsleistung des Klägers (37,42 % der Gesamtzeit) wird praktisch voll als Arbeitszeit vergütet. Darüber hinaus erhält der Kläger für jede Stunde des Bereitschaftsdienstes, d. h. sowohl für die Zeit der Arbeitsleistungen als auch für die Zeiten, in denen er nicht zur Arbeitsleistung herangezogen wird (= 62,58 % der Gesamtarbeitszeit), eine weitere Vergütung von 27,58 % eines Stundenlohns. Eine solche Vergütung ist jedenfalls weit von einem "Hungerlohn" entfernt.

Einen vertraglichen Anspruch darauf, daß die Wochenenddienstzeit an Samstagen und Sonntagen von 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr als Arbeitszeit gewertet wird, hat der Kläger nicht erworben. Wenn die Beklagte in der Vergangenheit so verfuhr, trat insoweit keine Bindung für alle Zukunft ein. Die Parteien haben die Anwendung der AVR auf das Arbeitsverhältnis vereinbart. Diese eröffnet der Beklagten die Organisation von Bereitschaftsdienst nach § 7 der Anlage 5. Anhaltspunkte dafür, daß die Beklagte auf dieses Recht gegenüber dem Kläger verzichtet hat, sind nicht ersichtlich.

Der Kläger hat gemäß § 91 ZPO als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Schaub Für Richter am BAG Dr. Etzel

Schneider, der sich

im Urlaub befindet

Schaub

Dr. Knapp Schmalz

 

Fundstellen

NJW 1992, 2374

NJW 1992, 2375 (L)

NZA 1992, 661

NZA 1992, 661-663 (LT1)

RdA 1992, 224

ZTR 1992, 248-250 (LT1)

AP, Caritasverband Anlage 5 (LT1)

ArztR 1992, 234 (S)

EzA § 611 BGB Direktionsrecht, Nr 11 (LT1)

EzBAT, Bereitschaftsdienst Nr 2 (LT1)

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