Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsrechtlicher Status eines Rundfunkmitarbeiters

 

Normenkette

BGB § 611; HGB § 84 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 15.02.1995; Aktenzeichen 3 Sa 96/94)

ArbG Stuttgart (Urteil vom 10.11.1994; Aktenzeichen 11 Ca 11310/93)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 15. Februar 1995 – 3 Sa 96/94 – aufgehoben.

2. Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Kammer des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht.

Der Kläger ist seit dem 1. Januar 1987 für das Hörfunkstudio U. der Beklagten tätig. Das Studio erstellt das Regionalprogramm „S 4 Schwabenradio”. Außerdem liefert es Programme für das Zentralprogramm in Stuttgart und andere ARD-Anstalten. Der Studioleiter und mindestens zwei weitere Mitarbeiter sind fest angestellt. Die Beklagte behandelt den Kläger als sog. festen freien Mitarbeiter gem. den Tarifverträgen für arbeitnehmerähnliche Personen. Der Kläger erhält Honorare, die nach Art und Anzahl der geleisteten Dienste errechnet werden. Er hat Anspruch auf Urlaub und Zahlung im Krankheitsfalle.

Der Kläger ist von Anfang an als Reporter tätig. Im Durchschnitt alle fünf Wochen wird der Kläger auch als sog. Wochenredakteur eingesetzt. Ebenfalls im Durchschnitt alle fünf Wochen übernimmt der Kläger jeweils für eine Woche Nachrichtendienste.

Nach Darstellung der Beklagten moderierte der Kläger zwischen Januar 1991 und Dezember 1992 zusätzlich etwa 80 mal das Mittags- und Nachmittagsmagazin; nach Wegfall des Nachrichtenmagazins zum 1. Januar 1993 moderiert der Kläger das halbstündige Mittagsmagazin im Rahmen seines Nachrichtendienstes.

Die Tätigkeit des Klägers wird zwei oder drei Monate im voraus nach Art und Umfang auf einer Übersichtsmagnettafel im Studio kenntlich gemacht. In der Horizontalen werden die Arbeitstage aufgeführt und in der Vertikalen die Namen der einzelnen Mitarbeiter. Die Art der Dienste wird farblich gekennzeichnet. Es wird unterschieden zwischen RED (Redaktion) I, RED II, RED III, MOD (Moderation), SORA (Sonntagsradio), WUME (Wunschmelodie), Urlaub und Fortbildung. Der Kläger wird nach seinem eigenen Vortrag tätig als Reporter und in den Funktionen der RED I, RED II, RED III. Intern werden RED I, RED II und RED III als CvD (Chef vom Dienst) 1, CvD 2 und CvD 3 bezeichnet. Über die Aufgabenverteilung der verschiedenen CvD und über Organisatorisches verhält sich ein Schriftstück vom 18. Januar 1995. Darin heißt es u.a.:

„Als oberstes Gebot gilt: Teamwork, bestmögliche Information aller Beteiligten (einschließlich Moderator) untereinander, gegenseitige Absprachen, wann immer möglich. Wenn gar keine Einigung erzielt werden kann, hat der cvd1 immer das letzte Wort. Die allerletzte Entscheidung muß unter Umständen jedoch der Moderator selbst treffen.

Der cvd2 arbeitet am Bildschirm im CVD-User. In anderen Usern erstellte Meldungen werden unverzüglich an „cvdulm” gesendet und dort unverzüglich abgespeichert.

Ab sofort wird jede Meldung mit der Uhrzeit ihrer ersten Lesung versehen (Wichtig vor allem für den Frühmoderator.)

Meldungen müssen in sauberer Form (möglichst keine handschriftlichen Verbesserungen, Durchstreichungen, Überschreibungen) und Ausformulierung (keine Stichworte, möglichst keine Tippfehler) vorliegen – praktisch „prima vista” lesbar sein.”

Dem redaktionellen Dienst I (RED I = CvD 1) steht für seine Redaktionswoche ein bestimmter Betrag zur Verfügung. Im Rahmen dieser Summe kann er Aufträge vergeben und auf Grundlage des Honorar-Rahmentarifvertrags Honorarvorschläge machen, die vom Studioleiter per Unterschrift genehmigt werden müssen. Die wöchentliche Honorarsumme wird durch eine fest angestellte Redaktionsassistentin kontrolliert.

Jeweils um 9.00 Uhr und 14.00 Uhr finden Redaktionskonferenzen statt. Im Protokoll der Redaktionskonferenz vom 23. November 1993 heißt es u.a.:

„Antragen aus Stuttgart

… nach bestimmten Reportern für bestimmte Themen. Die Redaktion Schwabenradio entscheidet und nicht der anfordernde Redakteur aus Stuttgart. Natürlich erfüllen wir Wünsche, wenn dies im Rahmen unserer Planung möglich ist.”

Im Jahre 1992 war der Kläger außerhalb von Urlaubs- und Krankheitszeiten u.a. in folgenden Zeiträumen nicht tätig:

Do.

2.1.

bis Mi.

8.1.

Do.

23.1.

bis Fr.

7.2.

Mi.

12.2.

bis Fr.

14.2.

Do.

27.2.

bis Sa.

29.2.

Do.

7.5.

bis Sa.

9.5.

Fr.

22.5.

bis Mo.

25.5.

Fr.

29.5.

bis Fr.

12.6.,

davon Urlaub 1.6.–5.6.

Mi.

24.6.

bis Sa.

27.6.

Mi.

16.9.

bis Fr.

25.9.

Do.

22.10.

bis Sa.

24.10.

Di.

27.10.

bis Sa.

31.10.

Do.

19.11.

bis Sa.

21.11.

Fr.

11.12.

bis Do.

31.12.

Von Januar 1993 bis Oktober 1993 arbeitete der Kläger u.a. in folgenden Zeiträumen nicht:

Do.

14.1.

bis Mo.

18.1.

Do.

28.1.

bis Sa.

30.1.

Mi.

10.2.

bis Do.

11.2.

Mo.

22.2.

bis Sa.

27.2.

Do.

11.3.

bis Sa.

13.3.

Mi.

24.3.

bis Di.

30.3.

Mi.

28.4.

bis Do.

29.4.

Mi.

12.5.

bis Mo.

17.5.

Fr.

11.6.

bis Mo.

14.6.

Do.

8.7.

bis Sa.

10.7.

Mi.

11.8.

bis Sa.

14.8.

Fr.

20.8.

bis Di.

24.8.

Do.

2.9.

bis Mo.

6.9.

Do.

16.9.

bis Sa.

25.9.

Fr.

8.10.

bis Mo.

11.10.

Mi.

13.10.

bis Sa.

30.10.

Nach der von der Beklagten erstellten Jahresentgeltbescheinigung 1993 erhielt der Kläger von der Beklagen 70.047,38 DM Honorare aus nichtselbständiger Tätigkeit und 7.176,16 DM aus selbständiger Tätigkeit. Der Kläger arbeitet gelegentlich für andere ARD-Anstalten. In seinem Urlaubsantrag vom 27. Mai 1993 gab er die dort in den letzten zwölf Monaten vor Antragstellung erzielten Entgelte mit 1.200,00 und 1.500,00 DM an.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, er stehe in einem Arbeitsverhältnis. Er hat vorgetragen: Weder er noch die festangestellten Mitarbeiter hätten maßgeblichen Einfluß auf die Ausgestaltung des Dienstplans. Selbstverständlich nehme der Studioleiter aber im Rahmen der Kollegialität bei der Ausgestaltung auf u.U. geäußerte Wünsche (Geburtstage, Familienangelegenheiten etc.) Rücksicht, soweit es sich mit den dienstlichen Belangen vereinbaren lasse. Der Dienstplan sei sowohl zeitlich wie im Hinblick auf die Art der Tätigkeit verbindlich. Der CvD 1 sei für die Zusammenstellung der Sendung einer Woche verantwortlich. Der CvD 2 sei der Redakteur, der für den Sendezeitraum 7.00 Uhr vormittags bis 16.00 Uhr nachmittags Nachrichten aus der Region zusammenstelle und während des Zeitraums von 10.30 Uhr bis 15.30 Uhr jeweils zur halben Stunde die Nachrichten aus der Region präsentiere und der das Mittagmagazin von 12.30 Uhr bis 13.00 Uhr moderiere. Der CvD 3 sei derjenige Redakteur, der gemeinsam mit dem CvD 2 von 10.00 Uhr bis 19.30 Uhr gemeinsam die Nachrichten aus der Region erstelle und nach Dienstende des CvD 2 präsentiere und darüber hinaus die Nachrichten für die Frühsendung des folgenden Tages zusammenstelle bzw. vorbereite. Er, der Kläger, sei verpflichtet, an den Redaktionskonferenzen teilzunehmen. Das Schriftstück vom 18. Januar 1995 stelle eine Dienstanweisung dar. Er sei verpflichtet, an den Redaktionssitzungen teilzunehmen, auch wenn für den fraglichen Tag kein Honorar geleistet werde. Zu seinen redaktionellen Aufgaben gehöre es, die Redaktionssitzung zu leiten.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß er sich in einem Arbeitsverhältnis zu der Beklagten befinde.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, der Kläger sei freier Mitarbeiter. Sie hat vorgetragen: Die Dienstpläne würden unter Berücksichtigung der Wünsche des Klägers erstellt. Reporterdienste würden nicht automatisch dadurch eingeteilt, daß diese auf der Magnettafel als ein weißes Feld angegeben seien. Dieses Feld bedeute lediglich, daß dem Mitarbeiter für diesen Zeitraum Reporterdienste angeboten würden. Die Aufträge würden dann jeweils im Einzelfall aufgrund der Besprechungen in den Redaktionssitzungen vergeben. Konkret bedeute dies, daß es dem Mitarbeiter frei stehe, in den Zeiten, in denen auf der Magnettafel ein weißes Feld gesteckt sei, überhaupt und in welcher Anzahl Reporteraufträge anzunehmen. Gerade der Kläger sei es, der in diesen Zeiten (weißes Feld) wenig Reporteraufträge übernehme. Er sei dann für die Beklagte einfach nicht tätig. Es könne deshalb zumindest hinsichtlich der Reportertätigkeit kein Arbeitsverhältnis angenommen werden. Die Teilnahme an den Redaktionssitzungen sei freiwillig, für Mitarbeiter in einer aktuellen Redaktion aber sinnvoll. Das Schriftstück vom 18. Januar 1995 stelle lediglich ein Info-Papier dar, in dem gemeinsam erarbeitete Ergebnisse zusammengefaßt seien. Bei den Redaktionssitzungen um 9.00 Uhr und um 14.00 Uhr sei der redaktionelle Dienst I zwar Vortragender, aber nicht Leiter. Dies sei der Studioleiter, der gleichzeitig auch Redaktionsleiter sei.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung.

A. Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag des Klägers festzustellen, daß er in einem Arbeitsverhältnis zu der Beklagten befindet, dahin ausgelegt, daß er die Zeit ab 13. September 1994 und die seither für die Beklagte geleisteten Dienste umfaßt. Dem schließt sich der Senat an.

B. Ob zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht, läßt sich aufgrund der bisherigen Feststellungen noch nicht abschließend beurteilen.

I. Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete jeweils befindet. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats, der das Landesarbeitsgericht nur im Ansatz gefolgt ist, sind die dazu entwickelten Grundsätze auch im Bereich Funk und Fernsehen maßgebend (vgl. das ebenfalls einen Mitarbeiter der Beklagten betreffende Urteil vom 20. Juli 1994 – 5 AZR 627/93BAGE 77, 226 = AP Nr. 73 zu § 611 BGB Abhängigkeit = EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 54 und Urteil vom 30. November 1994 – 5 AZR 704/93 – AP Nr. 74 zu § 611 BGB Abhängigkeit, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

1. Programmgestaltende Mitarbeit wie die des Klägers kann sowohl im Rahmen von Arbeitsverhältnissen, als auch im Rahmen von freien Mitarbeiterverhältnissen erbracht werden.

Nach der Rechtsprechung des Senats ist auch bei programmgestaltenden Mitarbeitern ein Arbeitsverhältnis zu bejahen, wenn der Sender innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens über die Arbeitsleistung verfügen kann (BAG, a.a.O.). Das ist dann der Fall, wenn ständige Dienstbereitschaft erwartet wird oder wenn der Mitarbeiter in nicht unerheblichem Umfang ohne Abschluß gesonderter Vereinbarungen zur Arbeit herangezogen wird, ihm also die Arbeiten letztlich „zugewiesen” werden. Die ständige Dienstbereitschaft kann sich sowohl aus den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen der Parteien als auch aus der praktischen Durchführung der Vertragsbeziehungen ergeben. Äußere Umstände, wie ein „eigener” Schreibtisch, ein „eigenes” Arbeitszimmer oder die Aufnahme in ein internes Telefonverzeichnis sind für sich genommen nicht entscheidend. Wird der Mitarbeiter dagegen in Dienstplänen aufgeführt, ohne daß die einzelnen Einsätze im voraus abgesprochen werden, so ist dies ein starkes Indiz für die Arbeitnehmereigenschaft. Das hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis verkannt.

2. Die einseitige Aufstellung von Dienstplänen ist regelmäßig nur dann sinnvoll, wenn auch eine entsprechende Dienstbereitschaft der darin aufgenommenen Beschäftigen erwartet werden kann (BAG, a.a.O.). Vielfach wird den Mitarbeitern erklärt, sie seien nicht verpflichtet, die vorgesehenen Einsätze wahrzunehmen, die Dienstpläne seien also unverbindlich oder träten erst dann in Kraft, wenn ihnen die eingesetzten Mitarbeiter nicht widersprächen. Diese Auffassung läuft darauf hinaus, vertragliche Vereinbarungen über die im Dienstplan vorgesehenen Einsätze kämen erst zustande, wenn die Mitarbeiter nicht widersprächen. Das ist nicht lebensnah. Die Mitarbeiter leisten die vorgesehenen Einsätze, weil sie im Dienstplan vorgesehen sind und nicht, weil sie in jedem Einzelfall vertragliche Vereinbarungen abschließen. Bereits in seinem Urteil vom 3. Oktober 1975 (– 5 AZR 427/74 – AP Nr. 16 zu § 611 BGB Abhängigkeit) hat der Senat ausgeführt, daß die Aufstellung von Dienstplänen auch dann ein Indiz für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses ist, wenn die Betreffenden ihr Erscheinen zu den vorgesehenen Terminen jeweils durch ein Kreuz hinter ihrem Namen zu bestätigen haben.

Das den Mitarbeitern eingeräumte Recht, einzelne Einsätze abzulehnen oder zu tauschen, ändert daran nichts. In vielen Bereichen ist es üblich, daß der Arbeitgeber auf derartige Wünsche seiner Arbeitnehmer eingeht. Wer einseitig Dienstpläne aufstellt, die tatsächlich im wesentlichen eingehalten werden, und gleichzeitig erklärt, diese seien unverbindlich, verhält sich im Regelfall widersprüchlich. Entscheidend ist dann das tatsächliche Verhalten, also die Verfügung über die Arbeitskraft der Mitarbeiter nach Maßgabe der Dienstpläne.

II. Für die Arbeitnehmerstellung des Klägers sprechen mehrere vom Landesarbeitsgericht nicht hinreichend gewürdigte Umstände.

1. Bei der Kennzeichnung der zeitlichen Lage, der Art und des Umfangs der Tätigkeit auf der Magnettafel im Studio handelt es sich um einen Dienstplan. Unstreitig werden Wünsche des Klägers, an bestimmten Tagen, etwa wegen familiärer Angelegenheiten, nicht eingesetzt zu werden, zumindest im Rahmen des Möglichen berücksichtigt. Damit hat die Beklagte die Möglichkeit, den Kläger zumindest in diesem sehr weiten Rahmen nach ihren Wünschen in den Dienstplan aufzunehmen. Die Beklagte selbst hat nicht behauptet, daß die Einsätze des Klägers vor der Erstellung des Dienstplans mit ihm abgesprochen werden.

Die Beklagte verfügt durch diese Handhabung in zweifacher Hinsicht über die Arbeitsleistung des Klägers. Zum einen bestimmt sie darüber, wann er zu arbeiten hat. Zum anderen legt sie die Art der zu verrichtenden Tätigkeit fest. Das gilt zumindest hinsichtlich der Tätigkeit als Wochenredakteur und als Nachrichtenbeschaffer.

Allerdings hat die Beklagte hinsichtlich der Reporterdienste vorgetragen, daß diese jeweils im Einzelfall aufgrund der Besprechungen in den Redaktionssitzungen verteilt werden und daß der Kläger, obwohl er im Dienstplan als Reporter eingeteilt war, oft nicht als solcher tätig wurde, weil er das nicht wollte. Das Landesarbeitsgericht wird festzustellen haben, ob dieser Vortrag, der sich nur auf die Reportertätigkeit bezieht, zutrifft. Die Zurückverweisung gibt dem Kläger Gelegenheit, zum Zustandekommen seiner Einsätze als Reporter und zu den Gründen dafür, warum er des öfteren mehrere Tage hintereinander nicht arbeitete, vorzutragen. Träfen die Behauptungen der Beklagten zu, so spräche dies dafür, daß der Kläger, soweit er als Reporter tätig wird, freier Mitarbeiter ist.

2. Für die Arbeitnehmerstellung des Klägers sprechen teilweise auch Art und Organisation der Tätigkeit.

a) Das gilt zunächst für die Dienste als Wochenredakteur.

Die charakteristische Tätigkeit eines Redakteurs besteht im „Redigieren”, d.h. in der Zusammenstellung einer Zeitungs- oder Zeitschriftenausgabe oder einer Hörfunk- oder Fernsehsendung aus Einzelmeldungen und -beiträgen oder in der Überarbeitung von Manuskripten oder Beiträgen für den Druck oder die Sendung (Rehm, Lexikon, Buch, Bibliothek, Neue Medien, 1991, S. 229; ähnlich Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 3. Aufl., S. 77 Rz 20). Das Bundesarbeitsgericht hat sich diese Auffassung zu eigen gemacht (Urteil vom 21. Januar 1981 – 4 AZR 871/78 – AP Nr. 10 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk; Urteil vom 13. Mai 1981 – BAGE 35, 251 = AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Presse). Danach ist Redakteur, wer den zu publizierenden Stoff sammelt, sichtet, ordnet und bearbeitet. Ein Rundfunkredakteur hätte demnach die Aufgabe, Rundfunksendungen aus Einzelbeiträgen zusammenzustellen oder Beiträge sendefertig zu überarbeiten. Der Redakteur in diesem Sinne gestaltet zwar die Zeitung oder das Programm mit. Seine Funktion ist aber geprägt durch koordinierende und organisatorische Tätigkeiten. Er erbringt also seine Leistungen im Rahmen der vom Sender bestimmten Arbeitsorganisation; er ist damit erheblich stärker persönlich abhängig als ein Beitragsproduzent, der zwar auf Apparat und Team des Senders angewiesen ist, im übrigen aber ein größeres Maß an gestalterischer Freiheit hat. Der Redakteur in diesem Sinne ist daher nach allgemeiner Auffassung typischerweise Arbeitnehmer (BAG Urteil vom 21. Januar 1981, a.a.O.; Rehm, a.a.O.; Meyers Enzyklopädisches Lexikon, 1901, Band 19; Brockhaus, Enzyklopädie, 19. Aufl., Band 18, bezeichnen den „Redakteur” übereinstimmend als „angestellten” bzw. „festangestellten” Journalisten; ebenso Blätter zur Berufskunde, Band 2-X F 30 Journalist/Journalistin, 8. Aufl., 1989, S. 9, 17). Daher ist es nur konsequent, daß einige Sender die Beschäftigung „freier Mitarbeiter” als Redakteur untersagen.

Es trifft allerdings zu, daß der Sprachgebrauch heute nicht mehr einheitlich ist. Die Tarifvertragsparteien gehen teilweise von einem weiteren Begriff des Redakteurs aus. Er wird teilweise definiert als ein Journalist, der regelmäßig mit eigenen Wort- oder Bildbeiträgen zur Berichterstattung und Kommentierung beiträgt (vgl. die Redakteure der Beklagten betreffende Senatsurteile vom 22. Februar 1995 – 5 AZR 757/93 – und – 5 AZR 234/94 – beide juris). Der Kläger ist aber, soweit er als „Wochenredakteur” (RED I) eingesetzt wird, Redakteur im ursprünglichen engeren Sinne. Seine Funktion als Wochenredakteur ist geprägt durch koordinierende und organisatorische Tätigkeiten. Das ergibt sich auch aus dem Schriftstück vom 18. Januar 1995, das entgegen der Auffassung der Beklagten als Dienstanweisung anzusehen ist.

Gleichwohl kann gegenwärtig eine gesonderte Feststellung, der Kläger sei Arbeitnehmer, soweit er als Wochenredakteur (RED I) eingesetzt wird, nicht getroffen werden. Beide Parteien wollen das Vertragsverhältnis – bislang – rechtlich einheitlich beurteilt wissen.

b) Auch hinsichtlich der mit RED II und RED III (= CvD 2 und CvD 3) bezeichneten Dienste spricht das Schriftstück vom 18. Januar 1995 für das Vorliegen arbeitsrechtlicher Beziehungen. Danach muß der Kläger in beiden Funktionen eng mit anderen zusammenarbeiten. Die Zurückverweisung gibt den Parteien Gelegenheit, zu Art und Organisation dieser Tätigkeiten weiter vorzutragen und klarzustellen, mit welchen Bezeichnungen (RED II, RED III, MOD) die „Nachrichtendienste” des Klägers auf der Magnettafel bezeichnet werden und in welchem Umfang er sie ausübt.

3. Der Kläger sollte in der erneuten Berufungsverhandlung seinen Feststellungsantrag präzisieren. Nach der Jahresentgeltbescheinigung 1993 hat der Kläger von der Beklagten neben seinen Honoraren aus „nichtselbständiger Tätigkeit” in Höhe von 70.047,38 DM auch 7.176,16 DM Honorare aus „selbständiger Tätigkeit” erhalten. Es ist anzugeben, was die Parteien darunter verstehen und ob sich der Feststellungsantrag auch darauf erstreckt.

4. Sollte der Kläger sämtliche von seinem Feststellungsantrag umfaßte Tätigkeiten in persönlicher Abhängigkeit erbringen, so ist er Arbeitnehmer. Sind die verschiedenen Haupttätigkeiten dagegen für sich allein betrachtet unterschiedlich zu beurteilen, so ist zu prüfen, ob und ggf. wie sie sich tatsächlich, d.h. im Hinblick auf die Arbeitsorganisation voneinander abgrenzen lassen. Ist eine Abgrenzung nicht oder nur schwer möglich, so handelt es sich um eine einheitlich zu bewertende Gesamttätigkeit. Dann kommt es darauf an, welche Tätigkeit der Gesamttätigkeit das Gepräge gibt. Dafür kann der – noch festzustellende – zeitliche Anteil ein wichtiges Indiz sein. Lassen sich die verschiedenen Tätigkeiten dagegen klar von einander abgrenzen, kann dies zu der Bewertung führen, daß der Mitarbeiter in Bezug auf die eine Tätigkeit Arbeitnehmer, in Bezug auf die andere dagegen freier Mitarbeiter ist. So kann z.B. ein Rundfunkmitarbeiter als Sprecher und Aufnahmeleiter Arbeitnehmer und als Autor freier Mitarbeiter sein (BAG Urteil vom 16. Februar 1994 – 5 AZR 402/93BAGE 76, 21 = AP Nr. 15 zu § 611 BGB Rundfunk).

III. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO).

1. Die Feststellung, daß der Kläger Arbeitnehmer ist, ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil kein Arbeitsvertrag von der zuständigen Stelle der Beklagten abgeschlossen wurde. Insoweit wird auf das ebenfalls einen Mitarbeiter der Beklagten betreffende Senatsurteil vom 20. Juli 1994 (– 5 AZR 627/93BAGE 77, 226 = AP Nr. 73 zu § 611 BGB Abhängigkeit = EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 54) verwiesen.

2. Die beantragte Feststellung scheitert auch nicht an fehlender Schriftform. Die in Ziff. 211.2 des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer des Süddeutschen Rundfunks enthaltene Schriftformklausel ist nur deklaratorisch (vgl. Urteil vom 22. Februar 1995 – 5 AZR 234/94 –, a.a.O.).

3. Auch die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Rundfunkfreiheit steht der Feststellung arbeitsrechtlicher Beziehungen der Parteien nicht entgegen. Handelt es sich um befristete Arbeitsverhältnisse, ist zu berücksichtigen, daß die den Rundfunk- und Fernsehanstalten zustehende Rundfunkfreiheit die Befristung des Arbeitsvertrages mit einem programmgestaltend tätigen Arbeitnehmer rechtfertigen kann, ohne daß weitere Gründe für die Befristung erforderlich sind (BAG Urteil vom 11. Dezember 1991 – 7 AZR 128/91 – AP Nr. 144 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag). Auch insoweit wird auf das Senatsurteil vom 20. Juli 1994 (a.a.O.) verwiesen.

C. Bei der Zurückverweisung hat der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht. Nach Ziff. III 1 des Geschäftsverteilungsplans des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 11. Dezember 1995 erfolgt in einem solchen Fall die Zuteilung nach allgemeinen Grundsätzen; ausgeschlossen ist die Kammer, die die aufgehobene Entscheidung erlassen hat.

 

Unterschriften

Griebeling, Schliemann, Reinecke, Müller, Rolf Steinmann

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1093166

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