Leitsatz (redaktionell)

1.

Der Ehegattenbestandteil des Ortszuschlags (Unterschiedsbetrag zwischen der Stufe 1 und 2) halbiert sich nach § 29 Abschnitt B Abs. 5 des Tarifvertrages über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes (DRK-TV) nur dann, wenn der Ehegatte des DRKAngestellten nach den konkreten Verhältnissen einen Anspruch auf Ortszuschlag der Stufe 2 hat. Es kommt nicht darauf an, welchen Ortszuschlag der Ehegatte erhielte, wenn der DRK-Angestellte selbst keinen Anspruch auf Ortszuschlag hätte.

2.

§ 29 Abschnitt B Abs. 5 DRK-TV sieht von einer Kürzung des Ortszuschlags ab, wenn der andere Arbeitgeber den Arbeitnehmern, deren Ehepartner beim DRK beschäftigt ist, keinen Ehegattenbestandteil des Ortszuschlags zahlen muß. Anlage 1 Abschnitt V Abs. h Unterabs. 2 Satz 1 der Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) enthält eine derartige Gegenkonkurrenzklausel, die nach § 29 Abschnitt B Abs. 5 DRK-TV zu beachten ist.

 

Verfahrensgang

LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 13.06.1996; Aktenzeichen 5 Sa 72/96)

ArbG Trier (Entscheidung vom 21.12.1995; Aktenzeichen 2 Ca 1530/95)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Höhe des dem Kläger zustehenden Ortszuschlages.

Der verheiratete Kläger ist seit 1. Februar 1972 beim Beklagten als Rettungsassistent vollzeitbeschäftigt. Kraft beiderseitiger Tarifbindung ist auf das Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag über die Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes (DRK-TV) anzuwenden. Nach § 29 Abschnitt A Abs. 1 DRK-TV richtet sich die Höhe des Ortszuschlages nach der Tarifklasse, der die Vergütungsgruppe des Angestellten zugeteilt ist, und nach der Stufe, die den Familienverhältnissen des Angestellten entspricht. Wenn beide Ehepartner berufstätig sind, gelten folgende Regelungen des § 29 Abschnitt B Abs. 5 und 7 DRK-TV:

"(5) Steht der Ehegatte eines Angestellten im Dienst des DRK oder eines anderen Arbeitgebers, der in Anlehnung an den BAT einen entsprechenden Ortszuschlag zahlt, und stünde ihm ebenfalls der Ortszuschlag der Stufe 2 oder eine entsprechende Leistung in Höhe von mindestens der Hälfte des Unterschiedsbetrages zwischen der Stufe 1 und der Stufe 2 des Ortszuschlages der höchsten Tarifklasse zu, erhält der Angestellte den Unterschiedsbetrag zwischen der Stufe 1 und der Stufe 2 des für ihn maßgebenden Ortszuschlages zur Hälfte; ...

(7) Steht der Ehegatte eines Angestellten im öffentlichen Dienst oder ist er aufgrund einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versorgungsberechtigt, erhält der Angestellte den Ortszuschlag nach Stufe 1. ..."

Die Ehefrau des Klägers ist als Teilzeitkraft im St. Elisabeth-Krankenhaus in G tätig. Auf ihr Arbeitsverhältnis sind die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR-Caritas) anzuwenden. In Anlage 1 Abschnitt V Abs. h der AVR-Caritas heißt es zum Ortszuschlag:

"Ist der Ehegatte eines Mitarbeiters im Geltungsbereich der AVR oder in einem anderen Tätigkeitsbereich der katholischen Kirche tätig und stünde ihm ebenfalls der Ortszuschlag der Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen oder eine entsprechende Leistung in Höhe von mindestens der Hälfte des Unterschiedsbetrages zwischen der Stufe 1 und der Stufe 2 des Ortszuschlages der Tarifklasse I b zu, so erhält der Mitarbeiter den Unterschiedsbetrag zwischen der Stufe 1 und der Stufe 2 des für ihn maßgebenden Ortszuschlages zur Hälfte. ...

Ist der Ehegatte eines Mitarbeiters außerhalb der in Unterabsatz 1 Satz 1 genannten Bereiche tätig und hat er Anspruch auf Ortszuschlag oder entsprechende Leistungen wesentlich gleichen Inhalts in Höhe der Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen oder eine entsprechende Leistung in Höhe von mindestens dem Unterschiedsbetrag zwischen der Stufe 1 und der Stufe 2 des Ortszuschlags der Tarifklasse I b, so erhält der Mitarbeiter den Ortszuschlag der Stufe 1. ..."

Die Ehefrau des Klägers erhielt von ihrem Arbeitgeber lediglich den Ortszuschlag nach Stufe 1. Der Beklagte zahlte dem Kläger bis zum 31. Dezember 1994 den Ortszuschlag der Stufe 2. Seit dem 1. Januar 1995 gewährt sie ihm den Ortszuschlag der Stufe 1 und die Hälfte des Unterschiedsbetrages zwischen der Stufe 1 und 2.

Für die Monate Januar bis einschließlich August 1995 hat der Kläger die Differenz zum ungekürzten Ortszuschlag der Stufe 2 eingeklagt. Der Unterschiedsbetrag beläuft sich unstreitig auf insgesamt 678,12 DM. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, nach § 29 DRK-TV stehe ihm der volle Ehegattenbestandteil zu. Seine teilzeitbeschäftigte Ehefrau könne von ihrem Arbeitgeber nur den Ortszuschlag der Stufe 1 verlangen. Dies ergebe sich aus der Subsidiaritätsvorschrift der Anlage 1 Abschnitt V Abs. h Unterabs. 2. Diese Regelung sei rechtlich nicht zu beanstanden.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, für die Monate Januar bis einschließlich August 1995 an ihn 678,12 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 20. Oktober 1995 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe keinen Anspruch auf den ungekürzten Ortszuschlag der Stufe 2. Die Zahlungen bis zum 31. Dezember 1994 beruhten auf einem Fehler in der Lohnbuchhaltung. Dieser Fehler sei erst bei der Umstellung der Lohnbuchhaltung aufgedeckt worden. Seit dem 1. Januar 1995 erhalte der Kläger den ihm nach § 29 Abschnitt B DRK-TV zustehenden Ortszuschlag. Nach der Konkurrenzregelung des § 29 Abschnitt B Abs. 5 DRK-TV müsse nur der halbe Ehegattenbestandteil des Ortszuschlags gewährt werden. Die andere Hälfte könne die Ehefrau des Klägers von ihrem Arbeitgeber verlangen. Auch die AVR-Caritas sähen eine Aufteilung des Ortszuschlags vor. Das Konkurrenzverhältnis könne nicht allein zu Lasten des Beklagten gelöst werden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Mit der Revision möchte der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Beklagte hat dem Kläger nach § 29 Abschnitt B DRK-TV den vollen Ortszuschlag der Stufe 2 zu zahlen.

I. Der verheiratete Kläger gehört nach § 29 Abschnitt B Abs. 2 Nr. 1 DRK-TV zur Stufe 2. Der sog. Ehegattenbestandteil des Ortszuschlags (Unterschiedsbetrag zwischen der Stufe 1 und 2) ist nicht nach § 29 Abschnitt B Abs. 5 DRK-TV zu kürzen, weil der Ehefrau des Klägers nur der Ortszuschlag der Stufe 1 zusteht.

1. Die Kürzungsvorschrift stellt darauf ab, ob der Ehegatte des DRK-Mitarbeiters nach den konkreten Verhältnissen Ortszuschlag der Stufe 2 verlangen kann. Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt es nicht darauf an, welchen Ortszuschlag die Ehefrau erhielte, wenn der Kläger selbst keinen Anspruch auf Ortszuschlag hätte. Eine derartige fiktive Betrachtung ergibt sich nicht daraus, daß die Tarifvertragsparteien in § 29 Abschnitt B Abs. 5 Satz 1 DRK-TV das Wort "zustünde" und nicht das Wort "zusteht" verwandt haben.

a) Die Verwendung des Konjunktivs beruht auf sprachlichen Gründen. Da sich der Ehegattenbestandteil nach § 29 Abschnitt B Abs. 5 Satz 1 DRK-TV halbiert, kann dem beim DRK beschäftigten Ehegatten nicht "ebenfalls" der volle Ortszuschlag nach Stufe 2 "zustehen". Die weitere Alternative (Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber, der in Anlehnung an den BAT einen entsprechenden Ortszuschlag zahlt) ist durch den 12. Änderungstarifvertrag vom 1. Juli 1992 eingefügt worden. Die Verwendung des Konjunktivs war nach wie vor sinnvoll. Die Formulierung "ebenfalls zustünde" verdeutlicht, daß ansonsten entstehende Doppelzahlungen vermieden werden sollen.

b) Dem Zweck der Kürzungsvorschrift entspricht es, nicht auf fiktive, sondern auf bestehende Ansprüche abzustellen. § 29 Abschnitt B Abs. 5 DRK-TV soll ebenso wie § 40 Abs. 5 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) und § 29 Abschnitt B Abs. 5 BAT dafür sorgen, daß der Ehegattenbestandteil des Ortszuschlags nur einmal in voller Höhe gewährt werden muß. Dieses Ziel ist erreicht, wenn ein Ehegatte im konkreten Fall lediglich den Ortszuschlag nach Stufe 1 verlangen kann.

2. § 29 Abschnitt B Abs. 5 DRK-TV sieht von einer Kürzung des Ortszuschlags ab, wenn der andere Arbeitgeber den Arbeitnehmern, deren Ehepartner beim DRK beschäftigt ist, keinen Ehegattenbestandteil zahlen muß. Die Ehefrau des Klägers erhält wegen einer derartigen Gegenkonkurrenzklausel nur den Ortszuschlag nach Stufe 1.

a) § 29 Abschnitt B Abs. 5 DRK-TV stimmt mit § 40 Abs. 5 BBesG, § 29 Abschnitt B Abs. 5 BAT überein und berücksichtigt ebenso wie diese Vorschriften Gegenkonkurrenzklauseln.

aa) Bereits in Nr. 40.5.5 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesbesoldungsgesetz (BBesGVwV) vom 23. November 1979 (GMBl. 1980 S. 3, 15) wurde darauf hingewiesen, daß Gegenkonkurrenzklauseln bei der Anwendung des § 40 Abs. 5 BBesG zu beachten sind. § 29 Abschnitt B Abs. 5 BAT hat sich an § 40 Abs. 5 BBesG angelehnt. Zwischen den Tarifvertragsparteien bestand auch Einvernehmen darüber, daß die Verwaltungsvorschriften zu den Ortszuschlagsregelungen - auf die bisher als Teil der "Bestimmungen" verwiesen war - weiterhin anzuwenden seien (vgl. Breier/Hoffmann/ Kiefer/Pühler, BAT, Stand: 1. August 1997, § 29 Erl. 2 und 6).

bb) § 29 Abschnitt B Abs. 7 DRK-TV enthält selbst eine Gegenkonkurrenzklausel zu Lasten des öffentlichen Dienstes. Die Problematik war damit den Tarifvertragsparteien bekannt. Trotzdem haben sie in § 29 Abschnitt B Abs. 5 DRK-TV eine Regelung aufgenommen, die dem § 29 Abschnitt B Abs. 5 BAT entspricht und für eine Gegenkonkurrenzklausel anderer Arbeitgeber offen ist.

b) Eine derartige Auffangregelung mußte nicht in den Tarifvertrag aufgenommen werden. Wenn dies jedoch geschieht, müssen die tarifgebundenen Arbeitgeber sie befolgen (§ 4 Abs. 1 TVG). Außerhalb des Geltungsbereichs des DRK-TV entscheiden die Arbeitsvertragsparteien oder die zuständigen Tarifvertragsparteien über die Ausgestaltung eines etwaigen Ortszuschlags. Sie sind nicht verpflichtet, die Mitgliedsvereine des DRK vor finanziellen Belastungen zu bewahren, zumal es keine allgemeine Verpflichtung zur Zahlung von Ortszuschlägen gibt.

c) Anlage 1 Abschnitt V Abs. h Unterabs. 2 Satz 1 der AVR enthält eine Gegenkonkurrenz(Subsidiaritäts)klausel.

aa) Bereits aus dem Wortlaut der Regelung ergibt sich, daß die kirchlichen Einrichtungen nur nachrangig den Ortszuschlag der Stufe 2 zahlen wollen. Der kirchliche Mitarbeiter soll keinen Anspruch auf den Ehegattenbestandteil des Ortszuschlags haben, wenn sein im außerkirchlichen Bereich beschäftigter Ehegatte Anspruch auf den vollen Ortszuschlag der Stufe 2 hat.

bb) Systematische Erwägungen sprechen ebenfalls für eine Subsidiaritätsklausel. Abschnitt V Abs. h Unterabs. 1 der Anlage 1 zur AVR stimmt weitgehend mit § 29 Abschnitt B Abs. 5 BAT und § 29 Abschnitt B Abs. 5 DRK-TV überein. Diese Regelung ist jedoch nur dann anwendbar, wenn der Ehegatte des Caritas-Mitarbeiters im kirchlichen Bereich beschäftigt ist. Nur insoweit gilt das Hälftelungsprinzip. Dagegen wollen sich die kirchlichen Einrichtungen durch eine nachrangige Verpflichtung entlasten, wenn der Ehegatte ihres Mitarbeiters im außerkirchlichen Bereich beschäftigt ist.

d) Die Voraussetzungen des Ausschlußtatbestandes der Anlage 1 Abschnitt V Abs. h Unterabs. 2 Satz 1 AVR sind erfüllt. Der Kläger ist weder im Geltungsbereich der AVR noch in einem anderen kirchlichen Bereich tätig. Er hat nach § 29 Abschnitt B DRK-TV Anspruch auf Ortszuschlag in Höhe der Stufe 2. Ihm steht, weil § 29 Abschnitt B Abs. 5 DRK-TV für Gegenkonkurrenzklauseln offen ist, der volle Ehegattenbestandteil zu. Seine Ehefrau kann von ihrem Arbeitgeber lediglich den Ortszuschlag der Stufe 1 verlangen.

II. Der unterlegene Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 438695

BB 1998, 1540

FA 1998, 300

RdA 1998, 251

ZTR 1998, 317

AP, 0

PersR 1998, 257

RiA 1998, 285

PflR 1999, 60

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