Entscheidungsstichwort (Thema)

Gleichbehandlung bei Gehaltserhöhung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Erhöht der Arbeitgeber, wenn auch in individuell unterschiedlicher Höhe und zu unterschiedlichen Zeitpunkten, während mehrerer Jahre in ungefährem Jahresrhythmus die Gehälter der ganz überwiegenden Mehrzahl seiner Arbeitnehmer (hier 80 - 90%), so spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, daß in diesen Erhöhungen - gegebenenfalls neben individuell bemessenen Erhöhungsbeträgen - jedenfalls ein Grundbetrag zum Zwecke des Kaufkraftausgleichs enthalten ist. Von der Gewährung eines solchen Grundbetrages, der sich regelmäßig als Prozentsatz des jeweiligen Gehalts darstellen wird, darf ein Arbeitnehmer nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz nur bei Vorliegen sachlicher Gründe ausgeschlossen werden, die mit dieser Zwecksetzung vereinbar sind.

2. In welchem Umfang in solchen individuellen Gehaltserhöhungen auch eine Komponente zum Ausgleich oder zur Minderung des seit der jeweils letzten Gehaltsfestlegung eingetretenen Kaufkraftverlustes enthalten ist, kann mangels näherer Aufschlüsselung durch den Arbeitgeber im Wege einer Schätzung nach § 287 Abs 2 ZPO ermittelt werden.

 

Normenkette

BGB §§ 315, 242; ZPO § 287 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LAG Bremen (Entscheidung vom 31.05.1983; Aktenzeichen 4 Sa 347/82)

LAG Bremen (Entscheidung vom 31.05.1983; Aktenzeichen 4 Sa 286/82)

ArbG Bremen (Entscheidung vom 05.08.1982; Aktenzeichen 8 Ca 8146/82)

ArbG Bremen (Entscheidung vom 05.08.1982; Aktenzeichen 8 Ca 8452/81)

 

Tatbestand

Gegenstand der Revision sind zwei vom Landesarbeitsgericht verbundene Verfahren, in denen die Beklagte von den Klägern auf Zahlung einer Gehaltserhöhung in Anspruch genommen wird.

I. Die Beklagte betreibt ein Fruchtvertrieb-Großhandelsunternehmen. Sie beschäftigt 235 Mitarbeiter und unterliegt keinen tarifvertraglichen Bindungen. Nach ihren eigenen Angaben erhöht sie die Arbeitsentgelte ihrer Arbeitnehmer von Fall zu Fall und legt dabei die Kriterien "Qualifikation, Alter, Familienstand, Unterhaltsverpflichtungen, Betriebszugehörigkeit und Leistung der Arbeitnehmer" zugrunde. Die Gehaltserhöhungen erfolgen zum 1. Januar, 1. April, 1. Mai, 1. Juli oder 1. Oktober eines jeden Jahres, bei einem Teil der Arbeitnehmer auch mehrmals im Jahr.

Die betriebsdurchschnittliche Steigerungsrate der Arbeitsentgelte aller Arbeitnehmer der Beklagten betrug im Jahre 1979 198,-- DM je Arbeitnehmer, im Jahre 1980 209,-- DM je Arbeitnehmer und im Jahre 1981 198,-- DM je Arbeitnehmer. Bei der Errechnung dieses Durchschnitts sind auch die Arbeitnehmer mitgezählt worden, die keine Gehaltserhöhung bekommen haben. Dies waren im Jahre 1979 mindestens elf Arbeitnehmer, im Jahre 1980 mindestens 18 Arbeitnehmer, im Jahre 1981 mindestens 31 Arbeitnehmer; nach den Behauptungen der Beklagten lag die Zahl jeweils höher. Ob außer den Klägern auch andere Arbeitnehmer über mehrere Jahre hinweg bei Gehaltserhöhungen unberücksichtigt geblieben sind, hat die Beklagte nicht vorgetragen.

Die größte einzelne Gehaltserhöhung betrug im Jahre 1979 1.100,-- DM, im Jahre 1980 1.050,-- DM und im Jahre 1981 800,-- DM monatlich. Die entsprechende geringste Gehaltserhöhung betrug im Jahre 1979 150,-- DM, 1980 ebenfalls 150,-- DM und 1981 125,-- DM monatlich.

Die durchschnittliche Erhöhung der tariflichen Arbeitsentgelte in der Bundesrepublik Deutschland belief sich im Jahre 1979 auf 4,8 %, im Jahre 1980 auf 6,9 % und im Jahre 1981 auf 4,8 %. Der Preisanstieg betrug in denselben Zeiträumen in der Bundesrepublik Deutschland 4,1 %, 5,5 % bzw. 5,9 %.

II. Der Kläger zu 1) ist kaufmännischer Angestellter und seit 1961 bei der Beklagten beschäftigt. Er ist schwerbehindert, verheiratet und hat zwei Kinder, die sich in der Ausbildung befinden. Bis 1973 umfaßte sein Tätigkeitsbereich nach einem von der Beklagten ausgestellten Zwischenzeugnis vom 25. Oktober 1973 folgende Aufgaben:

"Bereich TV/Rundfunk

Mitarbeit an der Planung und Durchführung von TV- und

Rundfunkkampagnen, Kontaktaufnahme und -pflege zu

Presse, Rundfunk, Fernsehen und anderen öffentlichen

Institutionen

Organisation von Werbe-Veranstaltungen

Einführung unserer Haus- und Kundenzeitschriften,

für die Herr M zunächst die Alleinredaktion

übernahm und bei deren Erstellung er jetzt weiterhin

mitwirkt:

Artikelauswahl, Artikelerstellung, Bildauswahl,

Gestaltung

Planung und Durchführung von Public Relations

Aktionen."

Ab Februar 1981 hatte der Kläger zu 1) folgende Tätigkeiten zu verrichten:

"1. Sämtliche Zeitungen (Zeitschriften) verteilen

- mit der dazugehörigen Karteiführung -, ferner

Prüfung der eingehenden Rechnungen für sämtliche

Publikationen.

Presseschau erstellen, d.h.:

Lesen sämtlicher Zeitungen (Bremer Nachrichten,

Weser-Kurier, Handelsblatt, Die Welt, FAZ, DVZ

u.a.), Artikel fotokopieren, zusammenstellen,

zur Verteilung bringen. Mappen erstellen.

Bücherarchiv in Ordnung halten.

Rezeptwünsche für Interessenten erfüllen.

2. Materialausgabe mittwochs

Materialausgabe vorbereiten dienstags

Büromaterialbestellung, Einkauf und Abrechnung.

3. Periodisch fotografieren - aber wöchentlich

mindestens einmal.

4. Diverse kleine Gefälligkeiten erweisen."

Ab September 1981 übernahm der Kläger zu 1) eine Tätigkeit im Bereich Rechnungswesen, Abteilung Registratur, Mikroverfilmung, als Archivar.

Der Versetzung des Klägers zu 1) im Jahre 1973 hatte der damalige Betriebsrat der Beklagten u.a. nur unter der Voraussetzung zugestimmt, daß dem Kläger durch die Versetzung keine finanziellen Nachteile entstünden. Der Versetzung im Jahre 1981 widersprach der Betriebsrat.

Der Kläger zu 1) hat seit 1966 folgende Gehaltserhöhungen bekommen:

1.10.1966 von 875,-- DM auf 1.100,-- DM monatlich

1.01.1967 auf 1.200,-- DM monatlich

1.01.1969 auf 1.300,-- DM monatlich

1.07.1969 auf 1.500,-- DM monatlich

1.01.1971 auf 1.600,-- DM monatlich

1.10.1972 auf 1.750,-- DM monatlich

1.09.1973 auf 1.830,-- DM monatlich

1.04.1974 auf 1.950,-- DM monatlich

1.07.1975 auf 2.100,-- DM monatlich

1.05.1976 auf 2.250,-- DM monatlich

1.05.1978 auf 2.450,-- DM monatlich

Seit diesem Zeitpunkt ist sein Gehalt nicht mehr erhöht worden. In der Vergangenheit hat er mehrfach um eine weitere Gehaltserhöhung nachgesucht. Die Beklagte hat diese Forderungen stets abgelehnt.

Mit der Klage macht der Kläger zu 1) Gehaltserhöhungen für das Jahr 1979 in Höhe von 100,-- DM brutto monatlich, für das Jahr 1980 in Höhe von weiteren 100,-- DM brutto monatlich und schließlich für Januar bis Oktober 1981 einen weiteren monatlichen Erhöhungsbetrag von wiederum 100,-- DM brutto, insgesamt also einen Gehaltsbetrag von 6.600,-- DM brutto geltend. Er hat im wesentlichen vorgetragen, mindestens 95 % der Arbeitnehmer der Beklagten hätten eine lineare Gehaltserhöhung in den Jahren 1979 bis 1981 erhalten. Er sei der einzige, dessen Gehalt nicht erhöht worden sei. Die von der Beklagten dafür angegebenen Gründe träfen nicht zu. Zumindest von der linearen Gehaltserhöhung habe er nicht ausgeschlossen werden dürfen.

Der Kläger zu 1) hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.600,-- DM

brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat bestritten, in den fraglichen Jahren eine lineare Gehaltserhöhung vorgenommen zu haben. Abgestellt werde auf die von ihr im einzelnen bezeichneten Kriterien unter besonderer Berücksichtigung der Leistung. Der Kläger zu 1) habe schon deshalb keine Gehaltserhöhung mehr bekommen können, weil er nach Veränderung seines Aufgabenbereiches qualitativ nur Tätigkeiten verrichte, die denen der Mitarbeiter in der Poststelle entsprächen. Diese verdienten jedoch nur 1.950,-- DM monatlich. Der Kläger zu 1) werde deshalb überbezahlt. Mit den Arbeitnehmern, denen eine Gehaltserhöhung gewährt worden sei, hätten vor jeder Gehaltserhöhung eingehende Gespräche stattgefunden.

III. Der Kläger zu 2) ist kaufmännischer Angestellter und seit 1972 in der Personalabteilung der Beklagten tätig. Während der bisherigen Dauer des Arbeitsverhältnisses hat er jährlich mindestens eine Gehaltserhöhung erhalten. Im einzelnen erfolgten diese zum 1. Oktober 1972, 1. Juli 1973, 1. Januar 1974, 1. August 1974, 1. September 1975, 1. Juli 1976, 1. August 1977, 1. September 1978 und letztmalig zum 1. September 1979. Sie bewegten sich im Rahmen von 25,-- DM bis 350,-- DM pro Erhöhung. Seit der letzten Gehaltserhöhung bezieht der Kläger zu 2) ein Gehalt von monatlich 2.400,-- DM brutto. Vor jeder Gehaltserhöhung wurde er von der Beklagten durch ein Schreiben folgenden Wortlauts informiert:

"Sehr geehrter Herr W ,

wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, daß wir

Ihr Gehalt mit Wirkung vom ... auf DM ... pro Monat

neu festgesetzt haben."

In einem Vorprozeß, in dem der Kläger zu 2) die Beklagte auf Gehaltserhöhungen für die Monate September bis Dezember 1980 in Anspruch genommen hatte, hat das Arbeitsgericht Bremen durch rechtskräftiges Urteil vom 8. Oktober 1981 - 8 Ca 8052/81 - dem Kläger zu 2) 600,-- DM brutto (150,-- DM pro Monat) zugesprochen. In dem jetzt anhängigen Verfahren hatte deshalb die Berufungsklägerin zunächst negative Feststellungsklage erhoben, diese aber, nachdem der Kläger zu 2) eine Widerklage eingereicht hatte, zurückgenommen.

Mit dieser Widerklage begehrt der Kläger zu 2) eine Erhöhung seines Gehalts für den Zeitraum von Januar 1981 bis Februar 1982 um monatlich 150,-- DM brutto. Auch er hat im wesentlichen vorgetragen, mindestens 95 % der Arbeitnehmer der Beklagten hätten in den Jahren 1979 bis 1981 eine lineare Gehaltserhöhung bekommen. Auch er bestreitet das Vorliegen der von der Beklagten für seine Auslassung bei den Gehaltserhöhungen vorgetragenen Gründe und meint, daß er zumindest von der linearen Gehaltserhöhung nicht hätte ausgeschlossen werden dürfen.

Der Kläger zu 2) hat mit seiner Widerklage beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.100,-- DM

brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Widerklage abzuweisen. Sie hat auch in diesem Verfahren bestritten, in den fraglichen Jahren eine lineare Gehaltserhöhung vorgenommen zu haben, und vorgetragen, auf die von ihr im einzelnen bezeichneten Kriterien unter besonderer Berücksichtigung der Leistung abgestellt zu haben. Der Kläger zu 2) könne keine Gehaltserhöhung bekommen, weil er sich arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen habe zuschulden kommen lassen, wie z.B. häufiges Zuspätkommen. Außerdem habe er seine Vorgesetzten beleidigt.

IV. Das Arbeitsgericht hat der Klage des Klägers zu 1) und der Widerklage des Klägers zu 2) mit der Begründung stattgegeben, die langjährige Praxis der Lohnerhöhungen stelle sich als ein übereinstimmendes schlüssiges Verhalten der Parteien dar, das zu einer vertraglichen Bindung der Beklagten geführt habe, die Gehälter zu erhöhen. Die Entscheidung der Beklagten, den Klägern seit 1979 bzw. 1980 keine Gehaltserhöhung zu gewähren, entspreche nicht dem billigen Ermessen des § 315 BGB. Seit Institutionalisierung inflationärer Geldentwicklung würden die Kriterien für eine Gehaltserhöhung nicht nur durch Leistung oder Produktivitätssteigerung bestimmt. Der Ausgleich des Preisverfalls sei bei der Abwägung der auch von der Beklagten benannten Kriterien dominant. Die geforderte Erhöhung des Gehaltes von 100,-- DM brutto bzw. 150,-- DM brutto pro Monat entspreche der Billigkeit, da diese unter dem durchschnittlichen Lohnerhöhungsniveau bei der Beklagten liege.

Das Landesarbeitsgericht hat beide Verfahren miteinander verbunden und die Berufungen der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren auf Klageabweisung weiter. Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.

I. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt: Es könne dahingestellt bleiben, ob die Begründung des Arbeitsgerichts dessen Entscheidung trage. Die Klageansprüche seien jedenfalls aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes begründet. In den von der Beklagten jeweils während eines Kalenderjahres vorgenommenen Gehaltserhöhungen sei eine lineare Komponente zum Zwecke des Kaufkraftausgleichs in Höhe des Mindestbetrages enthalten, den die Beklagte im jeweiligen Jahre jedem Arbeitnehmer, der überhaupt eine Gehaltserhöhung erhalten habe, gewährt habe. Dieser Mindestbetrag, der sich in den Jahren 1979 und 1980 auf 150,-- DM und 1981 auf 125,-- DM belaufen habe, stehe den Klägern mit Ablauf jeweils eines Jahres seit ihrer letzten Gehaltserhöhung zu, weil sachliche Gründe für ihren Ausschluß von Gehaltserhöhungen nicht vorgelegen hätten.

II. Diese Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist nicht in allen Punkten rechtsfehlerfrei. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht das Klagebegehren unter dem Gesichtspunkt des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes geprüft. Eine andere Anspruchsgrundlage scheidet im vorliegenden Falle aus. Insbesondere läßt sich aus der langjährigen Gehaltserhöhungspraxis der Beklagten entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts keine vertragliche Verpflichtung der Beklagten herleiten, die Gehälter ihrer Arbeitnehmer auch in Zukunft in bestimmten Zeitabständen nach billigem Ermessen zu erhöhen. Wie der Senat in seinem auch zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 4. September 1985 - 7 AZR 262/83 - entschieden hat, kann allein aus der Tatsache, daß der Arbeitgeber in der Vergangenheit wiederholt Gehaltserhöhungen vorgenommen hat, nicht auf einen Verpflichtungswillen des Arbeitgebers geschlossen werden, künftig in gleicher Weise zu verfahren oder seinen Arbeitnehmern wenigstens einen Anspruch auf Gehaltserhöhungen nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) einzuräumen. Die Kläger können ihr Klagebegehren daher nur auf den Gleichbehandlungsgrundsatz stützen. Dem steht nicht entgegen, daß die Gehaltserhöhungen bei den einzelnen Arbeitnehmern der Beklagten jeweils zu unterschiedlichen Zeitpunkten und in unterschiedlicher Höhe erfolgt sind. Auch bei individuell festgesetzten Gehaltserhöhungen kann der Arbeitgeber jedenfalls hinsichtlich eines in diesen Gehaltserhöhungen enthaltenen Grundbetrages, der dem Kaufkraftausgleich dient, zur Gleichbehandlung verpflichtet sein. Das hat das Landesarbeitsgericht richtig erkannt.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (seit Urteil vom 13. September 1956 - 2 AZR 152/54 - AP Nr. 3 zu § 242 BGB Gleichbehandlung) verbietet der Gleichbehandlungsgrundsatz dem Arbeitgeber, einzelne Arbeitnehmer oder einzelne Arbeitnehmergruppen von einer allgemeinen begünstigenden Regelung willkürlich, d.h. ohne Vorliegen sachlicher Gründe auszunehmen. Liegt ein sachlicher Grund nicht vor, so kann der übergangene Arbeitnehmer verlangen, nach Maßgabe der allgemeinen Regelung behandelt zu werden (vgl. z.B. BAG Urteil vom 30. November 1982 - 3 AZR 214/80 - AP Nr. 54 zu § 242 BGB Gleichbehandlung m.w.N.).

2. Auch im Bereich der Arbeitsvergütung wendet das Bundesarbeitsgericht den Gleichbehandlungsgrundsatz jedenfalls insoweit an, als es sich um freiwillige Lohnerhöhungen oder die gleichgelagerte Frage des Verzichts des Arbeitgebers auf eine ihm einzelvertraglich mögliche Anrechnung übertariflicher Lohnbestandteile auf eine Tariflohnerhöhung handelt. Diese Rechtsprechung wurde durch Urteil vom 25. April 1959 (- 2 AZR 363/58 - AP Nr. 15 zu § 242 BGB Gleichbehandlung) eingeleitet: Trägt der Arbeitgeber einer den Gesamtbereich des Arbeitslebens erfassenden Lohnwelle bei der Mehrzahl seiner Arbeitnehmer durch Lohnerhöhungen Rechnung, so darf er einzelne Arbeitnehmer nicht ohne sachlichen Grund ausnehmen. Nach dem Urteil vom 9. November 1972 (- 5 AZR 224/72 - AP Nr. 36 zu § 242 BGB Gleichbehandlung) kann auch in unterschiedlichen, u.a. nach Leistungsgesichtspunkten bemessenen Lohnerhöhungen eine "lineare Komponente" angesichts des Anstiegs der Preise und Gehälter enthalten sein; jedenfalls von einem derartigen "Grundbetrag" darf ein Arbeitnehmer nur nach Maßgabe des Gleichbehandlungsgrundsatzes ausgeschlossen werden. In den Entscheidungen vom 4. Februar 1976 - 5 AZR 83/75 -, vom 17. Mai 1978 - 5 AZR 132/77 -, vom 5. März 1980 - 5 AZR 881/78 -, vom 10. März 1982 - 4 AZR 540/79 - und vom 9. Juni 1982 - 5 AZR 501/80 - (AP Nr. 40, 42, 44, 47 und 51 zu § 242 BGB Gleichbehandlung) hat das Bundesarbeitsgericht bestätigt, daß der Gleichbehandlungsgrundsatz auch auf freiwillige Gehaltserhöhungen zur Anwendung kommt, soweit sie auf einer allgemeinen Regelung des Arbeitgebers beruhen.

3. Dieser Rechtsprechung, an der der erkennende Senat festhält, liegt die Wertung zugrunde, daß der Arbeitgeber an eine von ihm gesetzte, aus seinem tatsächlichen Verhalten erkennbare Regel in der Weise gebunden ist, daß er nur aus sachlichen Gründen von ihr abweichen darf. Eine solche Regelhaftigkeit braucht nicht das gesamte Arbeitgeberverhalten in einer bestimmten Frage zu beeinflussen, sondern kann sich auf einen Teil der Arbeitgeberentscheidung beschränken.

Deshalb ist die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei Gehaltserhöhungen nicht auf Fälle beschränkt, in denen die Gehaltserhöhungen insgesamt nach Maßgabe einer allgemeinen, betriebseinheitlichen Regelung erfolgen. Zwar kann sich ein Leistungsanspruch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz nur insoweit ergeben, als sich im tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers gegenüber anderen Arbeitnehmern eine Regelhaftigkeit feststellen läßt. Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Gewährung einer Gehaltserhöhung in gleicher Höhe, wie sie anderen Arbeitnehmern gewährt wurde, kann daher nur bestehen, wenn der gesamte Umfang der Gehaltserhöhungen auf einer allgemeinen Regel beruht. Auch bei in ihrem Gesamtbetrag individuellen Erhöhungen kann jedoch ein Teilbetrag auf einer allgemeinen Regel beruhen, wie das Bundesarbeitsgericht insbesondere in seinem bereits angeführten Urteil vom 9. November 1972 (AP Nr. 36 zu § 242 BGB Gleichbehandlung) klargestellt hat. Allein hierum aber geht es im Entscheidungsfall.

4. Entgegen der Revisionsbegründung ist es auch nicht ausgeschlossen, den Gleichbehandlungsgrundsatz auf Fälle anzuwenden, in denen Gehaltserhöhungen nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgen, sondern auf verschiedene Zeitpunkte innerhalb eines zu betrachtenden Gesamtzeitraums verteilt werden. Zwar weisen die der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. insbesondere die bereits angeführten Entscheidungen AP Nr. 15, 36, 40, 42 zu § 242 BGB Gleichbehandlung) zugrunde liegenden Sachverhalte in der Tat die Gemeinsamkeit auf, daß die Gehaltserhöhungen jeweils zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgten. Diese Rechtsprechung besagt jedoch nicht, der einheitliche Zeitpunkt sei unerläßliche Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes.

Die Feststellung eines einheitlichen Zeitpunkts der den übrigen Arbeitnehmern gewährten Gehaltserhöhung erleichtert zwar (ebenso wie eine bestimmte Gesamthöhe der gewährten Gehaltserhöhungen) die Bestimmung des I n h a l t s eines sich aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz ergebenden Anspruchs. Für die Feststellung des (möglicherweise sachwidrigen) völligen Ausschlusses des einzelnen Arbeitnehmers von einer Gehaltserhöhung (statt ihrer lediglich späteren Gewährung) aber kommt es in erster Linie auf die Betrachtung eines Zeitraums an. Entscheidend ist, daß der Arbeitnehmer während eines bestimmten Zeitraums keine Gehaltserhöhung erhalten hat, obwohl seine Arbeitskollegen während dieses Zeitraums, wenn auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten, bedacht worden sind. Dies wird besonders deutlich, wenn es - wie hier - um eine anteilige Gleichbehandlung jedenfalls in Höhe eines dem Kaufkraftausgleich dienenden Teilbetrags der erfolgten Gehaltserhöhungen geht. Ein Kaufkraftausgleich pflegt wegen seiner Anlehnung an einen Index der Steigerung der Lebenshaltungskosten auf Jahresbasis berechnet zu werden. Bei der für die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes erforderlichen Feststellung einer (sachwidrigen) Benachteiligung einzelner Arbeitnehmer kann daher hier nicht lediglich auf einzelne Zeitpunkte abgestellt werden, sondern es sind die tatsächlichen Ereignisse innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu betrachten. Auf die vom Landesarbeitsgericht angestellten Mißbrauchsüberlegungen und die hiergegen gerichteten Revisionsangriffe kommt es daher nicht an.

5. Es kann rechtlich auch nicht beanstandet werden, daß das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt ist, in den von der Beklagten vorgenommenen Gehaltserhöhungen sei ein Grundbetrag ("lineare Komponente") enthalten, durch den ein Kaufkraftverlust ausgeglichen werden sollte.

a) Das Landesarbeitsgericht ist hierbei in tatsächlicher Hinsicht insbesondere davon ausgegangen, von den durchschnittlich 235 bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmern hätten im Jahre 1979 lediglich 11, im Jahre 1980 18 und im Jahre 1981 31 Arbeitnehmer keine Gehaltserhöhung erhalten. In den der Beurteilung zugrunde gelegten Zeiträumen von jeweils einem Kalenderjahr seien daher zum Teil bei weit über 80 % der Arbeitnehmer, mindestens jedoch bei 80 % von ihnen, Lohnerhöhungen vorgenommen worden. Die Gehälter dieser Arbeitnehmer seien in den Jahren 1979 und 1980 um mindestens 150,-- DM und im Jahre 1981 um mindestens 125,-- DM erhöht worden. Weit über die Hälfte der Arbeitnehmer hätten mehr als diesen Betrag erhalten; manche Arbeitnehmer sogar den acht- oder zehnfachen Betrag.

b) Auf der Grundlage dieser Feststellungen konnte das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei und insbesondere ohne Verstoß gegen Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast zu der Annahme gelangen, in den gewährten Gehaltserhöhungen sei eine lineare Komponente zum Zwecke des Kaufkraftausgleichs enthalten. Denn bei einem derartigen Sachverhalt sprechen angesichts einer nicht unerheblichen Preissteigerungsrate von 4,1 % im Jahre 1979, von 5,5 % im Jahre 1980 und von 5,9 % im Jahre 1981 die Lebenserfahrung und damit eine tatsächliche Vermutung dafür, daß der Arbeitgeber nicht lediglich individuelle Verhältnisse (wie Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers, Interesse des Arbeitgebers an einer Betriebsbindung bestimmter Arbeitnehmer) gewürdigt hat, die bei jedem Arbeitnehmer anders liegen oder zumindest der individuellen Beurteilung durch den Arbeitgeber zugänglich sind, sondern daß ein Teil der gewährten Gehaltsaufbesserungen, über deren Höhe der Arbeitgeber gewisse Vorstellungen hat, auch dem Ausgleich des Kaufkraftverlusts dienen soll.

c) An dieser Würdigung, daß auch im Entscheidungsfall die Feststellung eines dem Kaufkraftausgleich dienenden Betrags grundsätzlich rechtlich möglich ist, vermögen die Hinweise der Revision auf die individuelle Höhe der letztlich gewährten Gehaltserhöhungen, auf die hierüber geführten Einzelgespräche und die unterschiedlichen Zeitpunkte der Gehaltserhöhungen nichts zu ändern. Die Individualität der Höhe verhindert lediglich, unmittelbar anhand der Endbeträge, in deren Höhe die Beklagte ihren Arbeitnehmern Erhöhungsangebote unterbreitete, auf das Vorliegen einer allgemeinen Regelung zu schließen. Dies würde Ansprüche auf Gleichbehandlung im wesentlich stärkeren Umfang, nämlich in Höhe der Endbeträge auslösen; hierum geht es jedoch im Streitfall nicht, sondern nur um die lineare Komponente. Auch das Führen von Einzelgesprächen spricht nicht gegen das Vorliegen einer linearen Komponente, sondern lediglich dafür, daß der Arbeitgeber bei der endgültigen Höhe seines dem Arbeitnehmer unterbreiteten Erhöhungsangebots auch die Darstellung des Arbeitnehmers hinsichtlich derjenigen Kriterien, die der individuellen Würdigung zugänglich sind, berücksichtigen wollte. Für die Möglichkeit des Vorliegens einer linearen Komponente ist schließlich auch ohne Aussagewert, daß der Arbeitgeber die Erhöhungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten anbietet (und dementsprechend möglicherweise auch die Einzelgespräche nicht zu bestimmten Zeitpunkten geführt hat). Denn wie bereits oben dargestellt, kommt es für das Vorliegen einer linearen Komponente zum Zwecke des Kaufkraftausgleichs in erster Linie auf die Betrachtung eines Zeitraums an.

III. Die Beklagte hat bei den ihren Arbeitnehmern gewährten Gehaltserhöhungen nicht aufgeschlüsselt, wie sich die von ihr dabei berücksichtigten Gesichtspunkte in den Erhöhungsbeträgen jeweils niederschlagen, aus welchen Komponenten sich also der jeweilige Erhöhungsbetrag zusammensetzt und welche Teilbeträge auf die einzelnen Komponenten entfallen. In welchem Umfang die Gehaltserhöhungen auch einem Ausgleich oder einer Minderung des seit der letzten Gehaltserhöhung durch Geldentwertung eingetretenen Kaufkraftverlustes und damit der Erhaltung des erreichten Lebensstandards dienen sollten, läßt sich daher nur im Wege einer Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO ermitteln.

Das Landesarbeitsgericht hat eine solche Schätzung vorgenommen und sich dabei jeweils an den niedrigsten Einzelerhöhungsbeträgen orientiert, die die Beklagte in den Jahren 1979, 1980 und 1981 ihren Arbeitnehmern gewährt hat. Es hat anhand der überreichten Additionsstreifen festgestellt, daß die mit einer Lohnerhöhung bedachten Arbeitnehmer in den Jahren 1979 und 1980 mindestens 150,-- DM monatlich und im Jahre 1981 mindestens 125,-- DM monatlich mehr erhalten hätten. Sodann hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, die Bandbreite der Lohnerhöhungen im Zusammenhang mit der erheblichen Anzahl von Arbeitnehmern, die mehr als diese geringsten Erhöhungsbeträge erhalten hätten, spreche entscheidend dafür, daß die von der Beklagten angegebenen Leistungs- und Qualifikationsgesichtspunkte in den über den "Grundbetrag" hinausgehenden Gehaltserhöhungen ihren Niederschlag gefunden hätten, daß aber allen Arbeitnehmern, auch wenn ihre Leistung sich nicht besonders verändert habe, der "Mindestbetrag" zum Ausgleich für Kaufkraftverlust unter Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit, des Alters, des Familienstandes usw. zur Verfügung stehen sollte. Das Bündel der Motive, die die Beklagte angeführt habe, führe also dazu, diese in einen "Grundbetrag" als "Sockel", der als "lineare Komponente" allen Arbeitnehmern zu zahlen sei, und in einen "Qualifikationsbetrag" aufzuteilen. Der Grundbetrag von 150,-- DM in den Jahren 1979 und 1980 entspreche etwa 6 % des Gehaltes der Kläger und liege damit zwischen den Preissteigerungsraten und den Tarifabschlüssen im Jahre 1980. Der Grundbetrag von 125,-- DM für 1981 mache 5,2 % des Gehaltes der Kläger aus und liege ebenfalls zwischen Preiserhöhung und durchschnittlichen Tarifabschlüssen, so daß auch hierdurch das gemäß § 287 ZPO gefundene Ergebnis bestätigt werde.

Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts vermag der Senat nicht zu folgen. Zur Ermittlung der dem Kaufkraftausgleich dienenden Komponente der Lohn- und Gehaltserhöhungen kann nicht an die niedrigsten Erhöhungsbeträge, die die Beklagte in den Jahren 1979 bis 1981 jeweils ausgeworfen hat, als alleinigen Maßstab angeknüpft werden. Es kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, diese Mindesterhöhungsbeträge seien Sockelbeträge, die nur der Anpassung der Arbeitsentgelte an die gestiegenen Lebenshaltungskosten und nicht zugleich auch anderen Zwecken hätten dienen sollen. Je nach der Höhe des zugehörigen Ausgangsgehalts kann eine Gehaltserhöhung um 150,-- DM die hier in Betracht kommenden Preissteigerungsraten von 4,1 % im Jahre 1979 und von 5,5 % im Jahre 1980 deutlich überschreiten. Das Ausgangsgehalt müßte schon über 3.500,-- DM liegen, wenn eine Gehaltserhöhung um 150,-- DM allein zur Abdeckung eines seit der letzten Gehaltsfestsetzung eingetretenen Kaufkraftverlustes von 4,1 % ausreichen sollte. Einen gewissen Aufschluß darüber, inwieweit mit den Erhöhungen der Arbeitsentgelte auch einer Steigerung der Lebenshaltungskosten Rechnung getragen werden sollte, kann nur ein Vergleich der Steigerungsraten der einzelnen Arbeitsentgelte mit der Preissteigerungsrate für den jeweils maßgeblichen Zeitraum geben. Eine Schätzung der in den Entgelterhöhungen regelmäßig enthaltenen Kaufkraftkomponente muß daher auf einem solchen Vergleich aufbauen, wobei die festgestellte Preissteigerungsrate die Obergrenze für die Schätzung bilden muß. Das Ausmaß der durchschnittlichen Erhöhung der tariflichen Arbeitsentgelte im gesamten Bundesgebiet, auf den sich das Landesarbeitsgericht ebenfalls stützt, ist dagegen als Anknüpfungspunkt ungeeignet, weil bei Tarifabschlüssen neben der Entwicklung der Lebenshaltungskosten auch andere Faktoren eine wesentliche Rolle spielen, die in den ausgehandelten tariflichen Arbeitsentgelten ihren Niederschlag finden.

Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, da es bisher an ausreichenden Tatsachenfeststellungen für eine sachgerechte Schätzung der Kaufkraftkomponente fehlt. Hierzu wird das Landesarbeitsgericht zu allen im Beurteilungszeitraum vorgenommenen Gehaltserhöhungen Feststellungen über den Ausgangsbetrag, den jeweiligen Erhöhungsbetrag und darüber treffen müssen, in welchen Zeitabständen die Entgelterhöhungen erfolgt sind und wie sich die Lebenshaltungskosten in diesen Zeitabschnitten entwickelt haben. Da die Kläger eine Anpassung ihrer Gehälter etwa im Jahresabstand seit der letzten Gehaltserhöhung fordern, bedarf es auch der Feststellung der jährlichen Preissteigerungsrate seit der letzten Gehaltserhöhung, die die Kläger erhalten haben. Auf der Grundlage dieser Feststellungen wird das Landesarbeitsgericht erneut prüfen müssen, inwieweit sich aus der Gehaltserhöhungspraxis der Beklagten eine Regel ergibt, die Arbeitsentgelte mindestens in jährlichen Abständen ganz oder teilweise den gestiegenen Lebenshaltungskosten anzupassen.

IV. Im Ergebnis zuzustimmen ist dem Landesarbeitsgericht darin, daß die Beklagte keinen sachlichen Grund hatte, die Kläger von im Beurteilungszeitraum vorgenommenen allgemeinen Entgelterhöhungen, soweit sie dem Ausgleich des Kaufkraftverlustes dienen sollten, auszunehmen.

1. Den Kläger zu 1) will die Beklagte nicht an Gehaltserhöhungen teilnehmen lassen, weil er nach Veränderung seines Aufgabenbereichs nur Tätigkeiten verrichte, die qualitativ denen der Mitarbeiter in der Poststelle, die monatlich nur 1.950,-- DM verdienten, entsprächen, so daß der Kläger zu 1) bereits überbezahlt werde. Der Veränderung seines Aufgabenbereiches im Jahre 1973 hatte der Betriebsrat jedoch nur unter der Voraussetzung zugestimmt, daß dem Kläger zu 1) hierdurch keine finanziellen Nachteile entstünden. Hieran hat sich die Beklagte in der Folgezeit gehalten und dem Kläger zu 1) bis zum Jahre 1978 wiederholt Gehaltserhöhungen gewährt. Damit hat sie auch dem Kläger gegenüber zu erkennen gegeben, daß sich die Veränderung seines Aufgabenbereiches auf die Entwicklung seines Gehalts nicht nachteilig auswirken sollte. Auf die Zuweisung eines geringerwertigen Aufgabenbereiches im Jahre 1973 kann sich die Beklagte daher nicht berufen. Das hat das Landesarbeitsgericht richtig erkannt und wird auch von der Revision nicht angegriffen.

Ob die ohne Zustimmung des Betriebsrats erfolgte Zuweisung eines neuen Arbeitsbereiches als Archivar in der Abteilung Registratur und Mikroverfilmung ab September 1981 rechtswirksam ist, kann für die hier streitigen Gehaltsansprüche auf sich beruhen. Die Frage, ob wegen der geringeren Wertigkeit der neu zugewiesenen Arbeit und deshalb bereits gegebener Überbezahlung der Kläger zu 1) von einer allgemeinen Gehaltserhöhung ausgeschlossen werden könnte, stellt sich erst für ab September 1981 erneut vorgenommene allgemeine Gehaltserhöhungen und einen daraus sich etwa ergebenden Anspruch auf weitere Erhöhung seines Monatsgehalts. Die bis zur Änderung seines Arbeitsbereiches nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz bereits erworbenen Rechte hinsichtlich der Höhe seines Monatsgehalts konnten dem Kläger zu 1) nicht einseitig wieder entzogen werden. Zur Herabsetzung der bis dahin erreichten Höhe seines Monatsgehalts hätte es der Zustimmung des Klägers bedurft, so daß der Kläger zu 1) auch für die Monate September und Oktober 1981 Gehalt in gleicher Höhe wie in den Vormonaten verlangen kann.

2. Den Kläger zu 2) will die Beklagte wegen wiederholten vertragswidrigen Verhaltens nicht an den Gehaltserhöhungen teilnehmen lassen. Das Landesarbeitsgericht hat in dem behaupteten Fehlverhalten mit Recht keinen sachlichen Grund gesehen, den Kläger zu 2) von Gehaltserhöhungen, soweit sie dem Kaufkraftausgleich dienen, auszunehmen. Die Prüfung des sachlichen Grundes für eine Ausnahme von allgemeinen begünstigenden Leistungen muß sich an deren Zweck orientieren. Soweit Gehaltserhöhungen Führung und Leistung der Arbeitnehmer anerkennen sollen, kann vertragswidriges Fehlverhalten eine Ausnahme sachlich rechtfertigen. Dagegen kann vertragswidriges Fehlverhalten keinen sachlichen Grund für den Ausschluß eines Arbeitnehmers von allgemeinen Gehaltserhöhungen abgeben, soweit diese dem Ausgleich des Kaufkraftverlustes und damit der Anpassung der Gehälter an die gestiegenen Lebenshaltungskosten dienen sollen.

Dr. Seidensticher Dr. Becker Dr. Steckhan

Seiler Dr. Sponer

 

Fundstellen

BAGE 49, 346-360 (LT1-2)

BAGE, 346

DB 1986, 2602-2604 (LT1-2)

NJW 1987, 1285

NJW 1987, 1285-1287 (LT1-2)

NZA 1987, 156-158 (LT1-2)

RdA 1986, 401

SAE 1988, 293-296 (LT1-2)

AP § 242 BGB Gleichbehandlung (LT1-2), Nr 76

AR-Blattei, ES 800 Nr 80 (LT1-2)

AR-Blattei, Gleichbehandlung im Arbeitsverhältnis Entsch 80 (LT1-2)

EzA § 242 BGB Gleichbehandlung, Nr 43 (LT1-2)

MDR 1987, 257-258 (LT1-2)

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