Entscheidungsstichwort (Thema)

Ehe-Mindestdauer als Voraussetzung für Witwenrente

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Versorgungsordnung kann rechtswirksam vorsehen, daß Hinterbliebenenversorgung nur geleistet wird, wenn die Ehe des versorgungsberechtigten Arbeitnehmers zur Zeit seines Todes mindestens zwei Jahre bestanden hat.

2. Ob diese Regelung ohne weiteres auch dann gilt, wenn der versorgungsberechtigte Arbeitnehmer seine Frau nach einer Scheidung erneut geheiratet hat, bleibt offen. Jedenfalls müßte eine ergänzende Vertragsauslegung davon ausgehen, daß die Betriebspartner für eine solche Fallgestaltung einen geeigneten Vermutungstatbestand geschaffen hätten, um sogenannte "Versorgungsehen" von der Hinterbliebenenversorgung auszuschließen.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; BetrAVG § 1; GG Art. 6 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 31.10.1985; Aktenzeichen 14 Sa 185/84)

ArbG Hannover (Entscheidung vom 28.09.1984; Aktenzeichen 6 Ca 384/84)

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der Beklagten eine Witwenpension, die der Höhe nach unstreitig ist.

Die Beklagte gewährt ihren Arbeitnehmern, Witwen- und Vollwaisen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung aufgrund einer Betriebsvereinbarung vom 19. August 1979. Über die Hinterbliebenenversorgung ist in § 9 der Versorgungsordnung bestimmt:

"(1) Beim Tode eines männlichen Pensionsberechtigten,

der bis zu seinem Tode in einem Beschäftigungsverhältnis

zu W gestanden hat (Mitarbeiter)

oder der zum Zeitpunkt seines Todes bereits Anspruch

auf Zahlung einer betrieblichen Pension

hatte (Pensionär), hat die überlebende Ehefrau

Anspruch auf eine Witwenpension.

(2) ...

(3) Ein Anspruch auf Witwenpension setzt voraus, daß

die Ehe vor dem Eintritt des Versorgungsfalles bzw.

vor dem vorzeitigen Ausscheiden (§ 13) geschlossen

wurde und bis zum Zeitpunkt des Todes des Ehemannes

mindestens 2 Jahre bestanden hat."

Die Beklagte verweigert der Klägerin die Witwenpension mit der Begründung, die Ehe habe zur Zeit des Todes des Ehemannes keine zwei Jahre bestanden.

Der verstorbene Ehemann der Klägerin war in erster Ehe schon einmal mit der Klägerin verheiratet, und zwar in der Zeit von August 1958 bis zum März 1974. Die Ehe wurde geschieden. Aus ihr stammt ein im Jahre 1964 geborener Sohn. Seit Anfang des Jahres 1982 befand sich der Ehemann der Klägerin wegen eines Krebsleidens in ärztlicher Behandlung. Am 22. September 1983 schlossen er und die Klägerin erneut im Krankenhaus die Ehe. Der Ehemann verstarb am 29. Oktober 1983 im Alter von 52 Jahren.

Die Klägerin hat vorgetragen, § 9 Abs. 3 der Versorgungsordnung der Beklagten lasse den Fall der Wiederheirat Geschiedener ungeregelt. Diese Lücke sei dahin zu schließen, daß die Dauer der früheren Ehe bei der Berechnung der Mindestdauer der Ehe berücksichtigt werden müsse. Ihre zweite Ehe sei als Fortsetzung der ersten Ehe anzusehen, denn nach der Scheidung sei der Kontakt nicht abgebrochen. Es habe weiterhin eine enge partnerschaftliche Verbindung bestanden. Ihr verstorbener Ehemann habe ihrem Sohn Unterhalt geleistet und auch ihr selbst finanzielle Unterstützung gewährt. Dies habe dazu geführt, daß sie beide die Scheidung als Fehler erkannt und diesen durch die erneute Eheschließung korrigiert hätten. Ihre zweite Heirat habe nicht auf eine Versorgung hingezielt; keiner habe den baldigen Tod des Ehemannes erwartet.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie DM 9.420,- nebst

4 % Zinsen auf je DM 2.355,-- ab dem

1.2., 1.3., 1.4. und 1.5.1984 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die Regelung in § 9 der Versorgungsordnung sei nicht lückenhaft, sondern bestimme abschließend, unter welchen Voraussetzungen eine Witwenrente zu gewähren sei. Es stehe den Betriebspartnern frei, eine solche Regelung einzuführen. Der Ausschluß von Hinterbliebenen aus Ehen mit einem Bestand von weniger als zwei Jahren sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu beanstanden. Unter den hier gegebenen Umständen sei zudem davon auszugehen, daß die Klägerin die neue Ehe ausschließlich zu Versorgungszwecken geschlossen habe.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin kann von der Beklagten keine Witwenrente verlangen.

I. Nach § 9 Abs. 3 der Versorgungsordnung der Beklagten setzt der Anspruch auf Witwenrente voraus, daß die Ehe vor dem Eintritt des Versorgungsfalls oder vor dem vorzeitigen Ausscheiden eines Arbeitnehmers geschlossen wurde und bis zum Zeitpunkt des Todes des Ehemannes mindestens zwei Jahre bestanden hat. Die Klägerin erfüllt diese Voraussetzungen nicht; ihre Ehe bestand zur Zeit des Todes ihres Ehemannes nur rund fünf Wochen.

1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, § 9 Abs. 3 der Versorgungsordnung sei so zu verstehen, daß die Ehe nach mindestens zweijähriger Dauer durch den Tod des Ehemannes aufgelöst worden sein müsse. Die Vorschrift sehe die Anrechnung der Dauer einer früheren Ehe auch bei der Wiederheirat derselben Eheleute nicht vor. Die zweite Ehe könne auch nicht als Fortsetzung der früheren Ehe angesehen werden; diese sei durch die Scheidung beendet worden und nicht etwa durch die erneute Eheschließung wieder aufgelebt. Die Auffassung des Berufungsgerichts ist nicht zu beanstanden.

2. Nach § 9 Abs. 3 der Versorgungsordnung muß die Ehe bis zum Zeitpunkt des Todes des Ehemannes zwei Jahre bestanden haben. Damit kann nach dem Wortsinn der Vorschrift nur die letzte Ehe des Arbeitnehmers oder Rentners gemeint sein. Eine frühere Ehe soll nicht zu einer Witwenrente führen.

Demgegenüber macht die Revision geltend, § 9 Abs. 3 der Versorgungsordnung regele gar nicht den Fall, daß ein Arbeitnehmer während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses versterbe. Nur wenn schon ein Versorgungsfall eingetreten oder der Arbeitnehmer vorzeitig mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sei, müsse die Ehe zwei Jahre lang bestanden haben. Aus dem Zusammenhang von § 9 Abs. 1 und Abs. 3 der Versorgungsordnung folge, daß für den Fall des Todes eines aktiven Arbeitnehmers überhaupt keine Mindestdauer der Ehe vorgeschrieben sei.

Dem kann sich der Senat nicht anschließen: Nicht § 9 Abs. 1, sondern Abs. 3 der Versorgungsordnung regelt die Voraussetzungen, unter denen ein Anspruch auf Witwenrente entsteht. Abs. 1 bestimmt nur, daß Ansprüche auf eine Witwenversorgung begründet werden und definiert die Begriffe des Mitarbeiters und des Pensionärs. Dagegen zählt Abs. 3 die Voraussetzungen auf, bei deren Erfüllung die Witwenpension gezahlt wird: Die Ehe muß vor dem Versorgungsfall oder vor dem Ausscheiden des Arbeitnehmers mit einer unverfallbaren Anwartschaft geschlossen worden sein und sie muß beim Tode des Arbeitnehmers zwei Jahre lang bestanden haben.

Soweit die Revision etwas anderes aus § 9 der Versorgungsordnung entnehmen will, liegt diese Auslegungsmöglichkeit fern. Deshalb kann auch die sog. Unklarheitenregel keine Auslegung zu Lasten der Beklagten rechtfertigen (zur Auslegung unklarer Versorgungsregelungen vgl. BAGE 22, 92 = AP Nr. 2 zu § 242 BGB Ruhegehalt-VBL; BAG Urteil vom 25. Mai 1973 - 3 AZR 405/72 - AP Nr. 160 zu § 242 BGB Ruhegehalt; BAG Urteil vom 6. Februar 1974 - 3 AZR 232/73 - AP Nr. 38 zu § 133 BGB). Diese Regel, die in § 5 AGBG ihren gesetzlichen Niederschlag gefunden hat, setzt voraus, daß auch nach Ausschöpfung aller in Betrag kommenden Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel bestehen bleibt (MünchKomm-Kötz, § 5 AGBG Rz 7). Das aber ist dann nicht der Fall, wenn erst eine scharfsinnige juristische Beratung Möglichkeiten einer Deutung aufzeigt, auf die zu vertrauen im redlichen Rechtsverkehr vernünftigerweise kein Anlaß besteht. Nicht jede konstruierbare Auslegungsmöglichkeit macht eine bestimmte Regelung unklar.

II. Auch die Annahme einer Regelungslücke für den Fall der Wiederheirat derselben Personen kann nicht zu einem für die Klägerin günstigen Ergebnis führen.

1. Das Berufungsgericht hat dazu die Auffassung vertreten, § 9 Abs. 3 der Versorgungsordnung sei nicht lückenhaft. Eine Regelungslücke könnte nur angenommen werden, wenn die Nichtberücksichtigung einer früheren Ehe dem Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG zuwiderliefe. Das sei aber nicht der Fall, da die Mindestfrist von zwei Jahren unter Ausschluß früherer Ehen nicht willkürlich erscheine. Ebenso wie eine Wiederverheiratungsklausel oder eine Spätehenklausel diene die Frist dazu, die Leistungspflicht des Arbeitgebers zu begrenzen und Versorgungsehen auszuschließen. Der Arbeitgeber könne die Gründe eines Eheschlusses im Nachhinein kaum beurteilen. Deswegen sei eine Stichtagsregelung praktikabel und sachgerecht. - Der Auffassung des Berufungsgerichts ist im Ergebnis zu folgen, wenn auch seine Begründung teilweise Bedenken begegnet.

Die Annahme, eine verdeckte Regelungslücke könne nur dann in Betracht kommen, wenn die Vorschrift anderenfalls gegen Art. 3 GG verstoßen würde, ist zu eng. In einem solchen Fall liegt zwar eine Lücke besonders nahe, da nicht anzunehmen ist, daß Vertrags- oder Betriebspartner in einer betrieblichen Ordnung bewußt gegen grundlegende Prinzipien der Verfassung verstoßen. Jedoch sind damit nicht alle denkbaren Fälle einer Regelungslücke beschrieben. Es ist anhand des Regelungszwecks zu prüfen, ob ein Fall ungeregelt geblieben ist, der im Zusammenhang der vorhandenen Bestimmungen einer Regelung objektiv bedurft hätte.

2. Als wesentliches Ziel einer Klausel, die als Voraussetzung der Hinterbliebenenversorgung eine Mindestdauer der Ehe fordert, hat das Berufungsgericht neben der Begrenzung der Leistungspflicht des Arbeitgebers den Ausschluß von sog. Versorgungsehen angesehen. Das Berufungsgericht geht von der Annahme aus, in der umstrittenen Versorgungsordnung werde unwiderleglich vermutet, daß Ehen mit einer Dauer von weniger als zwei Jahren ausschließlich oder überwiegend zu dem Zweck geschlossen worden seien, der Witwe eine betriebliche Altersversorgung zu verschaffen.

Dem Berufungsgericht ist einzuräumen, daß der Ausschluß von Versorgungsehen in betrieblichen Regelungen der Hinterbliebenenversorgung häufig eine bedeutsame Rolle spielt. Stünde dieser Zweck auch in der vorliegend umstrittenen Versorgungsordnung im Vordergrund, so wäre die Regelung in der Tat lückenlos, die Vermutung müßte sich auch zum Nachteil von Ehepartnern auswirken, die in der Vergangenheit schon einmal verheiratet waren. Die Annahme des Berufungsgerichts begegnet jedoch deshalb Bedenken, weil die vorgesehene Mindestfrist von zwei Jahren ungeeignet ist, Versorgungsehen zu kennzeichnen. Im Versorgungsrecht des öffentlichen Dienstes (§ 19 Abs. 1 BeamtVersG, § 45 Abs. 3 VBL-Satzung) wird bezeichnenderweise eine Versorgungsehe erst dann vermutet, wenn die Ehe nicht einmal drei Monate gedauert hat; und selbst dann ist die Vermutung nach den Umständen des Einzelfalls widerlegbar. War aber der Ausschluß von Versorgungsehen nicht der Zweck der Mindestdauer-Klausel, dann läßt sich dieser Gesichtspunkt auch nicht heranziehen, um die Lückenlosigkeit der Versorgungsregelung, also die Annahme einer abschließenden Regelung auch für den Fall der Wiederheirat derselben Personen, zu begründen.

3. Demgegenüber vertritt die Revision die Auffassung, der Versorgungsordnung liege maßgeblich der Gedanke zugrunde, daß der Arbeitnehmer, der lange im Betrieb der Beklagten tätig gewesen sei, am Aufbau des Unternehmens mitgewirkt habe und dafür zusätzlich entlohnt werden solle. Das ergebe sich daraus, daß die Versorgungsanwartschaft mit steigender Betriebszugehörigkeit ebenfalls steige. Dem entspreche auch die Regelung der Hinterbliebenenversorgung. Die Ehefrau eines Mitarbeiters solle an den Leistungen des Unternehmens teilhaben, weil sie regelmäßig mit dafür sorge, daß der Mitarbeiter seine Leistung im Betrieb erbringen könne. Nur wenn die Ehefrau nicht eine Mindestzeit in dieser Weise mittelbar am Wohlergehen des Unternehmens mitgewirkt habe, werde sie nicht versorgt.

Sollte dieser Teilnahmegedanke die umstrittene Fristenregelung der Versorgungsordnung bestimmt haben, so könnte für den besonderen und ungewöhnlichen Fall der Wiederverheiratung derselben Personen eine Regelungslücke vorliegen. Es wäre dann immerhin erwägenswert, die in der Vergangenheit geleistete Unterstützung der Ehefrau nicht wegen des zeitweiligen Nichtbestehens der Ehe völlig unberücksichtigt zu lassen, sondern die Witwe auch schon nach kurzer zweiter Ehe wieder in den Kreis der Versorgungsberechtigten aufzunehmen. Jedoch könnte auch eine solche Annahme nicht zu einem für die Klägerin günstigen Ergebnis führen, so daß eine abschließende Klärung des Regelungsziels entbehrlich ist.

4. Im Rahmen einer ergänzenden Auslegung der Versorgungsordnung wäre zu prüfen, welche Regelung die Betriebspartner getroffen hätten, wenn der Sonderfall der Wiederheirat von ihnen bedacht worden wäre. Die Klägerin könnte nur dann eine Witwenrente beanspruchen, wenn anzunehmen wäre, daß die Betriebspartner für den Fall einer zweiten Ehe derselben Eheleute von einer erneuten Mindestdauer völlig abgesehen hätten. Dafür spricht jedoch nichts. Es läßt sich allenfalls daran denken, daß sie eine Regelung wie im öffentlichen Dienst als Vorbild herangezogen und eine Ehedauer von mindestens drei Monaten, eventuell mit der Möglichkeit der Widerlegung der Vermutung einer Versorgungsehe, verlangt hätten. Auch bei schon einmal verheiratet gewesenen Ehepartnern ist eine Versorgungsehe nicht auszuschließen, wenn die zweite Ehe nur sehr kurze Zeit vor dem absehbaren Tode des versorgungsberechtigten Arbeitnehmers geschlossen wird. Daher ist im Falle der Klägerin eine Auslegung, die sie in den Kreis der ruhegeldberechtigten Witwen einreihen würde, nicht möglich. Ihr Ehemann ist nicht völlig unerwartet, etwa durch einen Unfall, ums Leben gekommen, sondern nach langem und schweren Krebsleiden verstorben. Die Ehe wurde im Krankenhaus geschlossen.

Damit erweist sich die Rüge der Revision als unbegründet, das Berufungsgericht habe den Vortrag der Klägerin unbeachtet gelassen, daß es während der Dauer des Nichtbestehens der Ehe nach der Scheidung nie zu einem völligen Abbruch der persönlichen Beziehungen gekommen sei. Dieser Vortrag kann zugunsten der Klägerin als zutreffend unterstellt werden. Die Versorgungsordnung knüpft an den formalen Bestand der Ehe an, auch wenn man sie ergänzend auslegt. Die Verbindungen der Ehepartner vor dem Eheschluß sind danach unerheblich.

III. Entgegen der Auffassung der Revision verstößt die Regelung der Versorgungsordnung auch nicht gegen Grundsätze der Verfassung. Es erscheint insbesondere nicht willkürlich, eine zweite Ehe derselben Ehepartner in einer betrieblichen Versorgungsordnung unter dem Gesichtspunkt der Ehedauer ebenso zu behandeln wie eine erste Ehe.

1. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß der Arbeitgeber berechtigt ist, die Zusage einer Witwenversorgung von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig zu machen (BAGE 24, 370 = AP Nr. 158 zu § 242 BGB Ruhegehalt; Urteil vom 9. November 1978 - 3 AZR 784/77 - AP Nr. 179 zu § 242 BGB Ruhegehalt; Urteil vom 6. September 1979 - 3 AZR 358/78 - AP Nr. 183 zu § 242 BGB Ruhegehalt). Das Bundesverfassungsgericht hat gegen diese Entscheidungen gerichtete und auf Verstöße gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG gestützte Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG Beschluß vom 11. September 1979 - 1 BvR 92/79 - AP Nr. 182 zu § 242 BGB Ruhegehalt; BVerfG Beschluß vom 29. Februar 1980 - 1 BvR 1231/79 - AP Nr. 183 a zu § 242 BGB Ruhegehalt). Die bisherige Rechtsprechung des Senats betrifft allerdings Spätehen- und Getrenntlebensklauseln. Zu Klauseln über Mindestfristen der Ehedauer hat der Senat bisher nicht Stellung genommen. Insoweit gilt jedoch nichts anderes.

2. Die Zusage einer Hinterbliebenenversorgung ist Teil einer umfassenden Versorgungsregelung. Der Arbeitnehmer soll in der Sorge um die finanzielle Lage seiner Hinterbliebenen entlastet werden. Das bedeutet aber nicht, daß die Dauer der Ehe keine Rolle spielen dürfte, jede Ehe also von Anfang an gleichbehandelt werden müßte. Vielmehr kann der Arbeitgeber seinen Aufwand für die Hinterbliebenenversorgung dadurch begrenzen, daß er sich erst nach einer bestimmten Mindestdauer der Ehe an der Versorgung der Hinterbliebenen beteiligt. Verlangen der Arbeitgeber oder die Betriebspartner eine Mindestfrist für die Dauer einer Ehe als Voraussetzung für eine betriebliche Witwenrente, so sind grundrechtliche Wertmaßstäbe jedenfalls dann nicht verletzt, wenn die Regelung auf sachgerechten Erwägungen beruht. Zur "Spätehenklausel" hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, sie bedeute eine Abgrenzung zwischen dem Interesse des Arbeitnehmers, die Versorgung seiner Ehefrau zu erdienen und sicherzustellen, und dem Interesse des Arbeitgebers, das Ruhegeld als Teil des Arbeitslohnes kalkulierbar zu machen. Die Regelung werde von der sachgerechten Erwägung getragen, daß die Witwenbezüge nur einer Witwe desjenigen Arbeitnehmers zustehen sollten, welche die Berufsarbeit des Ehemannes durch ihre Fürsorge mittrage und eine mit ihm einigermaßen vergleichbare Lebenserwartung habe. Ähnliche Erwägungen lassen sich auf den hier zu entscheidenden Fall übertragen.

Gleichgültig, ob es darum geht, Versorgungsehen auszuschließen oder ob es um die Fürsorge der Ehefrau geht, jedenfalls ist ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG nicht zu erkennen. Ein Verstoß gegen diese Verfassungsbestimmung wäre nicht einmal dann anzunehmen, wenn die Versorgungsregelung überhaupt keine Witwenversorgung vorsähe.

Ebensowenig liegt ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor. Der Ausschluß der Klägerin von der Witwenversorgung ist nicht willkürlich, sondern beruht auf sachlichen Gesichtspunkten. Der Auffassung der Klägerin, es sei willkürlich, die zweite Ehe eines geschiedenen Ehepaares ebenso zu behandeln wie eine erste Ehe, kann sich der Senat nicht anschließen. Es trifft nicht zu, daß im Recht der betrieblichen Altersversorgung zugunsten der Hinterbliebenen vertraglich unabdingbare Besitzstände bestünden, die eine Scheidung überdauern müßten (so Uhle in dem für den vorliegenden Rechtsstreit erstatteten Rechtsgutachten vom 11. Januar 1985; ebenso Schröder, FamRz 1973, 244 ff.).

Dr. Dieterich Griebeling

zugleich für den durch

Krankheit verhinderten

Richter am BAG Schaub

Lichtenstein Weinmann

 

Fundstellen

BB 1988, 834-836 (LT1-2)

DB 1988, 347-348 (LT1-2)

FamRZ 1988, 498-498

NZA 1988, 158-159 (LT1-2)

RdA 1988, 58

AP § 1 BetrAVG Hinterbliebenenversorgung (LT1-2), Nr 4

AR-Blattei, Betriebliche Altersversorgung Entsch 198 (LT1-2)

AR-Blattei, ES 460 Nr 198 (LT1-2)

EzA § 1 BetrAVG Hinterbliebenenversorgung, Nr 2 (LT1-2)

VersR 1988, 306-308 (LT1-2)

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