Entscheidungsstichwort (Thema)

Annahmeverzug bei ordentlicher Kündigung. Gratifikation

 

Orientierungssatz

1. Ausnahmsweise gerät der Arbeitgeber auch ohne Aufforderung des Arbeitnehmers zur Zuweisung eines Arbeitsplatzes im Anschluß an eine Arbeitsunfähigkeit in Annahmeverzug, wenn der Arbeitgeber selbst vorher erklärt hat, er verzichte auf eine weitere Tätigkeit des Arbeitnehmers nach Ausspruch der Kündigung.

2. Kündigt der Arbeitgeber der Belegschaft für ein bestimmtes Jahr eine Jahresabschlußgratifikation oder ein Weihnachtsgeld verbindlich an und macht er dabei den Vorbehalt aus dieser angekündigten Gratifikation solle für die Zukunft kein Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf Wiederholung der Gratifikation entstehen, so erwirbt der einzelne Arbeitnehmer auf die Gratifikation, deren Gewährung der Arbeitgeber für ein bestimmtes Jahr verbindlich angekündigt hat, einen vertraglichen Anspruch.

 

Normenkette

BGB §§ 296, 295, 297, 615; ZPO § 286; BGB § 151 S. 1

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Entscheidung vom 19.12.1983; Aktenzeichen 12 Sa 124/83)

ArbG Berlin (Entscheidung vom 15.06.1983; Aktenzeichen 5 Ca 90/82)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Fortzahlung des Gehalts unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs nach einer von der Beklagten ausgesprochenen ordentlichen Kündigung sowie um Ansprüche der Klägerin auf Zahlung einer Jahresabschlußvergütung und eines Weihnachtsgeldes.

Die Klägerin, eine türkische Staatsangehörige, war bei der Beklagten seit dem 2. Januar 1978 zunächst als Dolmetscherin und später in immer stärkerem Maße als Sachbearbeiterin gegen ein monatliches Gehalt von zuletzt 2.431,-- DM brutto und eine freiwiderrufliche Zulage in Höhe von 100,-- DM brutto beschäftigt. Die Klägerin bearbeitete insbesondere Kreditanträge türkischer Kunden und legte die bearbeiteten Kreditanträge dem Filialleiter zur Entscheidung vor.

Mit einem Schreiben vom 29. April 1982 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 30. Juni 1982 und teilte der Klägerin gleichzeitig mit, daß die widerrufliche Zulage in Höhe von 100,-- DM ab 1. Mai 1982 nicht mehr gezahlt werde.

Auf die Kündigungsschutzklage der Klägerin hat das Arbeitsgericht festgestellt, daß die Kündigung unwirksam gewesen ist und das Arbeitsverhältnis über den 30. Juni 1982 hinaus fortbesteht. Die Berufung der Beklagten ist durch rechtskräftiges Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 24. Januar 1983 zurückgewiesen worden. Danach hat die Klägerin am 4. Februar 1983 ihre Arbeit bei der Beklagten wieder aufgenommen. Die Beklagte erteilte der Klägerin Abrechnung für die Zeit vom 1. Juli 1982 bis 3. Februar 1983, in der die Klägerin nicht gearbeitet hatte. Auf der Basis dieser Abrechnung streiten die Parteien darüber, ob der Klägerin auch für die Zeit vom 21. September bis 16. Oktober 1982 ein Anspruch auf Fortzahlung des Gehalts gemäß § 615 BGB zusteht und ob der Klägerin über den durch § 10 des Manteltarifvertrages für das private Bankgewerbe festgelegten Anspruch auf eine Sonderzahlung in Höhe eines Monatsgehalts für das Jahr 1982 ein Anspruch in Höhe eines weiteren Monatsgehaltes zusteht.

Dem geltendgemachten Gehaltsanspruch unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Am 16. Juli 1982 rief im Auftrag der Klägerin, die in der Zeit vom 14. Juni bis 1. August 1982 arbeitsunfähig krank war, ein Mitarbeiter ihres Prozeßbevollmächtigten bei der Beklagten an, bot dieser die Arbeitskraft der Klägerin für den 19. Juli 1982 an und fragte, wo sich die Klägerin zur Arbeit einfinden solle. Die Vertreterin der Beklagten lehnte das Arbeitsangebot unter Hinweis darauf ab, daß die Kündigung aufrechterhalten bleibe und eine Weiterbeschäftigung vor einem für die Beklagte negativen Ausgang des Rechtsstreits nicht in Betracht komme. Am 3. August 1982 meldete sich die Klägerin beim Arbeitsamt arbeitslos. In der Zeit vom 15. August bis 15. Oktober 1982 hielt sie sich in der Türkei auf. Am 24. November 1982 meldete sich die Klägerin wieder beim Arbeitsamt und erhielt von diesem Zeitpunkt an Arbeitslosengeld.

Die Klägerin hat behauptet, ihr sei bei ihrem Besuch des Arbeitsamtes am 3. August 1982 erklärt worden, ihr könnten weder jetzt noch in absehbarer Zeit vergleichbare Stellen angeboten werden.

Den Anspruch auf Gewährung weiterer Sonderzahlungen hat die Klägerin damit begründet, die Beklagte zahle jeweils im Frühjahr eine Jahresabschlußvergütung in Höhe von durchschnittlich 150 % des Dezembergehalts des Vorjahres und zu Weihnachten ein Weihnachtsgeld in Höhe eines halben Monatsgehalts. Auch im Mai 1982 hätten alle Tarifangestellten eine Abschlußvergütung in Höhe von 150 % des Dezembergehaltes erhalten. Davon seien sämtliche Mitarbeiter der Beklagten durch ein Informationsschreiben des Vorstandes vom 3. Mai 1982 unterrichtet worden. Ebenso habe die Beklagte im November 1982 an ihre Mitarbeiter ein Weihnachtsgeld in Höhe von 50 % des Oktobergehaltes gezahlt. Auch hierüber seien sämtliche Mitarbeiter durch ein Schreiben des Bereichs Personal vom 29. Oktober 1982 informiert worden. Mit einem Schreiben vom 18. Februar 1983 habe die Beklagte ihr, der Klägerin, mitgeteilt, sie sei nicht bereit, der Klägerin für das Jahr 1982 und für die Zukunft mehr Sonderzahlungen als die tarifliche Leistung gemäß § 10 MTV für das private Bankgewerbe (ein Monatsgehalt insgesamt) zu gewähren.

Die Klägerin hat von der Beklagten für die Zeit vom 21. September bis 16. Oktober 1982 Arbeitsentgelt in Höhe von 2.106,78 DM brutto und eine weitere Sonderzahlung in Höhe von 1.823,-- DM brutto gefordert.

Sie hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin

3.929,78 DM brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie habe sich in der Zeit nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin nicht im Annahmeverzug befunden und ihre Berufung auf das Fehlen eines wirksamen Arbeitsangebots der Klägerin verstoße auch nicht gegen Treu und Glauben. In diesem Zusammenhang behauptet die Beklagte, nach dem 16. Juli 1982 habe die Klägerin sie lediglich am 28. Oktober 1982 und während einer mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 22. November 1982 aufgefordert, sie, die Klägerin, weiterzubeschäftigen. Die Klägerin sei zudem vom 15. August bis 15. Oktober 1982 in Ost-Anatolien gewesen und wäre deshalb nicht in der Lage gewesen, auf eine entsprechende Aufforderung ihre Arbeit in Kürze wieder aufzunehmen. Im übrigen hätte sie der Klägerin den Aufenthalt in der Türkei nicht gestattet, wenn die Klägerin bei der Beklagten danach gefragt hätte. Außerdem hat die Beklagte bestritten, daß die Klägerin über das Arbeitsamt nicht zu vermitteln gewesen sei.

Zur Sonderzahlung hat die Beklagte vorgetragen, sie habe im Jahre 1982 in mindestens zehn Fällen Arbeitnehmer aufgrund von individuellen Entscheidungen wegen Arbeitsvertragsverletzungen von der Leistung der Sonderzahlung, soweit diese die tarifliche Leistung übersteige, ausgenommen und hat entsprechende an diese Arbeitnehmer gerichtete Schreiben vorgelegt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin die Klage auf Zahlung des Gehalts für die Zeit vom 21. September bis 16. Oktober 1982 zurückgenommen, soweit sie die rechnerisch unstreitige Höhe von 2.025,83 DM brutto überstieg und die Klage um den Antrag auf Zahlung einer Sonderzahlung für das Jahr 1982 um weitere 607,-- DM erweitert. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere 607,-- DM zu zahlen. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts, Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts und Abweisung der Klage, während die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin habe einen Anspruch auf den geltend gemachten Restlohn, die Jahresabschlußvergütung und das Weihnachtsgeld. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin habe ihre Arbeitsleistung durch Erhebung der Kündigungsschutzklage und noch einmal wörtlich am 16. Juli 1982 angeboten. Daß bei dem ersten Angebot die Kündigungsfrist noch nicht abgelaufen gewesen und sie bei dem zweiten Angebot arbeitsunfähig krank gewesen sei, schade nichts, der entgegengesetzten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könne nicht gefolgt werden. Selbst bei Zugrundelegung der herrschenden Meinung sei vorliegend ein erneutes Angebot nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit überflüssig gewesen, weil die Beklagte am 16. Juli 1982 unmißverständlich erklärt habe, eine Beschäftigung der Klägerin komme vor Abschluß des Rechtsstreits unter keinen Umständen in Betracht. Der Annahmeverzug der Beklagten sei auch nicht durch den Aufenthalt der Klägerin in der Türkei unterbrochen oder beendet worden. Die Beklagte trage im Hinblick auf ihre Annahmeverweigerung das Risiko, daß die Klägerin nicht ständig leistungsbereit gewesen sei. Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, die Klägerin habe es böswillig unterlassen, ihre Arbeitskraft anderweit zu verwerten. Die Beklagte habe nicht dargelegt, daß das Arbeitsamt der Klägerin zumutbare Vermittlungsangebote unterbreitet hätte, wenn sie nicht für die Zeit vom 15. August bis 15. Oktober 1982 in die Türkei gefahren wäre. Die Klägerin habe auch noch einen Restanspruch auf Zahlung einer Jahresabschlußvergütung und eines Weihnachtsgeldes in Höhe eines Monatsgehalts aufgrund der von der Beklagten betriebsöffentlich gegebenen Gesamtzusage. Der Ausschluß der Klägerin aus dem Kreis der leistungsberechtigten Arbeitnehmer könne nicht mit einer Pflichtverletzung begründet werden, weil dem der Inhalt der Gesamtzusage entgegenstehe, nach dem individuelle Ausnahmen von den Leistungen nicht vorgesehen seien, vielmehr nur der Ausschluß der gekündigten Arbeitnehmer wegen der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses.

B. Den Ausführungen des Berufungsgerichts zum Annahmeverzug ist im Ergebnis, nicht jedoch in allen Teilen der Begründung, zu folgen.

I. Der Senat hat im Urteil vom 9. August 1984 (- 2 AZR 374/83 - NZA 1985, 119, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung bestimmt) die Rechtsprechung zu den Voraussetzungen des Annahmeverzugs bei fristloser Kündigung geändert. Ausgangspunkt ist § 615 BGB, wonach der Arbeitgeber die vereinbarte Vergütung fortzuzahlen hat, wenn er in Annahmeverzug gerät. Die Voraussetzungen des Annahmeverzugs richten sich auch für das Arbeitsverhältnis nach den §§ 293 ff. BGB. Danach muß der Schuldner in der Regel die geschuldete Leistung tatsächlich anbieten. Nach § 295 BGB genügt jedoch ein wörtliches Angebot, wenn der Gläubiger erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen o d e r wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist. Ist für die vom Gläubiger vorzunehmende Handlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, bedarf es ausnahmsweise überhaupt keines Angebots, wenn der Gläubiger die Handlung nicht rechtzeitig vornimmt (§ 296 BGB). Im Anschluß an den Fünften Senat (BAG 22, 111 = AP Nr. 2 zu § 615 BGB Kurzarbeit) hat der erkennende Senat (aaO) die nach dem Kalender bestimmte Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers darin gesehen, daß dieser dem Arbeitnehmer einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen und ihm die Arbeit zuzuweisen hat. Da der Arbeitgeber mit der fristlosen Kündigung dem Arbeitnehmer den entgegengesetzten Willen zu erkennen gebe, müsse der Arbeitgeber ihn wieder zur Arbeit auffordern, wenn er trotz fristloser Kündigung nicht in Annahmeverzug geraten wolle. Diese Rechtssätze hat der Senat im Urteil vom 21. März 1985 (- 2 AZR 201/84 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen) auf die ordentliche Kündigung mit der Maßgabe übertragen, daß der Arbeitgeber in Annahmeverzug gerate, wenn er den Arbeitnehmer für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht aufgefordert hat, die Arbeit wieder aufzunehmen. Der Senat hat aber in beiden Entscheidungen auch berücksichtigt, daß der Arbeitgeber während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nicht in Annahmeverzug geraten kann, weil Voraussetzung für den Annahmeverzug ist, daß der Schuldner im Falle des § 296 BGB zu der für die Handlung des Gläubigers bestimmten Zeit imstande ist, die Leistung zu bewirken (§ 297 BGB). Da bei Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitgeber nicht erkennbar ist, wann er dem Arbeitnehmer Arbeit zuweisen muß, hat der Arbeitnehmer nach seiner Gesundung den Arbeitgeber aufzufordern ihm Arbeit zuzuweisen (Urteile vom 9. August 1984 und 21. März 1985, aaO).

II. 1. Vorliegend hat die Beklagte die Klägerin nicht aufgefordert, nach Ablauf der Kündigungsfrist am 1. Juli 1982 die Arbeit wieder aufzunehmen. Die Klägerin war aber in der Zeit vom 14. Juni bis 1. August 1982 arbeitsunfähig krank und damit nicht leistungsbereit. Gemäß § 297 BGB hätte die Beklagte deshalb normalerweise nicht in Annahmeverzug geraten können. Die entgegengesetzte Auffassung des Berufungsgerichts ist nicht haltbar: Die Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen es nicht, die Rechtsnorm des § 297 BGB nicht anzuwenden (vgl. dazu näher Urteil vom 9. August 1984, aaO).

2. Im Urteil vom 9. August 1984 (aaO), dem insoweit ein vergleichbarer Sachverhalt zugrundelag, hat der Senat indessen auch schon ausgeführt, ausnahmsweise gerate der Arbeitgeber auch ohne Aufforderung des Arbeitnehmers zur Zuweisung eines Arbeitsplatzes im Anschluß an die Arbeitsunfähigkeit in Annahmeverzug, wenn der Arbeitgeber selbst vorher erklärt habe, er verzichte auf eine weitere Tätigkeit des Arbeitnehmers nach Ausspruch der Kündigung. Dieses Ergebnis hat der Senat dem Gesetzeszweck der §§ 293 ff. BGB entnommen: Durch das tatsächliche und wörtliche Angebot wie durch die Aufforderung zur Mitwirkungshandlung soll nämlich die Leistungsbereitschaft des Schuldners klargestellt werden und außerdem der Zeitpunkt endgültig festgelegt werden, an dem der Gläubigerverzug beginnt (vgl. insbesondere W. Blomeyer, Anm. zu AP Nr. 26 zu § 615 BGB). Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nicht nur gekündigt, sondern darüber hinaus eindeutig erklärt, daß er ihn auch nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit nicht weiterbeschäftigen werde, er vielmehr auf seine Dienste verzichte, hat er damit zugleich zu erkennen gegeben, daß ihn die Mitteilung des Beginns der Leistungsbereitschaft des Arbeitnehmers und damit auch des Beginns des Annahmeverzugs nicht interessiere. In einem solchen Fall nochmals die Aufforderung zu verlangen, Arbeit zuzuweisen wäre nach ganz herrschender Meinung durch den Gesetzeszweck nicht mehr gedeckt, sondern nur noch Förmelei (MünchKomm-Schaub, BGB, § 615 Rz 18; Larenz, Schuldrecht I, 13. Aufl., S. 361; Söllner, Grundriß des Arbeitsrechts, 8. Aufl., S. 268; Seiter, ZfA 1970, 355, 401 m.w.N.; BAG 28, 233 = AP Nr. 8 zu § 103 BetrVG 1972 für den Fall eines Hausverbots).

Vorliegend hat die Beklagte der Klägerin am 16. Juli 1982 über einen Mitarbeiter ihres Prozeßbevollmächtigten unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, vor Abschluß des Rechtsstreits komme eine Beschäftigung unter keinen Umständen in Betracht. Damit hat die Beklagte auf eine Beschäftigung der Klägerin vor Ende des Rechtsstreits verzichtet, mit der Rechtsfolge, daß sie mit dem Ende der Arbeitsunfähigkeit auch ohne nochmalige Aufforderung der Klägerin, ihr eine Arbeit zuzuweisen, in Annahmeverzug geraten ist.

3. Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zu folgen, daß der Annahmeverzug auch nicht durch den dreimonatigen Aufenthalt der Klägerin in der Türkei beendet oder ausgesetzt worden ist. § 297 BGB bestimmt zwar, daß der Gläubiger nicht in Verzug kommt, wenn der Schuldner zur Zeit des Angebots außerstande ist, die Leistung zu bewirken. Wann ein eingetretener Annahmeverzug endet, ist im Gesetz jedoch nicht ausdrücklich geregelt. Indessen ergibt sich aus dem unvereinbaren Gegensatz, in dem Annahmeverzug und Unmöglichkeit der Leistung zueinander stehen, daß der Annahmeverzug des Arbeitgebers endet, wenn die Arbeitsleistung nachträglich unmöglich wird (BAG Urteil vom 18. August 1961 - 4 AZR 132/60 - AP Nr. 20 zu § 615 BGB m.w.N.). Annahmeverzug entfällt also, wenn und solange das früher wirksam erklärte Leistungsangebot durch nachträgliche Unmöglichkeit der Leistung oder nachträgliches Unvermögen des Arbeitnehmers zur Leistung gegenstandslos wird. Schließlich gewährt § 615 Abs. 1 BGB die Vergütung trotz Nichtleistung der Dienste nur "für die infolge des V e r z u g e s nichtgeleisteten Dienste", nicht aber für Dienste, die auch ohne den Annahmeverzug des Dienstberechtigten nicht geleistet werden konnten.

Vorliegend hat die Klägerin auch während der Zeit vom 15. August bis 15. Oktober 1982 ihre Arbeit bei der Beklagten nur deshalb nicht geleistet, weil die Beklagte die Beschäftigung der Klägerin für die Zeit nach der Kündigung bis zum Abschluß des Kündigungsrechtsstreits abgelehnt hat. Auch wenn sie in Berlin geblieben wäre, hätte sie angesichts der Entscheidung der Beklagten, sie nicht beschäftigen zu wollen, nicht bei dieser arbeiten können. Bei dieser Fallgestaltung wäre der Annahmeverzug nur dann beendet worden, wenn die Beklagte ihre Entscheidung revidiert hätte und der Klägerin oder ihrem Prozeßbevollmächtigten erklärt hätte, die Klägerin solle ihre Arbeit wieder aufnehmen. Stattdessen hat die Beklagte bis zur Rechtskraft des Urteils des Landesarbeitsgerichts in dem Kündigungsschutzprozeß sich weiterhin geweigert, die Klägerin zu beschäftigen. Dementsprechend hat sie auf der anderen Seite auch keine ständige Ortsanwesenheit der Klägerin verlangen können. Der Annahmeverzug setzt nicht voraus, daß der Arbeitnehmer sich, trotz der Ablehnung des Arbeitgebers, ihn zunächst weiter zu beschäftigen, ständig zur Dienstleistung bereit hält und nichts anderes tut (Urteil des Vierten Senates vom 18. August 1961, aaO).

4. Das Berufungsgericht hat auch zu Recht angenommen, die Klägerin habe durch ihre Reise in die Türkei es nicht böswillig i.S. von § 615 Satz 2 BGB unterlassen, ihre Arbeitskraft anderweitig zu verwerten. Seit dem Senatsurteil vom 18. Oktober 1958 (- 2 AZR 291/58 - BAG 6, 306 = AP Nr. 1 zu § 615 BGB Böswilligkeit) ist zwar klargestellt, daß zur Böswilligkeit nicht die Absicht erforderlich ist, dem Arbeitgeber Schaden zuzufügen, auf der anderen Seite setzt § 615 Satz 2 BGB voraus, daß der Arbeitnehmer in Kenntnis zumutbarer Arbeitsmöglichkeiten und der für den Arbeitgeber entstehenden Nachteile vorsätzlich untätig geblieben ist oder die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit verweigert hat (BAG Urteil vom 18. Oktober 1958, aaO und vom 18. Juni 1965 - 5 AZR 351/64 - AP Nr. 2 zu § 615 BGB Böswilligkeit). Das böswillige Unterlassen ist daher nicht bereits einem Auslandsaufenthalt zu entnehmen, es muß vielmehr hinzukommen, daß in dieser Zeit zumutbare Arbeitsmöglichkeiten vorhanden gewesen sind, die wegen der Auslandsreise nicht haben genutzt werden können. Vorliegend hat die Klägerin behauptet, ihr sei am 3. August 1982 auf dem Arbeitsamt erklärt worden, für sie bestehe auf absehbare Zeit keine Vermittlungschance. Dennoch hat die Beklagte nicht dargelegt, daß der Klägerin vom Arbeitsamt zumutbare Vermittlungsangebote unterbreitet worden wären, falls sie von einer Fahrt in die Türkei abgesehen hätte. Die Beklagte hat auch nicht andere Arbeitsmöglichkeiten für die Klägerin während ihres Auslandsaufenthalts aufgezeigt. Dementsprechend hat die Beklagte der Klägerin die geforderte Gehaltsnachzahlung auch nicht unter dem Gesichtspunkt von § 615 Satz 2 BGB verweigern können.

Die in diesem Zusammenhang von der Beklagten erhobene Prozeßrüge, das Berufungsgericht habe § 286 ZPO verletzt, indem es ausgeführt habe, angesichts der gerichtsbekannten Arbeitsmarktsituation im Jahre 1982 könne nicht davon ausgegangen werden, daß es der Klägerin bei nachhaltigen Bemühungen gelungen wäre, einen zumutbaren Arbeitsplatz zu finden, ist zumindest unbegründet, denn das Urteil beruht auf der behaupteten Gesetzesverletzung nicht. Das Berufungsgericht hat ausdrücklich und entscheidend darauf abgestellt, die Beklagte habe weder etwas dafür vorgetragen, in dem fraglichen Zeitraum seien offene Stellen vorhanden gewesen, noch etwas dafür, das Arbeitsamt hätte zumutbare Vermittlungsangebote unterbreiten können.

C. Das Berufungsgericht hat auch zutreffend angenommen, die Klägerin habe einen Anspruch auf Zahlung einer Jahresabschlußgratifikation und eines Weihnachtsgeldes in Höhe eines Monatsgehalts, denn die Klägerin hat aufgrund der betriebsöffentlich an die gesamte Belegschaft erteilten Zusage Anspruch auf Zahlung von insgesamt zwei Monatsgehältern für das Jahr 1982, hat aber von der Beklagten lediglich ein Monatsgehalt erhalten.

I. Kündigt der Arbeitgeber, wie vorliegend, der Belegschaft für ein bestimmtes Jahr eine Jahresabschlußgratifikation oder ein Weihnachtsgeld verbindlich an und macht er dabei den Vorbehalt, aus dieser angekündigten Gratifikation solle für die Zukunft kein Rechtsanspruch der Arbeitnehmer auf Wiederholung der Gratifikationszahlung entstehen, so erwirbt der einzelne Arbeitnehmer auf die Gratifikation, deren Gewährung der Arbeitgeber für ein bestimmtes Jahr verbindlich angekündigt hat, einen vertraglichen Anspruch (BAG Urteil vom 4. März 1961 - 5 AZR 169/60 -, Urteil vom 13. März 1964 - 5 AZR 293/63 - BAG 15, 300 und Urteil vom 27. Oktober 1978 - 5 AZR 273/77 - AP Nr. 21, 34 und 97 zu § 611 BGB Gratifikation). Umstritten ist nur die dogmatische Begründung des Versprechens. Für den Bereich der betrieblichen Altersversorgung hat die Rechtsprechung die Rechtsfigur der Gesamtzusage entwickelt, als eines Vertragsangebots an jeden einzelnen Arbeitnehmer, das keiner ausdrücklichen Annahmeerklärung bedarf (§ 151 BGB), weil es nur Vorteile bringt (vgl. zuletzt BAG Urteil vom 13. März 1975 - 3 AZR 446/74 - und vom 18. Dezember 1975 - 3 AZR 58/75 - AP Nr. 167 und 170 zu § 242 BGB Ruhegehalt m.w.N. auf die einschlägige Rechtsprechung und Literatur).

Nicht anders sind im Ergebnis die Gesamtzusagen zu behandeln, in denen Gratifikationen versprochen werden (Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 5. Aufl., § 78 IV S. 396).

II. Die Beklagte hat betriebsöffentlich mit Datum vom 29. Oktober 1982 bekannt gegeben, daß für das laufende Jahr mit dem Novembergehalt eine Weihnachtszahlung in Höhe von 50 % des Oktobergehalts einschließlich aller begünstigten Zulagen gezahlt werde. Bereits unter dem Datum des 3. Mai 1982 hatte sie betriebsöffentlich bekanntgegeben, daß alle Mitarbeiter für das abgelaufene Geschäftsjahr eine Abschlußvergütung in Höhe von 150 % des Dezembergehalts 1981 einschließlich aller begünstigten Zulagen bzw. der Ausbildungsvergütung im Dezember 1981 erhalten.

Damit hat die Beklagte eine vertragliche Einheitsregelung getroffen, in der sie den Belegschaftsangehörigen eine Jahresabschlußvergütung und eine Weihnachtsgeldzahlung versprochen hat.

Einem Arbeitgeber, der solche zusätzlichen Sondervergütungen ausschüttet, steht es frei, dafür Bedingungen aufzustellen, sofern er dabei nach billigem Ermessen verfährt. Die Bedingungen hat er rechtzeitig in geeigneter Weise bekanntzugeben (BAG Urteil vom 21. Dezember 1970 - 3 AZR 510/69 - BAG 23, 160 und vom 22. Dezember 1970 - 3 AZR 52/70 - AP Nr. 1 und 2 zu § 305 BGB Billigkeitskontrolle).

III. Vorliegend hat die Beklagte in den Bekanntmachungen vom 3. Mai und 29. Oktober 1982 die Voraussetzungen für die Zahlung der Jahresabschlußvergütung und des Weihnachtsgeldes genannt. Danach sollten das Weihnachtsgeld in voller Höhe alle Mitarbeiter erhalten, die seit dem 1. Januar 1982 dem Betrieb angehörten und sich am 31. Dezember 1982 in einem ungekündigten und unbefristeten Arbeitsverhältnis standen, sowie Mitarbeiter, die nach dem 29. September 1982 aus Alters- bzw. Invaliditätsgründen ausgeschieden waren bzw. ausscheiden und Übergangsgelder erhalten würden. Die Jahresabschlußvergütung in Höhe von 150 % des Dezembergehalts 1981 sollten alle Tarifangestellten erhalten, die zumindest seit dem 1. Januar 1981 im Betrieb beschäftigt waren und am 30. Juni 1982 in einem ungekündigten und unbefristeten Arbeitsverhältnis standen, sowie alle Mitarbeiter, die ab dem 30. September 1981 wegen Erreichens der Altersgrenze oder wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit aus den Diensten der Beklagten ausgeschieden waren.

1. Der Klägerin war zwar mit Schreiben vom 29. April 1982 zum 30. Juni 1982 gekündigt worden. Dennoch gehörte sie nicht zu dem Personenkreis der "gekündigten Arbeitnehmer", weil durch Urteil vom 24. Januar 1983 rechtskräftig festgestellt worden ist, daß die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat. Die Klägerin stand damit der Beklagten auch in Zukunft zur Verfügung. Der Ausschluß der "gekündigten Arbeitnehmer" aus dem Kreis der Begünstigten ist nur deswegen gerechtfertigt, weil die Gratifikation Entgelt für geleistete Betriebstreue und Anreiz für zukünftige Betriebstreue sein soll und sie diese Funktion bei denjenigen, die den Betrieb verlassen, nicht erfüllen kann.

2. Die Beklagte ist zu Unrecht der Auffassung, sie müsse der Klägerin Jahresabschlußvergütung und Weihnachtsgeld nicht zahlen, weil die Klägerin sich einer schweren Vertragsverletzung schuldig gemacht habe.

Die Beklagte durfte im Hinblick auf behauptete Pflichtverstöße der Klägerin die Zahlung nicht verweigern, weil in den jeweiligen Informationsschreiben, auf deren Einhaltung sämtliche Arbeitnehmer vertrauen durften, Pflichtverstöße von Arbeitnehmern nicht zum Anlaß genommen worden sind, diese von der jeweiligen Sonderzahlung auszuschließen. Die betriebsöffentlich bekanntgemachten Ankündigungen von Gratifikationszahlungen müssen, sofern sie - wie im vorliegenden Falle - gleichzeitig die Voraussetzungen für die Zahlung enthalten, als abschließende Regelung aufgefaßt werden.

D. Dementsprechend war die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

Hillebrecht Triebfürst Dr. Weller

Sickert Dr. Bächle

 

Fundstellen

Haufe-Index 437476

AP § 615 BGB (T), Nr 35a

EzA § 615 BGB, Nr 52

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