Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung einer Reinigungskraft in einer Badeanstalt

 

Leitsatz (amtlich)

In Eingruppierungsstreitigkeiten sind Zinsen auf nachzuzahlende Nettobeträge einer Entgeltforderung regelmäßig erst ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

 

Normenkette

BMT-G II § 20; Bezirkslohntarifvertrag Nr. 5 G für Gemeindearbeiter in Baden-Württemberg vom 5. April 1991 § 3, Lohngruppen 1, 1a, 2, 2a; BGB §§ 284-285, 288, 291

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 11.07.1996; Aktenzeichen 11 Sa 154/95)

ArbG Freiburg i. Br. (Urteil vom 21.02.1995; Aktenzeichen 1 Ca 470/94)

 

Tenor

  • Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 11. Juli 1996 – 11 Sa 154/95 – teilweise aufgehoben und zur Klarstellung wie folgt neu gefaßt:

    • Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg vom 21. Februar 1995 – 1 Ca 470/94 – in Ziff. 2) dahingehend abgeändert, daß festgestellt wird, daß die Beklagte verpflichtet ist, ab dem 17. November 1994 die sich ergebenden Nettobeträge zu verzinsen.

      Bezüglich des darüber hinausgehenden Zinsanspruches wird die Klage abgewiesen.

    • Im übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
    • Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
  • Im übrigen wird die Revision der Beklagten zurückgewiesen.
  • Die Beklagte trägt die Kosten der Revision.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die zutreffende tarifliche Entlohnung der Klägerin.

Die Klägerin ist seit 1. August 1986 bei der beklagten Stadt als Reinigungsfrau beschäftigt. Sie hat in dem von der Beklagten betriebenen öffentlichen Hallenbad, welches in den Monaten Mai bis September auch einen zusätzlichen Freibadbereich besitzt, folgende Tätigkeiten wahrzunehmen:

  • Grundreinigung (dreimal wöchentlich) von 26 Toiletten, 6 Urinalbecken und 7 Duschbereichen

    – 12 Stunden/Woche

  • Tägliche Unterhaltsreinigung dieser Einrichtungen

    – 10 Stunden/Woche

  • Grundreinigung der gefliesten Umkleidekabinen (einmal wöchentlich)

    – 4 Stunden/Woche

  • Grundreinigung der gefliesten Eingangshalle

    – 3 Stunden/Woche

  • Fensterreinigung

    – 4 Stunden/Woche

  • Sonstige Arbeiten

    – 5,5 Stunden/Woche

In den Monaten Mai bis September (= Freibadsaison) hat die Klägerin die in Ziff. 1 und 2 genannten Reinigungsarbeiten im dort genannten zeitlichen Umfang für 31 Toiletten, 12 Urinalbekken und 2 Duschräume durchzuführen.

Die Badeanstalt wird täglich von durchschnittlich 723 Badegästen besucht.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Tarifbindung der Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) und die diesen ergänzenden Tarifverträge, darunter der Rahmentarifvertrag zu § 20 Abs. 1 BMT-G II vom 22. Mai 1975 und der Bezirkslohntarifvertrag Nr. 5 G für Gemeindearbeiter in Baden-Württemberg vom 5. April 1991 (im folgenden: BzLT Nr. 5 G) Anwendung.

Der BzLT Nr. 5 G lautet – soweit vorliegend von Interesse:

“§ 3

Eingruppierung in die Lohngruppen

(1) Für die Eingruppierung in die Lohngruppen ist die zeitlich mindestens zur Hälfte auszuübende Tätigkeit maßgebend, soweit sich aus den Tätigkeitsmerkmalen nichts anderes ergibt.

Lohngruppenverzeichnis

Lohngruppe 1

1. Arbeiter mit einfachsten Tätigkeiten.

In die Fallgruppe 1 sind Arbeiter einzureihen, die nachstehende Tätigkeiten ausüben (Ausschließlichkeitskatalog)

1.4 Reinigungsarbeiten, soweit nicht anderweitig eingruppiert

1.6 Wartung von Toiletten

2. Arbeiter mit einfachen Tätigkeiten.

In die Fallgruppe 2 sind insbesondere einzureihen:

2.1 Arbeiter, die Reinigungsarbeiten ausführen, die mit einer über das bei Arbeiten nach Fallgruppe 1 übliche Maß hinausgehenden Arbeitsbeanspruchung verbunden sind (z.B. Reinigung von Maschinenhallen, Laboratorien, Zentralsterilisationsräumen, Sektionsräumen, Leichenhallen, Krematorien und öffentlichen Toilettenanlagen sowie großen betrieblichen Sanitärbereichen einschließlich Wasch- und Duschräumen).

Lohngruppe 1a

Arbeiter der Lohngruppe 1 Fallgruppe 1 nach vierjähriger Tätigkeit in dieser Lohn- und Fallgruppe.

Lohngruppe 2

In die Lohngruppe 2 sind einzureihen:

2. Arbeiter der Lohngruppe 1 Fallgruppe 2 nach dreijähriger Bewährung in dieser Lohn- und Fallgruppe.

Lohngruppe 2a

1. Arbeiter der Lohngruppe 1 Fallgruppe 2 nach vierjähriger Tätigkeit in Lohngruppe 2 Fallgruppe 2.”

Auf Grund vierjähriger Tätigkeit in Lohngruppe 1 Fallgruppe 1 gewährt die Beklagte der Klägerin Lohn nach Lohngruppe 1a BzLT Nr. 5 G.

Mit Schreiben der Gewerkschaft ÖTV vom 26. Oktober 1993 ließ die Klägerin für die Monate Mai bis Juli 1993 Lohn nach Lohngruppe 2 BzLT Nr. 5 G und für die Zeit ab 1. August 1993 nach Lohngruppe 2a BzLT Nr. 5 G geltend machen.

Nachdem die Beklagte diesen Anspruch abgelehnt hatte, hat die Klägerin am 11. November 1994 Feststellungsklage zum Arbeitsgericht erhoben. Die Klageschrift ist der Beklagten am 17. November 1994 zugestellt worden.

Die Klägerin ist der Meinung, die von ihr ausgeübte Tätigkeit unterfalle nicht der Fallgruppe 1 der Lohngruppe 1 BzLT Nr. 5 G (“Arbeiten mit einfachsten Tätigkeiten”), sondern der Fallgruppe 2 der Lohngruppe 1 BzLT Nr. 5 G (“Arbeiten mit einfachen Tätigkeiten”), so daß ihr eigentlich nach dreijähriger Bewährung in Lohngruppe 1 Fallgruppe 2 eine Entlohnung nach Lohngruppe 2 Fallgruppe 2 BzLT Nr. 5 G zugestanden hätte.

Demnach habe sie zumindest ab Mai 1993 Anspruch auf Entlohnung nach Lohngruppe 2 Fallgruppe 2 und wegen insgesamt vierjähriger Tätigkeit in der Lohngruppe 2 Fallgruppe 2 ab 1. August 1993 Anspruch auf Lohn nach Lohngruppe 2a Fallgruppe 1 BzLT Nr. 5 G.

Die Klägerin trägt vor, ihre Reinigungstätigkeit entspreche der in Lohngruppe 1 Fallgruppe 2.1 BzLT Nr. 5 G beispielhaft aufgezählten Reinigung öffentlicher Toilettenanlagen und großer betrieblicher Sanitärbereiche einschließlich Wasch- und Duschräumen.

Für sie bestehe eine über das bei Arbeiten nach Lohngruppe 1 Fallgruppe 1 BzLT Nr. 5 G übliche Maß hinausgehende Arbeitsbeanspruchung. Diese beruhe auf der starken Verschmutzung der Toiletten, Duschräume und Umkleidekabinen. Außerdem müsse sie bei hohen Raumtemperaturen von 28 bis 30 Grad Celsius und ständig hoher Luftfeuchtigkeit arbeiten. Auch werde mit großen Scheuermaschinen, Hochdruckreinigern sowie Reinigungskonzentraten und Desinfektionsmitteln gearbeitet, so daß sie säurefeste Schutzkleidung, Handschuhe, Gummistiefel, eine Nasenschutzmaske sowie eine Schutzbrille tragen müsse.

Die Klägerin hat beantragt

  • festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, sie von Mai bis einschließlich Juli 1993 nach Lohngruppe 2 der Anlage zum Bezirkslohntarifvertrag Nr. 5 G und ab 1. August 1993 nach Lohngruppe 2a der Anlage zum Bezirkslohntarifvertrag Nr. 5 G zu vergüten und
  • festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, die sich ergebenden Nettodifferenzbeträge ab Fälligkeit mit 4 % zu verzinsen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie ist der Ansicht, die Klägerin verrichte Tätigkeiten der Lohngruppe 1 Fallgruppe 1 BzLT Nr. 5 G, weil ihre Tätigkeit nicht mit der Reinigung von öffentlichen Toilettenanlagen oder von großen betrieblichen Sanitärbereichen vergleichbar sei. So seien die Toiletten, Duschräume und Umkleidekabinen der Badeanstalt nicht ständig stärker verschmutzt als sonstige sanitäre Anlagen. Auch werde der Hochdruckreiniger nicht von der Klägerin, sondern vom Schwimmmeister bedient.

Da sie nur Arbeiten der Lohngruppe 1 Fallgruppe 1 BzLT Nr. 5 G verrichte, sei sie nach vierjähriger Tätigkeit in dieser Lohn- und Fallgruppe zu Recht in Lohngruppe 1a eingruppiert.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen und im Urteil die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, während die Klägerin die Zurückweisung der Revision beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist zum überwiegenden Teil unbegründet.

Die Klägerin hat von Mai bis Juli 1993 Anspruch auf Entlohnung nach Lohngruppe 2 Fallgruppe 2 BzLT Nr. 5 G und ab 1. August 1993 auf Entlohnung nach Lohngruppe 2a Fallgruppe 1 BzLT Nr. 5 G.

Die Revision ist insoweit begründet, als die Beklagte nur verpflichtet ist, die der Klägerin nachzuzahlende Lohndifferenz ab Rechtshängigkeit, nicht aber bereits ab Fälligkeit mit 4 % zu verzinsen.

  • Das Landesarbeitsgericht hat seine klagestattgebende Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet.

    Die von der Klägerin ausgeübten Reinigungsarbeiten seien mit einer über das bei Arbeiten nach Fallgruppe 1 der Lohngruppe 1 BzLT Nr. 5 G übliche Maß hinausgehenden Arbeitsbeanspruchung verbunden, so daß die Tätigkeit grundsätzlich als eine solche im Sinne der Fallgruppe 2 der Lohngruppe 1 BzLT Nr. 5 G zu bewerten sei, was zur Folge habe, daß die Klägerin nach dreijähriger Bewährung in die Lohngruppe 2 Fallgruppe 2 BzLT Nr. 5 G und nach weiteren vier Jahren in die Lohngruppe 2a Fallgruppe 1 BzLT Nr. 5 G aufgestiegen sei.

    Die Tätigkeit der Klägerin erfülle zwar keines der in Fallgruppe 2.1 der Lohngruppe 1 BzLT Nr. 5 G aufgeführten Fallbeispiele. So sei sie insbesondere nicht mit der Reinigung öffentlicher Toilettenanlagen oder großer betrieblicher Sanitärbereiche im Sinne dieser Tarifnorm betraut. Die von der Klägerin verrichteten Reinigungsarbeiten seien aber mit den Reinigungsarbeiten in solchen Anlagen vergleichbar, weil auch die Toiletten, Dusch- und Umkleideräume einer öffentlichen Badeanstalt im Verlaufe des Tages von einer Vielzahl von Menschen benutzt würden und dadurch einer größeren Verschmutzung unterlägen als andere Räume, die keinem Publikum oder nicht einer im Prinzip unbegrenzten Menge von Menschen zugänglich seien. Auch bei den von der Klägerin zu reinigenden Anlagen erfolge durch die Benutzer ein erheblicher Umgang mit Wasser, das zum Spülen der Toiletten, zum Reinigen der Hände und des ganzen Körpers benutzt werde. Dadurch und wegen der hygienischen Erfordernisse entstehe ein größerer Reinigungsbedarf als in Räumen, in denen sich Menschen “lediglich konventionell aufhalten”, wie etwa in Büros oder Wohnbereichen.

  • Dem Landesarbeitsgericht ist sowohl im Ergebnis als auch weitgehend in der Begründung zu folgen.

    • Die Klage ist zulässig.

      • Die Feststellungsklage auf Anspruch einer Vergütung nach Lohngruppe 2 BzLT Nr. 5 G (ab Mai 1993) bzw. nach Lohngruppe 2a BzLT Nr. 5 G (ab 1. August 1993) ist gemäß § 256 ZPO zulässig.

        Es handelt sich bei dieser um eine sog. Eingruppierungsfeststellungsklage, die im öffentlichen Dienst allgemein üblich ist und gegen deren Zulässigkeit nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Bedenken bestehen (BAG Urteil vom 19. März 1986 – 4 AZR 470/84 – AP Nr. 114 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Urteil vom 23. April 1997 – 10 AZR 675/95 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).

      • Auch die Klage auf Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet ist, die nachzuzahlenden Nettodifferenzbeträge ab Fälligkeit mit 4 % zu verzinsen, ist zulässig.

        Zwar hat weder die Beklagte geltend gemacht, daß sie sich einer Verzinsung etwa nachzuzahlender Lohndifferenzen widersetzen werde noch hat die Klägerin irgend etwas zum Vorliegen eines Feststellungsinteresses im Sinne des § 256 ZPO für diesen Antrag ausgeführt. Dennoch dient diese Feststellung dazu, daß klargestellt wird, ab wann und in welcher Höhe eine Verzinsung von nachzuzahlenden Lohndifferenzen zu erfolgen hat. Dies ist nämlich wegen der Frage des Vorliegens von Schuldnerverzug auf seiten der Beklagten rechtlich nicht unproblematisch. Die Feststellungsklage kann zur Klärung dieser Streitfrage in prozeßökonomischer Weise beitragen, so daß für sie ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 ZPO zu bejahen ist.

    • Die zulässige Klage ist auch begründet.

      a) Da die von der Klägerin begehrte Eingruppierung auf einem Bewährungs- bzw. Zeitaufstieg aufbaut, ist zunächst das Vorliegen der Merkmale der Ausgangsvergütungsgruppe und danach der Bewährungs- bzw. Zeitaufstieg in die höhere, von der Klägerin angestrebte Lohngruppe zu prüfen (BAG Urteil vom 6. Juni 1984 – 4 AZR 203/82 – AP Nr. 91 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

      Voraussetzung für die von der Klägerin begehrte Entlohnung nach Lohngruppe 2 bzw. 2a BzLT Nr. 5 G ist demnach, daß sie grundsätzlich Tätigkeiten im Sinne der Lohngruppe 1 Fallgruppe 2 BzLT Nr. 5 G ausübt, so daß sie nach dreijähriger Bewährung in Lohngruppe 2 Fallgruppe 2 BzLT Nr. 5 G und nach weiterer vierjähriger Tätigkeit in Lohngruppe 2 Fallgruppe 2 BzLT Nr. 5 G in die Lohngruppe 2a Fallgruppe 1 BzLT Nr. 5 G aufsteigen konnte.

      Die von der Klägerin ausgeübten Reinigungsarbeiten in der von der Beklagten betriebenen öffentlichen Badeanstalt unterfallen der Lohngruppe 1 Fallgruppe 2.1 BzLT Nr. 5 G.

      b) Nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt reinigt die Klägerin wöchentlich insgesamt 22 Stunden, was mehr als der Hälfte ihrer wöchentlichen Regelarbeitszeit entspricht, die in der Badeanstalt befindlichen Toiletten, Urinalbecken und Duschbereiche.

      Dabei handelt es sich um Reinigungsarbeiten im Sinne der Lohngruppe 1 Fallgruppe 2.1 BzLT Nr. 5 G, da diese mit einer über das bei Arbeiten nach Lohngruppe 1 Fallgruppe 1 BzLT Nr. 5 G übliche Maß hinausgehenden Arbeitsbeanspruchung verbunden sind.

      Die Tarifvertragsparteien haben durch die in Klammer gesetzten Tätigkeitsmerkmale beispielhaft erläutert, welche Reinigungsarbeiten sie als solche herausgehobenen Tätigkeiten ansehen. Sie haben dabei die Reinigung von Maschinenhallen, Laboratorien, Zentralsterilisationsräumen, Sektionsräumen, Leichenhallen, Krematorien, öffentlichen Toilettenanlagen sowie großen betrieblichen Sanitärbereichen einschließlich Wasch- und Duschräumen erwähnt.

      Wie das Landesarbeitsgericht zu Recht festgestellt hat, erfüllt die Klägerin keinen dieser Beispielstatbestände.

      aa) So reinigt sie insbesondere keine öffentlichen Toilettenanlagen. Die von der Klägerin in der öffentlichen Badeanstalt gereinigten Räumlichkeiten stellen keine öffentlichen Toilettenanlagen im Sinne der Tarifnorm dar.

      Nach den Grundsätzen der Tarifauslegung ist bei der Auslegung des tariflichen Begriffes der “öffentlichen Toilettenanlagen” in erster Linie der Wortlaut und tarifliche Gesamtzusammhang maßgebend (vgl. BAGE 46, 308 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung). Der BzLT Nr. 5 G selbst enthält keine Erläuterung des Begriffes der “öffentlichen Toilettenanlagen”. Auch in der Rechtsterminologie hat dieser Begriff keinen allgemein anerkannten, fest umrissenen Inhalt. Deshalb ist zunächst vom allgemeinen Sprachgebrauch auszugehen. Danach ist bei öffentlichen Anlagen der Begriff öffentlich im Sinne von “allgemein, allen zugänglich, für die Allgemeinheit bestimmt” zu verstehen (Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Bd. 4, 1982, S. 895). Allgemein zugänglich in diesem Sinne sind Toilettenanlagen nur, wenn sie auf Grund entsprechender Widmung und Zweckbestimmung für jedermann zur Verfügung gestellt werden. Dies trifft auf Toilettenanlagen in Verwaltungsgebäuden, Theatern, Kaufhäusern, Bädern, Krankenhäusern, Schulen und Turnhallen nicht zu, da diese Toilettenanlagen nur für diejenigen bestimmt sind, die sich befugt in den betreffenden Räumen aufhalten, um Angelegenheiten bei den dort untergebrachten Institutionen zu erledigen (BAG Urteil vom 28. Januar 1987 – 4 AZR 258/86 – AP Nr. 4 zu § 1 TVG Tarifverträge: Gebäudereinigung).

      Auch der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in seinem Urteil vom 18. Oktober 1983 (– 3 AZR 291/81 – n.v.) entschieden, daß unter einer “öffentlichen Bedürfnisanstalt” nur solche Anlagen zu verstehen sind, die einem nicht abgrenzbaren und nicht kontrollierbaren Personenkreis gewidmet sind, deren Benutzung also für jedermann freigegeben ist.

      Die Toilettenräume in einem öffentlichen Freibad sind aber nur den Besuchern der Badeanstalt zugänglich. Bei diesen, welche erst nach Entrichtung eines Entgelts das Bad betreten dürfen, handelt es sich um einen abgrenzbaren und kontrollierbaren Personenkreis. Somit sind die dort befindlichen Toiletten weder allgemein zugänglich noch sind sie für die Allgemeinheit bestimmt, so daß es sich bei diesen nicht um “öffentliche Toilettenanlagen” im Sinne der Lohngruppe 1 Fallgruppe 2.1 BzLT Nr. 5 G handelt.

      bb) Dem Landesarbeitsgericht ist ebenfalls darin zu folgen, daß die Klägerin keinen betrieblichen Sanitärbereich im Sinne der Lohngruppe 1 Fallgruppe 2.1 BzLT Nr. 5 G reinigt.

      Darunter sind nur solche sanitären Einrichtungen zu verstehen, welche in erster Linie den Angehörigen eines Betriebes zur Verfügung gestellt sind. Zwar handelt es sich auch bei einer öffentlichen Badeanstalt um einen “Betrieb” im Sinne der tariflichen Regelung. Jedoch sind die von der Klägerin gereinigten Toilettenanlagen und Duschräume in erster Linie nicht für die Betriebsangehörigen, d.h. die in der Badeanstalt beschäftigten Mitarbeiter, bestimmt. Vielmehr dienen sie den Badegästen, welche aber keine “Betriebsangehörigen” darstellen.

      b) Enthält ein Tarifvertrag für die Eingruppierung in eine bestimmte Vergütungs-, Fall- oder Lohngruppe zur Erläuterung eines für die Eingruppierung maßgeblichen Oberbegriffes bestimmte beispielhaft aufgezählte Einreihungsmerkmale und erfüllt ein Arbeitnehmer eines dieser Einreihungsmerkmale, so hat das zur Folge, daß dann auch die Tatbestandsmerkmale des allgemeinen Oberbegriffes der Vergütungs-, Fall- oder Lohngruppe als erfüllt anzusehen sind. Wird von dem Arbeitnehmer aber keiner der Beispielsfälle erfüllt, so muß zur Prüfung der richtigen Eingruppierung auf den allgemeinen Oberbegriff der Vergütungs-, Fall- oder Lohngruppe zurückgegriffen werden. Dessen Bestimmung hat dann ausgehend von den Maßstäben der Beispielstatbestände aus zu erfolgen, weil die Tarifvertragsparteien mit den Beispielen Maß und Richtung für die Auslegung des allgemeinen Oberbegriffes vorgegeben haben (BAGE 45, 121 = AP Nr. 134 zu § 1 TVG Auslegung; BAGE 51, 59 = AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

      c) Die Tarifvertragsparteien sind davon ausgegangen, daß die Wartung von Toiletten sowie allgemeine Reinigungsarbeiten grundsätzlich “einfachste Tätigkeiten” darstellen und deshalb nach Lohngruppe 1 Fallgruppe 1.6 bzw. 1.4 BzLT Nr. 5 G zu entlohnen sind.

      Durch die in Lohngruppe 1 Fallgruppe 2.1 BzLT Nr. 5 G aufgeführten Beispielsfälle haben sie klargestellt, welche Reinigungsarbeiten sie nicht als “einfachste” im Sinne der Fallgruppe 1, sondern als “einfache” Tätigkeiten im Sinne der Fallgruppe 2 der Lohngruppe 1 BzLT Nr. 5 G ansehen, weil sie mit einer über “das übliche Maß hinausgehenden Arbeitsbeanspruchung verbunden” sind.

      Aus den den Toiletten- und Sanitärbereich betreffenden Beispielsfällen “öffentliche Toilettenanlagen” und “große betriebliche Sanitärbereiche einschließlich Wasch- und Duschräume” ergibt sich, daß die Tarifvertragsparteien die Reinigung von überdurchschnittlich verschmutzten Toilettenanlagen als gegenüber Lohngruppe 1 Fallgruppe 1.6 bzw. 1.4 BzLT Nr. 5 G herausgehobene Tätigkeit betrachten.

      Es ist nämlich anzunehmen, daß auch die Tarifvertragsparteien von der allgemein bekannten Tatsache ausgegangen sind, daß jedermann – in der Regel bei Tag und Nacht – zugängliche öffentliche Toiletten oft außergewöhnlich verschmutzt sind, was u.a. auch davon herrührt, daß sie oftmals als Schlafstellen von Nichtseßhaften benutzt werden (vgl. BAG Urteil vom 28. Januar 1987, aaO).

      Auch die beispielhaft erwähnten großen betrieblichen Sanitärbereiche sind in der Regel gegenüber gewöhnlichen Toilettenanlagen mehr verschmutzt, weil sie – wie sich aus der Verwendung des Wortes “groß” ergibt – von einer Vielzahl von Betriebsangehörigen benutzt werden.

      Damit läßt sich aus den in Lohngruppe 1 Fallgruppe 2.1 BzLT Nr. 5 G verwendeten Beispielsfällen entnehmen, daß die Reinigung überdurchschnittlich verschmutzter Toilettenanlagen nicht mehr als “einfachste” Tätigkeiten im Sinne der Fallgruppe 1, sondern als “einfache” im Sinne der Fallgruppe 2 der Lohngruppe 1 BzLT Nr. 5 G gelten sollen.

      Daß der Tarifvertrag auch die Reinigung “großer betrieblicher Sanitärbereiche einschließlich Wasch- und Duschräume” als herausgehobene Tätigkeit im Sinne der Fallgruppe 2 betrachtet, deutet darauf hin, daß nach dem Willen der Tarifvertragsparteien das Reinigen von großen Sanitärbereichen, in denen sich auch Wasch- und Duschräume befinden, als eine Tätigkeit angesehen wird, welche mit einer über das übliche Maß hinausgehenden Arbeitsbeanspruchung verbunden ist. Dies läßt sich damit erklären, daß bei der Reinigung solcher Anlagen besondere Verunreinigungen zu beseitigen sind, die dadurch auftreten, daß durch die dort erfolgende Ganzkörperreinigung zusätzlich zu entfernende Rückstände anfallen, wie z.B. Seifen- und Schamponrückstände, Haare, Schuppen und beim Duschen verspritztes Wasser.

      d) Legt man diese in den Beispielsfällen der Fallgruppe 2.1 der Lohngruppe 1 BzLT Nr. 5 G zum Ausdruck gekommene Wertung zugrunde, so sind auch die von der Klägerin durchzuführenden Reinigungsarbeiten als “einfache” Tätigkeiten im Sinne dieser Fallgruppe anzusehen, weil sie mit einer über die übliche Toilettenwartung im Sinne der Fallgruppe 1.6 und allgemeine Reinigungsarbeiten im Sinne der Fallgruppe 1.4 hinausgehenden Arbeitsbeanspruchung verbunden sind.

      So ist davon auszugehen, daß die Toiletten in der von der Beklagten betriebenen öffentlichen Badeanstalt erheblich mehr verschmutzt sind als sonstige Toilettenanlagen. Dies folgt bereits daraus, daß die Anstalt täglich von durchschnittlich 723 Badegästen besucht wird. Auch wenn nur ein Teil von diesen während ihres Aufenthaltes in der Badeanstalt die Toiletten aufsucht, führt dies zu einer Benutzerfrequenz der Toiletten, welche das übliche Maß überschreitet und damit auch eine überdurchschnittliche Verschmutzung verursacht.

      Dabei ist es nicht erforderlich, daß diese Verschmutzung die sonst übliche erheblich übersteigt und zu besonderen Belastungen für die Reinigungskräfte führt. Der allgemeine Obersatz der Fallgruppe 2 der Lohngruppe 1 BzLT Nr. 5 G fordert nämlich nicht, daß die über das übliche Maß hinausgehende Arbeitsbeanspruchung das übliche Maß erheblich übersteigen muß. Vielmehr genügt jede, also auch eine nur geringe zusätzliche Arbeitsbeanspruchung für das Reinigungspersonal.

      Des weiteren unterliegen die Reinigungsarbeiten der Klägerin Erschwerungen, die mit der Reinigung großer betrieblicher Sanitärbereiche mit Wasch- und Duschräumen vergleichbar sind.

      So waschen sich die meisten Badegäste vor und/oder nach dem Betreten des Schwimmbeckens die Haare und den Körper. In vielen Badeanstalten ist die Körperreinigung vor dem Betreten des Schwimmbeckens sogar ausdrücklich zur Pflicht gemacht. Dadurch entstehen die oben unter II. 2c) dargelegten zusätzlichen Verunreinigungen, welche von der Klägerin beseitigt werden müssen.

      Da sich jeder der täglich 723 Badegäste in der Regel mindestens einmal duscht, entspricht die Benutzung der Duschanlagen der Nutzung eines Sanitärbereichs in einem Betrieb mit 723 Beschäftigten. Einen solchen Sanitärbereich muß man als “groß” im Sinne der Fallgruppe 2.1 der Lohngruppe 1 BzLT Nr. 5 G ansehen, so daß die Arbeitsbeanspruchung der Klägerin derjenigen einer Reinigungskraft in einer “großen betrieblichen Sanitäreinrichtung einschließlich Wasch- und Duschräumen” entspricht.

    • Demnach verrichtet die Klägerin Tätigkeiten der Fallgruppe 2.1 der Lohngruppe 1 BzLT Nr. 5 G mit der Folge, daß sie nach der entsprechenden Bewährungs- und Tätigkeitszeit Anspruch auf Lohn nach der begehrten Lohngruppe 2 bzw. 2a BzLT Nr. 5 G hat.

      Insoweit war die Revision der Beklagten gegen das klagestattgebende Urteil des Landesarbeitsgerichts zurückzuweisen.

    • Die Klägerin hat allerdings erst nach Eintritt der Rechtshängigkeit ihrer Feststellungsklage am 17. November 1994 Anspruch auf eine vierprozentige Verzinsung der rückständigen Lohndifferenzen, §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

      Ein weitergehender Zinsanspruch wegen Schuldnerverzugs der Beklagten nach §§ 284, 288 BGB scheitert am fehlenden Verschulden der Beklagten, § 285 BGB.

      Zwar wird sich das den Verzug begründende Verschulden des Schuldners im allgemeinen bürgerlichen Rechtsverkehr häufig schon daraus ergeben, daß dieser trotz Mahnung und Fälligkeit nicht leistet. Deswegen trifft in derartigen Fällen die Beweislast für fehlendes Verschulden im Sinne des § 285 BGB den Schuldner. Diese allgemeinen Grundsätze können jedoch vorliegend und im Bereich der Eingruppierungsfeststellungsklagen des öffentlichen Dienstes in aller Regel nicht gelten. Es ist davon auszugehen, daß nach der vorherrschenden Meinung in Rechtsprechung und Lehre bei schwieriger und zweifelhafter Rechtslage der Schuldner auf die ihm günstigere Rechtsauffassung vertrauen darf und zudem auch ein entschuldbarer Irrtum über die Rechtslage die Verzugsfolgen nicht eintreten läßt. Diese Voraussetzungen sind auch vorliegend und im allgemeinen in den den Eingruppierungsfeststellungsklagen des öffentlichen Dienstes zugrunde liegenden Fällen erfüllt. Die Lohn- und Vergütungsordnungen der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes sind nämlich außerordentlich vielfältig geworden, starken inhaltlichen Änderungen unterworfen und wegen der zahlreichen darin verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe und des für deren Anwendung bestehenden tatrichterlichen Beurteilungsspielraumes nicht nur schwer praktisch anwendbar, sondern auch nur mit erheblichen Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art judizierbar. Das führt dazu, daß angesichts des weitgehenden tatrichterlichen Beurteilungsspielraumes sogar tatsächlich gleichgelagerte Fälle zu ungleichen revisionsgerichtlichen Entscheidungen führen können, womit zugleich eine von den Beteiligten nachvollziehbare und in jeder Beziehung fallgerechte einheitliche höchstrichterliche Rechtsprechung bis zu einem gewissen Grade unmöglich wird (BAG Urteil vom 7. Oktober 1981 – 4 AZR 225/79 – BAGE 36, 245 = AP Nr. 49 zu §§ 22, 23 BAT 1975, m.w.N.).

      Damit kann vorliegend und allgemein in den Fällen der Eingruppierungsfeststellungsklagen des öffentlichen Dienstes ohne besonderen Vortrag der Klägerin ein die Zahlung von Verzugszinsen begründendes Verschulden des beklagten öffentlichen Dienstherrn im Sinne von § 285 BGB nicht angenommen werden. Aus den dargelegten Gründen wäre die Klägerin als Gläubigerin entgegen der allgemeinen Regelung der Beweislast in § 285 BGB ihrerseits für das Verschulden des Beklagten darlegungs- und beweispflichtig gewesen (BAG Urteil vom 7. Oktober 1981, aaO).

      Dieser Darlegungs- und Beweislast ist sie aber nicht nachgekommen.

      Insoweit hatte die Revision der Beklagten Erfolg, so daß die Urteile der Vorinstanzen bezüglich des Zeitpunkts des Beginns der Verzinsungspflicht entsprechend abzuändern waren.

  • Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2, 97 Abs. 1 ZPO.
 

Unterschriften

Matthes, Hauck, Böck, Bacher, Burger

 

Fundstellen

Haufe-Index 893881

DB 1998, 87

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