Entscheidungsstichwort (Thema)

Teilabordnung eines Schulhausmeisters

 

Leitsatz (amtlich)

  • Ein Schulhausmeister, auf dessen Arbeitsverhältnis der BAT und der BZT-A/NRW anzuwenden sind, kann verpflichtet werden, während der Schulferien in Vertretung beurlaubter Schulhausmeister benachbarte Schulen desselben Schulbezirks vorübergehend mitzubetreuen.
  • Die dies anordnende Entscheidung des Arbeitgebers ist eine Abordnung im Sinne des § 12 BAT (Teilabordnung).

    • Sie ist nicht durch § 6 Abschn. B Abs. 8 BZT-A/NRW ausgeschlossen, wonach Schulhausmeister unter bestimmten Voraussetzungen selbst für eine Vertretung zu sorgen haben.
    • Sie entspricht mangels gegenteiliger tatsächlicher Anhaltspunkte billigem Ermessen (§ 315 Abs. 1 BGB), soweit durch beide Tätigkeiten die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Schulhausmeisters nicht überschritten wird.
 

Normenkette

BAT §§ 2, 12; BZT-A/NRW § 6 Abschn. B; BGB § 315

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 13.03.1991; Aktenzeichen 4 Sa 1642/90)

ArbG Essen (Urteil vom 18.10.1990; Aktenzeichen 1 Ca 1512/90)

 

Tenor

  • Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 13. März 1991 – 4 Sa 1642/90 – aufgehoben.
  • Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 18. Oktober 1990 – 1 Ca 1512/90 – abgeändert:

    Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, neben seinen Aufgaben als Schulhausmeister der ihm zugewiesenen Schule in den Schulferien gemäß dem von der Klägerin aufgestellten Vertretungsplan auch die Vertretung eines/einer der mehrerer beurlaubter Schulhausmeister/innen anderer Schulen des gleichen Schulbezirks zu übernehmen.

  • Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte als Schulhausmeister neben seinen Aufgaben in der ihm zugewiesenen Schule in den Schulferien auch die Vertretung beurlaubter Schulhausmeister in anderen Schulen des gleichen Schulbezirks übernehmen muß.

Der Beklagte ist aufgrund Arbeitsvertrags vom 20. September 1979 als Schulhausmeister tätig. Über den Ort der Arbeitsleistung ist einzelvertraglich nichts vereinbart. Der Kläger ist jedoch seit 1984 an der “Katholischen Hauptschule S… “eingesetzt. Auf das Arbeitsverhältnis finden der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und die Sonderregelungen für Schulhausmeister in § 6 Abschn. B des Bezirks-Zusatztarifvertrages für Nordrhein-Westfalen zum BAT (BZT-A/NRW) i.d.F. vom 1. April 1990 Anwendung. Dieser bestimmt in Abs. 2:

“a) Der Schulhausmeister ist verpflichtet, die mit dem Schulbetrieb sowie mit der Benutzung der Räumlichkeiten für nichtschulische Zwecke üblicherweise zusammenhängenden Arbeiten, … d. s. insbesondere Reinigungsarbeiten, Beaufsichtigung von Hilfskräften, Ordnungsdienst, Schreib- und ähnliche Arbeiten, dienstliche Gänge, etwaige Reparaturen, Bedienung der Heizung und Versorgung von Öfen einschließlich der Nebenarbeiten und andere sich aus dem Schulbetrieb ergebende Arbeiten, … zu verrichten.

Eine Dienstanweisung ist nach den von den Tarifvertragsparteien als Anhang vereinbarten Richtlinien aufzustellen.”

Eine Protokollerklärung der Tarifvertragsparteien zu diesen Richtlinien, in denen die Dienstobliegenheiten der Schulhausmeister unterteilt in “Allgemeine Aufgaben” und “Einzelaufgaben” aufgezählt sind, lautet:

“Die aufgelisteten Tätigkeiten umschreiben nur inhaltlich die arbeitsvertraglichen Pflichten. Ob und in welchem Umfang der Schulhausmeister die Tätigkeiten zu verrichten hat, ergibt sich im Zweifel aus den jeweiligen Anordnungen des Arbeitgebers. Die Vorschriften des Landespersonalvertretungsgesetzes bleiben unberührt.”

In einer Niederschrift vom 14. Februar 1986 über eine Redaktionsverhandlung der Tarifpartner betreffend Änderung von Tarifvorschriften für Schulhausmeister hat die Arbeitgeberseite zu § 6 Abschn. B Abs. 2 Buchst. a BZT-A/NRW erklärt:

“Im Gegensatz zu der Auffassung der Arbeitnehmer sind die Arbeitgeber der Meinung, daß sich das Tätigkeitsfeld des Schulhausmeisters auch auf die Betreuung mehrerer Schulen in nachbarschaftlicher Lage beziehen kann.”

  • § 6 Abschn. B Abs. 8 BZT-A/NRW enthält folgende Regelungen:
  • Der Schulhausmeister ist auf Anordnung des Arbeitgebers verpflichtet, in Krankheitsfällen, während eines Sonderurlaubs (§ 50 BAT) und während einer Abwesenheit nach dem Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz bis zur Dauer von insgesamt 12 Arbeitstagen innerhalb eines Kalenderjahres für eine Vertretung zu sorgen.

    Wird die Vertretung vom Schulhausmeister in den vorgenannten Fällen gestellt, erhält er für jeden Vertretungstag eine Pauschvergütung in Höhe des achtfachen Satzes der Stundenvergütung gemäß § 35 Abs. 3 Unterabs. 1 BAT der Vergütungsgruppe VIII BAT nach den jeweils am 1. Dezember geltenden Stundenvergütungssätzen.

  • Der Schulhausmeister ist auf Anordnung des Arbeitgebers verpflichtet, bei sonstiger Abwesenheit mit Ausnahme des Erholungsurlaubs (§§ 47 bis 49 BAT) und bei Arbeitszeitverkürzung durch freie Tage (§ 15a BAT) innerhalb eines Kalenderjahres für eine Vertretung zu sorgen. Dafür erhält er eine Jahrespauschvergütung in Höhe des 75-fachen Satzes der Stundenvergütung gemäß § 35 Abs. 3 Unterabs. 1 BAT der Vergütungsgruppe VIII BAT nach den jeweils am 1. Dezember geltenden Stundenvergütungssätzen.
  • Wenn der Schulhausmeister im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber während seines Erholungsurlaubs für eine Vertretung sorgt, erhält er hierfür je Arbeitstag eine Vergütung in Höhe der vierfachen Stundenvergütung gemäß § 35 Abs. 3 Unterabs. 1 BAT der Vergütungsgruppe IX BAT nach den jeweils geltenden Stundenvergütungssätzen.”

Die Klägerin wollte die Schulhausmeister vom Urlaubsjahr 1990 an allgemein verpflichten, beurlaubte Kollegen des gleichen Schulbezirks während der Schulferien zu vertreten. Personalrat und Einigungsstelle lehnten den Antrag der Klägerin ab. Mit Schreiben vom 20. April 1990 wies die Klägerin den Beklagten an, neben den Aufgaben an der eigenen Schule einen in der Zeit vom 9. Juli bis 20. Juli 1990 beurlaubten Schulhausmeister einer zum gleichen Schulbezirk gehörenden Schule zu vertreten. Der Beklagte weigerte sich, dieser Anordnung nachzukommen.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie dürfe kraft ihres Direktionsrechts dem Beklagten auch die zeitweise Mitbetreuung einer anderen Schule zuweisen. § 6 Abschn. B Abs. 8 BZT-A/NRW regele allein die Bestellung eines Vertreters durch den Beklagten; zur Vertreterbestellung durch die Klägerin enthalte der Tarifvertrag keine Regelung.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, neben seinen Aufgaben als Schulhausmeister der ihm zugewiesenen Schule in den Schulferien gemäß dem von der Klägerin aufgestellten Vertretungsplan auch die Vertretung eines/einer oder mehrerer beurlaubter Schulhausmeister/innen anderer Schulen des gleichen Schulbezirks zu übernehmen.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, aus den tarifvertraglichen Vorschriften ergebe sich keine Verpflichtung zur Übernahme der Urlaubsvertretungen.

Die Vorinstanzen haben die Klage als unbegründet abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter, während der Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Die Klage ist begründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, für das Klagebegehren bestehe keine Anspruchsgrundlage. Die Klägerin könne sich weder auf eine tarifliche Regelung noch auf ihr Direktionsrecht berufen. Auch eine Abordnung liege nicht vor, da der Beklagte nicht an Stelle seiner bisherigen Tätigkeit andere, sondern daneben weitere Aufgaben übernehmen solle. Überarbeit könne die Klägerin aber nicht verlangen. Es bestehe auch eine tarifliche Praxis, nach der ein Schulhausmeister nur in der ihm zugewiesenen Schule eingesetzt werde.

Diese Ausführungen halten weder im Ergebnis noch in der Begründung einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

II. Die Klägerin ist berechtigt, den Beklagten während der Schulferien an eine andere Schule des gleichen Schulbezirks abzuordnen, damit er dort Aufgaben eines beurlaubten Schulhausmeisters vertretungsweise übernimmt. Dies folgt aus § 12 BAT. Dort ist geregelt, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber den Angestellten abordnen darf. Nach dieser Bestimmung sind auch die Teilabordnungen zu beurteilen, die die Klägerin beabsichtigt und gegen die der Beklagte sich wehrt.

1. § 12 BAT ermächtigt den Arbeitgeber, aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen den Angestellten an einen anderen Dienstort oder zu einer anderen Dienststelle abzuordnen. Dadurch wird das Direktionsrecht des Arbeitgebers erweitert, sofern es nicht durch den Einzelarbeitsvertrag ausdrücklich eingeschränkt wird (vgl. BAGE 2, 221 = AP Nr. 2 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht). Andererseits schränkt die Bestimmung zum Schutz des Angestellten das Abordnungsrecht des Arbeitgebers ein, indem sie die Abordnungsbefugnis von bestimmten Voraussetzungen abhängig macht.

2. Die Regelungen, die die Klägerin beabsichtigt, stellen Abordnungen dar.

Eine Abordnung ist die Zuweisung einer vorübergehenden Beschäftigung bei einer anderen Dienststelle oder bei einem anderen Betrieb desselben oder eines anderen Arbeitgebers unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses (vgl. BAG Urteile vom 12. April 1972 – 4 AZR 224/71 – AP Nr. 1 zu § 22 BRKG und vom 18. Februar 1976 – 5 AZR 616/74 – AP Nr. 1 zu Saarland UniversitätsG). Anders als bei einer Versetzung endet bei einer Abordnung die Zugehörigkeit zu der bisherigen Beschäftigungsdienststelle nicht. Für die Dauer der Abordnung gibt es keinen Mindest- oder Höchstzeitraum. Die Abordnung kann nur einen Tag dauern, sie kann auch so bestimmt sein, daß der Angestellte nur an einzelnen Tagen einer Woche oder eines Monats in einer anderen Dienststelle Dienst zu leisten hat. Eine solche Teilabordnung ist auch in der Weise denkbar, daß der Angestellte wöchentlich oder täglich nur einige Stunden in einer anderen Dienststelle seine Arbeit verrichtet (zur Teilabordnung vgl. auch OVG NW, Fachsenat für Landespersonalvertretungssachen, Beschluß vom 4. November 1980 – CL 17/79 – RiA 1981, 79, 80). So liegt der Fall hier. Dies hat das Landesarbeitsgericht verkannt.

3. Ein dienstlicher Grund für die Abordnungen, gegen die der Beklagte sich wendet, liegt vor.

Allgemein ist ein dienstlicher Grund gegeben, wenn die ordnungsgemäße Aufgabenerledigung in der Verwaltung unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit den Einsatz des Angestellten bei der anderen Dienststelle erfordert (Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, Stand Mai 1992, § 12 Rz 54, 22). Diese Voraussetzung ist vorliegend gegeben. Für die Klägerin ist es wirtschaftlich sinnvoll, einen Schulhausmeister, der sich in Erholungsurlaub befindet, durch einen an einer Nachbarschule tätigen Kollegen vertreten zu lassen. Anderenfalls müßte sie mit dem Beurlaubten eine Vereinbarung nach § 6 Abschn. B Abs. 8 Buchst. d BZT-A/NRW treffen, was höhere Kosten verursachen kann.

4. Der Abordnungsbefugnis der Klägerin stehen die tariflichen Regelungen des § 6 Abschn. B BZT-A/NRW nicht entgegen. Diese enthalten keine für den Angestellten gegenüber § 12 BAT günstigeren Spezialregelungen.

In § 6 Abschn. B BZT-A/NRW sind Inhalt und Umfang der von einem Schulhausmeister zu leistenden Tätigkeiten geregelt. Dort ist jedoch nicht der Arbeitsort festgelegt. Zutreffend weist die Revision darauf hin, daß § 6 Abschn. B Abs. 8 BZT-A/NRW nur eine Verpflichtung des Arbeitnehmers begründet, unter bestimmten Voraussetzungen für eine Vertretung zu sorgen. Die Tarifvorschrift enthält jedoch keine Regelungen über Vertretungen, die der Angestellte in Person auszuführen hat, und begründet vor allem keinen Anspruch des Angestellten darauf, daß in allen Vertretungsfällen nach ihr verfahren wird. Sie stellt keine Einengung des Abordnungsrechts nach § 12 BAT dar, sondern begründet lediglich die Verpflichtung des Angestellten, auf Anordnung des Arbeitgebers oder im Einvernehmen mit diesem eine Vertretung zu stellen.

Für dieses Ergebnis spricht auch die Protokollerklärung der Tarifvertragsparteien zu den als Anhang zu § 6 Abschn. B Abs. 2 Buchst. a BZT-A/NRW vereinbarten “Richtlinien für eine Dienstanweisung für Schulhausmeister”. Zu den in Abschn. II geregelten Dienstobliegenheiten der Schulhausmeister bestimmt die Protokollerklärung ausdrücklich, daß “die aufgelisteten Tätigkeiten nur inhaltlich die arbeitsvertraglichen Pflichten umschreiben”. Ob und in welchem Umfang die Tätigkeiten zu verrichten seien, ergebe sich “im Zweifel aus den jeweiligen Anordnungen des Arbeitgebers”. Damit ist entgegen der Auffassung des Beklagten die Anordnung nach § 12 BAT mit dem Ziel, einen Schulhausmeister zu verpflichten, weitere Schulen in nachbarschaftlicher Lage vorübergehend mitzubetreuen, nicht ausgeschlossen.

Auf die vom Beklagten vorgetragene Übung, wonach ein Schulhausmeister seine Arbeitsleistung nur an einer Schule zu erbringen hat, kommt es für die Tarifauslegung nicht an, da der Wortlaut der genannten Tarifbestimmungen eindeutig ist. Eine außertarifliche Zusage dieses Inhalts hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.

5. Nach dem festgestellten Sachverhalt liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die Klägerin durch die beabsichtigten Abordnungen den Rahmen des von ihr zu beachtenden billigen Ermessens (§ 315 Abs. 1 BGB; vgl. Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, aaO, Rz 54, 30) überschreitet. Der Beklagte hat nicht vorgetragen, daß die Vertretungstätigkeit während der Schulferien zur Überschreitung der nach § 6 Abschn. B Abs. 3 Satz 1 BZT-A/NRW für ihn geltenden, regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 47 Stunden führt. Zu “Überarbeit”, wie das Berufungsgericht angenommen hat, führen die Abordnungen, die die Klägerin beabsichtigt, somit nicht. Der Beklagte hat auch keine Tatsachen dafür vorgetragen, daß ihm durch die Abordnung sonstige Nachteile entstehen, die die Klägerin bei der Ausübung ihres billigen Ermessens beachten muß.

6. Die Abordnungen, die die Klägerin nach dem Inhalt des Klageantrags vornehmen möchte, bedürfen nicht der Zustimmung des Personalrats. Nach § 72 Abs. 1 Nr. 6 PersVG NW ist eine Abordnung nur mitbestimmungspflichtig, sofern sie länger als drei Monate dauert. Die streitigen Vertretungsanordnungen erstrecken sich nur auf die Dauer der Schulferien. Sie überschreiten somit nicht den genannten Zeitraum.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Peifer, Dr. Freitag, Dr. Armbrüster, Femppel, Rose

 

Fundstellen

Haufe-Index 838600

NZA 1993, 576

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