Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung als Oberkoch

 

Leitsatz (redaktionell)

Echte Aufbaufallgruppen, für die zunächst die Tätigkeitsmerkmale der niedrigeren Fallgruppe erfüllt sein müssen und dann zu prüfen ist, ob die Tätigkeitsmerkmale der begehrten, höheren Fallgruppe vorliegen, werden in den Tarifwerken des öffentlichen Dienstes als solche ausdrücklich gekennzeichnet ("Herausheben" aus der niedrigeren Fallgruppe). Fehlt es wie zB für den "Oberkoch" an einer Bezugnahme auf die Erfüllung der Tätigkeitsmerkmale der niedrigeren Lohngruppe, ist dies auch nicht zu prüfen.

 

Orientierungssatz

Eingruppierung eines Oberkochs mit Weisungsbefugnis gegenüber zwei Köchen; Essensausgabe als Tätigkeit eines Koches.

 

Normenkette

MTB 2 Anl SV; MTB § 21; MTB 2 § 21; TVG § 1

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 30.11.1984; Aktenzeichen 9 Sa 60/84)

ArbG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 13.03.1984; Aktenzeichen 3 Ca 508/83)

 

Tatbestand

Der Kläger, der eine abgeschlossene Berufsausbildung als Koch hat, ist in einer Truppenküche der Bundeswehr als Schichtführer tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Manteltarifvertrag für die Arbeiter des Bundes (MTB II) Anwendung. Der Kläger erhält Lohn nach Lohngr. III des Sonderverzeichnisses für Arbeiter im Bereich des Bundesministers für Verteidigung (SV) 2 a zum Lohngruppenverzeichnis MTB II.

Während seiner Schicht ist der Kläger seit September 1982 gegenüber zwei Köchen weisungsberechtigt, von denen mindestens jeweils einer eine abgeschlossene Berufsausbildung als Koch hat. Sein Vorgesetzter ist der Küchenmeister, der dem Verpflegungshauptverwalter, einem Feldwebel, untersteht.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß ihm Lohn nach Lohngr. II SV 2 a zustehe. Er erfülle die Tätigkeitsmerkmale der Lohngr. II Fallgr. 5.19, da er als Oberkoch in einer Truppenküche eingesetzt werde und ihm mindestens zwei Köche, davon mindestens einer der Lohngr. IV Fallgr. 1.4, unterstellt seien.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, daß er seit dem 13. Dezember 1982

in Lohngr. II Fallgr. 5.19 SV 2 a MTB II eingruppiert

und nach dieser Lohngruppe zu besolden ist.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, daß der Kläger tarifgerecht vergütet werde. Nach dem Sonderverzeichnis 2 a seien Köche in Truppenküchen mit Ausbildung nach Lohngr. IV Fallgr. 1 des Allgemeinen Teils in Lohngr. IV Fallgr. 1.4, Köche der Lohngr. IV Fallgr. 1.4, die fachlich selbständig Küchen vorstehen, in Lohngr. III Fallgr. 5.13 und Oberköche in Truppenküchen mit Ausbildung nach Lohngr. IV Fallgr. 1 oder 2 des Allgemeinen Teils, denen mindestens zwei Köche, davon mindestens einer der Lohngr. IV Fallgr. 1.4, unterstellt sind, in Lohngr. II Fallgr. 5.19 einzureihen. Aus dieser tariflichen Regelung sei zu folgern, daß die Lohngruppen für Köche in der Weise aufeinander aufbauten, daß die Erfüllung der tariflichen Tätigkeitsmerkmale der höheren Lohngruppe die Erfüllung der Tätigkeitsmerkmale der niedrigeren Lohngruppe voraussetze. Vergütung als Oberkoch nach Lohngr. II Fallgr. 5.19 könne demgemäß nur ein Koch erhalten, der fachlich selbständig einer Küche vorstehe und dem zwei Köche, davon mindestens einer der Lohngruppe IV Fallgr. 1.4, unterstellt seien. Diese Tätigkeitsmerkmale erfülle der Kläger nicht, da er nur als Schichtführer eingesetzt werde und damit nicht fachlich selbständig der Truppenküche vorstehe. Er sei vielmehr dem Verpflegungshauptverwalter und dem Küchenmeister nachgeordnet. Im übrigen seien die dem Kläger unterstellten beiden Köche bis auf zwei Stunden pro Schicht nicht als solche tätig, sondern mit Küchenhilfsarbeiten und der Essensausgabe beschäftigt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts. Dem Kläger steht Lohn nach Lohngr. II SV 2 a des Lohngruppenverzeichnisses zum MTB II zu.

Die Klage ist als Eingruppierungsfeststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO unbedenklich zulässig, nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt hat, daß er nicht die Feststellung seiner "Eingruppierung" in die Fallgruppe 5.19 der Lohngruppe II SV 2 a, sondern, wie im öffentlichen Dienst allgemein üblich, die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten begehrt, an ihn Lohn nach Lohngr. II SV 2 a zu zahlen (BAG, Urteil vom 14. November 1979 - 4 AZR 1099/77 - AP Nr. 3 zu §§ 22, 23 KnAT; Urteil vom 9. Juli 1980 - 4 AZR 579/78 - AP Nr. 14 zu § 23 a BAT).

Die Klage ist auch begründet. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Manteltarifvertrag für die Arbeiter des Bundes (MTB II) Anwendung. Dieser bestimmt in § 21 Abs. 1 Buchst. a, daß sich neben der Dienstzeit und dem Lebensalter der Lohn nach der in den Lohngruppen angegebenen Tätigkeit richtet. Insoweit ist § 2 des Tarifvertrages über das Lohngruppenverzeichnis zum MTB II maßgebend, der bestimmt, daß für die Einreihung in die Lohngruppen die überwiegend auszuübende Tätigkeit maßgebend ist, soweit sich aus den Tätigkeitsmerkmalen nichts anderes ergibt. Für den Kläger, der als Arbeiter im Bereich des Bundesministers der Verteidigung tätig ist, gilt damit das Sonderverzeichnis für die Arbeiter im Bereich des Bundesministers der Verteidigung (SV 2 a). Dieses nennt für die Einreihung in die einzelnen Lohngruppen hinsichtlich der Tätigkeit von Köchen folgende Beispiele:

"Lohngruppe IV

1.4 Köche in Truppenküchen mit Ausbildung nach

Lohngr. IV Fallgr. 1 des Allgemeinen Teils

als Koch....., soweit nicht höher eingereiht."

"Lohngruppe III

5.13 Köche der Lohngr. IV Fallgr. 1.4, die fachlich

selbständig Küchen vorstehen, soweit nicht höher

eingereiht."

"Lohngruppe II

5.19 Oberköche in Truppenküchen mit Ausbildung

nach Lohngr. IV Fallgr. 1 oder 2 des Allgemeinen

Teils, denen mindestens zwei Köche, davon

mindestens einer der Lohngr. IV Fallgr. 1.4,

unterstellt sind, soweit nicht höher eingereiht."

Die Tätigkeit des Klägers erfüllt die Tätigkeitsmerkmale der Lohngr. II Fallgr. 5.19. Der Kläger ist Oberkoch i. S. dieser Tarifbestimmung. Er hat eine abgeschlossene Berufsausbildung als Koch und damit eine Ausbildung nach Lohngr. IV Fallgr. 1 des Allgemeinen Teils des Lohngruppenverzeichnisses zum MTB II. Seit September 1982 sind ihm als Schichtführer zwei Köche unterstellt, von denen jeweils mindestens einer eine abgeschlossene Berufsausbildung als Koch hat und damit durch seinen Einsatz in der Truppenküche die Tätigkeitsmerkmale der Lohngr. IV Fallgr. 1.4 erfüllt. Das Unterstellungsverhältnis ergibt sich daraus, daß der Kläger nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gegenüber diesen beiden Köchen weisungsberechtigt ist.

Entgegen der Auffassung der Beklagten werden die beiden dem Kläger unterstellten Köche auch auf seine Weisung als solche tätig, wenn sie nicht unmittelbar mit der Essenszubereitung, sondern mit anderweitigen Tätigkeiten in der Truppenküche beschäftigt werden. Zur Tätigkeit eines Kochs gehört je nach der Organisation der Küche nämlich, insbesondere in einer Truppenküche, nicht nur die Zubereitung der Speisen, sondern auch das Reinigen und Pflegen der Küchenräume und des Küchengeschirrs oder eine Beschäftigung im Service, z.B. bei der Essensausgabe (vgl. Blätter für Berufskunde, 1-I E 103, S. 5; Ausbildungsberufsbild Nr. 2 und 5).

Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts und der Beklagten bauen die Tätigkeitsmerkmale der Lohngr. II Fallgr. 5.19 nicht auf den Tätigkeitsmerkmalen der Lohngr. III Fallgr. 5.13 auf. Nach dem für die Tarifauslegung maßgeblichen Wortlaut und dem tariflichen Gesamtzusammenhang (BAG 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung) ist nicht erforderlich, daß ein Oberkoch i. S. der Lohngr. II Fallgr. 5.19 fachlich selbständig einer Küche vorsteht und damit die Tätigkeitsmerkmale der Lohngr. III Fallgr. 5.13 erfüllt. Die Lohngruppen im Lohngruppenverzeichnis zum MTB II im Allgemeinen Teil und auch im Sonderverzeichnis 2 a sind dadurch bestimmt, daß die Tarifvertragsparteien jeweils in Beispielen einzelne Tätigkeiten genannt haben. Daraus folgt nach ständiger Rechtsprechung des Senats, daß dem Arbeiter, dessen überwiegende Tätigkeit die Tätigkeitsmerkmale der beispielhaft genannten Tätigkeit erfüllt, der Lohn nach der entsprechenden Lohngruppe zusteht (BAG Urteil vom 22. Februar 1978 - 4 AZR 553/76 - AP Nr. 3 zu § 21 MTB II; Urteil vom 4. Juni 1980 - 4 AZR 497/78 - AP Nr. 4 zu § 21 MTB II; Urteil vom 21. Januar 1981 - 4 AZR 858/78 - AP Nr. 5 zu § 21 MTB II). Weder der Tarifwortlaut noch der tarifliche Gesamtzusammenhang lassen den Schluß zu, daß die Lohngruppen hier in der Weise aufeinander aufbauen, daß zunächst die Tätigkeitsmerkmale der niedrigeren Vergütungsgruppe erfüllt sein müßten und dann erst zu prüfen ist, ob auch die Tätigkeitsmerkmale der begehrten höheren Vergütungsgruppe vorliegen. Das wird nämlich von den Tarifvertragsparteien im öffentlichen Dienst dadurch gekennzeichnet, daß sie für solche echte Aufbaufallgruppen ein "Herausheben" aus den Tätigkeitsmerkmalen der niedrigeren Vergütungsgruppe ausdrücklich vorschreiben. Das ist hier nicht der Fall.

Vielmehr fehlt es im Lohngruppenverzeichnis zum MTB II im Sonderverzeichnis 2 a an der für die in der Anlage 1 a zum BAT typischen Summierung von qualifizierenden und Heraushebungsmerkmalen (BAG Urteil vom 22. Februar 1978 - 4 AZR 553/76 - AP Nr. 3 zu § 21 MTB II). Zwar haben die Tarifvertragsparteien in einzelnen Fällen die Lohngruppen auch dadurch bestimmt, daß sie qualifizierende Merkmale zu einer in einer niedrigeren Lohngruppe genannten Tätigkeit normiert haben (z. B. in Lohngr. II Fallgr. 1.1 und Lohngr. I Fallgr. 1). Daraus kann jedoch kein allgemeines Prinzip entnommen werden, daß die Tätigkeitsmerkmale für eine bestimmte Tätigkeit im Sonderverzeichnis 2 a stets die Erfüllung der Tätigkeitsmerkmale der niedrigeren Lohngruppe voraussetzten. Im Gegenteil wird die Erfüllung von Tätigkeitsmerkmalen einer niedrigeren Lohngruppe nur dann verlangt, wenn dies - wie auch sonst tarifüblich - in den Tätigkeitsmerkmalen der höheren Lohngruppe ausdrücklich ausgewiesen ist. Dies ist in Lohngr. II Fallgr. 5.19 hinsichtlich der Tätigkeitsmerkmale der Lohngr. III Fallgr. 5.13 nicht der Fall. Die Revision des Klägers mußte damit Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Dr. Neumann Dr. Feller Dr. Freitag

Wehner Dr. Apfel

 

Fundstellen

Haufe-Index 439024

RdA 1986, 340

AP § 21 MTB II (LT1), Nr 7

PersV 1991, 135 (K)

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