Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückzahlung von Ausbildungskosten - Pilot

 

Leitsatz (redaktionell)

Soweit es für die Erstattung von Ausbildungskosten durch den Arbeitnehmer darauf ankommt, ob sich seine Berufs- und Verdienstaussichten auf dem Arbeitsmarkt verbessert haben, muß der die Erstattung beanspruchende Arbeitgeber darlegen -und gegebenenfalls beweisen -, daß für entsprechend ausgebildete Arbeitskräfte in nennenswertem Umfang Bedarf besteht (im Anschluß an BAG Urteil vom 18.8.1976 5 AZR 399/75 = AP Nr 3 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, zu III 2a der Gründe und BAG Urteil vom 23.2.1983 5 AZR 531/80 = BAGE 42, 48, 53 = AP Nr 6 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, zu II 3 der Gründe, gegen LArbG Köln Urteil vom 5.4.1989 7 (11) Sa 109/89 = LAGE § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr 4).

 

Normenkette

BGB §§ 133, 140, 607, 611

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Entscheidung vom 05.04.1989; Aktenzeichen 7 (11) Sa 109/89)

ArbG Siegburg (Entscheidung vom 10.11.1988; Aktenzeichen 1 Ca 1399/88)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte zur Rückzahlung von Ausbildungskosten verpflichtet ist.

Die Klägerin stellte den Beklagten am 1. Juli 1987 als Flugzeugführer ein. Das Arbeitsverhältnis begann mit einer Probezeit von sechs Monaten und sollte am 31. Dezember 1987 enden, wenn es nicht darüber hinaus vereinbarungsgemäß fortgesetzt wurde. Danach sollte eine Kündigungsfrist von sechs Monaten gelten.

In Verbindung mit dem Arbeitsvertrag haben die Parteien folgenden "Darlehensvertrag" abgeschlossen: Die Klägerin gewährte dem Beklagten "ein zweckgebundenes zinsloses Darlehen in Höhe von DM 15.000,00" zur Erlangung der Typenberechtigung auf einem der Luftfahrzeuge der Klägerin. Der Beklagte verpflichtete sich, diesen Betrag "anteilig der Restzeit" an die Klägerin zurückzuzahlen, wenn er im Zeitraum eines Jahres nach Beginn der Musterberechtigung wieder aus dem Arbeitsverhältnis ausschied.

Die Klägerin hat nach ihrer Behauptung für den Erwerb der Musterberechtigung des Beklagten für die Flugzeugtypen AC - 6 T und BE 55 insgesamt 9.027,44 DM aufgewandt. Der Beklagte hat ein Anfangsgehalt von 4.500,-- DM bezogen. Dieses erhöhte sich nach dem Erwerb der Musterberechtigung (ab 1. November 1987) auf 6.000,-- DM monatlich.

Der Beklagte hat der Klägerin im Dezember 1987 mitgeteilt, daß er das zunächst bis zum 31. Dezember 1987 befristete Arbeitsverhältnis nicht fortsetzen wolle. Er ist seit dem 1. Januar 1988 bei einem anderen Unternehmen als Flugzeugführer auf dem Flugzeugtyp AC - 6 T tätig.

Die Klägerin verlangt in diesem Rechtsstreit die Hälfte der nach ihrer Behauptung aufgewandten Gesamtkosten von 9.027,44 DM (also 4.513,72 DM) vom Beklagten zurück und stützt sich dafür auf den Darlehensvertrag vom 1. Juli 1987. Danach sei der Beklagte zur zeitanteiligen Rückzahlung der Ausbildungskosten verpflichtet. Diese Rückzahlungsvereinbarung sei wirksam, weil der Beklagte die von der Klägerin finanzierte Ausbildung bei seinem neuen Arbeitgeber einsetzen könne.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin

4.513,72 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 23. Juli

1988 zu zahlen.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und zur Begründung geltend gemacht, die Darlehensvereinbarung sei unwirksam. Das vereinbarte Darlehen sei höher als die nach der eigenen Behauptung der Klägerin entstandenen Ausbildungskosten. Sie könne ihr Rückzahlungsverlangen nicht auf den Darlehensvertrag stützen, weil er sich nicht auf die Ausbildungskosten erstrecke. Aber selbst dann, wenn man den Darlehensvertrag in eine Verpflichtung zur Rückzahlung der tatsächlich aufgewandten Ausbildungskosten umdeute, sei der Beklagte nicht zur Rückzahlung verpflichtet, weil der Erwerb der Typenberechtigung ausschließlich im Interesse der Klägerin gelegen habe.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Der Beklagte will mit der Revision die Abweisung der Klage erreichen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist begründet und muß zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen. Der Beklagte ist nicht zur Rückzahlung der Aufwendungen verpflichtet, welche die Klägerin nach ihrer Behauptung für den Beklagten zum Erwerb der Musterberechtigung für die von ihr eingesetzten Flugzeugtypen aufgewandt hat.

I. Das Landesarbeitsgericht hat die Rückzahlungsverpflichtung des Beklagten aus dem Darlehensvertrag vom 1. Juli 1987 hergeleitet. Es hat dazu ausgeführt, daß die Klägerin dem Beklagten zwar kein Darlehen zur Finanzierung der Ausbildungskosten gewährt habe. Diese Vereinbarung sei jedoch so zu verstehen, daß sie sich auf die Rückzahlung der hier geltend gemachten tatsächlichen Ausbildungskosten erstrecke.

Der Beklagte bringt demgegenüber vor, daß die Vereinbarung nur die Verpflichtung zur Rückzahlung eines Darlehens enthalte, das er niemals bekommen habe. Die Rückzahlungsverpflichtung umfasse nicht auch die von der Klägerin nach ihrer Behauptung aufgewandten Kosten zum Erwerb einer Musterberechtigung. Allenfalls könne die Darlehensvereinbarung dahin umgedeutet werden, daß sie die Rückzahlungsverpflichtung für die tatsächlich aufgewandten Kosten einschließe. Aber selbst dann sei diese Rückzahlungsverpflichtung nach den vom Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen nicht wirksam.

II. Die Rückzahlungsverpflichtung des Beklagten scheitert nicht schon daran, daß die Klägerin sich auf eine Darlehensvereinbarung stützt. Zwar hat der Beklagte von ihr kein Darlehen erhalten (§ 607 Abs. 1 BGB). Es kann aber eine Zahlungsverpflichtung aus einem anderen Grunde in der Weise vereinbart werden, daß die Rückzahlung als Darlehen geschuldet werden solle (§ 607 Abs. 2 BGB). In beiden Fällen ist der geschuldete Geldbetrag unabhängig von der Laufzeit des Darlehens in voller Höhe zurückzuzahlen.

Diesen Anforderungen entspricht die Darlehensvereinbarung nicht, denn sie verpflichtet den Beklagten nur zur zeitanteiligen Rückzahlung der Aufwendungen der Klägerin für den Erwerb der Musterberechtigung für die Dauer eines Jahres. Damit weicht die Vereinbarung vom Darlehenscharakter ab, weil sich die Rückzahlungspflicht entsprechend der Dauer der Betriebszugehörigkeit - wie hier - mindert, ohne daß durch Einbehaltungen oder Rückzahlungen eine Schuldtilgung erfolgt. Das spricht dafür, daß in Wahrheit - entgegen dem Wortlaut der Vereinbarung - kein Darlehen im Rechtssinne gewollt war, sondern eine Verpflichtung zur Rückzahlung der für die Ausbildung aufgewandten Kosten. Allein die Wahl einer sachlich unzutreffenden Bezeichnung ("Darlehensvertrag") kann daran nichts ändern (ebenso Borrmann, AR-Blattei - D - Rückzahlungsklauseln I, I Übersicht, zu III 4 a, m.w.N.). Unter diesen Umständen bedarf es keiner Umdeutung gemäß § 140 BGB, wie der Beklagte meint, sondern die Parteien haben die Rückzahlungsverpflichtung nur als Darlehensvertrag falsch bezeichnet (falsa demonstratio).

III. Die hiernach vereinbarte Rückzahlung der Aufwendungen der Klägerin für den Erwerb der Musterberechtigung verpflichtet den Beklagten jedoch nicht zum Ersatz dieser Kosten.

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können Arbeitsvertragsparteien zwar vereinbaren, daß Ausbildungskosten, die der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer aufgewandt hat, von diesem zurückzuzahlen sind, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis vor Ablauf bestimmter Fristen beendet. Das gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Zahlungsverpflichtungen, die an die vom Arbeitnehmer ausgehende Kündigung anknüpfen, können das Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nach Art. 12 GG beeinträchtigen. Deshalb kommt es darauf an, ob den möglichen Nachteilen für den Arbeitnehmer ein angemessener Ausgleich gegenübersteht. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen. Die Rückzahlungspflicht muß vom Standpunkt eines verständigen Betrachters aus einem begründeten und zu billigenden Interesse des Arbeitgebers entsprechen; der Arbeitnehmer muß mit der Ausbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhalten haben. Insgesamt muß die Erstattungspflicht dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben zumutbar sein. Dabei kommt es u.a. auf die Dauer der Bindung, den Umfang der Fortbildungsmaßnahme, die Höhe des Rückzahlungsbetrages und dessen Abwicklung an (vgl. BAGE 13, 168, 174 ff. = AP Nr. 25 zu Art. 12 GG, zu II 1 der Gründe; BAGE 28, 159, 163 = AP Nr. 3 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, zu II 1 a der Gründe; BAGE 42, 48 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe sowie BAG Urteile vom 19. März 1980 - 5 AZR 362/78 - und vom 11. April 1984 - 5 AZR 430/82 - AP Nr. 5 und 8 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe).

Die tatsächlichen Voraussetzungen für die Rechtswirksamkeit einer Rückzahlungsklausel muß der Arbeitgeber darlegen (BAGE 28, 159, 166 = AP, aaO, zu III 1 der Gründe).

2. Dieser Darlegungslast hat die Klägerin nicht genügt.

Die Klägerin sieht einen entscheidenden Vorteil für das berufliche Fortkommen des Beklagten darin, daß er die von ihr finanzierte Musterberechtigung bei seinem neuen Arbeitgeber einsetzen konnte, denn er fliegt dort den gleichen Flugzeugtyp, für den er bei der Klägerin die Musterberechtigung erworben hat.

Das Landesarbeitsgericht ist dieser Auffassung der Klägerin gefolgt und hält deswegen die Rückzahlungsverpflichtung für zumutbar. Durch die Leistung der Klägerin habe der Beklagte nicht nur einen neuen Arbeitsplatz erhalten, sondern auch die Möglichkeit, nach Ablauf eines Jahres einen Arbeitsplatz bei anderen Arbeitgebern zu bekommen, die den gleichen Flugzeugtyp einsetzen. Das reicht nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts aus, um einen Vorteil des Arbeitnehmers im Sinne der Rechtsgrundsätze über die Zulässigkeit von Ausbildungskosten - Rückzahlungsvereinbarungen - zu begründen.

3. Das Berufungsgericht setzt sich mit seiner Ansicht in Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts: In der Entscheidung BAGE 28, 159, 167 = AP, aaO, zu III 2 a der Gründe, hat das Bundesarbeitsgericht folgendes ausgeführt:

"Der Senat will nicht ausschließen, daß unter

besonderen Umständen eine Verpflichtung des

Arbeitnehmers, Ausbildungskosten zurückzu-

zahlen, falls er vor Ablauf einer bestimm-

ten Frist ausscheidet, damit zu rechtferti-

gen sein könnte, die Ausbildung habe den

allgemeinen Marktwert seiner Arbeitskraft

erhöht. Um mit dieser Begründung ihre Rück-

zahlungsklausel zu halten, hätte die Beklag-

te aber substantiiert darlegen müssen, daß

außerhalb ihres eigenen Betriebes Bedarf

nach derart ausgebildeten Arbeitskräften

im nennenswerten Umfang besteht und inwie-

fern die Berufs- und Verdienstchancen des

Klägers gerade durch die genossene Ausbil-

dung gesteigert worden sind. Dazu hätten

konkrete Angaben über die Lage auf dem

Arbeitsmarkt für die Kräfte mit dem Aus-

bildungsstand des Klägers gehört."

Eine entsprechende Aussage findet sich in dem Urteil BAGE 42, 48, 53 = AP, aaO, zu II 3 der Gründe. Dort heißt es, die Aussicht, in den höheren Sparkassendienst aufzusteigen und Vorstandsmitglied einer Bayerischen Sparkasse zu werden, stelle "keinen ernsthaft in Betracht zu ziehenden Vorteil .. dar". Weiter ist ausgeführt:

"Nach dem von der Beklagten vorgelegten Prüfungs-

zeugnis haben allein mit ihr zusammen weitere

349 Angestellte den Lehrgang erfolgreich abge-

schlossen. Da dieser Lehrgang ständig angeboten

wird, warten Tausende von Angestellten mit der

Sparkassenprüfung II auf einen von der Klägerin

angesprochenen Vorstandsposten. Die rechtliche

Möglichkeit, einen solchen Posten zu bekleiden,

läßt deshalb keinen wirklichen Wert der Ausbil-

dung für die Beklagte in dieser Hinsicht er-

kennen."

4. Die insoweit darlegungspflichtige Klägerin konnte sich nach diesen Rechtsprechungsgrundsätzen zur Begründung der Rückzahlungsverpflichtung des Beklagten nicht auf den Hinweis beschränken, daß der Beklagte mit der von der Klägerin finanzierten Musterberechtigung den gleichen Flugzeugtyp bei seinem neuen Arbeitgeber fliege wie zuvor bei der Klägerin. Sie hätte vielmehr substantiiert darlegen müssen, daß außerhalb ihres eigenen Betriebes Bedarf nach derart ausgebildeten Piloten in nennenswertem Umfang besteht und inwiefern die Berufs- und Verdienstchancen des Klägers gerade durch die von ihr finanzierte Ausbildung gesteigert worden sind. Dazu hätten konkrete Angaben über die Lage auf dem Arbeitsmarkt für Kräfte mit dem Ausbildungsstand des Klägers gehört. An einem derartigen Vortrag fehlt es mit der Folge, daß eine Verpflichtung des Beklagten zur Rückzahlung der Aufwendungen der Klägerin nicht begründet werden konnte.

Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Olderog

Dr. Florack Blank-Abel

 

Fundstellen

DB 1990, 2222-2223 (LT1)

SteuerBriefe 1991, 174-174 (K)

EBE/BAG 1990, 159-160 (LT1)

ARST 1990, 202-203 (LT1)

NZA 1991, 178-179 (LT1)

RdA 1990, 314

ZTR 1991, 31-32 (LT1)

AP § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe (LT1), Nr 14

EzA § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, Nr 6 (LT1)

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