Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebliche Altersversorgung: Gesamtzusage, betriebliche Übung und ablösende Betriebsvereinbarung. Rechtskontrolle der Ablösungsregelung. Betriebliche Altersversorgung. Arbeitsvertragsrecht

 

Orientierungssatz

  • Bei einer Gesamtzusage besteht das Vertragsangebot des Arbeitgebers aus seinen verlautbarten und in allgemeiner Form bekanntgemachten Erklärungen, mit deren Inhalt sich der Arbeitnehmer konkludent einverstanden erklärt, wenn er die Leistung entgegennimmt. Eine ausdrückliche Annahme ist entbehrlich (§ 151 BGB). Der Leistung als solcher kommt kein eigener Erklärungswert zu, wenn ihre Bedingungen allgemein bekanntgemacht worden sind. Deswegen können sich Arbeitnehmer bei Gesamtzusagen regelmäßig nicht mit Erfolg darauf berufen, sie hätten nur die Leistung wahrgenommen, nicht aber die Einzelheiten der ihr zugrundeliegenden Zusage. Dies gilt auch, wenn der Arbeitnehmer erst nach der Bekanntgabe der Gesamtzusage bei dem Arbeitgeber eingestellt worden ist. Die Leistung erfolgt aufgrund der früher bekanntgemachten Gesamtzusage und nicht aufgrund einer einzelvertraglichen Zusage. Daher wird auch der Vorbehalt einer Änderung durch Betriebsvereinbarung Vertragsinhalt zwischen den Parteien des Arbeitsvertrages.
  • Weist der Arbeitgeber bei der Gesamtzusage darauf hin, seine freiwillige Leistung werde ausdrücklich “in Abstimmung mit dem Gesamtbetriebsrat” versprochen, so wird dadurch für die Arbeitnehmer erkennbar, daß die Leistung auch in der Zukunft Abänderungen durch Betriebsvereinbarungen zugänglich sein soll. Dies gilt auch bei freiwilligen Leistungen, es kommt nicht darauf an, ob der Gegenstand einer mit einem derartigen Änderungsvorbehalt ausgestatteten Gesamtzusage als mitbestimmungsfrei anzusehen ist. § 77 BetrVG beschränkt den Anwendungsbereich von Betriebsvereinbarungen nicht auf Gegenstände der zwingenden Mitbestimmung.
  • Erfolgt eine Leistungsgewährung aufgrund ausdrücklich vereinbarter (kollektivrechtlicher oder individualrechtlicher) Anspruchsgrundlagen, zB wie hier aufgrund einer Gesamtzusage, so ist für die Annahme einer daneben bestehenden betrieblichen Übung regelmäßig kein Raum.
  • Betriebsvereinbarungen, die Ansprüche aus Gesamtzusagen einschränken, unterliegen einer Rechtskontrolle. Die Betriebsparteien haben die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes zu beachten.
  • Bietet der Arbeitgeber einen neuen und grundsätzlich gleichwertigen, jedoch für ihn selbst kostengünstigeren Durchführungsweg an, so ist es zulässig, Arbeitnehmer, die beim bisherigen Durchführungsweg bleiben wollen, mit den nunmehr nicht mehr zwingend erforderlichen Kosten dieses bisherigen Durchführungswegs zu belasten.
 

Normenkette

BGB § 151; BetrVG § 77

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 27.06.2001; Aktenzeichen 8 Sa 677/00)

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 18.01.2000; Aktenzeichen 18 Ca 7102/99)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten, die Pauschalsteuer auf die von ihr geleisteten Beiträge zu einer Pensionskasse zu übernehmen.

Die am 9. Oktober 1953 geborene Klägerin ist seit dem 1. Dezember 1989 bei der Beklagten angestellt. Im September 1999 betrug ihr monatliches Gehalt 3.855,00 DM brutto.

Neben einer direkten Versorgungszusage gewährt die Beklagte ihren Mitarbeitern noch eine weitere betriebliche Altersversorgung, zunächst nur über ihre Mitgliedschaft im Beamtenversicherungsverein des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes V.a.G. (BVV), einer Pensionskasse. Im Arbeitsvertrag der Klägerin heißt es dazu:

“3. Sozialversicherung/Zusatzversicherung

Die Bank versichert die Mitarbeiterin während deren Betriebszugehörigkeit aufgrund einer Verpflichtung aus der Mitgliedschaft der Bank bei dem Beamtenversicherungsverein des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes V.a.G. (BVV) gemäß dessen Satzung und Versicherungsbedingungen; von den Beiträgen trägt die Mitarbeiterin z.Zt. 1/3 und die Bank z.Zt. 2/3.

4. Tarifverträge/sonstige Vertragsbestandteile

Die Tarifverträge für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken sowie die Betriebsordnung, die Versorgungsordnung und die Betriebsvereinbarungen der Bank in ihren jeweils geltenden Fassungen sind Bestandteile dieses Vertrages. …”

Der Arbeitnehmerbeitrag wurde der Klägerin vom Nettogehalt abgezogen. Hinsichtlich des Arbeitgeberbeitrages zum BVV hatte die Beklagte schon mit Rundschreiben Nr. 35 vom 12. Januar 1976, also vor Beginn der Beschäftigung der Klägerin, ihren Arbeitnehmern mitgeteilt:

“…Bisher unterlag der Arbeitgeberbeitrag zum Beamtenversicherungsverein unter Berücksichtigung des Monatsfreibetrages von DM 26,-- als Arbeitseinkommen der Sozialversicherungs- und Steuerpflicht. In Abstimmung mit dem Gesamtbetriebsrat wird ab der Februar-Gehaltsabrechnung, rückwirkend ab Januar 1976, eine Pauschalversteuerung des Arbeitgeberanteils zum Beamtenversicherungsverein erfolgen. Hierdurch ergibt sich künftig eine betragsmäßig nicht unerhebliche Entlastung für die Mitarbeiter, da die pauschalierten Steuern von der Bank getragen werden. …”

Der pauschalversteuerte Arbeitgeberanteil unterlag nicht mehr der Sozialversicherungspflicht.

In den Folgejahren wies die Beklagte verschiedentlich darauf hin, daß sie die Pauschalversteuerung des Arbeitgeberanteils zum BVV übernehme, sich jedoch vorbehalte, einzelne freiwillige Leistungen zurückzunehmen. So hieß es in der bei Einstellungen ausgehändigten Broschüre “Sonderleistungen für unsere Mitarbeiter” des Jahres 1978:

“…Die auf den Arbeitgeberanteil entfallenden Steuern werden von der Bank getragen. …

In dieser Broschüre werden die einzelnen Vergünstigungen jeweils nur in Stichworten dargestellt. Einzelheiten ergeben sich aus unseren Bekanntmachungen, die für die Anspruchsberechtigung ausschließlich maßgebend sind. Es bleibt vorbehalten, einzelne Leistungen zu ändern oder im Falle der Tarifierung auf den tariflichen Anspruch anzurechnen. …”

Anläßlich der zum 1. Januar 1990 in Kraft tretenden Erhöhung des Pauschalsteuersatzes von 10 % auf 15 % teilte die Beklagte mit dem Rundschreiben “Steuerreform 1990”, Stand Dezember 1989, ihren Mitarbeitern folgendes mit:

“Arbeitgeberbeitrag zum BVV

Die Bank mißt dem BVV als wichtigem Bestandteil der Altersversorgung traditionell große Bedeutung bei. Das kommt darin zum Ausdruck, daß sie z.Z. 2/3 des Gesamtbeitrages übernimmt. Diese zusätzliche Leistung der Bank ist an sich von Ihnen zu versteuern. Allerdings hat die Bank Sie bisher von dieser Steuerpflicht freigestellt.

Die Pauschalsteuer auf derartige Leistungen zur Zukunftssicherung wird ab 1. Januar 1990 von 10 % auf 15 % angehoben. Gleichzeitig entfällt der Zukunftssicherungsfreibetrag von DM 312,-- jährlich.

Wir wollen nicht, daß für Sie aufgrund dieser Steueränderungen Belastungen aus der wichtigen Altersvorsorge BVV entstehen. Daher wird die Bank die erheblichen Mehrbelastungen aus der Erhöhung des Steuersatzes und der Streichung des Freibetrages auf der Basis der ab 1. Januar 1990 geltenden steuerlichen Bestimmungen übernehmen. Sie werden hierdurch nicht nur steuerlich entlastet, es werden ggf. auch höhere Beiträge zur Sozialversicherung vermieden.”

Die Informationen für neu eingestellte Mitarbeiter wurden – nach Einstellung der Klägerin – unter dem Titel “Unsere Leistungen über Ihr Gehalt hinaus” im Juli 1991 sowie im April 1994 überarbeitet und im gesamten Unternehmen verteilt. In der Einleitung hieß es dort ua.:

“Die in Betriebsvereinbarungen geregelten Leistungen werden ebenso – wie auch die anderen freiwilligen Leistungen der Bank – gelegentlich an geänderte Verhältnisse angepaßt. Insofern muß es vorbehalten bleiben, freiwillige Leistungen zurückzunehmen, zu ändern oder im Falle einer Einbeziehung in den Tarifvertrag auf den tariflichen Anspruch anzurechnen.”

Schließlich ließ die Beklagte anläßlich der Erhöhung des Pauschalsteuersatzes von 15 % auf 20 % durch das Jahressteuergesetz 1996 in der an alle Mitarbeiter versandten Mitarbeiter-Zeitung “WIR” verlauten:

“Seit 1976 übernimmt die Bank zusätzlich zu den Arbeitgeberbeiträgen zum BVV auch die hierauf fällige Pauschalsteuer einschließlich anfallender Nebenabgaben (derzeit Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag). Der Pauschalsteuersatz, der ursprünglich 10 Prozent betrug, wurde 1990 auf 15 Prozent erhöht und stieg am 1. Januar 1996 auf 20 Prozent.

Die Erhöhung des Pauschalsteuersatzes um ein Drittel belastet die Ertragsrechnung der Bank jährlich um 6 Millionen Mark. Dennoch übernimmt die Bank zur Zeit auch diese erheblichen Zusatzaufwendungen für Sie und leistet damit einen weiteren Beitrag zu Ihrer persönlichen Alterssicherung.

Die Übernahme der Pauschalsteuern ist eine freiwillige Sozialleistung. Deshalb kann sie auch jederzeit nach freiem Ermessen widerrufen werden.”

Anläßlich der durch das Rentenreformgesetz 1999 geschaffenen Möglichkeit, Versorgungsverpflichtungen in besonderen Fällen auf kongruent rückgedeckte Unterstützungskassen zu übertragen (§ 4 Abs. 3, 4 BetrAVG), informierte die Beklagte im Februar 1999 ihre Mitarbeiter durch ein Musterschreiben darüber, daß sie beabsichtige, den Durchführungsweg für die Versorgung durch einen Wechsel zu der neu zu gründenden “BVV Versorgungskasse des Bankgewerbes e.V.” (BVV-VK), einer kongruent rückgedeckten Unterstützungskasse, zu ändern. Im März 1999 schloß die Beklagte dazu mit dem Gesamtbetriebsrat eine “Betriebsvereinbarung zur Mitgliedschaft in der BVV-Versorgungskasse des Bankgewerbes e.V. (Regelung für Mitarbeiter mit bisheriger BVV-Versorgung)” ab, die mit dem 1. Juni 1999 in Kraft trat (GBV 99). Dort heißt es ua.:

“2. Wechsel des Durchführungsweges

Die bisherige BVV-Versorgung führt ausschließlich über den Durchführungsweg der Pensionskasse. Sowohl die Beiträge der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch die der Bank werden direkt in die Pensionskasse abgeführt.

Im Rahmen der Neuordnung der BVV-Versorgung wird zusätzlich der Durchführungsweg einer kongruent rückgedeckten Unterstützungskasse, die BVV-Versorgungskasse des Bankgewerbes e. V., geschaffen. Die Bank wird von dem bisherigen Durchführungsweg Pensionskasse zum Durchführungsweg der rückgedeckten Unterstützungskasse wechseln und die Versicherten in der neuen Unterstützungskasse anmelden.

5. Weiterführende Mitgliedschaft in der BVV-Pensionskasse und Übernahme der Pauschalsteuer

Mit dem Wechsel in die Unterstützungskasse entfällt die derzeit notwendige Pauschalversteuerung der Arbeitgeberbeiträge. Soweit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit Beginn der Mitgliedschaft der Bank in der BVV-Versorgungskasse des Bankgewerbes e.V. das 52. Lebensjahr vollendet haben und die in der BVV-Pensionskasse bestehende Mitgliedschaft weiterführen wollen, wird die Bank die Pauschalversteuerung im Rahmen der derzeit geltenden Bestimmungen übernehmen.”

Mit Vertrag vom 30. Juni 1999 trat die Beklagte der Unterstützungskasse BVV-VK bei. Gem. § 3 Ziff. 4 dieses Beitrittsvertrages sind Arbeitnehmer der Beklagten, die am 30. Juni 1999 Versicherte des BVV waren und weiterhin Mitglied in der BVV-Pensionskasse bleiben, von der ansonsten bestehenden Anmeldeverpflichtung für die Arbeitnehmer der Beklagten ausgenommen. Die Klägerin stimmte der Gehaltsumwandlung in Höhe von einem Drittel der Beiträge und dem Abschluß einer Rückdeckungsversicherung durch die BVV-VK nicht zu. Sie blieb Mitglied im BVV. Ab dem 1. Juli 1999 übernahm die Beklagte aber nicht mehr die Pauschalsteuer, sondern belastete die Klägerin mit den auf die Arbeitgeberanteile zur BVV entfallenden Steuern.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte müsse weiter die Pauschalsteuer gem. § 40b EStG für die Arbeitgeberanteile des BVV-Beitrages tragen. Dies könne sie nach den ihr gemachten Zusagen und auf Grund betrieblicher Übung beanspruchen. Die GBV 99 habe hieran nichts ändern können, denn diese habe ihre vertraglichen Ansprüche nicht berühren können. Im Verhältnis zur alten Versorgungsregelung sei die Neuregelung ungünstiger.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

  • festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, die Pauschalversteuerung gemäß § 40b EStG auf die zugunsten der Klägerin an den BVV-Versicherungsverein des Bankgewerbes a.G. zu entrichtenden arbeitgeberseitigen Beiträge zu tragen;
  • die Beklagte zu verurteilen, an sie 417,80 DM netto zuzüglich 4 % Zinsen aus 104,45 DM seit dem 1. August 1999, 4 % Zinsen aus 104,45 DM seit dem 1. September 1999, 4 % Zinsen aus 104,45 DM seit dem 1. Oktober 1999 sowie 4 % Zinsen aus 104,45 DM seit dem 1. November 1999 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, durch die Gesamtbetriebsvereinbarung sei ihre Verpflichtung zur Übernahme der Pauschalsteuer auf die Arbeitgeberbeiträge zum BVV entfallen. Der neue Durchführungsweg über die BVV-VK sei für die Klägerin auch nicht finanziell nachteilig.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten war erfolgreich. Mit der Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Sie hat keinen Anspruch darauf, daß die Beklagte über den 30. Juni 1999 hinaus die Pauschalsteuer auf die Arbeitgeberbeiträge zum BVV übernimmt.

I. Das Landesarbeitsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß sich die Beklagte durch Gesamtzusage zur Übernahme der Pauschalsteuer verpflichtet hatte.

1. Eine Gesamtzusage ist die an alle Arbeitnehmer in allgemeiner Form gerichtete Erklärung des Arbeitgebers, zusätzliche Leistungen zu erbringen. Die Arbeitnehmer erwerben dann einen einzelvertraglichen Anspruch auf diese Leistungen, wenn sie die vom Arbeitgeber genannten Anspruchsvoraussetzungen erfüllen. Einer ausdrücklichen Annahmeerklärung des in der Gesamtzusage enthaltenen Angebots bedarf es nicht (§ 151 BGB, vgl. BAG GS 16. September 1986 – GS 1/82 – BAGE 53, 42; 5. Dezember 1995 – 3 AZR 941/94 – AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 20 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 11). Eine solche Gesamtzusage hat die Beklagte erstmals mit ihrem Rundschreiben vom 12. Januar 1976 gemacht, in dem sie gleichförmig gegenüber ihren Mitarbeitern erklärte, eine Pauschalversteuerung des Arbeitgeberanteils zum BVV vorzunehmen und die pauschalierten Steuern selbst zu tragen. Diese Gesamtzusage hat sie anläßlich der Erhöhung der Pauschalsteuersätze 1990 und 1996 erneuert und wiederum in allgemeiner Form durch Rundschreiben und Veröffentlichung in der Mitarbeiterzeitung kommuniziert. Damit ist die Gesamtzusage Inhalt auch des Arbeitsvertrages der Klägerin geworden.

2. Entgegen der Ansicht der Revision beruht die Übernahme der Pauschalsteuer durch die Beklagte nicht auf einer neben der Gesamtzusage gepflogenen und von ihr unabhängigen betrieblichen Übung. Erfolgt die Leistungsgewährung auf Grund anderer kollektivrechtlicher oder individualrechtlicher Anspruchsgrundlagen, hier also auf Grund einer Gesamtzusage, so ist für die Annahme einer daneben bestehenden betrieblichen Übung regelmäßig kein Raum (BAG 27. Juni 1985 – 6 AZR 392/81 – BAGE 49, 151, zu 4b der Gründe; 9. Februar 1989 – 8 AZR 310/87 – BAGE 61, 87, 93).

II. Das Landesarbeitsgericht hat auch rechtsfehlerfrei ausgeführt, daß die Gesamtzusage betriebsvereinbarungsoffen war und daher die GBV 99 die von der Beklagten eingegangene Verpflichtung zur Übernahme der Pauschalversteuerung beenden konnte.

1. Vertraglich begründete Ansprüche von Arbeitnehmern auf Sozialleistungen, die auf eine vom Arbeitgeber gesetzte Einheitsregelung oder eine Gesamtzusage zurückgehen, können dann durch eine – im Ergebnis auch ungünstigere – nachfolgende Betriebsvereinbarung wirksam abgelöst werden, wenn der Arbeitgeber sich bei der Zusage eine Abänderung durch Betriebsvereinbarung vorbehalten hat. Ein derartiger Änderungsvorbehalt kann sich, ohne ausdrücklich formuliert zu sein, auch aus den Gesamtumständen ergeben, zB aus der Entwicklung des Versorgungswerks und der Beteiligung des Betriebsrats in der Vergangenheit an Änderungen (BAG GS 16. September 1986 – GS 1/82 – BAGE 53, 42, 57, zu C II 1c der Gründe). Wird bei der Bekanntgabe einer vertraglichen Einheitsregelung darauf hingewiesen, daß diese auf mit dem Konzernbetriebsrat “abgestimmten” Richtlinien beruht, so legt dies für die Erklärungsempfänger die Folgerung nahe, daß die vom Arbeitgeber zu erbringenden Leistungen durch Mitwirkung des Konzernbetriebsrats wieder umgestaltet werden können (BAG 3. November 1987 – 8 AZR 316/81 – BAGE 56, 289, zu II 3b der Gründe).

2. In Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei aus der Formulierung des Rundschreibens 1976, mit dem die Gesamtzusage bekanntgemacht wurde, “… in Abstimmung mit dem Gesamtbetriebsrat …” erfolge eine Pauschalversteuerung des Arbeitgeberanteils zum BVV, geschlossen, die Beklagte habe erkennbar zum Ausdruck gebracht, daß die Leistung erst nach Beteiligung des Gesamtbetriebsrats gewährt wurde und folglich auch in der Zukunft Abänderungen durch Betriebsvereinbarung zugänglich sein sollte. Der gegenteiligen Auffassung der Revision ist schon deswegen nicht zu folgen, weil sie in sich widersprüchlich ist: Es macht keinen Sinn, bei einer für mitbestimmungsfrei gehaltenen Entscheidung darauf hinzuweisen, daß der Gesamtbetriebsrat keine Einwendungen erhoben habe. Vielmehr diente der Hinweis auf die Abstimmung mit dem Gesamtbetriebsrat der Klarstellung, daß die Beklagte diesen Bereich mit der zuständigen betrieblichen Interessenvertretung gemeinsam ausgestaltet. Das schließt den Vorbehalt künftig ändernder Betriebsvereinbarungen ein.

3. Es ist unschädlich, daß die Klägerin bei der ersten Bekanntgabe der Gesamtzusage noch nicht Arbeitnehmerin der Beklagten war. Die Klägerin erhielt diese Leistung auf Grund der bekanntgemachten Gesamtzusage und nicht auf Grund einer einzelvertraglichen Zusage. Daher wurde auch der Vorbehalt einer Änderung durch Betriebsvereinbarung Vertragsinhalt. Im übrigen war die Klägerin nach ihrer Einstellung mehrfach auf in Betriebsvereinbarungen geregelte und andere freiwillige Leistungen hingewiesen worden, so daß ihr der Vorbehalt bekannt gewesen sein mußte.

III. Das Landesarbeitsgericht hat die GBV 99 zutreffend dahin ausgelegt, daß dadurch die Verpflichtung zur Übernahme der Pauschalsteuer entfallen ist.

1. Entgegen der Ansicht der Revision enthält Ziff. 5 Satz 1 GBV 99 nicht den – überflüssigen – Hinweis, daß Beiträge zur neuen Unterstützungskasse nicht pauschal versteuert werden. Beiträge zur Unterstützungskasse unterliegen keiner Steuerpflicht und damit auch keiner Pauschalversteuerung, weil ihre Leistungen später, also nachgelagert, voll zu versteuern sind. Dagegen unterlagen die Versicherungsbeiträge zur Pensionskasse der Einkommensteuer. Wählt der Arbeitgeber, wie es vorliegend die Beklagte getan hatte, für seinen Beitragsanteil den Weg der Pauschalversteuerung gem. § 40b EStG, so wird er zwar dadurch gegenüber dem Fiskus Steuerschuldner, muß aber im Innenverhältnis zu den Mitarbeitern diese Steuerschuld nur auf Grund entsprechender Vereinbarungen tragen (BAG 22. Juni 1978 – 3 AZR 156/77 – AP EStG § 40a Nr. 1; 5. August 1987 – 5 AZR 22/86 – BAGE 56, 14). Ziff. 5 Satz 1 GBV 99 kann also entgegen der Ansicht der Revision schon deswegen nicht als Hinweis auf die Behandlung der bei der BVV-VK zu begründenden Versicherungsverhältnisse ausgelegt werden, weil ein solcher Hinweis überflüssig und sinnlos wäre. Vielmehr ist Ziff. 5 Satz 1 GBV 99 mit dem Landesarbeitsgericht entsprechend der Überschrift “Weiterführende Mitgliedschaft in der BVV-Pensionskasse …” dahin zu verstehen, daß mit dem Wechsel der Beklagten in den Versorgungsweg Unterstützungskasse steuerpflichtige Arbeitgeberbeiträge grundsätzlich nicht mehr anfallen und daher auch keine Pauschalversteuerung mehr vorzunehmen ist.

2. Der Revision ist zuzugeben, daß Ziff. 5 Satz 1 GBV 99 nicht ausdrücklich klarstellt, wer künftig die Steuerlast für die nach wie vor einkommensteuerpflichtigen Beiträge zur BVV-Pensionskasse zu tragen hat, wenn Arbeitnehmer wie die Klägerin ihre dortige Mitgliedschaft weitergeführt sehen wollen. Dies wird indes hinlänglich aus dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift mit Ziff. 5 Satz 2 GBV 99 deutlich: Satz 1 und Satz 2 der Ziff. 5 GBV 99 stehen ersichtlich in einem Regel-Ausnahmeverhältnis. Für Mitarbeiter, die ihre Mitgliedschaft in der BVV-Pensionskasse weitergeführt haben wollen, wird die Beklagte die Pauschalversteuerung wie bisher nur dann durchführen und wirtschaftlich tragen, wenn diese Mitarbeiter im Zeitpunkt des Eintritts der Beklagten in die BVV-VK das 52. Lebensjahr vollendet haben. Dies bedeutet im Umkehrschluß, daß Mitarbeiter wie die Klägerin, die im Zeitpunkt des Beitrittsvertrages der Beklagten mit der BVV-VK am 30. Juni 1999 noch nicht das 52. Lebensjahr vollendet hatte, künftig die Steuerlast für die Arbeitgeberbeiträge selbst zu tragen haben – sei es im Wege der Einzelbesteuerung oder der im Innenverhältnis an sie weitergereichten Pauschalsteuerlast. Damit kommt mit hinlänglicher Klarheit der Wille der Betriebsparteien zum Ausdruck, angesichts des neuen Versorgungsweges die bisherige Übernahme der Steuerlast für die Beiträge zur Pensionskasse durch die Beklagte entfallen zu lassen. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, daß das Landesarbeitsgericht Ziff. 5 Satz 1 der GBV 99 dementsprechend ausgelegt hat.

IV. Das Landesarbeitsgericht hat schließlich zutreffend erkannt, daß die GBV 99 wirksam ist.

1. Auch in Fällen wie dem vorliegenden, in denen die ursprüngliche Gesamtzusage bereits den Vorbehalt einer Abänderung durch Betriebsvereinbarung enthielt, kann nicht schrankenlos in Besitzstände der Arbeitnehmer eingegriffen werden. Auch wenn die spätere Regelung grundsätzlich die frühere Regelung verdrängt, also nicht das Günstigkeitsprinzip eingreift, bleiben die Besitzstände der betroffenen Arbeitnehmer nicht schutzlos. Betriebsvereinbarungen, die Versorgungsansprüche aus Gesamtzusagen einschränken, unterliegen einer Rechtskontrolle. Die Betriebsparteien haben die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes zu beachten. Alle Eingriffe müssen, am Zweck der Maßnahme gemessen, geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sein. Die Änderungsgründe sind gegenüber den Bestandsschutzinteressen abzuwägen (BAG 16. Juli 1996 – 3 AZR 398/95 – BAGE 83, 293, 297).

Da hier nicht in die Entwicklung von Anwartschaften eingegriffen wird, sondern die Veränderungen ausschließlich die finanziellen Belastungen im bestehenden Arbeitsverhältnis betreffen, ist das vom Senat für Eingriffe in Betriebsrenten-Anwartschaften entwickelte dreiteilige Prüfungsschema nicht anzuwenden (vgl. dazu die ständige Rechtsprechung des Senats, zB 17. April 1985 – 3 AZR 72/83 – BAGE 49, 57; 17. November 1992 – 3 AZR 76/92 – BAGE 71, 372). Es ist auf die allgemeinen Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit zurückzugreifen.

2. Nach diesen Grundsätzen erweist sich der mit der GBV 99 vorgenommene Eingriff als wirksam. Die Beklagte hat nicht in erster Linie in Besitzstände der Arbeitnehmer eingegriffen, sondern ihnen eine grundsätzlich gleichwertige, wenn auch für sie selbst kostengünstigere Versorgung angeboten.

Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß die Frage, wer die Lasten der (Pauschal-)Versteuerung zu tragen hat, nicht isoliert betrachtet werden kann. Die Klägerin hat sich für einen Verbleib ihrer Altersversorgung bei der Pensionskasse (BVV) entschieden. An der Entwicklung ihrer Betriebsrentenanwartschaft wie an den späteren Versorgungsleistungen ändert sich also nichts. Mit der Ablehnung eines Wechsels zur Unterstützungskasse (BVV-VK) hat sich die Klägerin allerdings entgegen der Auffassung der Beklagten nicht treuwidrig verhalten, sondern von einem in der GBV 99 angelegten Wahlrecht Gebrauch gemacht. Daraus ergibt sich aber nicht die Verpflichtung der Beklagten, künftig die Steuerlast für Versicherungsbeiträge zur Pensionskasse zu tragen. Denn mit dem Wechsel zur Unterstützungskasse bot die Beklagte einen grundsätzlich gleichwertigen Versorgungsweg an, der wegen der Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit der dortigen Aufwendungen günstige Auswirkungen auf das laufende Einkommen hat. Es blieb der Entscheidung der Klägerin überlassen, im Hinblick auf die nachgelagerte Versteuerung der Leistungen der Unterstützungskasse von diesen Vorteilen im laufenden Einkommen – etwa zum Zwecke des Aufbaus einer eigenen, privaten Altersvorsorge – keinen Gebrauch zu machen und stattdessen bei der Pensionskasse zu bleiben. Rechtsfehlerfrei hat es das Landesarbeitsgericht als zulässig erachtet, wenn die GBV 99 vorsieht, daß es bei der Steuerlast der in der Pensionskasse verbleibenden jüngeren Arbeitnehmer bleibt und diese nicht mehr – wie früher – von der Beklagten übernommen wird. Die Klägerin konnte nicht darauf vertrauen, daß die Beklagte weiterhin Kosten übernimmt, die bei dem angebotenen Versorgungsweg Unterstützungskasse nicht anfallen. Dies um so mehr, als die Beklagte wiederholt darauf verwiesen hatte, daß ihre freiwilligen Leistungen widerrufen werden können.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß die GBV 99 eine Ausnahme für die Mitarbeiter vorsieht, die im Zeitpunkt des Beitritts der Beklagten zur Unterstützungskasse das 52. Lebensjahr vollendet hatten und bei der Pensionskasse verbleiben wollten. Das Landesarbeitsgericht hat auch insoweit zutreffend darauf abgestellt, daß sich für diesen Arbeitnehmerkreis die Vorteile durch die Neuregelung nicht mehr so stark auswirken können. Deswegen war es zulässig, diesen Personenkreis zu begünstigen. Für jüngere Mitarbeiter wie die Klägerin war dagegen der Wechsel zur BVV-VK nicht mit Nachteilen verbunden. Es blieb ihr unbenommen, gemäß ihrer persönlichen Einschätzung des neuen Versorgungswerks und der zukünftigen Entwicklung bei der Pensionskasse zu bleiben. Sie muß es dann aber hinnehmen, daß ihr die Steuerlast hinsichtlich der Arbeitgeberbeiträge nicht länger abgenommen wird.

 

Unterschriften

Reinecke, Bepler, Breinlinger, Oberhofer, Furchtbar

 

Fundstellen

Haufe-Index 954239

NZA 2003, 1360

AP, 0

NJOZ 2003, 3363

SPA 2005, 8

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge