Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsübergang. Druckerei eines Zeitungsverlages

 

Normenkette

BGB § 613a

 

Verfahrensgang

LAG München (Urteil vom 14.10.1997; Aktenzeichen 2 Sa 288/96)

ArbG München (Urteil vom 19.10.1995; Aktenzeichen 32 Ca 4890/94)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 14. Oktober 1997 – 2 Sa 288/96 – aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit betriebsbedingter Kündigungen und in diesem Zusammenhang insbesondere darüber, ob eine Betriebsstillegung oder ein Betriebsübergang stattgefunden hat.

Die Beklagte verlegt die Tageszeitung “M…”. Sie betrieb bis 1. August 1994 in ihrem Betriebsgebäude in der Münchener Innenstadt auch eine Zeitungsdruckerei mit sechs Rotationsmaschinen, auf denen im sog. Hochdruckverfahren die Tageszeitung “M…”, einige regionale Tageszeitungen und Wochen- bzw. Monatszeitungen gedruckt wurden. Der Druckerei war ein Versand angeschlossen. Verleger der neben dem M… von der Beklagten gedruckten Zeitungen sind die Z… (ZVO) und die tz … (tz). Die Gesellschafter der jeweiligen Komplementär-Gesellschaften von ZVO, tz und der Beklagten sind weitgehend identisch.

Im Jahr 1990 plante die Beklagte, ihre veralteten Hochdruckmaschinen durch moderne Offsetdruckmaschinen zu ersetzen. Nachdem sich herausgestellt hatte, daß die Installation der neuen Maschinen im eigenen Gebäude im Pressehaus in der B… straße in München auf erhebliche technische Schwierigkeiten stoßen würde, gab die Beklagte diesen Plan wieder auf. Die “Schwestergesellschaft” ZVO erwarb im Frühjahr 1991 von der Stadt München in der D… Straße ein ca. zehn km vom Betrieb der Beklagten entfernt liegendes Grundstück, auf welchem sie in der Folgezeit mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von rund 100 Millionen DM eine Offsetdruckerei errichtete. Für den Betrieb dieser Druckerei wurde am 19. Juni 1991 eine Betreibergesellschaft, die D… (im folgenden: DHD), gegründet. Die Komplementäre der DHD sind (überwiegend) wiederum mit unterschiedlichen Beteiligungen auch an der Beklagten, der ZVO und der tz beteiligt.

Am 8. Juli 1991 schloß die Beklagte (MZV) mit der DHD folgende Vereinbarung:

“1. Die DHD wird beginnend im 2. Halbjahr 1992 in München, D… straße, eine Zeitungsoffsetdruckerei betreiben. Sie wird in ihrem Betrieb vorrangig Druckaufträge herstellen, die jetzt beim MZV hergestellt werden. Dazu wird DHD schrittweise je nach Anlaufen der Produktion und im Rahmen der jeweils gegebenen Produktionsmöglichkeiten die jetzt beim MZV laufenden Druckaufträge ab Herstellung der Druckplatte übernehmen.

2. MZV sichert zu und DHD verpflichtet sich, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um einen reibungslosen Übergang obiger Druckaufträge auf DHD zu den im einzelnen noch abzusprechenden Terminen zu gewährleisten.

3. DHD verpflichtet sich, allen beim MZV unbefristet und in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis beschäftigten Druckern und Helfern, deren Arbeitsplatz beim MZV durch die Abgabe der Aufträge wegfällt und denen MZV keinen anderen freien Arbeitsplatz anbieten kann, einen vergleichbaren Arbeitsplatz anzubieten, sofern sie im Betrieb der DHD arbeiten wollen und können.

Das gleiche gilt für die entsprechenden Mitarbeiter/innen im Tag- und Nachtversand, sofern sie unbefristet beschäftigt sind, sowie für die Mitarbeiter der Plattenherstellung, die DHD für die Herstellung der künftig erforderlichen Offsetdruckplatten benötigt.

4. DHD verpflichtet sich des weiteren, den zum neuen Druckbetrieb wechselnden Arbeitnehmern die Wahrung ihres sozialen Besitzstandes wie folgt zu garantieren:

Die Betriebszugehörigkeit beim MZV und die damit verbundenen Rechte werden in das neue Arbeitsverhältnis uneingeschränkt übernommen.

Die tarifliche Eingruppierung und übertarifliche Zulagen bleiben in der vereinbarten Form unverändert bestehen.

Der Anspruch auf betriebliche Altersversorgung und sonstige eventuelle Sozialleistungen bleibt unter den gleichen Bedingungen und Voraussetzungen und in gleicher Höhe, wie er bei einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses beim MZV bestanden haben würde, bestehen.

Die für die bayerische Druckindustrie bzw. das bayerische Zeitungsverlagsgewerbe geltenden Tarifverträge gelten in ihrer jeweiligen Fassung für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses zur DHD.

Damit werden im Druckhaus D… straße die Beschäftigungsverhältnisse so weitergeführt, wie sie im MZV bestanden.

5. DHD ist bekannt, dass MZV die Umstellung auf Offset ursprünglich im eigenen Betrieb verwirklichen wollte und dazu eine Betriebsvereinbarung mit seinem Betriebsrat unter dem 16. Juli 1990 abgeschlossen hat.

DHD verpflichtet sich MZV gegenüber, die Ausstattung und die Inbetriebnahme der Maschinen des Druckhauses D… straße so zu regeln, wie es analog zu der oben erwähnten Betriebsvereinbarung möglich ist.

Dabei besteht Einigkeit zwischen den Parteien darüber, dass die in der Betriebsvereinbarung vorgesehene Ausschreibung und Auswahl der für die Übernahme zu DHD in Frage kommenden Mitarbeiter allein MZV obliegt.

Das gleiche gilt für die in Ziffer 5.) und 6.) vorgesehenen Umschulungsmassnahmen. Der finanzielle Aufwand dieser Massnahmen geht zu Lasten DHD.”

Ab 1993 kam es zu Übernahmegesprächen zwischen der Beklagten und DHD einerseits und den von der Auftragsübernahme betroffenen 156 Arbeitnehmern und dem bei der Beklagten errichteten Betriebsrat andererseits. Nach den Vorstellungen der Beklagten und DHD sollten zur Absicherung des sukzessiven Auftragsübergangs parallel zur wachsenden Produktionskapazität bei DHD die Arbeitnehmer gleitend zu letzterer überwechseln. Zu diesem Zweck wurde ihnen eine Aufhebungsvereinbarung mit der Beklagten vorgelegt, wonach das Arbeitsverhältnis zur Beklagten ab dem Zeitpunkt enden sollte, zu dem der jeweilige Arbeitnehmer vollzeitig für die DHD tätig werde. Bis zu diesem Zeitpunkt sollten zwei Arbeitsverhältnisse nebeneinander bestehen mit der Maßgabe, daß die Arbeitspflicht bei der Beklagten entfalle, soweit die Arbeitskraft der Arbeitnehmer von DHD in Anspruch genommen würde. Zeitgleich legte DHD den betroffenen Arbeitnehmern unter Zusicherung der Anrechnung ihrer Vordienstzeiten bei der Beklagten und aller erworbenen Sozialleistungen bzw. Ansprüche darauf sowie einer Nettoarbeitsentgeltgarantie für ein Jahr neue Arbeitsverträge vor. Diese sahen ebenfalls analog zu der von der Beklagten vorgelegten Aufhebungsvereinbarung vorübergehend zwei Arbeitsverhältnisse mit DHD und der Beklagten vor mit einem abschließenden Übergang des Arbeitsverhältnisses auf DHD. In einem Schreiben vom 15. März 1993 teilte der Geschäftsführer der DHD allen betroffenen Arbeitnehmern, u.a. auch der Klägerin, mit, es könne sein, daß DHD zu einem späteren Zeitpunkt Druckerei und Versand von der Beklagten im Wege eines Betriebsübergangs übernehme. In diesem Fall würde DHD automatisch in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten eintreten, und das gesonderte Angebot würde sich dann erübrigen.

Mit Schreiben vom 20. April 1993 nahm die Klägerin wie 58 weitere Arbeitnehmer lediglich das Übernahmevertragsangebot von DHD an, nicht aber den angebotenen Aufhebungsvertrag mit der Beklagten. 97 Arbeitnehmer unterzeichneten sowohl den angebotenen (sukzessiven) Aufhebungsvertrag mit der Beklagten als auch das Übernahmeangebot von DHD.

Ab Sommer 1993 nahm DHD den Betrieb im Druckhaus D… straße auf. Sie beschäftigte nur die Arbeitnehmer, die beide angesonnenen Vertragsangebote unterzeichnet hatten. Den Arbeitnehmern, die wie die Klägerin nur das Vertragsangebot von DHD angenommen hatten, kündigte DHD vorsorglich. Auf die daraufhin angestrengten Kündigungsschutzklagen und entsprechende Feststellungswiderklagen hat das Landesarbeitsgericht München mit Urteil vom 26. April 1995 (– 7 Sa 25/94 –) festgestellt, daß durch Vertrag kein Arbeitsverhältnis zwischen DHD und den von ihr vorsorglich gekündigten Arbeitnehmern zustande gekommen sei. Einen möglichen Übergang der Arbeitsverhältnisse nach dem jeweiligen Kündigungsendtermin gem. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB hat das Landesarbeitsgericht in den Entscheidungsgründen ausdrücklich offengelassen.

Mit Vereinbarung vom 16. November 1993 kamen die Beklagte und die DHD überein, die Vereinbarung vom 8. Juli 1991 aufzuheben. U.a. heißt es in der neuen Vereinbarung:

… “Dies bedeutet, daß der MZV künftig in seiner Entscheidung darüber frei ist, ob und in welchem Umfang er Druckaufträge auf DHD überträgt bzw. DHD Druckaufträge erteilt und umgekehrt DHD nicht mehr verpflichtet ist, weiteren Mitarbeitern des MZV im Rahmen der Nr. 3 bis 5 der Vereinbarung vom 08.07.1991 Arbeitsplätze bei DHD anzubieten.” …

Am 20. Mai 1994 wurde für den Betrieb der Beklagten durch Einigungsstellenspruch ein Sozialplan beschlossen für alle am 1. März 1993 in einem unbefristeten und ungekündigten Arbeitsverhältnis mit der Beklagten stehenden Arbeitnehmer, die durch die Verlagerung von Aufgaben von der Beklagten auf DHD betroffen waren oder werden könnten. Nach Ziffer 5.4 dieses Sozialplans verpflichtete sich die Beklagte u.a., auch an diejenigen ihrer ehemaligen Mitarbeiter eine Sozialplanabfindung zu zahlen, die innerhalb von vier Jahren nach dem Wechsel zu DHD aus betriebsbedingten Gründen ihren Arbeitsplatz verlieren würden.

Nachdem die Beklagte zahlreiche Druckaufträge an DHD verloren hatte, beschloß sie, auch die eigene Zeitung nicht mehr im eigenen Haus zu drucken und die Rotation und den Versand spätestens zum 30. September 1994 stillzulegen. Der M… wurde ab 1. August 1994 bei ZVO in W… gedruckt. Wegen der geplanten Betriebsstillegung von Druckerei und Versand kündigte die Beklagte der bei ihr im Versand beschäftigten Klägerin mit Schreiben vom 25. Februar 1994 zum 31. Juli 1994 und vorsorglich mit Rücksicht auf den Wahlbewerberschutz nach § 15 KSchG am 22. März 1994 zum nächstzulässigen Termin.

Die Klägerin hat die Unwirksamkeit der Kündigungen geltend gemacht. Sie hat vorgetragen, die Kündigungen seien wegen eines Betriebsübergangs ausgesprochen worden. Im übrigen sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden. Die Kündigungen seien auch nach § 15 KSchG, §§ 17 ff. KSchG und § 1 Abs. 2 KSchG unwirksam.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, daß zwischen der vormals von der Beklagten betriebenen Druckerei (inklusive Versand) und der nunmehr von DHD betriebenen Druckerei eine für die Annahme eines Betriebsübergangs erforderliche Identität der wirtschaftlichen Einheit i.S.d. Rechtsprechung des EuGH und des Bundesarbeitsgerichts vorliege. Entscheidend sei, daß aufgrund der Vereinbarung vom 8. Juli 1991 die Mitarbeiter von Druckerei und Versand geschlossen übernommen werden sollten, daß Kundenbeziehungen und Aufträge übergegangen seien und nach wie vor gleiche bzw. gleichartige Druckerzeugnisse hergestellt würden. Daß die alten schrottreifen Rotationsmaschinen nicht übergegangen seien, sei demgegenüber ebenso unmaßgeblich wie der Umstand, daß die Druckerei auf einem neuen Gelände betrieben werde. Im übrigen seien auch in größerem Umfang sächliche Betriebsmittel auf DHD übertragen worden.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung der Beklagten vom 25. Februar 1994 noch durch die Kündigung der Beklagten vom 22. März 1994 aufgelöst worden sei.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, die betriebsbedingten Kündigungen seien wirksam. Die Druckerei in der B… straße sei stillgelegt worden. Ein Betriebsübergang habe nicht vorgelegen. Es fehle an der Identität zwischen der Hochdruckrotationsdruckerei der Beklagten und der mit völlig anderer Technik betriebenen Offsetdruckerei von DHD. Es seien weder die Druckmaschinen noch das Betriebsgelände übergegangen, sondern lediglich unwesentliches Zubehör. Auch der Zweck beider Betriebe sei ein anderer. Während die Beklagte in erster Linie eine Verlagsdruckerei betrieben habe, handele es sich bei DHD um eine reine Lohndruckerei. Sie habe den Großteil ihrer Aufträge nicht an DHD vergeben, sondern an ZVO. Ihr Eigenprodukt, der M…, werde nunmehr bei der ZVO-Druckerei in W… und nicht bei DHD gedruckt. Die Vereinbarung vom 8. Juli 1991 habe nicht das Ziel gehabt, die Aufträge der Beklagten auf DHD zu deren wirtschaftlicher Absicherung zu übertragen, sondern sollte die Folgen für die Mitarbeiter der Beklagten aus dem Verlust der von den Kunden der Beklagten gekündigten Aufträge sozial abmildern. DHD habe kein “eingespieltes Team” von Mitarbeitern der Beklagten übernommen. Die bei der Beklagten beschäftigten Drucker hätten vielmehr erst als Offsetdrucker bei DHD angelernt und umgeschult werden müssen. Ähnliches gelte für die Hilfskräfte im Versand, die bei DHD an der modernen Versandanlage erst angelernt hätten werden müssen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Die Kündigungen sind nicht nach § 613a Abs. 4 BGB unwirksam. Ein Betriebsübergang liegt nicht vor.

I. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:

Beide Kündigungen seien wegen eines Betriebsüberganges ausgesprochen worden und daher gem. § 613a Abs. 4 BGB unwirksam. Die Beklagte habe am 3. August 1994 nicht die von ihr bis dahin betriebene Druckerei inklusive Versand stillgelegt, sondern beide Teile seien im Wege eines (Teil-) Betriebsübergangs i.S.v. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf DHD übergegangen.

Dabei sei zunächst der wirtschaftliche Hintergrund zu berücksichtigen, vor dem DHD gegründet worden sei. In der Münchener Medienlandschaft sei es ausgeschlossen, daß eine “Lohndruckerei”, als die sich DHD bezeichne, mit einem Investitionsvolumen von rund 100 Millionen DM als existenzfähiger Betrieb ohne einen von vornherein gesicherten und tragfähigen Auftragsbestand eine Überlebenschance hätte. Auch wenn die Druckerei von DHD ein reiner Produktionsbetrieb sei, sei sie ein bloßer Hilfsbetrieb für den Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften, der ohne gesicherte Daueraufträge nicht erfolgreich produzieren könnte. Die wirtschaftliche Absicherung des Auftragsbestands durch die Beklagte und deren Zusicherung im Vertrag vom 8. Juli 1991, den eigenen Auftragsbestand sukzessiv auf DHD zu übertragen, sei deshalb als maßgebliche Voraussetzung für die Gründung von DHD anzusehen.

Für die Annahme eines Betriebsübergangs im Sinne der Identität einer wirtschaftlichen Einheit spreche die Verpflichtung von DHD vom 8. Juli 1991, das gesamte Personal von Druckerei und zugehörigem Versand zu übernehmen. Aus dieser Übernahmeverpflichtung folge, daß ein eingespieltes Team die reibungslose Produktionsaufnahme bei DHD garantieren sollte.

Für die Annahme einer identischen wirtschaftlichen Einheit spreche weiter, daß die vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten im wesentlichen gleich geblieben seien. Hauptzweck und -tätigkeit einer Zeitungsdruckerei sei das Zeitungsdrucken. Die Art der Herstellung, d.h. Hochdruckverfahren oder Offsetdruck, sei dabei zweitrangig und werde von der technischen Entwicklung vorgegeben. Auch die Beklagte hätte ihre veralteten Hochdruckrotationsmaschinen nach eigenem Bekunden nicht mehr verwenden können, ohne konkurrenzunfähig zu werden. Aus diesem Grunde könne auch aus der fehlenden Übernahme von Produktionsmaschinen als sächlichen Betriebsmitteln kein entscheidendes Argument gegen einen Betriebsübergang abgeleitet werden.

Der Betriebsübergang habe zum 3. August 1994, dem Tag der Einstellung der Produktion bei der Beklagten, stattgefunden. Bei einem von vornherein initiierten “gleitenden” Betriebsübergang, bei dem Aufträge und Personal sukzessiv entsprechend der wachsenden Produktionskapazität auf den übernehmenden Betrieb übergehen sollen, komme nach dem Schutzzweck des § 613a Abs. 4 BGB als Datum des Betriebsübergangs nur das Datum der vollständigen Produktionseinstellung des abgebenden Betriebes in Betracht. Deshalb sei der Betriebsübergang nicht am 16. November 1993 als vollzogen anzusehen, als die Beklagte und DHD ihre gegenseitigen Verpflichtungen aus der Vereinbarung vom 8. Juli 1991 als erledigt angesehen hätten.

II. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ergibt sich aus § 613a Abs. 4 BGB nicht die Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigungen. DHD hat nicht den Druckereibetrieb der Beklagten übernommen.

1. Ein Betriebsübergang setzt die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit voraus. Der Begriff Einheit bezieht sich auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebes, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Eine Einheit darf allerdings nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden. Die Identität der Einheit ergibt sich auch aus den anderen Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und gegebenenfalls den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln (ständige Rechtsprechung des Senats im Anschluß an das Urteil des EuGH vom 11. März 1997 – Rs C – 13/95 – EuGHE I 1997, 1259 = AP Nr. 14 zu EWG-Richtlinie Nr. 77/187 [Ayse Süzen]; vgl. Senatsurteil vom 24. April 1997 – 8 AZR 848/94 – n.v., zu II 2b der Gründe; Senatsurteil vom 11. Dezember 1997 – 8 AZR 426/94 – AP Nr. 171 zu § 613a BGB, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B I der Gründe).

In Branchen, in denen es im wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, kann eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Die Wahrung von deren Identität ist anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das sein Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt hatte. Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen Auftragnehmer (Funktionsnachfolge) keinen Betriebsübergang dar. Es hängt von der Struktur eines Betriebes oder Betriebsteils ab, welcher nach Zahl und Sachkunde zu bestimmende Teil der Belegschaft übernommen werden muß, um von der Übernahme einer bestehenden Arbeitsorganisation ausgehen zu können. Haben die Arbeitnehmer einen geringen Qualifikationsgrad, muß eine hohe Anzahl von ihnen beschäftigt werden, um auf einen Fortbestand der vom Konkurrenten geschaffenen Arbeitsorganisation schließen zu können. Ist ein Betrieb stärker durch das Spezialwissen und die Qualifikation der Arbeitnehmer geprägt, kann neben anderen Kriterien ausreichen, daß wegen ihrer Sachkunde wesentliche Teile der Belegschaft übernommen werden (BAG Urteil vom 11. Dezember 1997 – 8 AZR 729/96 – AP Nr. 172 zu § 613a BGB, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B I 2b der Gründe).

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze kann im Streitfall kein Betriebsübergang angenommen werden. Es liegt allenfalls eine (begrenzte) Funktionsnachfolge vor.

a) Allerdings ist der Revision nicht schon darin zu folgen, daß ein etwaiger Betriebsübergang der Druckerei das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht berührt habe, weil die Klägerin im Versand beschäftigt gewesen sei. Auch wenn der Versand in der Druckerei der Beklagten eine organisatorisch abtrennbare Betriebsabteilung gewesen sein sollte, folgte er beim Übergang der Druckerei auf den Übernehmer, wenn nicht vorher eine Abtrennung erfolgte. Auch eine abtrennbare Betriebsabteilung geht mit dem Betrieb über, wenn sie nicht vorher abgetrennt und vom Betriebsübergang ausgenommen wird. Mit dem Landesarbeitsgericht ist davon auszugehen, daß der Versand der im Betrieb hergestellten Produkte und der Produktionsbetrieb grundsätzlich als eine wirtschaftliche Einheit anzusehen ist. Im Streitfall kommt hinzu, daß die Übernahmevereinbarung vom 8. Juli 1991 in gleicher Weise für die Mitarbeiter der Druckerei wie für die Mitarbeiter des Versandes galt, so daß alle Mitarbeiter der Beklagten aus Druckerei und Versand Übernahmeangebote von DHD erhielten.

b) Der Wertung des Landesarbeitsgerichts, mit der Übernahme von Druckaufträgen und eines Teils des Personals sei die Identität der wirtschaftlichen Einheit gewahrt, folgt der Senat nicht. Bei der Prüfung, ob ein Produktionsbetrieb übergegangen ist, dürfen sächliche Betriebsmittel nicht außer Acht gelassen werden.

Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht die Auffassung vertreten, bei einem Produktionsbetrieb wie der vorliegenden Druckerei komme es nicht auf die Übernahme der Räumlichkeiten und der Druckmaschinen an. Das Substrat eines Produktionsbetriebes ist gerade durch die Räume, Maschinen und sonstigen Einrichtungsgegenstände geprägt. Im Streitfall ist unstreitig, daß DHD eine neue Druckerei in einem neu gebauten Betriebsgebäude, mit neuen Druckmaschinen und anderer Technik (Offset statt Hochdruck) im Werte von über 100 Millionen DM aufgebaut hat. Demgegenüber fällt das von der Druckerei der Beklagten übernommene Druckereizubehör nicht ins Gewicht.

c) Im übrigen hat DHD weder die Hauptbelegschaft der Beklagten noch deren sämtliche Druckaufträge übernommen.

Zwar kann auch bei einem Produktionsbetrieb wie einer Druckerei die Übernahme einer Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, als Kriterium des Betriebsübergangs herangezogen werden. Im Streitfall hat DHD allerdings lediglich 97 von 156 Arbeitnehmern der Beklagten, also 62, 18 % übernommen. Die Übernahme des Personals erfolgte auch nicht nach zusammengehörenden Arbeitseinheiten, sondern allein danach, ob die Mitarbeiter bereit waren, Aufhebungsverträge mit der Beklagten zu unterschreiben. Bei dieser Sachlage kann weder von der Übernahme einer bestehenden Arbeitsorganisation noch von der Übernahme eines eingearbeiteten Teams, das das wesentliche “know-how” repräsentiert, gesprochen werden, zumal durch die neuen Druckmaschinen und das neue Druckverfahren die von der Beklagten übernommenen Mitarbeiter umgeschult in eine andere Arbeitsorganisation eingebaut werden mußten.

Zu Unrecht stellt das Landesarbeitsgericht bei der Übernahme des Personals allein auf die Vereinbarung vom 8. Juli 1991 ab. Als die Kündigungen im Jahre 1994 ausgesprochen wurden, war diese Vereinbarung vorher, nämlich am 16. November 1993 aufgehoben worden. Es bestand danach keine Verpflichtung mehr, über die 97 übernommenen Arbeitnehmer hinaus weiteren Mitarbeitern der Beklagten Arbeitsplätze bei der DHD anzubieten.

Dem Landesarbeitsgericht ist allerdings zuzustimmen, daß beim Übergang einer Druckerei die Übernahme von Druckaufträgen eine erhebliche Rolle spielt. Im Streitfall ist jedoch auch hier wieder nicht allein auf die am 8. Juli 1991 beabsichtigte vollständige Übertragung der Druckaufträge abzustellen, nachdem die Beklagte ab 16. November 1993 nicht mehr zur weiteren Übertragung von Druckaufträgen verpflichtet war. Das Landesarbeitsgericht hat auch nicht berücksichtigt, daß ursprünglich in der Druckerei der Beklagten die bekannte Tageszeitung “M…” (Auflage ca. 40.000) gedruckt und zum Versand gebracht wurde. Dieses Eigenprodukt der Beklagten wird ab dem 1. August 1994 nicht bei DHD gedruckt, sondern in der Druckerei der ZVO in W…

3. Damit war im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungen vom 25. Februar 1994 und 22. März 1994 der Druckereibetrieb der Beklagten weder auf die DHD übergegangen, noch hatte ein solcher bevorstehender Betriebsübergang greifbare Formen angenommen. Ob ein Betriebsübergang anzunehmen wäre, wenn die Vereinbarung zwischen der Beklagten und DHD vom 8. Juli 1991 vollständig umgesetzt worden wäre, kann nach der Aufhebungsvereinbarung vom 16. November 1993 dahingestellt bleiben. Die danach im Jahre 1994 ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigungen waren jedenfalls nicht nach § 613a Abs. 4 BGB unwirksam.

III. Das Landesarbeitsgericht wird noch zu prüfen haben, ob die von der Beklagten ausgesprochenen Kündigungen aus anderen Gründen unwirksam sind.

 

Unterschriften

Ascheid, Dr. Wittek, Mikosch, Morsch, Hickler

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2629023

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