Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmung des Personalrats bei Widerruf der Bestellung zum Vorarbeiter

 

Leitsatz (amtlich)

Der im Rahmen des Direktionsrechts liegende Widerruf der Bestellung zum Vorarbeiter stellt keine der Mitbestimmung des Personalrats unterliegende wesentliche Änderung des Arbeitsvertrages im Sinne von § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LPVG NW dar.

 

Normenkette

LPVG NW § 72 Abs. 1 S. 1 Nr. 4

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 04.12.1991; Aktenzeichen 3 Sa 1245/91)

ArbG Herne (Urteil vom 23.07.1991; Aktenzeichen 1 Ca 141/91)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 4. Dezember 1991 – 3 Sa 1245/91 – aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des Widerrufs der Vorarbeiterstellung des Klägers.

Der 1952 geborene Kläger ist seit dem 1. März 1971 im Grünflächenamt der beklagten Stadt als Arbeiter beschäftigt.

Der Beschäftigung liegt ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 1. März 1971 zugrunde. Gem. dessen § 3 richtet sich das Arbeitsverhältnis nach den Vorschriften des Bundes-Manteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G) vom 31. Januar 1962 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen; außerdem finden die für den Bereich des Arbeitgebers jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung.

Durch Schreiben der Beklagten vom 21. September 1983 wurde der Kläger zum 1. Oktober 1983 zum Vorarbeiter bestellt und in der Folgezeit als solcher im Grünflächenamt beschäftigt. Der Kläger ist Mitglied des bei der Beklagten bestehenden Personalrats.

Mit Schreiben vom 4. September 1990 widerrief die Beklagte wegen angeblichen mehrfachen dienstlichen Fehlverhaltens des Klägers dessen Vorarbeiterstellung. Nachdem der Kläger hiergegen Klage erhoben hatte, nahm die Beklagte am 29. November 1990 in einer Verhandlung vor dem Arbeitsgericht diesen Widerruf zurück (3 Ca 2176/90 Arbeitsgericht Herne). Unter dem 17. Dezember 1990 schrieb sie an den Kläger:

“Sehr geehrter Herr F…,

infolge eines Irrtums über die Notwendigkeit einer Änderungskündigung hat die Verwaltung in der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht erklärt, Sie weiterhin als Vorarbeiter einzusetzen. Die Abberufung eines Vorarbeiters ist der tarifvertraglich vorbehaltene Entzug einer nicht auf Dauer gewährten Zulage. Sie setzt, so auch die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, eine Änderungskündigung nicht voraus.

Sie haben bisher in keiner Weise versucht, die im Bericht Ihrer Vorgesetzten vom 23.08.1990 festgehaltenen sachlichen Gründe, die zu Ihrer Abberufung führten, zu entkräften. Ich werde Sie auch zukünftig nicht als Vorarbeiter einsetzen.”

Die Beklagte beteiligte den Personalrat an dieser Maßnahme nicht.

Mit seiner am 16. Januar 1991 erhobenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit des Widerrufs geltend gemacht. Er hat die gegen ihn erhobenen Vorwürfe als haltlos bezeichnet, so daß es schon an einem sachlichen Grund für einen Widerruf fehle. Die Beklagte sei darüber hinaus an die Rücknahme des ersten Widerrufs insoweit gebunden, als ein erneuter Widerruf nur auf neue Gründe gestützt werden könne. Außerdem sei der Entzug der Vorarbeiterstellung nur im Wege der Änderungskündigung möglich. Dies gelte jedenfalls angesichts der nach rund siebenjähriger Beschäftigung insoweit eingetretenen Konkretisierung des Arbeitsverhältnisses.

Unabhängig davon sei der Widerruf aber auch deshalb unwirksam, weil die Beklagte den Personalrat nicht beteiligt habe. Dieser habe ein Mitbestimmungsrecht gehabt, weil es sich bei dem Widerruf um eine wesentliche Änderung des Arbeitsvertrages im Sinne des § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LPVG NW gehandelt habe.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß der Widerruf der Bestellung zum Vorarbeiter vom 17. Dezember 1990 unwirksam ist.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie hat den Widerruf mit mehrfachen Fehlleistungen des Klägers begründet. Dieser habe sich Anweisungen von Vorgesetzten in wiederholten Fällen widersetzt. Außerdem seien Unkorrektheiten bei der Ausfüllung von Stundenzetteln vorgekommen.

Der Entzug der Vorarbeiterstellung sei kraft tariflicher Regelung im Wege des Widerrufs zulässig. Es sei auch keine Konkretisierung des Arbeitsverhältnisses auf diese Tätigkeit eingetreten. Eine Änderungskündigung sei daher nicht erforderlich. Sie habe durch die Rücknahme des ersten Widerrufs nicht darauf verzichtet, aus denselben Gründen einen erneuten Widerruf auszusprechen. Die Rücknahme sei in der irrtümlichen Annahme erfolgt, es bedürfe zum Entzug der Vorarbeiterstellung einer Änderungskündigung.

Die Maßnahme sei nicht mitbestimmungspflichtig. Es liege keine “wesentliche Änderung des Arbeitsvertrages” im personalvertretungsrechtlichen Sinne vor. Der Arbeitsvertrag sei nicht geändert worden. Sie habe ihr Widerrufsrecht vielmehr im Rahmen des bestehenden Arbeitsvertrages ausgeübt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht.

I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, bei dem streitbefangenen Widerruf der Bestellung des Klägers zum Vorarbeiter handele es sich um eine gem. § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LPVG NW i.d.F. des Änderungsgesetzes vom 18. Dezember 1984 (GVBl. NW 1985 S. 29) mitbestimmungspflichtige wesentliche Änderung des Arbeitsvertrages.

1. Die Beklagte stützt ihren einseitigen Widerruf auf ein ihr aus dem Arbeitsverhältnis in seiner tariflichen Ausgestaltung ihrer Meinung nach zustehendes Direktionsrecht. Sie hat unstreitig keine Änderungskündigung ausgesprochen.

a) Unbeschadet der Frage, ob der Beklagten das in Anspruch genommene Direktionsrecht zusteht und ob sie bei seiner Ausübung das von ihr zu beachtende billige Ermessen gewahrt hat – das Landesarbeitsgericht hat aus seiner Sicht konsequent beide Fragen offengelassen –, führt die Ausübung des Direktionsrechts nicht zu einer Änderung des Arbeitsvertrages im personalvertretungsrechtlichen Sinne. Das Direktionsrecht beinhaltet das Recht des Arbeitgebers, die Einzelheiten der vom Arbeitnehmer aufgrund des Arbeitsvertrages zu erbringenden Leistungen einseitig zu bestimmen, soweit dies im Vertrag selbst nicht abschließend geschehen ist (BAG Urteil vom 16. Oktober 1965 – 5 AZR 55/65 –, Urteil vom 27. März 1980 – 2 AZR 506/78 –, Urteil vom 25. Oktober 1989 – 2 AZR 633/88 – AP Nr. 20, Nr. 26 und Nr. 36 zu § 611 BGB Direktionsrecht; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl., § 31 VI; Staudinger/Richardi, BGB, 12. Aufl., § 611 BGB Rz 242 ff.). Der Umfang des Direktionsrechts bestimmt sich nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages. Es kann einzelvertraglich oder auch durch tarifliche Regelung innerhalb bestimmter Grenzen erweitert werden, die sich etwa aus der Einhaltung unverzichtbarer gesetzlicher Bestimmungen wie der des Kündigungsschutzgesetzes ergeben (vgl. BAG Urteile vom 16. Oktober 1965 und 27. März 1980, aaO; von Hoyningen-Huene/Boemke, Die Versetzung, 1991, S. 89; KR-Rost, 3. Aufl., § 2 KSchG Rz 47 ff.).

b) Eine solche tarifvertragliche Bestimmung des Direktionsrechts ergibt sich hier aus § 4 Abs. 2 Bezirks-Zusatztarifvertrag (BZT-G/NW) vom 11. September 1962 zum Bundes-Manteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G). Vorarbeiter sind danach Arbeiter, die durch schriftliche Anordnung zu Gruppenführern bestellt worden sind und selbst mitarbeiten. Sie erhalten für die Dauer ihrer Tätigkeit eine Zulage in Höhe von 10 % ihrer Lohngruppe. § 4 Abs. 2b BZT-G/NW regelt Berechnungsmodalitäten für den Fall, daß ein Widerruf im Laufe des Kalendermonats erfolgt. Die Tarifvertragsparteien setzen demnach die Möglichkeit des Widerrufs voraus. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu tariflichen Regelungen, die der hier im Streit stehenden vergleichbar sind, unterliegt daher die Bestellung zum Vorarbeiter und der Widerruf dem Direktionsrecht des Arbeitgebers (BAG Urteile vom 10. Juni 1970 – 4 AZR 341/69 –, vom 28. August 1974 – 4 AZR 496/73 –, vom 2. April 1980 – 4 AZR 301/78 – AP Nr. 1, Nr. 3 und Nr. 5 zu § 9 MTB II; BAG Urteil vom 24. Januar 1979 – 4 AZR 517/77 – AP Nr. 2 zu § 28 BMTG II). Die Tarifvertragsparteien des BZT-G/NW haben dies verdeutlicht und bestätigt, indem sie durch den 54. Änderungs-TV-BZTG/NW vom 7. Dezember 1990 die Zulage ausdrücklich als “widerruflich” bestimmt haben, § 1 Nr. 3c aa Änderungs-TV (insoweit in Kraft getreten am 1. Oktober 1990).

Ist also das Widerrufsrecht Bestandteil des tariflich gestalteten Direktionsrechts, hat es seine Grundlage im Arbeitsvertrag. Seine Ausübung führt nicht zu einer Änderung des Arbeitsvertrages, sondern läßt diesen unberührt. Das Direktionsrecht unterscheidet sich als einseitige Maßnahme gerade darin von der gleichfalls einseitigen Kündigung, deren Ziel eine Beendigung/Änderung des Arbeitsvertrages ist. Die Bestellung zum Vorarbeiter und die Gewährung der Zulage ist also ohne Änderung des Arbeitsvertrages möglich, ebenso wie der Widerruf keiner Änderung des Arbeitsvertrages bedarf (so ausdrücklich BAG Urteil vom 28. August 1974 – 4 AZR 496/73 – AP Nr. 3 zu § 9 MTB II). Geändert werden nur die Arbeitsbedingungen im Rahmen des Arbeitsvertrages.

2. Hiervon ausgehend kann in dem einseitigen Entzug der Vorarbeiterstellung keine “wesentliche Änderung des Arbeitsvertrages” im Sinn des § 74 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LPVG NW gesehen werden. Der Senat kann der vom Landesarbeitsgericht vorgenommenen Auslegung nicht beipflichten.

a) Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese gestellt ist. Dem Ziel, den im Gesetz objektivierten Willen des Gesetzgebers zu erfassen, dienen die nebeneinander zulässigen, sich gegenseitig ergänzenden Methoden der Auslegung aus dem Wortlaut der Norm, aus ihrem Zusammenhang, aus ihrem Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte. Dabei ist in aller Regel mit der Auslegung nach dem Wortlaut zu beginnen, und zwar schon deshalb, weil das nach dem Wortlaut sprachlich Mögliche den Bereich bildet und die Grenzen absteckt, innerhalb derer ein vom Gesetz verwendeter Begriff überhaupt ausgelegt werden kann (BGHZ 46, 74, 76; vgl. allgemein Palandt/Heinrichs, BGB, 51. Aufl., Einl. Rz 34 ff.).

b) Der Wortlaut der in § 74 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LPVG NW getroffenen Regelung ist insoweit eindeutig, als eine Änderung des Arbeitsvertrages vorliegen muß. Der Inhalt eines Vertrages bestimmt sich nach der von den Vertragsparteien getroffenen Vereinbarung. Zur Änderung eines Vertrages bedarf es grundsätzlich entsprechender übereinstimmender Willenserklärungen der Beteiligten. Eine einseitige Vertragsänderung ist grundsätzlich nicht möglich. Allenfalls kommt eine einseitige Vertragsbeendigung durch Kündigung in Betracht. Selbst die sog. Änderungskündigung führt nicht einseitig zur Änderung des Vertrages; diese kommt nämlich nur und erst mit der Annahme des mit der Kündigung verbundenen Änderungsangebotes zustande.

Der Wortlaut von § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LPVG NW erfaßt also nur Änderungen des Arbeitsvertrages durch übereinstimmende Willenserklärungen.

c) Für eine sich über den grundsätzlich bindenden eindeutigen Wortlaut hinausgehende erweiternde Auslegung sind keine entsprechenden gewichtigen Gründe ersichtlich (vgl. Palandt/Heinrichs, aaO, Einl. Rz 35). Die Aufnahme des bis dahin nicht im Gesetz enthaltenen Passus “wesentliche Änderungen des Arbeitsvertrages” durch das Änderungsgesetz vom 18. Dezember 1984 (GVBl. NW 1985 S. 29) in die die Tatbestände der Entlohnung regelnde Nr. 4 der Mitbestimmungstatbestände spricht zwar dafür, daß der Gesetzgeber Vergütungsauswirkungen im Auge hatte. Diese sind aber mit praktisch jeder Änderung des Arbeitsvertrages verbunden, nicht nur mit dem Entzug von Zulagen. Insoweit läßt sich der Regelung gerade im Zusammenhang mit Eingruppierungstatbeständen kein zwingender Schluß entnehmen.

Es besteht auch kein erkennbarer Anhaltspunkt für die Annahme, daß der Gesetzgeber mit der Neuregelung gerade (auch) der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Rechnung tragen wollte, wonach in der Übertragung oder dem Entzug der Vorarbeiterzulage keine mitbestimmungspflichtige Höhergruppierung oder Rückgruppierung liegt (vgl. dazu II 1 der Gründe). Gerade vor dem Hintergrund der BAG-Rechtsprechung, in der u.a. wörtlich ausgeführt wurde, die Bestellung bzw. der Widerruf sei “ohne Änderung des Arbeitsvertrages” möglich (Urteil vom 28. August 1974 – 4 AZR 496/73 – AP Nr. 3 zu § 9 MTB II), wäre dann eine entsprechend andere Formulierung zu erwarten gewesen. Eine derartige Absicht des Gesetzgebers hätte also keinen erkennbaren Niederschlag gefunden.

Andererseits hat der Gesetzgeber mit dem im Zusammenhang mit der Neufassung von § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LPVG NW zeitgleich aufgenommenen Mitbestimmungstatbestand “Bestimmung der Fallgruppe oder des Abschnitts innerhalb einer Vergütungs- oder Lohngruppe” typische Eingruppierungstatbestände des öffentlichen Tarifrechts aufgegriffen, bei denen ein Mitbestimmungstatbestand bis dahin gleichfalls nicht bestand (vgl. dazu etwa Cecior/Dietz/Vallendar, Das Personalvertretungsrecht in Nordrhein-Westfalen, Stand April 1992, §  72 Rz 115 ff. m.w.N.). Auch der Wechsel etwa der Fallgruppe kann im Rahmen des Direktionsrechts durch Zuweisung einer anderen Tätigkeit ohne Änderung des Arbeitsvertrages erfolgen. Er kann im Hinblick auf einen Bewährungsaufstieg wesentliche Auswirkungen haben. Die ausdrückliche Aufnahme dieser Regelung spricht also durchaus eher dafür, daß die einseitige Zuweisung einer anderen Tätigkeit nicht als eine “wesentliche Änderung des Ärbeitsvertrages” angesehen wurde, weil es sonst der besonderen Erwähnung nicht bedurft hätte.

d) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Begründung des Regierungsentwurfs des PersV-Änderungsgesetz. Danach soll seine (des Personalrats) Beteiligung bei wesentlichen Änderungen des Arbeitsvertrages gewichtige Steuerungsmöglichkeiten ergeben, von denen nicht nur der Beschäftigte, sondern auch andere Mitarbeiter oder Bewerber erheblich berührt sein können; dies zeige sich vor allem bei Änderungen der wöchentlichen Arbeitszeit oder bei Art und Umfang von Nebentätigkeiten (LT-Drucks. 9/3091, S. 39; vgl. auch Cecior/Dietz/Vallendar, aaO, § 72 Rz 119; Havers, PersVG für das Land Nordrhein-Westfalen, 6. Aufl., § 72 Erl. 20).

Die Änderung der wöchentlichen Arbeitszeit ist ein typischer Fall einer einvernehmlichen Abänderung des Arbeitsvertrages. Auch die Änderung von Art und Umfang einer Nebentätigkeit bedarf typischerweise übereinstimmender Willenserklärungen der Beteiligten. Die Gesetzesbegründung läßt also gleichfalls nicht erkennen, daß einseitige Maßnahmen des Arbeitgebers, zu denen er aufgrund des bestehenden Arbeitsvertrages berechtigt ist, als Änderungen des Arbeitsvertrages im personalvertretungsrechtlichen Sinne angesehen wurden.

e) Angesichts des eindeutigen Wortlauts und der auch in systematischer Stellung und Entstehungsgeschichte fehlenden eindeutigen Hinweise auf eine andere Regelungsabsicht läßt sich die einseitige Änderung von Arbeitsbedingungen kraft des Direktionsrechts des Arbeitgebers nicht unter den Mitbestimmungstatbestand “wesentliche Änderungen des Arbeitsvertrages” einordnen (so auch OVG NRW Beschluß vom 14. Oktober 1991 – CL 48/88 –, n.v.; VerwG Köln Beschluß vom 9. Mai 1990 – PVL 45/89 –, n.v.; Cecior/Dietz/Vallendar, aaO, § 72 Rz 121; Krieg/Orth/Welkoborsky, LPVG NW, 4. Aufl., § 72, S. 360; a.A. LAG Hamm Urteil vom 18. Juni 1990 – 17 Sa 407/90 –, Der Personalrat 1991, 147).

Die Unwirksamkeit des Widerrufs der Vorarbeiterstellung des Klägers läßt sich also nicht darauf stützen, es liege eine wesentliche Änderung des Arbeitsvertrages vor, der der Personalrat habe zustimmen müssen.

II. Ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats ergibt sich auch nicht aus anderen Mitbestimmungstatbeständen.

1. Bei dem Entzug der Vorarbeiterfunktion handelt es sich weder um die Übertragung einer niedriger zu bewertenden Tätigkeit noch um eine Rückgruppierung gem. § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LPVG NW. Die Lohngruppe des Klägers bleibt unverändert. Ihm wird lediglich die entsprechend der tariflichen Regelung gewährte Zulage entzogen. Der Umstand allein, daß diese der Höhe nach der Differenz zur nächsthöheren Lohngruppe möglicherweise entspricht, ist unerheblich. Höhergruppierung und Rückgruppierung im personalvertretungsrechtlichen Sinne liegen nur bei einem Wechsel der Vergütungsgruppe vor. Dies gilt in gleicher Weise für die Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit. Insoweit knüpft der Gesetzgeber an die entsprechenden tariflichen Begriffe an. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts, daß der Entzug einer Vorarbeiterzulage, die nach einer der hier zu beurteilenden Regelung vergleichbaren tariflichen Regelung ausgestaltet ist, keine Übertragung einer niedriger zu bewertenden Tätigkeit und keine Rückgruppierung im personalvertretungsrechtlichen Sinne darstellt (so die bereits genannten Urteile BAG AP Nr. 3, 5, 6 zu § 9 MTB II und AP Nr. 2 zu § 28 BMT-G II, zuletzt BAG Urteil vom 27. November 1991 – 4 AZR 29/91 –, DB 1992, 1427; BVerWG Beschlüsse vom 3. Juni 1977 – VII P 2.76 – und – VII P 3.76 – Buchholz, 238.3 A § 75 BPersVG Nr. 2 und Nr. 3). Dem folgt auch die ganz herrschende Auffassung in der personalvertretungsrechtlichen Literatur (Altvater/Bacher/Hörter/Sabottig/Schneider, BPersVG, 3. Aufl., § 75 Rz 11; Fischer/Goeres, Personalvertretungsrecht des Bundes und der Länder, § 75 Rz 21a; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 7. Aufl., § 75 Rz 14; Lorenzen/Haas/Schmitt, BPersVG, Stand Juli 1992, § 75 Rz 28b; so wohl auch Dietz/Richardi, BPersVG, 2. Aufl., § 75 Rz 33 – kritisch aber Richardi in Anm. zu AP Nr. 5 und 6 zu § 9 MTB II).

2. Es handelt sich auch nicht um eine Umsetzung. Gem. § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 LPVG NW ist eine Umsetzung innerhalb der Dienststelle mitbestimmungspflichtig, wenn sie auf mehr als drei Monate erfolgt, wovon hier auszugehen ist. Es bedarf also nicht des Wechsels des Dienstortes wie etwa nach § 75 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG.

Der Entzug der Vorarbeiterfunktion erfüllt nicht die Voraussetzungen einer Umsetzung im personalvertretungsrechtlichen Sinne. Danach ist – ausgehend von der Begriffsbestimmung, die der Umsetzung im Beamtenrecht zukommt – als Umsetzung anzusehen der Entzug des bisherigen Arbeitsbereichs, verbunden mit der gleichzeitigen Zuweisung eines neuen Arbeitsbereichs. Der bloße Entzug eines Teils des Aufgabenbereichs ohne Zuweisung eines neuen (sei es auch Teil-) Aufgabenbereichs stellt keine Umsetzung dar. Es fehlt dann an einem Wechsel des Arbeitsplatzes. Dies gilt jedenfalls insoweit, als der Aufgabenentzug nicht zu einer nahezu völligen Auswechselung der verbleibenden Aufgaben führt (OVG NW Beschlüsse vom 8. Mai 1984 – CL 33/82 – und – CL 38/82 –, RiA 1984, 283 und 284; Altvater/Bacher/Hörter/Sabottig/Schneider, aaO, § 75 Rz 18; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, aaO, § 75 Rz 21; Helmes/Jacobi/Küssner, PersVG für Rheinland-Pfalz, 2. Aufl., § 80 Rz 29; Lorenzen/Haas/Schmitt, aaO, § 75 Rz 57).

In diesem personalvertretungsrechtlichen Sinne liegt eine Umsetzung nicht vor. Dem Kläger ist durch den Entzug der Funktion als Vorarbeiter kein neuer Arbeitsplatz zugewiesen worden. Nach der hier maßgeblichen tariflichen Regelung beinhaltet die Vorarbeiterfunktion die Aufgabe der Gruppenführung, wobei der Vorarbeiter selbst mitarbeitet. Die Vorarbeiterfunktion ist nach der allein entscheidenden tariflichen Regelung nicht als eigenständiger Aufgabenbereich ausgestaltet, was sich im jederzeitigen Widerruf ihrer Bestellung und der Bewertung nur mit einer Zulage – nicht mit einer eigenständigen Eingruppierung – niederschlägt. Sie wird insoweit tariflich wie eine Arbeitsleistung behandelt, etwa mit besonderen Erschwernissen, für die eine Zulage gewährt wird. Diese eingeschränkte Bedeutung haben die Parteien des hier zu beurteilenden Tarifvertrages durch die mit dem 54. Änderungs-TV-BZT-G/NW erfolgte ausdrückliche Bestimmung der Zulage als “widerruflich” klargestellt und unterstrichen.

Vor diesem Hintergrund kann der Entzug dieser so ausgestalteten Funktion – also der Wegfall des die Zulage rechtfertigenden “Erschwernisses” – und die Beschäftigung nur noch mit der bisher schon zu erbringenden und die tarifliche Eingruppierung allein bestimmenden Arbeitsleistung nicht als eine so grundlegende Änderung des Aufgabenbereichs angesehen werden, daß man deshalb von einer personalvertretungsrechtlichen Umsetzung sprechen könnte. Der Aufgabenbereich des Klägers ist beschränkt worden. Er hat aber keinen neuen Aufgabenbereich erhalten. Der Tatbestand der Umsetzung im Sinne des § 74 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 LPVG NW ist also nicht erfüllt.

Das angefochtene Urteil stellt sich also auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO).

III. Die Sache ist daher unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Eine abschließende eigene Entscheidung ist dem Senat aufgrund der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht möglich (§ 565 ZPO).

1. Wie bereits unter I 1b der Gründe festgestellt, ist der einseitige Widerruf der Vorarbeiterfunktion entsprechend der tariflichen Regelung grundsätzlich möglich. Es bedarf also nicht in jedem Fall einer Änderungskündigung.

Einer solchen bedürfte es nur bei einer einzelvertraglich widerrufsfesten Übertragung der Vorarbeiterstellung.

a) Eine Einschränkung des vertraglichen Widerrufsrechts kann u.U. durch eine Konkretisierung der Arbeitspflicht eintreten. Dies hat das Arbeitsgericht angenommen, das Landesarbeitsgericht hat die Frage offengelassen.

Eine abschließende Entscheidung dieser Frage ist dem Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht möglich. Der Umstand der ca. siebenjährigen Übertragung allein reicht zur Annahme einer Konkretisierung der Arbeitspflicht des Klägers auf eine Vorarbeitertätigkeit im tariflichen Sinne nicht aus.

b) Eine Konkretisierung als ein letztlich auf § 242 BGB zurückzuführender Tatbestand des Vertrauensschutzes bedarf neben dem Zeitmoment regelmäßig auch noch eines Umstandsmoments. Es müssen also zum reinen Zeitablauf Umstände hinzutreten, aus denen der betroffene Arbeitnehmer in gerechtfertigter Weise schließen durfte, zukünftig nur noch mit einer bestimmten Art von Tätigkeit betraut zu werden (vgl. etwa von Hoyningen-Huene/Boemke, aaO, S. 101f.; KR-Rost, aaO, § 2 KSchG Rz 40 – beide m.w.N.). Je länger der Arbeitnehmer eine bestimmte Stellung innehat – je gewichtiger also das Zeitmoment ist –, desto geringere Anforderungen werden an das Vorliegen zusätzlicher Umstände zu stellen sein.

Ein Zeitraum von sieben Jahren ist nicht unerheblich. Andererseits haben die Tarifvertragsparteien die Vorarbeiterfunktion ausdrücklich als widerruflich ausgestaltet, ohne eine zeitliche Grenze zu setzen. Dieser tarifliche Gestaltungswille darf nicht außer acht gelassen werden. Vor diesem Hintergrund reicht die siebenjährige Übertragung nicht ohne weiteres aus für die Annahme eines Vertrauensschutzes des Klägers dahingehend, die Beklagte wolle auf das ihr tariflich zustehende Recht verzichten. Es kann schließlich auch nicht im Interesse der betroffenen Arbeitnehmer liegen, den Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes zu einem möglichst raschen Widerruf von Vorarbeiterfunktionen zu veranlassen – etwa im Sinne einer Rotation –, um von vornherein jegliches Entstehen von Vertrauenstatbeständen sicher zu verhindern. Die tarifliche Regelung mag insgesamt wenig geglückt sein (s. auch schon BAG Urteil vom 2. April 1980 – 4 AZR 301/78 – AP Nr. 5 zu § 9 MTB II). Sie hält sich aber noch in dem den Tarifvertragsparteien zustehenden Regelungsspielraum (davon geht ohne weiteres die bisherige Rechtsprechung des BAG aus; vgl. weitergehend zur Zulässigkeit von tariflichen Regelungen, nach denen sogar die Übertragung einer niedriger zu vergütenden Tätigkeit – also nicht nur der Entzug einer eine Zulage begründende Funktion – zulässig ist, BAG Urteile vom 22. Mai 1985 – 4 AZR 88/84 – und – 4 AZR 427/83 – AP Nr. 6 und Nr. 7 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bundesbahn).

Das Landesarbeitsgericht wird also zu prüfen haben, ob über den reinen Zeitablauf hinaus Umstände vorliegen, die für eine Konkretisierung im vorgenannten Sinne sprechen.

Das Schriftformerfordernis des § 4 Abs. 2 BMT-G II für Nebenabreden steht einer Konkretisierung nicht im Wege. Da von der Vorarbeiterfunktion unmittelbar die Vergütung in Gestalt der zu gewährenden Zulage berührt ist, betrifft die Vereinbarung den synallagmatischen Teil des Dienstverhältnisses im Sinn von § 611 BGB mit Leistung und Gegenleistung und unterfällt deshalb der formfreien Vereinbarung gem. § 4 Abs. 1 BMT-G II (BAG Urteil vom 14. Juli 1982 – 4 AZR 810/79 –, n.v.).

2. Der Senat kann auch nicht abschließend beurteilen, ob die Ausübung des Widerrufsrechts sachgerecht erfolgte.

Der im Rahmen des tariflich ausgestalteten Arbeitsvertrages zulässige Widerruf darf nicht ohne sachlichen Grund ausgesprochen werden. Er unterliegt vielmehr einer an § 315 BGB ausgerichteten Überprüfung darauf, daß er nach billigem Ermessen zu erfolgen hat (vgl. BAG Urteil vom 10. Juni 1970 – 4 AZR 341/69 – AP Nr. 1 zu § 9 MTB II; BAGE 33, 71 = AP Nr. 26 zu § 611 BGB Direktionsrecht; BAG Urteil vom 25. Oktober 1989 – 2 AZR 633/88 – AP Nr. 36 zu § 611 BGB Direktionsrecht; KR-Rost, aaO, § 2 KSchG Rz 43a und Rz 49).

Das Landesarbeitsgericht hat diese dem Beurteilungsspielraum des Tatsachengerichts unterliegende Frage offengelassen. Die hierfür maßgeblichen Tatsachen – die dem Kläger vorgehaltenen Pflichtverletzungen – sind zwischen den Parteien streitig, so daß eine ausnahmsweise eigene Entscheidung des Senats nicht in Betracht kommt. Die von der Beklagten gegenüber dem Kläger erhobenen Vorwürfe sind auch nicht grundsätzlich ungeeignet, einen Widerruf als billigem Ermessen entsprechend anzusehen. Bei der erforderlichen Abwägung aller Umstände ist dann auch die bisherige Dauer der Funktionsübertragung zu berücksichtigen.

3. Schließlich läßt sich aufgrund der bisherigen Feststellungen auch nicht davon ausgehen, die Beklagte habe auf ein eventuelles Recht verzichtet, wegen der hier streitbefangenen Vorwürfe einen Widerruf auszusprechen. Ein Verzicht oder eine Verzeihung in diesem Sinne setzt voraus, daß der Widerrufsberechtigte ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten zu erkennen gegeben hat, einen bestimmten Grund nicht mehr zum Anlaß eines Widerrufs nehmen zu wollen (vgl. zur entsprechenden Problematik bei der Kündigung KR-Hillebrecht, aaO, § 626 BGB Rz 38, 39).

Ein solcher Sachverhalt ist den bisherigen Feststellungen nicht zwingend zu entnehmen. Die Beklagte hat zwar den zunächst mit Schreiben vom 4. September 1990 ausgesprochenen Widerruf in der Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 29. November 1990 zurückgenommen. Sie begründet diese Rücknahme aber damit, sie sei irrtümlich davon ausgegangen, es sei eine Änderungskündigung erforderlich.

Die Rücknahme des Widerrufs wäre danach nur aus formalen Gründen geschehen und nicht, weil die Beklagte sachlich die Vorwürfe nicht mehr aufrechterhalten oder etwa zu erkennen geben wollte, sie halte sie zwar aufrecht, wolle aber keine Rechte mehr daraus herleiten. Eine für den Arbeitnehmer erkennbare Rücknahme allein aus formellen Gründen hindert den Arbeitgeber nicht, die Entscheidung aus denselben sachlichen Gründen in der nunmehr als richtig befundenen Form – sei es nach entsprechender Meinungsbildung oder Belehrung auch in der jetzt doch für zulässig befundenen ursprünglichen Form – zu wiederholen. Es besteht insoweit kein schutzwürdiges Vertrauen des Arbeitnehmers, der Arbeitgeber werde das konkrete Verhalten nicht mehr zum Anlaß arbeitsrechtlicher Sanktionen nehmen. Insoweit gilt nichts anderes als etwa bei Wiederholung einer Kündigung nach Rücknahme der zunächst ausgesprochenen Kündigung wegen fehlerhafter oder unterlassener Anhörung des Betriebsrats oder sonstiger Formverstöße.

Vor diesem Hintergrund wird das Landesarbeitsgericht also ggf. auch zu prüfen haben, welche Wirkung der Rücknahme des ersten Widerrufs hier beizumessen ist.

 

Unterschriften

Dr. Kissel, Dr. Weller, Dr. Rost, Dr. Schmidt

Die Amtszeit der ehrenamtlichen Richterin Frau Lappe ist abgelaufen; sie ist damit an der Unterschrift verhindert.

Dr. Kissel

 

Fundstellen

Haufe-Index 846726

NZA 1993, 331

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