Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifgeltung im Beitrittsgebiet

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157, 242

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 06.10.1998; Aktenzeichen 11 Sa 73/98)

ArbG Berlin (Urteil vom 08.05.1998; Aktenzeichen 33 Ca 42419/97)

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 6. Oktober 1998 – 11 Sa 73/98 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten der Revision.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob auf das Arbeitsverhältnis des Klägers über den 30. Juni 1997 hinaus der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) oder der Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 Anwendung findet.

Der Kläger war seit 1984 als Investitionsingenieur, später als Betriebshofassistent im ehemaligen Ostberlin beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 4. Juni 1992 wurde vereinbart, daß der Kläger ab dem 1. Januar 1992 als Angestellter im Bereich der BSR weiterbeschäftigt werde. Nach § 3 des Arbeitsvertrags bestimmte sich das Arbeitsverhältnis nach dem BAT-O und den diesen ergänzenden, ändernden und ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der TdL jeweils geltenden Fassung. Seit Sommer 1994 arbeitete der Kläger auf dem Hof S 6 im ehemaligen Westberlin. Mit Schreiben aus Juli 1994 teilte die Beklagte dem Kläger unter Bezugnahme auf das sog. „Posturteil” des erkennenden Senats vom 30. Juli 1992 (– 6 AZR 11/92 – BAGE 71, 68) mit, daß auf sein Arbeitsverhältnis der BAT Anwendung finde, weil sein Stammarbeitsplatz dauerhaft bzw. auf nicht absehbare Zeit im ehemaligen Westberlin liege.

Seit 1995 wurde der Kläger auf dem Hof S 8 im ehemaligen Ostberlin beschäftigt. Er erhielt zunächst weiterhin Vergütung nach BAT. Im Jahr 1996 bewarb sich der Kläger erfolgreich auf eine nach BAT ausgeschriebene Stelle als Assistent der Einsatzleitung Technik. Nach dem Arbeitsvertrag vom 11. März 1996 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem BAT und den diesen ergänzenden, ändernden und ersetzenden Tarifverträgen in der für die TdL jeweils geltenden Fassung. Der Arbeitsplatz des Klägers befindet sich auf dem Hof R 1 im ehemaligen Ostberlin.

Mit Schreiben vom 26. Juni 1997 teilte die Beklagte dem Kläger unter Bezugnahme auf das sog. „Feuerwehrurteil” des erkennenden Senats vom 26. Oktober 1995 (– 6 AZR 125/95 – BAGE 81, 207) mit, daß auf sein Arbeitsverhältnis ab dem 1. Juli 1997 wieder der BAT-O Anwendung finde.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, sein Arbeitsverhältnis richte sich auf Grund einzelvertraglicher Vereinbarung weiterhin nach dem BAT. Im Arbeitsvertrag vom 11. März 1996 sei trotz der Lage des Arbeitsplatzes im ehemaligen Ostberlin bewußt die Geltung des BAT vereinbart worden. Dies ergebe sich auch daraus, daß die Stelle als Assistent der Einsatzleitung Technik nach BAT ausgeschrieben gewesen sei, sowie aus der Personalanzeige vom 9. Februar 1996, die ebenfalls auf den BAT verweise und aus der Personalnummer. Auf Grund dieser Umstände habe er davon ausgehen können, daß sein Arbeitsverhältnis nunmehr abschließend dem BAT unterstehe. Auch nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz sei die Beklagte verpflichtet, auf sein Arbeitsverhältnis den BAT anzuwenden. Die bei der Beklagten beschäftigten Betriebshofleiter erhielten Leistungen nach westlichem Tarifrecht, auch wenn sich ihr Arbeitsplatz im ehemaligen Ostberlin befinde und ihr Arbeitsverhältnis im Beitrittsgebiet begründet sei. Ein sachlicher Grund für seine Ungleichbehandlung gegenüber diesen Arbeitnehmern bestehe nicht. Unterschiede in der Art der auszuübenden Tätigkeit könnten zwar eine unterschiedliche Eingruppierung, nicht aber die Anwendung unterschiedlichen Tarifrechts begründen.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß auch über den 30. Juni 1997 hinaus der BAT (West) sowie die diesen Tarifvertrag ergänzenden und ändernden Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung Anwendung finden.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Ansicht vertreten, auf das Arbeitsverhältnis des Klägers finde der BAT-O Anwendung, weil es im Beitrittsgebiet begründet sei und der Bezug zum Beitrittsgebiet seit der Rückkehr in das ehemalige Ostberlin wieder vorhanden sei. Auf Grund der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen habe der Kläger keinen Anspruch auf Anwendung des BAT. Weder im Schreiben aus Juli 1994 noch im Arbeitsvertrag vom 11. März 1996 sei die Geltung des BAT als übertarifliche Leistung zugesagt worden. Sowohl die Stellenausschreibung vom 31. August 1995 als auch die Personalanzeige vom 9. Februar 1996 und der Arbeitsvertrag seien vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus dem sog. „Posturteil” (a.a.O.) zu sehen, die die Beklagte damals in ihren Auswirkungen verkannt habe. Auch nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz könne der Kläger nicht die Anwendung des BAT verlangen. Zwar erhielten die Betriebshofleiter Vergütung nach westlichem Tarifrecht unabhängig davon, ob der von ihnen geleitete Betriebshof im ehemaligen Westberlin oder im ehemaligen Ostberlin liege. Mit diesen Arbeitnehmern sei der Kläger auf Grund seiner Tätigkeit jedoch nicht vergleichbar. Außerdem sei die Beklagte wegen eines Mangels an geeignetem Personal gezwungen gewesen, den Betriebshofleitern Vergütung nach BAT zu gewähren.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abgewiesen. Die Klage ist nicht begründet. Das Arbeitsverhältnis unterfällt seit Rückkehr des Klägers in das ehemalige Ostberlin dem Geltungsbereich des BAT-O. Arbeitsvertraglich haben die Parteien keine davon abweichende, für den Kläger günstigere Vereinbarung getroffen. Auch aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes hat der Kläger keinen Anspruch auf die Anwendung des BAT.

I. Das Arbeitsverhältnis des Klägers unterfällt nach seiner Rückkehr in das ehemalige Ostberlin und damit in der hier streitigen Zeit ab dem 1. Juli 1997 dem Geltungsbereich des BAT-O.

Nach § 1 Abs. 1 Buchst. b BAT-O gilt dieser Tarifvertrag für Arbeitnehmer der Länder, die in einer der Rentenversicherung der Angestellten unterliegenden Beschäftigung tätig sind (Angestellte) und deren Arbeitsverhältnisse in dem in Art. 3 des Einigungsvertrags (fortan: EV) genannten Gebiet begründet sind. Diese Voraussetzungen sind im Falle des Klägers erfüllt. Er übt eine der Rentenversicherung der Angestellten unterliegende Beschäftigung aus. Sein Arbeitsverhältnis ist in dem in Art. 3 EV genannten Gebiet begründet.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats zu § 1 BAT-O und zu gleichlautenden Tarifbestimmungen ist ein Arbeitsverhältnis in dem in Art. 3 EV genannten Gebiet begründet, wenn dort der Grund der Entstehung des Arbeitsverhältnisses liegt und der Bezug zum Beitrittsgebiet gegenwärtig noch besteht. Wird ein Arbeitnehmer für eine Tätigkeit im Beitrittsgebiet eingestellt und wird er auf unbestimmte Zeit dort beschäftigt, sind diese Voraussetzungen gegeben (BAG 24. Februar 1994 – 6 AZR 588/93BAGE 76, 57; 6. Oktober 1994 – 6 AZR 324/94BAGE 78, 108). Für den gegenwärtigen Bezug zum Beitrittsgebiet ist grundsätzlich die Lage des Arbeitsplatzes entscheidend (BAG 24. Februar 1994 – 6 AZR 588/93BAGE 76, 57, 61; 6. Oktober 1994 – 6 AZR 324/94BAGE 78, 108, 112; 23. Februar 1995 – 6 AZR 614/94BAGE 79, 215, 217; 20. März 1997 – 6 AZR 10/96BAGE 85, 322, 327 f.; 25. Juni 1998 – 6 AZR 515/97 – AP TV Arb Bundespost § 1 Nr. 2 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 76, zu II 1 a der Gründe und – 6 AZR 475/96 – AP TV Arb Bundespost § 1 Nr. 1 = EzA TVG § 4 Geltungsbereich Nr. 12, zu II 2 b bb der Gründe). Wird ein Arbeitnehmer, der für eine Tätigkeit im Beitrittsgebiet eingestellt wurde, vorübergehend auf nicht absehbare Zeit im Geltungsbereich des BAT beschäftigt, findet für die Dauer dieser Tätigkeit der BAT Anwendung. Nach Rückkehr auf einen Arbeitsplatz im Beitrittsgebiet unterfällt das Arbeitsverhältnis wieder dem BAT-O (BAG 6. Oktober 1994 – 6 AZR 324/94BAGE 78, 108; 23. Februar 1995 – 6 AZR 667/94BAGE 79, 224; 21. September 1995 – 6 AZR 151/95 – AP BAT-O § 1 Nr. 6 = EzA TVG § 4 Geltungsbereich Nr. 11, zu III 2 der Gründe; 26. Oktober 1995 – 6 AZR 125/95BAGE 81, 207, 209; 20. März 1997 – 6 AZR 10/96BAGE 85, 322, 329; 25. Juni 1998 – 6 AZR 515/97 – a.a.O., zu II 1 c der Gründe).

2. Der Grund für die Entstehung des Arbeitsverhältnisses des Klägers lag im Beitrittsgebiet. Sein Arbeitsverhältnis bestand bereits vor dem 3. Oktober 1990 in der ehemaligen DDR und wurde nach Herstellung der Einheit Deutschlands von der Beklagten fortgeführt. Der Bezug zum Beitrittsgebiet besteht gegenwärtig, da sich der Arbeitsplatz des Klägers seit 1995 wieder im ehemaligen Ostberlin befindet. Durch den Einsatz des Klägers im ehemaligen Westberlin ist der Bezug des Arbeitsverhältnisses zum Beitrittsgebiet nicht endgültig verloren gegangen. Lediglich für die Dauer der Beschäftigung außerhalb des Beitrittsgebiets fanden auf das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des BAT Anwendung. Nach der Rückkehr in das Beitrittsgebiet gilt wieder der BAT-O.

Es mag dahinstehen, ob diese Grundsätze entgegen der Auffassung des Klägers auch dann gelten, wenn die Rückkehr auf einen Arbeitsplatz im Beitrittsgebiet mit einer Änderung des Arbeitsverhältnisses auf Grund einer erfolgreichen Bewerbung um eine Beförderungsstelle verbunden ist. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kehrte der Kläger bereits 1995 auf einen Arbeitsplatz auf dem Hof S 8 im ehemaligen Ostberlin zurück. Die „Beförderung” zum Assistenten der Einsatzleitung Technik auf dem Hof R 1 erfolgte erst danach im Jahr 1996. Die Rückkehr des Klägers in das Beitrittsgebiet war daher nicht mit einer „Beförderung” und einer damit einhergehenden Veränderung des Arbeitsverhältnisses verbunden.

II. Auf Grund der im Arbeitsvertrag vom 11. März 1996 getroffenen Vereinbarungen steht dem Kläger ab dem 1. Juli 1997 Vergütung nach BAT nicht zu.

1. Nach § 3 dieses Arbeitsvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem BAT und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der TdL jeweils geltenden Fassung. Das Landesarbeitsgericht hat diese Vereinbarung nicht als Zusage über die Anwendung des BAT als übertarifliche Leistung gewertet, sondern lediglich als Hinweis auf die nach dem Tarifrecht bestehende Rechtslage. Der Stellenausschreibung vom 31. August 1995, der Personalanzeige vom 9. Februar 1996 und der Personalnummer hat das Landesarbeitsgericht keine besondere Bedeutung beigemessen. Diese Auslegung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

2. Bei der vertraglichen Regelung handelt es sich um eine typische Vereinbarung für Angestellte im öffentlichen Dienst, die vom Senat in der Revisionsinstanz uneingeschränkt und selbständig gem. §§ 133, 157 BGB ausgelegt werden kann (BAG 21. Oktober 1992 – 4 AZR 156/92 – AP BAT § 23 a Nr. 27, zu I 3 a der Gründe; 1. Juni 1995 – 6 AZR 922/94BAGE 80, 152, 155 m.w.N.).

Im Rahmen der Vertragsfreiheit ist es zwar grundsätzlich rechtlich möglich, einzelvertraglich die Anwendung normativ nicht geltender Tarifregelungen zu vereinbaren (vgl. BAG 21. Oktober 1992 a.a.O., zu I 3 der Gründe). Im öffentlichen Dienst hat jedoch die Verweisung auf den Geltungsbereich eines Tarifvertrags nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich nur den Sinn, daß der Arbeitsvertrag das beinhalten soll, was nach den allgemeinen Grundsätzen des Tarifrechts für tarifgebundene Angestellte gilt (ständige Rechtsprechung, vgl. BAG 21. Oktober 1992 a.a.O., zu I 3 b der Gründe m.w.N.; 1. Juni 1995 – 6 AZR 922/94 – a.a.O.). Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf den Tarifvertrag hat daher im Regelfall keine rechtsbegründende Wirkung, sondern nur deklaratorischen Charakter. Dies folgt daraus, daß der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes grundsätzlich davon ausgehen muß, daß ihm sein Arbeitgeber, der an die Vorgaben des Haushaltsrechts gebunden ist, nur die Leistungen gewähren will, zu denen er gesetzlich oder tariflich verpflichtet ist. Im Zweifel gilt Normenvollzug (ständige Rechtsprechung, vgl. BAG 24. März 1993 – 5 AZR 16/92BAGE 73, 1, 3; 18. Januar 1996 – 6 AZR 314/95 – AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 25 = EzA BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 5, zu III 3 der Gründe; 11. Juni 1997 – 10 AZR 724/95 – AP BMT-G II § 20 Nr. 6 = EzA TVG § 4 Eingruppierung Nr. 7, zu II 2 c der Gründe). Deshalb folgt aus der arbeitsvertraglichen Verweisung auf einen Tarifvertrag nicht zwangsläufig die Begründung eines eigenständigen, von den tariflichen Voraussetzungen unabhängigen vertraglichen Anspruchs, ggf. als übertarifliche Leistung. Dazu bedarf es vielmehr weiterer Umstände, die auf einen entsprechenden Verpflichtungswillen schließen lassen (BAG 23. August 1995 – 4 AZR 352/94 – ZTR 1996, 169; 8. August 1996 – 6 AZR 1013/94 – AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 46, zu II 2 der Gründe, jeweils zur Angabe der tariflichen Vergütungsgruppe im Arbeitsvertrag; 15. Juli 1999 – 6 AZR 699/97 – nv., zu B II 1 der Gründe). Solche besonderen Umstände liegen hier, wie das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat, nicht vor.

Der Kläger hat sich insoweit auf die Stellenausschreibung vom 31. August 1995 und die Personalanzeige vom 9. Februar 1996, die auf den BAT verweisen, sowie auf die Personalnummer, die auf die Anwendung westlichen Tarifrechts hindeutet, berufen. Daraus konnte der Kläger jedoch nicht entnehmen, daß ihm die Beklagte die Gewährung von Leistungen nach dem BAT unabhängig von der tariflichen Rechtslage zusagen wollte.

a) Die Stellenausschreibung betraf nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht nur die Stelle, die nunmehr vom Kläger besetzt wird, sondern auch Stellen auf Betriebshöfen im ehemaligen Westberlin. Schon deshalb konnte der Kläger nicht annehmen, daß diese Stellen übertariflich dotiert sein sollten. Zudem war in der Stellenausschreibung der BAT nur im Zusammenhang mit der vorgesehenen tariflichen Vergütungsgruppe für die zu besetzenden Stellen erwähnt. Daraus konnte gerade nicht auf eine übertarifliche Dotierung geschlossen werden, sondern nur darauf, daß die Vergütung nach den tariflichen Bestimmungen erfolgen sollte, wie dies im öffentlichen Dienst üblich ist.

b) Auch die Personalanzeige vom 9. Februar 1996 enthält keine Anhaltspunkte dafür, daß auf das Arbeitsverhältnis der BAT übertariflich Anwendung finden sollte. Allein der Hinweis auf die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden, die nur im Geltungsbereich des BAT gilt, und die Verwendung einer die Anwendung westlichen Tarifrechts bezeichnenden Personalnummer reichen dazu nicht aus. Beides ist, ebenso wie die Bezugnahme auf den BAT im Arbeitsvertrag, lediglich ein Hinweis auf die tariflichen Bestimmungen.

c) Der Kläger mußte somit davon ausgehen, daß er gegenüber vergleichbaren tarifgebundenen Angestellten nicht ungleich behandelt werden sollte. Auf einen weitergehenden Bindungswillen der Beklagten konnte er auch unter Berücksichtigung der Begleitumstände bei Vertragsschluß nicht schließen. Die Bezugnahme auf den BAT im Arbeitsvertrag erfolgte daher, wie von der Beklagten dargelegt, irrtümlich in Verkennung der tariflichen Rechtslage bei sog. Rückkehrerfällen auf Grund einer Fehlinterpretation des sog. „Posturteils” des erkennenden Senats vom 30. Juli 1992 (– 6 AZR 11/92 – BAGE 71, 68). Dem kann der Kläger nicht erfolgreich entgegenhalten, daß der Arbeitsvertrag am 11. März 1996 und damit zu einem Zeitpunkt nach Verkündung der Urteile des erkennenden Senats vom 23. Februar 1995 (– 6 AZR 667/94 – BAGE 79, 224) und vom 26. Oktober 1995 (– 6 AZR 125/95 – BAGE 81, 207, sog. „Feuerwehrurteil”) abgeschlossen wurde und der Beklagten deshalb bekannt sein mußte, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers seit seiner Rückkehr in das Beitrittsgebiet wieder dem Geltungsbereich des BAT-O unterfiel.

Zwar hat der erkennende Senat durch Urteil vom 23. Februar 1995 (a.a.O.) entschieden, daß auf das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers, der von einem auf Dauer bzw. auf nicht absehbare Zeit beabsichtigten Einsatz im westlichen Tarifgebiet in das Beitrittsgebiet zurückgekehrt ist, der BAT-O Anwendung findet. Dieses Urteil wurde Ende 1995 in vollständig abgefaßter Form veröffentlicht. Damit war höchstrichterlich aber noch nicht geklärt, wie zu verfahren ist, wenn der öffentliche Arbeitgeber den in das Beitrittsgebiet zurückgekehrten Arbeitnehmern zunächst rechtsirrtümlich in Verkennung der Reichweite des „Posturteils” des erkennenden Senats weiterhin Leistungen nach westlichem Tarifrecht gewährt hat, wie dies beim Kläger der Fall war. Daß sich der Arbeitgeber von diesem Rechtsirrtum jederzeit einseitig lösen und die übertariflichen Leistungen einstellen kann, hat der erkennende Senat erst mit dem sog. „Feuerwehrurteil” vom 26. Oktober 1995 (a.a.O.) entschieden. Die Entscheidungsgründe dieses Urteils waren nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts bei Abschluß des Arbeitsvertrags am 11. März 1996 noch nicht veröffentlicht. Das Landesarbeitsgericht hat deshalb ohne Rechtsfehler angenommen, der Arbeitsvertrag vom 11. März 1996 stelle lediglich „den verspäteten Vollzug der aus Sicht der Beklagten nach dem Einsatz des Klägers auf dem Hof S 6 gebotenen Anpassung des Vertragszustandes an die tatsächlichen Verhältnisse” dar.

III. Der Kläger wird gegenüber den bei der Beklagten beschäftigten Betriebshofleitern durch die Anwendung des BAT-O nicht ohne sachlichen Grund ungleich behandelt.

1. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet sowohl die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage als auch die sachfremde Differenzierung zwischen Arbeitnehmern einer bestimmten Ordnung. Unzulässig ist nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Eine Differenzierung ist sachfremd, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt, wenn also für eine am Gleichheitsgedanken orientierte Betrachtungsweise die Regelung als willkürlich anzusehen ist (vgl. BVerfG 15. Oktober 1985 – 2 BvL 4/83 – BVerfGE 71, 39, 58). Im Bereich der Vergütung gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz zwar nur eingeschränkt, weil der Grundsatz der Vertragsfreiheit Vorrang hat. Dies gilt aber nur für individuell vereinbarte Löhne und Gehälter. Wenn der Arbeitgeber, was ihm die Vertragsfreiheit ermöglicht, einzelne Arbeitnehmer besser stellt, können daraus andere Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Gleichbehandlung herleiten. Das Gebot der Gleichbehandlung greift jedoch immer dann ein, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem erkennbar generalisierenden Prinzip auf Grund einer abstrakten Regelung gewährt. Von einer solchen Regelung darf er Arbeitnehmer nur aus sachlichen Gründen ausschließen (ständige Rechtsprechung, vgl. BAG 26. Oktober 1995 – 6 AZR 125/95BAGE 81, 207, 210 f.; 20. März 1997 – 6 AZR 453/96 – ZTR 1997, 568, zu I 3 der Gründe; 23. August 1995 – 5 AZR 293/94BAGE 80, 354, 359 f.; 28. Juli 1992 – 3 AZR 173/92BAGE 71, 29, 37).

2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, für die vergütungsmäßige Privilegierung der Betriebshofleiter bestehe ein sachlicher Grund. Die Beklagte habe unter Bezugnahme ua. auf das Rundschreiben II Nr. 95/1991 und eine Aktennotiz des Personaldirektors vom 27. Juli 1992 dargelegt, daß die Wahrnehmung der Aufgaben der Betriebshofleiter besondere Qualifikationen erfordere, für die geeignete Bewerber zu den Bedingungen des BAT-O nicht gewonnen werden könnten. Wenn der Vorstand der Beklagten deshalb den Beschluß gefaßt habe, diese Arbeitnehmer generell nach BAT zu behandeln, sei dies nicht sachwidrig. Diese Ausführungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung verschiedener Gruppen von Arbeitnehmern darin liegen kann, daß einer bestimmten Gruppe übertarifliche Leistungen gewährt werden, weil für die betreffenden Arbeitsplätze ohne zusätzlichen finanziellen Anreiz keine Arbeitskräfte zu gewinnen oder zu halten sind (vgl. BAG 25. August 1982 – 5 AZR 107/80BAGE 39, 336, 344; 23. August 1995 – 5 AZR 293/94BAGE 80, 354, 362). Der sachliche Grund für die unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmergruppen liegt in einem solchen Fall nicht in den Unterschieden bei den in den verschiedenen Gruppen geforderten Arbeitsleistungen, sondern – ähnlich wie bei einzelvertraglich vereinbarten unterschiedlich hohen Entgelten – in den an diese Arbeitnehmer zu stellenden besonderen Eignungsanforderungen. Wenn ein Arbeitgeber es vorzieht, nicht nur im Einzelfall, sondern wegen der allgemeinen Schwierigkeit, geeignete Arbeitnehmer zu finden, der ganzen Gruppe ein höheres Arbeitsentgelt zu zahlen, stellt dies keinen Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz dar (BAG 23. August 1995 a.a.O.). So liegt der Fall hier.

Nach dem Vortrag der Beklagten bedürfen Betriebshofleiter einer besonderen Qualifikation, für die geeignete Bewerber nicht zu den Bedingungen des BAT-O zu finden sind. Dieses Vorbringen hat der Kläger nicht in erheblicher Weise bestritten. Er hat sich zwar darauf berufen, daß die Beklagte verschiedene namentlich bezeichnete, aus dem Beitrittsgebiet stammende Betriebshofleiter auf Betriebshöfen im ehemaligen Ostberlin beschäftigt und bestritten, daß diese nicht bereit gewesen seien, zu den Bedingungen des BAT-O zu arbeiten. Dieser Umstand gibt jedoch zum einen keinen Aufschluß darüber, ob diese Angestellten die von der Beklagten grundsätzlich für Betriebshofleiter geforderten Qualifikationen erfüllen oder ob sie nur deshalb als Betriebshofleiter beschäftigt werden, weil nicht genügend Personal mit den geforderten Qualifikationen gefunden werden konnte. Zum anderen besagt die Beschäftigung einzelner Angestellter, die auch bereit gewesen wären, ohne übertarifliche Vergütung als Betriebshofleiter zu arbeiten, nichts darüber, ob generell Schwierigkeiten bestanden, geeignetes Personal mit den geforderten Qualifikationen zu den Bedingungen des BAT-O für diese Tätigkeit zu finden. Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe seinen diesbezüglichen Sachvortrag unter Verstoß gegen § 286 ZPO übergangen, ist daher unbegründet.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Reifer, Dr. Armbrüster, Gräfl, P. Stahlheber, Beus

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1530680

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