Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütungsanspruch eines Schwerbehinderten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Kann ein Schwerbehinderter aus gesundheitlichen Gründen seine arbeitsvertraglich geschuldete Leistung nicht mehr erbringen, so läßt sich aus dem Schwerbehindertenrecht kein Anspruch auf Fortzahlung der Arbeitsvergütung herleiten (Anschluß an die - nicht veröffentlichte - BAG Entscheidung vom 14. Juli 1983 - 2 AZR 34/82 -).

2. Aus § 14 Abs 2 Satz 1 SchwbG folgt aber die Verpflichtung des Arbeitgebers, den Schwerbehinderten so zu fördern, daß er seine eingeschränkte Arbeitskraft durch entsprechende Tätigkeit noch einsetzen kann. Eine Verletzung dieser Pflicht kann zu Schadenersatzansprüchen führen.

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Entscheidung vom 28.05.1990; Aktenzeichen 6 Sa 213/90)

ArbG Köln (Entscheidung vom 21.11.1989; Aktenzeichen 1 Ca 7783/89)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Vergütungs- und Schadenersatzansprüche des einem Schwerbehinderten gleichgestellten Klägers. Dabei geht es vorrangig um die Frage, ob dem Kläger Lohn aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges zusteht, obwohl er in ungekündigtem Arbeitsverhältnis seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht erbringen konnte.

Die Beklagte stellt Fensterprofile aus Kunststoff her und beschäftigt etwa 100 gewerbliche Arbeitnehmer. Der am 27. Januar 1934 geborene Kläger, ein marokkanischer Staatsangehöriger, ist bei ihr seit dem 11. Juli 1972 als gewerblicher Arbeitnehmer auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 19. Juli 1972 beschäftigt. Er war, wie der Arbeitsvertrag vorsieht, im Schichtdienst tätig. Der Arbeitsvertrag nimmt Bezug auf die Bedingungen des Manteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer der chemischen Industrie und lautet im übrigen auszugsweise wie folgt:

"....Die Prämie ist von der Leistung der Schicht

abhängig.... Es besteht kein Anspruch auf eine

bestimmte Tätigkeit...."

Seit 1984 arbeitete der Kläger im Schichtdienst als Maschinenführer und Abträger. Hierbei mußte er an fünf bis sechs Maschinen die hergestellten Profile über Rollen auf Paletten ziehen und stapeln. Teilweise mußten die Profile hierbei mit Kunststoff,folie überzogen werden. Bei dieser Arbeit waren Gewichte bis zu 35 kg zu heben.

Seit dem 4. Januar 1988 ist der Kläger unter anderem wegen coronarer Zweigefäßerkrankung und arterieller Hypertonie arbeitsunfähig krank. Bis einschließlich 5. August 1989 bezog er Krankengeld.

Mit Schreiben vom 30. Juni 1988 bat die AOK die Beklagte, dem Kläger einen leidensgerechten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Durch weiteres Schreiben vom 12. Juli 1988 teilte sie ihr mit, daß der Kläger keinen Schichtdienst mehr leisten und auch nur noch Gegenstände bis etwa 5 kg heben könne. Auch der Kläger bat die Beklagte mehrfach, ihm eine leichtere Arbeit ohne Einteilung in den Schichtdienst zuzuweisen. Einem entsprechenden Schreiben der Prozeßbevollmächtigten des Klägers vom 8. August 1989 war ein ärztliches Attest beigefügt, das dem Kläger Tauglichkeit für Arbeiten in geschlossenen Räumen, Sitzen oder Hin- und Hergehen sowie für Arbeiten an Maschinen ("z.B. in seiner früheren Tätigkeit als Maschinenführer") bescheinigte, andererseits aber Arbeiten, die mit Heben und Tragen mittelschwerer bis schwerer Lasten verbunden sind, sowie Nachtdienstarbeit ausschloß. Die Beklagte lehnte eine anderweitige Beschäftigung des Klägers mit der Begründung ab, eine für ihn geeignete Beschäftigungsmöglichkeit sei nicht vorhanden.

Am 30. Januar 1989 beantragte der Kläger die Gleichstellung mit Schwerbehinderten gemäß § 2 SchwbG. Das geschah schließlich durch Widerspruchsbescheid des Landesarbeitsamtes vom 31. Juli 1989 rückwirkend zum 30. Januar 1989.

Am 3. Juli 1989 beantragte der Kläger Arbeitslosengeld. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 20. Dezember 1989 abgelehnt, da die Beklagte am 28. August 1989 auf eine Anfrage des Arbeitsamts erklärte hatte, im bestehenden Arbeitsverhältnis nicht auf ihr Direktionsrecht zu verzichten.

Mit einem am 3. August 1989 zugegangenen Schreiben kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. Dezember 1989. Im Hinblick auf die zwischenzeitlich bekanntgewordene Gleichstellung des Klägers einigten sich die Parteien in dem vom Kläger eingeleiteten Kündigungsschutzverfahren am 15. September 1989 vergleichsweise dahin, daß das Arbeitsverhältnis ungekündigt fortbesteht.

Mit seiner am 18. Oktober 1989 eingereichten Klage verfolgt der Kläger vorrangig Lohnansprüche für die Zeit vom 8. August bis zum 30. September 1989 in der unstreitigen Höhe von 5.171,40 DM, hilfsweise begehrt er Schadenersatz.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte hätte ihm einen seinen gesundheitlichen Einschränkungen entsprechenden Arbeitsplatz anbieten müssen. Ein solcher Arbeitsplatz sei frei gewesen. In den Monaten August und September 1989 habe die Beklagte Stellen neu besetzt für Tätigkeiten, die er ebenfalls hätte ausüben können. Die Beklagte sei daher aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges zur Lohnzahlung verpflichtet. Jedenfalls schulde sie ihm den Lohn als Schadenersatz, da sie einerseits nicht bereit sei, ihn zu beschäftigen, sich aber andererseits weigere, auf ihr Direktionsrecht zu verzichten, und dadurch verhindere, daß er Arbeitslosengeld erhalte.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.171,40 DM

brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus erge-

benden Nettobetrag ab Klagezustellung zu zahlen,

hilfsweise

1. die Beklagte zu verurteilen, ihm gegenüber

Auskunft zu geben, welche Arbeitsplätze seit

April 1988 bei der Beklagten neu besetzt wur-

den und die Richtigkeit dieser Angaben an

Eides Statt zu versichern,

2. die Beklagte zu verurteilen, gegenüber dem Ar-

beitsamt B auf ihr Direktions-

recht im Arbeitsverhältnis zu verzichten.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat bestritten, daß es bei ihr freie Arbeitsplätze gegeben habe, auf denen der Kläger seinen gesundheitlichen Einschränkungen entsprechend hätte eingesetzt werden können. Auf ihr Direktionsrecht gegenüber dem Kläger wolle sie nicht verzichten, da sie befürchte, dann gemäß § 128 AFG vom Arbeitsamt zur Erstattung geleisteten Arbeitslosengeldes herangezogen zu werden.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte nach dem Hauptantrag des Klägers zur Zahlung von 5.171,40 DM brutto nebst Zinsen verurteilt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie ihr Ziel der Klageabweisung weiterverfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Es bedarf weiterer Sachaufklärung, um den Rechtsstreit abschließend entscheiden zu können.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der einem Schwerbehinderten gleichgestellte Arbeitnehmer behalte seinen Lohnanspruch gegenüber seinem Arbeitgeber im ungekündigten Arbeitsverhältnis auch dann, wenn dieser ihn im Betrieb nicht beschäftigen könne, sofern der Arbeitnehmer überhaupt zu einer Arbeitsleistung fähig sei und seine Arbeitskraft anbiete. Dem kann nicht gefolgt werden.

II.1. Die Begründung des Berufungsgerichts entspricht allerdings einer alten Rechtsprechung des Reichsarbeitsgerichts zum Schwerbeschädigtengesetz vom 12. Januar 1923 (RGBl I S. 57; künftig: SchwBeschG 1923), das auszugsweise wie folgt lautete:

"§ 13 Abs. 1 Satz 1:

Einem Schwerbeschädigten kann nur mit Zustimmung

der Hauptfürsorgestelle gekündigt werden.

§ 13 Abs. 2 Satz 1 und 2:

Die gesetzlichen Bestimmungen über die fristlose

Kündigung werden nicht berührt. Wenn es sich um

eine Krankheit handelt, die eine Folge der

Kriegsbeschädigung ist, muß die Zustimmung der

Hauptfürsorgestelle eingeholt werden."

Das Reichsarbeitsgericht hat in ständiger Rechtsprechung (ARS 3, 16; 5, 19; 6, 290; 10, 349; 46, 336) angenommen, daß der Schwerbeschädigte während einer Krankheit, die auf eine Kriegsbeschädigung zurückzuführen ist, selbst bei andauernder Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Lohnfortzahlung habe, solange sein Arbeitsverhältnis nicht rechtswirksam mit Zustimmung der Hauptfürsorgestelle gekündigt sei.

a) In seiner ersten Entscheidung (ARS 3, 16) hat das Reichsarbeitsgericht zur Begründung maßgeblich auf § 13 SchwBeschG 1923 abgestellt und ausgeführt, aus der Pflicht des Arbeitgebers, die Entscheidung der Hauptfürsorgestelle über die wirtschaftliche und soziale Berechtigung einer beabsichtigten Kündigung einzuholen, und der damit verbundenen Kündigungsbeschränkung, folge mit Notwendigkeit die Verpflichtung des Arbeitgebers, solange die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle fehle, der Arbeitsvertrag aber noch laufe, den Schwerbeschädigten auch ohne Arbeitsleistung von seiner Seite den vertraglichen Lohn fortzuzahlen (ARS 3, 17 f.). Die Bestimmungen des SchwBeschG 1923 seien Niederschlag der öffentlich-rechtlichen Fürsorgepflicht, die das Reich hinsichtlich der Schwerbeschädigten zum Teil auf die Arbeitgeber abgewälzt habe. Das Gesetz erwarte von ihnen grundsätzlich freiwillige Erfüllung der ihnen zugewiesenen Fürsorgeaufgaben. Mit den in ihm vorgesehenen Zwangsmitteln greife das Reich erst bei Ungehorsam der Arbeitgeber ein. Daher sei es für die Anwendung des § 13 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 SchwBeschG 1923 unerheblich, ob der Arbeitsvertrag aufgrund freier Entschließung des Arbeitgebers oder mit Hilfe staatlichen Zwanges zustande gekommen sei.

Das Urteil ist in der Literatur auf Kritik gestoßen. Es wurde eingewendet, § 13 SchwBeschG 1923 regele lediglich die Frage des Kündigungsschutzes, nicht aber die Lohnfortzahlungsfrage (vgl. Gerstel in seiner Anm. zu ARS 3, 16; sowie die Nachweise bei Dersch in seiner Anm. zu ARS 5, 19).

b) Im Urteil vom 19. Januar 1929 (ARS 5, 19) hat das Reichsarbeitsgericht dieser Kritik teilweise Rechnung getragen und ausgeführt, § 13 Abs. 2 SchwBeschG 1923 beziehe sich nur auf die Kündigungsfrage. Allerdings erhelle sich aus dieser Vorschrift der aus dem Gesamtcharakter des Schwerbeschädigtengesetzes folgende Grundgedanke, daß das Gesetz den Schwerbehinderten Arbeitsplätze verschaffen und möglichst erhalten wolle, und ihnen nicht nur Gelegenheit zur Arbeit, sondern auch zum Erwerb ihres Unterhalts verschaffe. Dieser Grundgedanke könne nur dann zur Anwendung kommen, wenn bei einer durch Schwerbeschädigung herbeigeführten Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers die Entlohnungspflicht des Arbeitgebers nicht erlösche, sondern von der Kündigung abhängig sei.

c) Im Urteil vom 8. Juni 1929 (ARS 6, 290) hat das Reichsarbeitsgericht erneut auf den Gesamtcharakter des Schwerbeschädigtenrechts als Fürsorgegesetz verwiesen und darauf, daß die damit verbundene Belastung der Arbeitgeber der Entlastung der öffentlichen Fürsorgeträger diene (Theorie der Versorgungssicherung, vgl. Dersch in seiner Anm. zu ARS 6, 295).

d) In den Urteilen vom 4. Oktober 1930 (ARS 10, 349) und vom 28. Mai 1943 (ARS 46, 336) hat das Reichsarbeitsgericht Lohnansprüche jedoch dann verneint, soweit diese durch Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder einzelvertraglich wirksam eingeschränkt oder ausgeschlossen seien.

2. Demgegenüber hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 14. Juli 1983 (- 2 AZR 34/82 -, n. v.) eine Anwendung dieser Grundsätze auf das Schwerbehindertengesetz abgelehnt und zur Begründung auf folgende Überlegungen abgestellt: Das Schwerbeschädigtengesetz von 1923 habe seinen Geltungsbereich im wesentlichen auf Kriegs- und Unfallopfer sowie sachlich auf die erzwingbare Einstellung von Schwerbeschädigten und den Kündigungsschutz beschränkt. Es enthalte keine Bestimmungen über sonstige Arbeitsbedingungen. Die Bestimmung des § 13 Abs. 2 Satz 2 und damit auch die hieraus hergeleitete Lohnfortzahlungspflicht sei auf durch Kriegsleiden bedingte Krankheiten beschränkt. Auch die mögliche Dauer der Lohnfortzahlungspflicht sei begrenzt, weil gemäß § 13 Abs. 1 Satz 5 über die Zustimmung innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung des Antrags an die Hauptfürsorgestelle habe entschieden werden müssen und gemäß § 22 gegen die Entscheidung der Hauptfürsorgestelle lediglich die Beschwerde an den bei ihr gebildeten Schwerbeschädigtenausschuß gegeben gewesen sei, dessen Entscheidung endgültig war.

Demgegenüber habe das Schwerbehindertengesetz den Schwerbehindertenschutz auf alle wenigstens zu 50 % in ihrer Erwerbsfähigkeit geminderten Personen ohne Rücksicht auf den Ursprung der Behinderung erweitert. Es habe ferner auch die Zulässigkeit einer außerordentlichen Kündigung generell von der vorherigen Zustimmung der Hauptfürsorgestelle abhängig gemacht und dem Zusammenhang zwischen Kündigungsgrund und Behinderung nur noch insoweit Gewicht beigemessen, als die Hauptfürsorgestelle die Zustimmung nicht wie in den übrigen Fällen erteilen solle, sondern nach ihrem Ermessen entscheide (§ 18 Abs. 4 SchwbG). Durch die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs gegen die Entscheidung der Hauptfürsorgestelle könne die Anwendung der Rechtsprechung des Reichsarbeitsgerichts zu einer u. U. jahrelangen Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers führen. Auch seien die öffentlich-rechtlichen Leistungen für Schwerbehinderte gegenüber der Zeit vor 1945 erheblich verbessert. Schließlich enthalte das Gesetz, wie bereits das Schwerbeschädigtengesetz 1961, auch Bestimmungen über Arbeitsentgelt, Mehrarbeit und Zusatzurlaub. Dies alles spreche für eine abschließende Regelung des Schwerbehindertenschutzes, zumal, da auch der Zwang zur Einstellung durch behördlichen Zwangsvertrag entfallen sei.

3. Dieser Begründung schließt sich der Senat an. Sie entspricht der heutigen Rechtslage. Die durch die Novellierung des Schwerbehindertengesetzes vom 24. Juli 1986 bedingte Neufassung (BGBl I S. 1110) hat für den hier zu beurteilenden Sachverhalt zu keiner Gesetzesänderung - mit Ausnahme der Paragraphenbezeichnung und der Paragraphenreihenfolge - geführt.

Im übrigen entspricht der vom Reichsarbeitsgericht herangezogene Fürsorgedanke, wonach das Schwerbehindertenrecht Alimentationscharakter habe, nicht dem heutigen System arbeits- und sozialrechtlicher Vorschriften. Bei krankheitsbedingter Einschränkung der Erwerbsfähigkeit ist der betroffene Arbeitnehmer auf unterschiedliche Weise gesichert:

Im Falle krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit hat er zunächst einen sechswöchigen Anspruch auf Lohnfortzahlung gegen seinen Arbeitgeber (§ 616 BGB, § 1 LFZG, § 63 HGB, § 133 c GewO). Danach zahlt die Krankenkasse dem erkrankten Arbeitnehmer längstens für 78 Wochen Krankengeld, wenn die Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit andauert (§ 183 Abs. 2 RVO; jetzt: § 48 Abs. 1 SGB V). Bleibt er auch danach noch arbeitsunfähig krank, d. h. kann er infolge seiner Krankheit nicht die vertraglich geschuldete Leistung erbringen (zum Begriff der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit vgl. zuletzt ausführlich BAGE 48, 1 = AP Nr. 62 zu § 1 LohnFG), hat er jedenfalls nach lohnfortzahlungsrechtlichen Normen keinen Anspruch gegen seinen Arbeitgeber. Wollte man ihm dennoch nur wegen seiner Schwerbehinderung oder seiner Gleichstellung solche Ansprüche zuerkennen, wenn er seine eingeschränkte Arbeitskraft anbietet, läge hierin ein Verstoß gegen das Lohnfortzahlungsrecht (§ 1 LFZG), weil der Arbeitnehmer gar nicht in der Lage ist, seine vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen, sondern nach wie vor arbeitsunfähig krank ist. Ob der Arbeitgeber infolge seiner Fürsorgepflicht dem Arbeitnehmer einen seiner Arbeitskraft entsprechenden Arbeitsplatz anbieten muß, kann zunächst ebenso dahinstehen wie die Frage, ob der betreffende Arbeitnehmer Erwerbsunfähigkeits- oder Berufsunfähigkeitsrente beantragen kann. Müßte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer, unabhängig von seiner Einsatzmöglichkeit im Betrieb, Lohn zahlen, träfe ihn die zuvor abgelehnte Alimentationspflicht. Auch der Hinweis auf die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis nach Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zu kündigen, könnte nicht zu einer überzeugenden Lösung führen. Denn dann müßte der Arbeitgeber Verzugslohn bis zum Vorliegen der Zustimmung zahlen. Andererseits wäre auch an Fälle zu denken, in denen der Arbeitgeber aus rechtlichen Gründen an einer Kündigung gehindert ist, etwa weil der Arbeitnehmer infolge langjähriger Betriebszugehörigkeit tariflich unkündbar geworden ist.

III. Dem Kläger steht auch kein Lohnanspruch aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges (§ 615 BGB) zu. Voraussetzung für den Annahmeverzug des Arbeitgebers ist, daß der Arbeitnehmer zur Bewirkung der vertraglich geschuldeten Leistung auch imstande ist (§ 297 BGB). Nach dem unstreitigen Vorbringen beider Parteien und aus dem vom Kläger vorgelegten Attest vom 4. August 1989 wie auch dem Schreiben der AOK vom 12. Juli 1988 ergibt sich, daß der Kläger die vertraglich geschuldete Schichtarbeit nicht mehr verrichten konnte.

1. In einem vergleichbaren Fall hat der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 7, 321 = AP Nr. 27 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht) einen Anspruch aus Annahmeverzug verneint. Dort hatte eine Gesundheitspflegerin nach ihrem Arbeitsvertrag bei einem bestimmten Gesundheitsamt bestimmte vertraglich vereinbarte Dienste zu erbringen. Nach ärztlichem Befund war sie hierzu nicht mehr in der Lage. Offengeblieben war, ob sie in einem anderen Amt als Gesundheitspflegerin arbeiten könne. Nach der Entscheidung des Vierten Senats hätte ein Schadenersatzanspruch aus dem Gesichtspunkt der Verletzung der Fürsorgepflicht nur dann in Betracht kommen können, wenn der Arbeitgeber zu einer Versetzung verpflichtet gewesen wäre.

2. Im Urteil vom 14. Juli 1983 ( - 2 AZR 34/82 -, n. v.) hat der Zweite Senat die gegen das obengenannte Urteil des Vierten Senats erhobene Kritik von Hueck (Anm. zu BAG AP Nr. 27 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht), der eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Versetzung als nähere Bestimmung der Leistung im Sinne einer Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers nach § 295 BGB ansah, zurückgewiesen. Nach der Systematik der Regelung über den Annahmeverzug liege eine Mitwirkungshandlung im Sinne des § 295 BGB nur dann vor, wenn die ursprünglich geschuldete Leistung hierdurch noch konkretisiert oder möglich gemacht werde, nicht dagegen, wenn die geschuldete Leistung selbst verändert werde (aaO, zu III 2 der Gründe; vgl. auch RG HRR 1928, 414; Senatsurteil vom 2. November 1973, BAGE 25, 344 = AP Nr. 3 zu § 615 BGB Böswilligkeit).

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall führt zu dem Ergebnis, daß dem Kläger keine Ansprüche aus Annahmeverzug zustehen. Die von ihm beanspruchte Zuweisung einer anderen Tätigkeit außerhalb des Schichtdienstes entsprach nicht der vertraglich geschuldeten Leistung.

IV. Ob dem Kläger dagegen Schadenersatzansprüche gegen die Beklagte wegen Verletzung der Fürsorgepflicht zustehen, kann noch nicht abschließend entschieden werden. Insoweit bedarf der Sachverhalt weiterer Aufklärung.

1. Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SchwbG, der § 11 Abs. 2 Satz 1 SchwbG a.F. entspricht, haben Arbeitgeber die Schwerbehinderten so zu beschäftigen, daß diese ihre Kenntnisse und Fähigkeiten möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Diese Vorschrift gibt dem Schwerbehinderten zwar keinen Anspruch auf einen bestimmten Arbeitsplatz und auch kein Recht, nach seinen Neigungen und Wünschen beschäftigt zu werden (BAG Urteil vom 23. Januar 1964 - 2 AZR 289/63 - AP Nr. 2 zu § 12 SchwBeschG), wohl aber im bestehenden Arbeitsverhältnis einen klagbaren Anspruch darauf, im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten so beschäftigt zu werden, daß er entsprechend seiner Vorbildung und seinem Gesundheitszustand seine Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln kann (BAG Urteil vom 14. Juli 1983 - 2 AZR 34/82 -, zu IV 1 der Gründe; Gröninger/Thomas, Schwerbehindertengesetz, Stand: April 1991, § 14 Rz 6, m.w.N.). Die Verletzung der sich aus § 14 Abs. 2 Satz 1 SchwbG ergebenden beruflichen Förderungspflicht kann nicht nur Schadenersatzansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB wegen Verletzung eines Schutzgesetzes auslösen. Die Norm beinhaltet auch und vor allem eine privatrechtlich gesteigerte Fürsorgepflicht gegenüber dem Schwerbehinderten (BAGE 13, 109; 16, 193 = AP Nr. 1 und Nr. 3 zu § 12 SchwBeschG; BAG Urteil vom 28. Mai 1975 - 5 AZR 172/74 - AP Nr. 6 zu § 12 SchwBeschG, mit zustimmender Anm. Schwedes; BAGE 32, 105 und 34, 250 = AP Nr. 2 und Nr. 3 zu § 11 SchwbG; Gröninger/Thomas, aaO, § 14 Rz 6, m.w.N.).

2. Eine erhöhte Fürsorgepflicht begründet auch § 14 Abs. 3 Satz 1 SchwbG (§ 11 Abs. 3 Satz 1 SchwbG a.F.). Danach sind die Arbeitgeber verpflichtet, den Betrieb so zu regeln, daß eine möglichst große Zahl Schwerbehinderter in ihren Betrieben dauernde Beschäftigung finden können. Die Norm begründet im bestehenden Arbeitsverhältnis mit den Schwerbehinderten eine Erweiterung der im Arbeitsverhältnis begründeten Fürsorgepflicht und gewährt den Schwerbehinderten ebenso wie § 14 Abs. 2 Satz 1 SchwbG einen klagbaren Anspruch (BAG Urteil vom 14. Juli 1983 - 2 AZR 34/82 -, zu IV 2 a der Gründe; Gröninger/Thomas, aaO, § 14 Rz 12; Wilrodt/ Neumann, Schwerbehindertengesetz, 7. Aufl., § 14 Rz 33). Ihre Grenzen findet diese Pflicht nach § 14 Abs. 3 Satz 3 SchwbG (§ 11 Abs. 3 Satz 3 SchwbG a.F.) dort, wo ihre Erfüllung mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen verbunden und daher unzumutbar ist, wobei es für die Zumutbarkeit auf betriebstechnische wie wirtschaftliche Gesichtspunkte ankommt (BAG Urteil vom 14. Juli 1983 - 2 AZR 34/82 -, aaO, m.w.N.; Gröninger/Thomas, aaO, § 14 Rz 15).

3. Ob der Schwerbehinderte von seinem Arbeitgeber verlangen kann, ihm einen Arbeitsplatz freizukündigen, ist umstritten. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwGE 29, 140 = AP Nr. 29 zu § 14 SchwBeschG) verneint dies; nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 18, 124, 128 = AP Nr. 4 zu § 12 SchwBeschG, zu 4 der Gründe) ist dies allenfalls dann möglich, wenn der zu kündigende Arbeitnehmer nicht auch behindert ist und die Kündigung für ihn keine soziale Härte darstellt. Die Frage kann vorliegend offenbleiben. Einerseits hat der Kläger ein solches Verlangen nicht erhoben, andererseits sind die nach dem Vortrag der Parteien allenfalls in Frage kommenden Leichtarbeitsplätze als Pförtner mit zwei schwerbehinderten Arbeitnehmern besetzt worden. Damit kann der Kläger auch nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht verlangen, daß die Beklagte einem der Betroffenen zu seinen Gunsten kündigt.

4.a) Nach dem Vortrag des Klägers hat die Beklagte im August und September allerdings Mitarbeiter neu eingestellt, die auch vom Kläger wahrnehmbare leichtere Tätigkeiten ausüben. Es handelt sich hierbei nach den Behauptungen des Klägers um Arbeitsplätze, bei dem Kleber von Plastikrollen entfernt werden und Plastikteile überprüft werden. Der Kläger hat für seinen Sachvortrag Zeugenbeweis angetreten.

Die Beklagte hat diese Darstellung bestritten. Sie hat behauptet, es habe sich bei den vom Kläger geschilderten Arbeitsplätzen allenfalls um Beschäftigungen in der Abteilung "Foliierung" gehandelt, die jedoch - jedenfalls im Hinblick auf das Transportieren von Gewichten und Profilen - der bisherigen Tätigkeit des Klägers vergleichbar seien. Diese Einstellungen seien im Juli und im Oktober 1989 erfolgt. Weitere Arbeitsplätze habe sie in dem hier streitigen Zeitraum nicht neu besetzt.

Damit hat der Kläger seiner Darlegungs- und Beweislast zur Verletzung der Fürsorgepflicht genügt. Das Landesarbeitsgericht hat das streitige Vorbringen der Parteien unberücksichtigt gelassen. Der Rechtsstreit muß daher zur Klärung der streitigen Frage an die Vorinstanz zurückverwiesen werden. Sollte das Berufungsgericht nach erneuter Prüfung zu dem Ergebnis gelangen, die Beklagte habe dem Kläger eine Beschäftigung auf einem dieser Plätze anbieten müssen, wird es zu prüfen haben, ob dem Kläger Schadenersatz in Höhe des für diese Tätigkeit entgangenen Verdienstes zuzusprechen ist.

b) Dagegen kann sich der Kläger nach seinem bisherigen Vorbringen nicht auf weitere Einsatzmöglichkeiten berufen.

In der Klageschrift hat er behauptet und durch Sachverständigengutachten und Zeugenbenennung unter Beweis gestellt, daß es bei der Beklagten Tätigkeiten als Verpacker, Werkzeugmacher und Schlosser gibt, die in Tagesschichten erbracht werden. Er sei nach entsprechender Einweisung in der Lage, die Arbeiten zu verrichten. Zugleich teilte er mit, daß er Gewichte nur bis zu zehn Kilogramm tragen könne.

Die Beklagte hat hierauf in der Berufungsschrift erwidert, der Kläger habe die Tätigkeiten weder gesundheitlich noch fachlich ausüben können, da es sich bei den Tätigkeiten als Werkzeugmacher und Schlosser um Ausbildungsberufe handele, der Kläger jedoch über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfüge. Verpackungstätigkeiten im eigentlichen Sinne gebe es nicht. Es handele sich hierbei allenfalls um die oben erwähnten Foliierungsarbeiten.

Der Kläger hat zu diesen Einwendungen keine Stellung bezogen. Sein bisheriger Sachvortrag zu diesen Tätigkeiten ist daher nicht ausreichend substantiiert.

V. Sollte das Landesarbeitsgericht bei erneuter Prüfung feststellen, daß die Beklagte dem Kläger keinen entsprechenden freien Arbeitsplatz zuweisen konnte, verbleibt noch die Frage, ob der Kläger Schadenersatzansprüche daraus ableiten könnte, daß die Beklagte den Bezug von Arbeitslosengeld seitens des Klägers schuldhaft vereitelt hat, in dem sie gegenüber dem Arbeitsamt nicht auf ihr Direktionsrecht im ungekündigten Arbeitsverhältnis verzichtete.

1. Nach § 100 Abs. 1 AFG hat - unbeschadet weiterer Voraussetzungen, die für den Streitfall nicht von Belang sind - nur derjenige Anspruch auf Arbeitslosengeld, der arbeitslos ist und der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 4. September 1979 - 7 RAr 51/78 - USK 1979 Nr. 79268; BSG, SozR 4000 AFG 4100 § 117 Nr. 16, 18, 19, 20) kann ein Arbeitnehmer auch im ungekündigten Arbeitsverhältnis Arbeitslosengeld beanspruchen, wenn die Arbeitskraft des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber nicht mehr angenommen wird, also keine weitere Verfügungsgewalt beansprucht wird. Deutlichstes Beispiel ist der Ausspruch einer Arbeitgeberkündigung, mit der der Arbeitgeber zu erkennen gibt, daß er die Arbeitskraft des Gekündigten nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr in Anspruch nehmen will. Ob die Bundesanstalt auch ohne eine Verzichtserklärung des Arbeitgebers Arbeitslosengeld leisten muß, ist Gegenstand eines derzeit beim Bundessozialgericht (11 RAr 37/90) anhängigen Revisionsverfahrens.

2. Schadenersatz könnte der Kläger jedoch nur dann beanspruchen, wenn die beklagte Arbeitgeberin kraft ihrer vertraglichen Fürsorgepflicht dem Kläger gegenüber zur Freigabe verpflichtet war und sie diese Pflicht schuldhaft verletzt hat.

a) Es ist anerkannt, daß die Beziehungen der Arbeitsvertragsparteien nicht nur von Hauptpflichten geprägt sind, sondern auch wechselseitige Nebenpflichten umfassen. Inbegriff der vertraglichen Nebenpflichten des Arbeitgebers ist die dem Arbeitnehmer gegenüber obliegende Fürsorgepflicht, die Niederschlag des in § 242 BGB niedergelegten Grundsatzes von Treu und Glauben ist, der den Inhalt der Schuldverhältnisse bestimmt. Im Rahmen seiner allgemeinen Fürsorgepflicht muß der Arbeitgeber auch bei Ausübung seiner Rechte das Wohl und die berechtigten Interessen der Arbeitnehmer berücksichtigen und unter Umständen auch besondere Maßnahmen treffen, die die Entstehung eines Schadens und damit auch eine Beeinträchtigung des Fortkommens des Arbeitnehmers verhindern können (statt vieler: BAGE 50, 362, 366 = AP Nr. 96 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht, zu B I 1 der Gründe, m.w.N.).

b) Ob der Inhalt der Fürsorge gegenüber dem Arbeitnehmer auch die Pflicht zur Freigabeerklärung gegenüber dem Arbeitsamt beinhaltet, muß im Einzelfall unter Berücksichtigung der wechselseitigen Interessen der Vertragsparteien nach Treu und Glauben ermittelt werden.

aa) Der Arbeitnehmer hat in der vorliegenden Konstellation weder Vergütungsansprüche gegen den Arbeitgeber noch Sozialleistungsansprüche. Zwar kann er von sich aus das Arbeitsverhältnis kündigen, wobei er wegen seines Gesundheitszustandes auch nicht befürchten muß, eine Sperre des Arbeitslosengeldes (§ 119 Abs. 1 AFG) zu erhalten (Gagel, Arbeitsförderungsgesetz, Stand: Januar 1990, § 119 Rz 176). Andererseits kann er auf eine Beschäftigungsmöglichkeit bei seinem Arbeitgeber hoffen und auch etwa im Hinblick auf eine Betriebsrente am Arbeitsverhältnis festhalten wollen.

bb) Bei fortdauerndem Arbeitsverhältnis muß der Arbeitgeber den Arbeitnehmer, sofern ihm nach vorgenannten Grundsätzen zumutbar, wiederbeschäftigen. Kündigt er, setzt er sich dem Risiko eines Kündigungsschutzprozesses aus. Eventuell muß er eine Abfindung zahlen. Sowohl bei Kündigung, als auch im Fall der Freigabeerklärung setzt sich der Arbeitgeber unter den Voraussetzungen des § 128 AFG der Gefahr aus, Arbeitslosengeld an das Arbeitsamt zurückzahlen zu müssen. Diese Vorschrift, auf die sich die Beklagte beruft, bildet die Grenzen der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, wenn ihm ein Verhalten zugemutet wird, aus dem ihm ein Nachteil erwachsen kann.

Nach § 128 Abs. 1 Satz 1 AFG muß der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit mindestens 720 Tage in einem beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stand, der Bundesanstalt für Arbeit vierteljährlich das Arbeitslosengeld für die Zeit nach Vollendung des 59. Lebensjahres des Arbeitslosen erstatten. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Januar 1990 (BGBl I S. 223 = AP Nr. 1 zu § 128 AFG) ist diese Norm mit Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar und nichtig, soweit danach Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe auch dann in vollem Umfang zu erstatten sind, wenn der Arbeitnehmer die Voraussetzungen für andere Sozialleistungen erfüllt, deren Zuerkennung einen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe ganz oder teilweise ruhen oder entfallen ließen. Im übrigen ist § 128 AFG mit dem Grundgesetz vereinbar.

Auf diese Entscheidung kann es in diesem Streitfall nicht ankommen. Ausschlaggebend ist, von welcher Rechtslage die beklagte Arbeitgeberin im Zeitpunkt der Aufforderung durch das Arbeitsamt ausgehen mußte. Damals mußte sie jedoch damit rechnen, in Anspruch genommen zu werden. Unzutreffend ist hierbei der Einwand des Klägers, die Beklagte hätte das Arbeitsverhältnis noch vor Vollendung seines 56. Lebensjahres durch Kündigung beenden und somit eine Erstattungspflicht abwenden können. Für das Arbeitsverhältnis galt nach § 11 Abs. 3 des im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen Manteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer der chemischem Industrie vom 1. Juli 1987 eine viermonatige Kündigungsfrist zum Quartalsende. Der Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 1989 kann der Beklagten nicht vor dem 1. August 1989 zugegangen sein. Aufgrund dieses Widerspruchsbescheids, mit dem der Kläger Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten erlangte, ergab sich für die Beklagte die Notwendigkeit, vor Ausspruch der Kündigung die Hauptfürsorgestelle anzuhören. Da dieser ein Entscheidungszeitraum von einem Monat ab Antragseingang zusteht (§ 18 Abs. 1 SchwbG) konnte die Beklagte die maßgebliche Frist nicht mehr einhalten. Die Kündigung hätte dem Kläger vor Ende August 1989 zugehen müssen. Die Beklagte hat daher insoweit keine dem Kläger gegenüber bestehende Fürsorgepflicht verletzt, so daß der Kläger keine Schadenersatzansprüche aus dem Verhalten der Beklagten ableiten kann.

c) Schadenersatzansprüche des Klägers wegen unterlassener Freigabeerklärung scheiden auf jeden Fall dann aus, wenn der von der Beklagten erst in der Revisionsinstanz mit Schriftsatz vom 22. Juni 1991 vorgetragene Sachverhalt zutrifft, wonach der Kläger rückwirkend ab 5. August 1989 Arbeitslosengeld erhält. Dann hat der Kläger keinen Schaden erlitten, dessen Ersatz er von der Beklagten verlangen könnte.

Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Olderog

Dr. Hirt Werner

 

Fundstellen

BAGE 68, 141-155 (LT1-2)

BAGE, 141

BB 1992, 211

BB 1992, 211-214 (LT1-2)

DB 1991, 2488-2489 (LT1)

EBE/BAG 1991, 154-157 (LT1-2)

AiB 1992, 486-487 (LT1-2)

ARST 1992, 67-71 (LT1-2)

EEK, I/1066 (ST1-2)

NZA 1992, 27

NZA 1992, 27-31 (LT1-2)

RdA 1991, 383

ZAP, EN-Nr 1040/91 (S)

ZTR 1991, 518-522 (LT1-2)

AP § 14 SchwbG (LT1-2), Nr 1

AR-Blattei, ES 1440 Nr 104 (LT1-2)

EzA § 615 BGB, Nr 69 (LT1-2)

EzBAT § 8 BAT, Nr 2 (LT1-2)

SGb 1992, 160 (L)

SuP 1991, 707-709 (T)

ZfPR 1992, 83 (L)

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