Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung Ärztin (Arzt) im Medizinischen Dienst. Eingruppierung einer Ärztin mit Gebietsbezeichnung(en) (Urologie und Nuklearmedizin) mit sozialmedizinischer Weiterbildung (Zusatzbezeichnung “Sozialmedizin”) nach Anlage 1 – Tätigkeitsmerkmale – zum Manteltarifvertrag für die Beschäftigten: (Angestellte und Arbeiterinnen/Arbeiter) der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) und des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen (MDS) (MDK-T) vom 15. Oktober 1991

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Ärztin (ein Arzt) mit Gebietsbezeichnung und mit Zusatzbezeichnung “Sozialmedizin”, die (der) in mehr als der Hälfte ihrer (seiner) Arbeitszeit auf ärztlichem Gebiet tätig ist, erfüllt die Voraussetzungen der Vergütungsgruppe 13 der Anlage 1 Tätigkeitsmerkmale zum MDK-T.

 

Normenkette

TVG § 1 Tarifverträge: Medizinischer Dienst; Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung und des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 15. Oktober 1991 (MDK-T) § 15; Tätigkeitsmerkmale Anlage 1 MDK-T VergGr. 11, 12, 13

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 17.03.1994; Aktenzeichen 13 Sa 1748/93)

ArbG Wuppertal (Urteil vom 28.09.1993; Aktenzeichen 8 Ca 3601/92)

 

Tenor

  • Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 17. März 1994 – 13 Sa 1748/93 – wird zurückgewiesen.
  • Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Eingruppierung der Klägerin, insbesondere darüber, ob die Klägerin einen Anspruch hat, ab 1. Januar 1992 nach VergGr. 13 der Anlage 1 – Tätigkeitsmerkmale – zum Manteltarifvertrag für die Beschäftigten (Angestellte und Arbeiterinnen/Arbeiter) der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) und des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen (MDS) (MDK-T) vom 15. Oktober 1991 vergütet zu werden.

Die am 22. April 1949 geborene Klägerin war vom 1. September 1984 bis zum 31. Dezember 1991 als beratende Ärztin beim Vertrauensärztlichen Dienst der Landesversicherungsanstalt W… – jetzt Medizinischer Dienst der Krankenversicherung W… – Lippe –, und zwar seit 1. März 1985 als Dienststellenleiterin der sog. “Ein-Mann-Dienststelle” H… -Welper beschäftigt. Seit 1. Januar 1992 steht sie in einem Arbeitsverhältnis zu dem Beklagten und ist als Ärztin in der W… Dienststelle des Beklagten tätig. In der Dienststelle W… des Beklagten arbeiten insgesamt 8 Ärzte. Die Klägerin ist Fachärztin für Urologie seit dem 13. Mai 1980 und für Nuklearmedizin seit dem 27. Juni 1984. Außerdem ist sie aufgrund einer entsprechenden Weiterbildung seit 6. Juli 1987 berechtigt, die Bezeichnung “Sozialmedizin” zu führen. Nach der “Arbeitsplatz-/Aufgabenbeschreibung” sind 55 % ihrer Arbeitszeit bei dem Beklagten mit der Einzelfallbegutachtung im BBZ (nach Untersuchung) im Falle der Arbeitsunfähigkeit belegt. Gebietsspezifische Tätigkeiten auf den Gebieten Urologie sowie Nuklearmedizin fallen nicht an.

Das Arbeitsverhältnis unterlag zunächst den Bestimmungen des Arbeitsvertrages vom 14. August 1991. Danach galt der Bundes-Angestelltentarifvertrag für Angestellte der Landesversicherungsanstalten vom 10. Januar 1961. Die Klägerin erhielt Vergütung nach VergGr. Ia BAT. Aufgrund Parteivereinbarung richten sich das Arbeitsverhältnis und damit auch die Eingruppierung nunmehr nach dem Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) und des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen (MDS) (MDK-T) vom 15. Oktober 1991.

Mit Schreiben vom 27. Mai 1992 wurde die Klägerin “einstweilen … rückwirkend ab dem 01.01.1992 in die VergGr. 12 der Anlage 1 zum MDK-T eingereiht”. Mit Schreiben vom 15. Juni 1992 teilte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung W… – Lippe, der Arbeitgeber der Klägerin bis zum 31. Dezember 1991, ihr mit, daß ihre “Eingruppierung ab 01.07.1991 in die VergGr. 13.4 MDK-T erfolgt”. Mit Schreiben vom 29. Juni 1992 verlangte die Klägerin von dem Beklagten erfolglos Vergütung aus der VergGr. 13 der Anlage 1 zum MDK-T ab 1. Januar 1992. Mit der am 4. September 1992 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin weiter das Ziel, ab 1. Januar 1992 nach VergGr. 13 der Anlage 1 zum MDK-T vergütet zu werden.

Sie hat die Auffassung vertreten, aufgrund ihrer Qualifikation einerseits als Gebietsärztin, andererseits der Berechtigung zur Führung der Bezeichnung Sozialmedizin sei die Klägerin in die VergGr. 13 eingestuft. Es könne auch nicht darauf ankommen, ob die Klägerin zumindest zu 50 % als Gebietsärztin tätig sei, weil sie zumindest als Ärztin mit sozialmedizinischer Weiterbildung die Voraussetzungen des Beispiels Nr. 3 der VergGr. 13 erfülle.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß der Klägerin Vergütung nach der VergGr. 13 des MDK-T ab dem 1. Januar 1992 zusteht.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, die Klägerin übersehe § 15 MDK-T, weil es auf die “überwiegend ausgeübte Tätigkeit” ankomme. Die Auffassung der Klägerin sei nur richtig, wenn sie überwiegend auf einem Gebiet “mit sozialmedizinischer Weiterbildung” tätig sei, wobei die von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten nicht eingruppierungsrelevant seien, weil es sich um Tätigkeiten handele, die bereits in der VergGr. 12 definiert seien.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin das arbeitsgerichtliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Vergütung nach VergGr. 13 der Anlage 1 – Tätigkeitsmerkmale – zum Manteltarifvertrag für die Beschäftigten (Angestellte und Arbeiterinnen/Arbeiter) der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) und des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen (MDS) (MDK-T) vom 15. Oktober 1991 ab 1. Januar 1992.

I. Die Klage ist zulässig. Es handelt sich um eine im öffentlichen Dienst allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage, bei der nach der ständigen Rechtsprechung des Senats das nach § 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere rechtliche Interesse an der Feststellung unbedenklich zu bejahen ist (vgl. z. B. Senatsurteil vom 19. März 1986 – 4 AZR 470/84 – AP Nr. 114 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Das Gesundheitsreformgesetz (GRG) hat den vertrauensärztlichen Dienst aus dem Zuständigkeitsbereich der Landesversicherungsanstalten herausgelöst und unter Umbenennung in “Medizinischer Dienst der Krankenversicherung” einer neuen Organisation, einer Arbeitsgemeinschaft, übertragen. Getragen wird die Arbeitsgemeinschaft von den Krankenkassen durch die Verbände in Gestalt der Körperschaft öffentlichen Rechts. In Art. 73 Abs. 4 GRG hat der Gesetzgeber den Körperschaftscharakter des MDK an die Dienstherrenfähigkeit mit Rücksicht auf die Übernahme von Beamten der Landesversicherungsanstalten geknüpft und geregelt, daß der Körperschaftscharakter automatisch erlischt, wenn die Dienstherrenfähigkeit entfällt. Solange die oberste Verwaltungsbehörde des Landes den Zeitpunkt dafür nicht festgestellt hat, gehört der MDK (noch) zum öffentlichen Dienst.

II. Die Klage ist auch begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend einen Anspruch der Klägerin auf Vergütung nach Vergütungsgruppe 13 der Anlage 1 zum MDK-T ab 1. Januar 1992 bejaht.

1. Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund Vereinbarung der Parteien der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten (Angestellte und Arbeiterinnen/Arbeiter) der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) und des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen (MDS) (MDK-T) vom 15. Oktober 1991 nebst Anlage 1 – Tätigkeitsmerkmale – Anwendung.

Für die Eingruppierung der Klägerin ist sonach folgende Bestimmung des MDK-T heranzuziehen:

“§ 15

Eingruppierung

Die Eingruppierung erfolgt aufgrund der von den Beschäftigten überwiegend ausgeübten Tätigkeit nach Maßgabe der Anlage 1.”

Diese tarifliche Bestimmung ist dahin auszulegen, daß dem Arbeitnehmer bei Erfüllung der tariflichen Anforderungen ein entsprechender Vergütungsanspruch zusteht und der Entscheidung des Arbeitgebers nur deklaratorische Bedeutung zukommt. Für die Eingruppierung ist die überwiegende Tätigkeit maßgebend, wobei die “Tätigkeitsmerkmale” der Anlage 1 entscheidend sind.

Für die Entscheidung über den geltend gemachten Vergütungsanspruch kommt es auf folgende Bestimmungen der Anlage 1 zum MDK-T – Tätigkeitsmerkmale – an:

“Vergütungsgruppe 11

Beschäftigte mit Tätigkeiten, die eine abgeschlossene, wissenschaftliche Hochschulbildung oder gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten erfordern

  • z.B.
  • Sachgebietsleiter/in
  • Referent/in
  • Apotheker/in

Vergütungsgruppe 12

Beschäftigte mit Tätigkeiten, die sich durch die besondere Schwierigkeit und Bedeutung des Aufgabengebietes aus der Vergütungsgruppe 11 herausheben

  • z.B.
  • Arzt/Ärztin
  • Zahnarzt/Zahnärztin
  • Gebietsarzt/Gebietsärztin
  • Referent/in mit schwierigen Aufgaben
  • Apotheker/in mit schwierigen Aufgaben

Vergütungsgruppe 13

Beschäftigte mit Tätigkeiten, die sich durch die besondere Schwierigkeit und Bedeutung des Aufgabengebietes aus der Vergütungsgruppe 12 herausheben

  • z.B.
  • Referent/in mit besonderen Aufgaben
  • Abteilungsleiter/in
  • Ärzte/Ärztinnen mit sozialmedizinischer Weiterbildung und/oder schwierigen Aufgaben
  • Gebietsärzte/Gebietsärztinnen/Zahnärzte/Zahnärztinnen mit sozialmedizinischer Weiterbildung
  • Gebietsärzte/Gebietsärztinnen/Zahnärzte/Zahnärztinnen mit entsprechender beruflicher Erfahrung

Vergütungsgruppe 14

Beschäftigte mit Tätigkeiten, die sich durch die besondere Schwierigkeit und Bedeutung des Aufgabengebietes aus der Vergütungsgruppe 13 herausheben

  • z.B.
  • Hauptabteilungsleiter/in, Bereichsleiter/in
  • Abteilungsleiter/in mit besonderen Aufgaben
  • Ärzte/Ärztinnen/Gebietsärzte/Gebietsärztinnen/Zahnärzte/Zahnärztinnen mit besonderen Aufgaben

Vergütungsgruppe 15

Beschäftigte, die sich durch die besondere Aufgabenstellung und die damit verbundene Verantwortung aus der Vergütungsgruppe 14 herausheben

  • z.B.
  • Hauptabteilungsleiter/in, Bereichsleiter/in mit besonderen Aufgaben
  • Ärzte/Ärztinnen/Gebietsärzte/Gebietsärztinnen/Zahnärzte/Zahnärztinnen mit besonderen Aufgaben

Vergütungsgruppe 16

Beschäftigte, die sich durch die besondere Aufgabenstellung und die damit verbundene Verantwortung aus der Vergütungsgruppe 15 herausheben, z.B. Leitende Ärzte/Ärztinnen.”

2.a) Die von der Klägerin in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsgruppe 13 bauen auf der Vergütungsgruppe 12 auf, die ihrerseits die Erfüllung der Anforderungen der Vergütungsgruppe 11 voraussetzt. Die Eingangsvergütungsgruppe für Ärzte und Zahnärzte ist ersichtlich die Vergütungsgruppe 12, in der diese als Beispiel für die Vergütungsgruppe 12 genannt sind, obwohl für Beschäftigte im übrigen mit Tätigkeiten, die eine abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung erfordern, die Vergütungsgruppe 11 vorgesehen ist. Die abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung zum Arzt oder Zahnarzt als solche und die Tätigkeit als Arzt oder Zahnarzt vermögen schlechterdings die Heraushebung “durch die besondere Schwierigkeit und Bedeutung des Aufgabengebietes aus der Vergütungsgruppe 11” nicht auszumachen.

b) Das Landesarbeitsgericht hat sich die Argumentation des Landesarbeitsgerichts Köln in der Entscheidung vom 12. November 1993 – 4 Sa 688/93 – zu eigen gemacht und darauf Bezug genommen. Das Landesarbeitsgericht Köln hat in dem Urteil ausgeführt, es reiche für die Eingruppierung einer Ärztin in die Vergütungsgruppe 13 aus, daß sie mit der Zusatzbezeichnung “Sozialmedizin” das Merkmal “sozialmedizinische Weiterbildung” erfülle. Es sei nicht zusätzliche Voraussetzung, daß die Ärztin auch “schwierige Aufgaben” ausübe. Dabei könne dahinstehen, ob außer der bloßen Qualifikation “sozialmedizinische Weiterbildung” nach der Vergütungsgruppe auch erforderlich sei, daß entsprechende Tätigkeiten ausgeübt würden. Daß die Ärztin nämlich Tätigkeiten ausübe, die der Zusatzbezeichnung “Sozialmedizin” entsprächen, sei zwischen den Parteien unstreitig. Ob die jeweiligen Obersätze der einschlägigen Vergütungsgruppen justitiabel seien, könne dahinstehen. Justitiabel seien jedenfalls die den Vergütungsgruppen zugeordneten Beispiele. Mit der Zuordnung von Beispielen zu Vergütungsgruppen, Lohngruppen und Ähnlichem brächten die Tarifvertragsparteien zum Ausdruck, daß eine Tätigkeit, die als Beispiel genannt werde, die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe erfülle. Erst dann, wenn die von einem Arbeitnehmer überwiegend ausgeübte Tätigkeit von einem Tätigkeitsbeispiel nicht oder nicht in vollem Umfang erfaßt werde, seien für die Eingruppierung die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale heranzuziehen, bei deren Auslegung wiederum die Tätigkeitsbeispiele zu berücksichtigen seien. Da die Tätigkeit der Ärztin vom Beispiel Nr. 3 zur Vergütungsgruppe 13 erfaßt werde, komme es auf die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale nicht mehr an. Eine Injustitiabilität der allgemeinen Tarifmerkmale führe auch nicht dazu, daß die zu den jeweiligen Vergütungsgruppen genannten Beispiele nicht mehr anwendbar seien. Die Teilnichtigkeit einer tariflichen Regelung führe grundsätzlich nicht zur Gesamtnichtigkeit. § 139 BGB sei nicht anwendbar. Die mit höherem Recht zu vereinbarenden Teile einer Tarifnorm blieben gültig, wenn sie selbständige Bedeutung haben könnten und wenn sie nicht Teile einer Gesamtregelung seien, die ihren Sinn und ihre Rechtfertigung verlören, nähme man einen ihrer Bestandteile heraus. Daß die Beispiele selbständige Bedeutung hätten und ihre Rechtfertigung nicht verlören, wenn die allgemeinen Merkmale nichtig seien, ergäbe sich aus der Bedeutung von Beispielen in Vergütungsgruppen.

c) Dem folgt der Senat jedenfalls im Ergebnis.

Die genannten tariflichen Bestimmungen bedeuten, daß die Erfordernisse einer Vergütungsgruppe dann als erfüllt anzusehen sind, wenn ein Beschäftigter eine einem dieser Vergütungsgruppe zugeordneten Beispiel entsprechende Tätigkeit überwiegend auszuüben hat.

Aus der Erwähnung der Qualifikation in der Vergütungsgruppe allein kann der Arbeitnehmer mit Erfolg nichts für die Eingruppierung herleiten. Zwar steht die Angabe der Qualifikation in den Beispielen, soweit keine weiteren Merkmale aufgeführt sind, dafür, daß diese allein ausreicht, um die Voraussetzungen der Vergütungsgruppe zu erfüllen, in der die Qualifikation als Beispiel aufgenommen worden ist. Nach dem zu berücksichtigenden Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelung – insbesondere im Hinblick auf § 15 MDK-T und die Vergütungsgruppen für die im MDK tätigen Mediziner – wird deutlich, daß die Ärztin (der Arzt) in mehr als der Hälfte ihrer (seiner) Arbeitszeit auf ärztlichem Gebiet tätig zu sein hat. Denn die Vergütungsgruppen regeln die Eingruppierung ärztlicher Tätigkeiten.

Für die Eingruppierung von Ärzten maßgeblich sind nach der tariflichen Regelung die jeweiligen “Obersätze” der Vergütungsgruppen 12 – 16, die die Wertigkeit der unter die jeweilige Vergütungsgruppe fallenden Tätigkeit festlegen sollen (§ 15 MDK-T).

Auf die Überprüfung der Merkmale der jeweiligen “Obersätze” kommt es nicht an, wenn der Beschäftigte die Voraussetzungen eines Beispiels erfüllt. Denn die Beispiele stehen nach dem erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien dafür, daß dann die Voraussetzungen der jeweiligen Vergütungsgruppe erfüllt sind, m.a.W. ein Fall des jeweiligen Obersatzes vorliegt.

So haben die Tarifvertragsparteien das Merkmal “Beschäftigte mit Tätigkeiten, die sich durch die besondere Schwierigkeit und Bedeutung des Aufgabengebietes aus der Vergütungsgruppe 12 herausheben”, durch Beispiele erläutert.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist dann, wenn eines der Beispiele gegeben ist, auch das Merkmal des Oberbegriffes erfüllt (Urteile vom 5. Juli 1978 – 4 AZR 795/76 – AP Nr. 7 zu §§ 22, 23 BAT 1975; vom 29. April 1981 – 4 AZR 1007/78 – AP Nr. 11 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk und Urteil vom 12. Dezember 1990 – 4 AZR 306/90 – AP Nr. 1 zu § 12 AVR Diakonisches Werk = EzA § 3 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 4). Die Tarifvertragsparteien des MDK-T haben mit den Beispielen erkennbar ihre Auffassung zum Ausdruck gebracht, daß die beispielhaft angeführten Qualifikationen verbunden mit ärztlicher Tätigkeit gegebenenfalls bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen die Merkmale der Vergütungsgruppe erfüllen. Daran sind die Gerichte bei der Auslegung gebunden. Andernfalls würde den Beispielen entgegen dem Willen der Tarifvertragsparteien der typische Charakter für ihre Vergütungsgruppen abgesprochen. Auch wenn es entbehrlich ist, die allgemeinen Merkmale der Vergütungsgruppe zu prüfen, falls die Voraussetzungen eines Beispiels erfüllt sind, ist gleichwohl bei der Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen in den Beispielen (z. B. “mit schwierigen Aufgaben” im Beispiel Nr. 3 der Vergütungsgruppe 13) die Wertigkeit zu berücksichtigen, die in den Merkmalen des jeweiligen Oberbegriffs zum Ausdruck kommt. Unbestimmte Rechtsbegriffe sind nach ihrem Wesen auslegungs- und ausfüllungsbedürftig. Dann ist es geboten, hierfür die von den Tarifvertragsparteien in den Oberbegriffen festgelegte Wertigkeit der Tätigkeit jeweils mit heranzuziehen. Auf die Merkmale des Oberbegriffs allein kommt es nur an, wenn es um eine Tätigkeit geht, die in den Beispielen nicht ihren Niederschlag gefunden hat, aber auch hier sind nach dem Willen der Tarifvertragsparteien bei der Auslegung der Merkmale des Oberbegriffs die Beispiele wiederum als Maßstab für die Bewertung zu berücksichtigen.

d) Somit ist zunächst zu prüfen, ob die Klägerin das von ihr beanspruchte Beispiel Nr. 3 zur Vergütungsgruppe 13 mit ihrer Qualifikation und als “Ärztin mit sozialmedizinischer Weiterbildung” und ihrer ärztlichen Tätigkeit erfüllt, ohne daß das weitere Merkmal “mit schwierigen Aufgaben” kumulativ hinzuzutreten hätte.

Das bejaht das Landesarbeitsgericht.

Dem folgt der Senat. Deshalb braucht auch der Senat nicht darauf einzugehen, ob die allgemeinen Vergütungsgruppenmerkmale deswegen injustitiabel sind, weil dreimal, jedenfalls aber zweimal sich die Tätigkeit der jeweils nachfolgenden aus der Tätigkeit der vorangehenden Vergütungsgruppe stets durch dasselbe Merkmal “der besonderen Schwierigkeit und Bedeutung des Aufgabengebietes” herauszuheben hat.

In Vergütungsgruppe 13 sind nach dem Beispiel Nr. 3

“Ärzte/Ärztinnen mit sozialmedizinischer Weiterbildung und/oder schwierigen Aufgaben”

eingruppiert.

Es geht also um die Frage, ob das “und/oder” in Vergütungsgruppe 13 Beispiel Nr. 3 so zu verstehen ist, ob es ausreicht, daß das Merkmal “Ärztin mit sozialmedizinischer Weiterbildung” erfüllt ist, wie die Klägerin meint, und ärztliche Tätigkeit entfaltet wird, oder ob, wie es der Beklagte für richtig hält, unabhängig von dem Vorhandensein des Merkmals “mit sozialmedizinischer Weiterbildung” der Arzt, die Ärztin “mit schwierigen Aufgaben” betraut sein muß.

e) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages, über die hier zwischen den Parteien Streit besteht, folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Wenn der Tarifwortlaut nicht eindeutig ist, ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Läßt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. z. B. Senatsurteil vom 23. September 1992 – 4 AZR 66/92 – AP Nr. 8 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel, zu I 2a der Gründe, m.w.N.; Senatsurteil vom 21. Juli 1993 – 4 AZR 468/92 – AP Nr. 144 zu § 1 TVG Auslegung; Senatsurteil vom 14. Dezember 1994 – 4 AZR 865/93 –, zur Veröffentlichung vorgesehen; siehe auch die zusammenfassende Darstellung bei Schaub, Auslegung und Regelungsmacht von Tarifverträgen, NZA 1994, 597 ff.).

f) Dem Landesarbeitsgericht ist darin zu folgen, daß die Auslegung des Beispiels Nr. 3 zur Vergütungsgruppe 13 ergibt, daß das Vorliegen dieses Beispiels neben der sozialmedizinischen Weiterbildung nicht auch noch davon abhängig ist, daß der Arzt/die Ärztin mit sozialmedizinischer Weiterbildung zugleich “mit schwierigen Aufgaben” betraut ist.

Der Wortlaut steht zunächst dafür, daß Vergütung nach Vergütungsgruppe 13 gezahlt wird, wenn es sich entweder um einen Arzt oder um eine Ärztin je mit sozialmedizinischer Weiterbildung handelt oder wenn schwierige Aufgaben erfüllt werden; fällt beides zusammen, ändert sich daran nichts, kann nicht etwa mit Erfolg eine höhere Vergütung verlangt werden.

Zunächst ist Arzt mit sozialmedizinischer Weiterbildung durch “und” mit (Arzt mit) schwierige(n) Aufgaben verbunden. Das bedeutet, daß beide zusammen vorliegen müssen.

Es kann nicht gesagt werden, daß beides in keinem inneren Verhältnis steht mit der Folge, daß die Verknüpfung sinnlos wäre. Vergütung aus Vergütungsgruppe 13 ist nur dann gegeben, wenn sowohl Arzt mit sozialmedizinischer Weiterbildung als auch schwierige Aufgaben gegeben sind (X + Y = Z).

Weiter ist Arzt mit sozialmedizinischer Weiterbildung durch “oder” mit (Arzt mit) schwierige(n) Aufgaben verbunden.

Das Wort “oder” hat in der Umgangssprache mindestens zwei verschiedene Bedeutungen: In der einen, der sogenannten nicht ausschließenden Bedeutung, ist es unschädlich, wenn das erste Element oder das zweite Element oder gar beide vorliegen.

Vergütung aus Vergütungsgruppe 13 ist sonach dann gegeben, wenn entweder sozialmedizinische Weiterbildung oder schwierige Aufgaben oder auch beides vorliegen (X v Y = Z). Das so verstandene “oder” ist nicht das ausschließende “oder” im Sinne von entweder oder. Es hat vielmehr die Bedeutung eines “oder auch”. Es wird also auch die Möglichkeit zugelassen, daß sowohl X als auch Y vorliegen. Das so verstandene “oder” entspricht dem lateinischen “vel” und nicht dem lateinischen “aut-aut”. Danach ist Vergütung nach Vergütungsgruppe 13 nur dann nicht gegeben, wenn es sich weder um einen Arzt mit sozialmedizinischer Weiterbildung noch um schwierige Aufgaben handelt.

Bei der anderen sogenannten ausschließenden Bedeutung besagt “oder”, daß nur die Erfüllung eines Teils in Betracht kommt. Also entweder Arzt mit sozialmedizinischer Weiterbildung oder Arzt mit schwierigen Aufgaben. Die Alternative entweder Arzt mit sozialmedizinischer Weiterbildung oder mit schwierigen Aufgaben (X # Y) bezeichnet die Aussage, daß dann und nur dann Vergütung nach Vergütungsgruppe 13 gegeben ist, wenn entweder Arzt mit sozialmedizinischer Weiterbildung oder Arzt mit schwierigen Aufgaben vorliegen. Treffen beide zusammen oder liegen beide nicht vor, besteht kein Anspruch auf Vergütung nach Vergütungsgruppe 13.

Nun liegt hier eine und/oder Verknüpfung vor. Sie entspricht dem oben dargestellten “vel” oder der Disjunktion (disjunction, inclusive or function), eine der Grundfunktionen der Booleschen Algebra. Es handelt sich um die Verknüpfung zweier (oder auch mehrerer) Aussagen durch und/oder (A v B), die zum Ergebnis C führt, wenn wenigstens eine der beiden Aussagen wahr ist.

Das bedeutet also, wenn erstens A, zweitens B, drittens A und B vorhanden sind, ist C vorhanden. Anders ausgedrückt: Wenn A und/oder B gegeben sind, ist C gegeben.

Auf das Beispiel Nr. 3 der Vergütungsgruppe 13 übertragen, ergibt sich, daß Anspruch auf Vergütung nach Vergütungsgruppe 13 besteht, wenn es sich entweder um einen Arzt mit sozialmedizinischer Weiterbildung oder um einen Arzt mit schwierigen Aufgaben handelt, aber auch dann, wenn ein Arzt mit sozialmedizinischer Weiterbildung mit schwierigen Aufgaben befaßt ist.

3.a) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß “und/oder” in der allgemeinen Sprache dann verwandt wird, wenn zum Ausdruck gebracht werden soll, daß es für eine bestimmte Folge egal ist, ob nun das eine oder das andere Merkmal oder alle Merkmale gemeinsam vorliegen. Es hat weiter zutreffend ausgeführt, nicht nur der MDK-T, sondern auch andere Tarifverträge gebrauchten die “modernistische Wortschöpfung ‘und/oder’”. In der Vergütungsgruppe 3 der Anlage 1 zum MDK-T sind in den Beispielen unter Nr. 1 “Registratur- und/oder Archivaufgaben”, in der Vergütungsgruppe 5 ist im Beispiel Nr. 1 der Leiter/die Leiterin der Registratur und/oder des Archivs genannt. Die Tarifvertragsparteien des Gehaltsrahmenabkommens in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens vom 19. Februar 1975 verwenden die Wortkombination “und/oder” ständig, wie ein Blick in die “Tätigkeitsbeispiele” zeigt (dazu Ziepke, Handkommentar zum Gehaltsrahmenabkommen…, 8. Aufl., § 2 Anm. 5-7, § 3 Vorbem. 1 Ziff. 2). Auch das aus dem Gehaltstarifvertrag für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen vom 22. Mai 1992 genannte Beispiel “Verwalter von Warenannahmen und/oder Versand” für die Gehaltsgruppe III ist zutreffend und wird in keiner Weise problematisiert (vgl. Decruppe/Rzaza, Tarifverträge des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen, 1992, G III Rz 24, S. 276). Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zu folgen, daß damit zum Ausdruck gebracht wird, daß die Vergütungsgruppe erfüllt ist, wenn entweder die eine oder andere Tätigkeit verrichtet wird oder wenn beide verrichtet werden. Damit wird ausgeschlossen, daß beim Zusammentreffen mehrerer Tätigkeiten oder Tätigkeitsmerkmale Vergütung aus der nächst höheren Vergütungsgruppe reklamiert wird, wie es im Zusammenhang mit den Beispielen der Protokollerklärung Nr. 12 zum Begriff der “schwierigen Tätigkeit” im Sinne der Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 16 BAT/VKA wiederholt vorgekommen ist (vgl. z.B. die Senatsurteile vom 1. März 1995 – 4 AZR 175/94 –, – 4 AZR 45/94 –, jeweils nicht zur Veröffentlichung vorgesehen und – 4 AZR 8/94 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).

b) Dem steht der tarifliche Gesamtzusammenhang nicht entgegen. Es kann allenfalls daran gedacht werden, die Nr. 3 der Beispiele zur Vergütungsgruppe 13 so zu lesen, daß Ärzte ohne sozialmedizinische Weiterbildung in die Vergütungsgruppe 13 eingruppiert sind, wenn sie “mit schwierigen Aufgaben” betraut sind; für einen Arzt, eine Ärztin mit sozialmedizinischer Weiterbildung bleibt es aber bei der Vergütungsgruppe 13.

Das ergibt sich aus folgendem:

Der MDK-T hatte den großen Bereich “Ärzte” zu regeln. Dabei sollte einheitlich die sozialmedizinische Komponente der Tätigkeit der Ärzte betont werden, also die über das eigentliche Fachgebiet hinausgehende Betrachtungsweise, was sich in der Betonung des Merkmals “mit sozialmedizinischer Weiterbildung” niedergeschlagen hat, ja niederschlagen mußte, wollte man einen Anreiz geben für die zum Teil neu- und/oder umformulierte Tätigkeit des MDK schaffen. Nach G.… Busse (“Der Tarifvertrag im Medizinischen Dienst der Krankenversicherung – Kommentierung” in Müller-Held/Rebscher/Schütgens, Medizinischer Dienst der Krankenversicherung, Stand Juli 1992, VI 3 – 22) ist mit dem Beispielsmerkmal “sozialmedizinische Weiterbildung” in Vergütungsgruppe 13 die sozialmedizinische Weiterbildung im Sinne der Weiterbildungsordnung der jeweiligen Landesärztekammer gemeint. Auf diese, die Aufgabenstellung des MDK in besonderer Weise berührende Weiterbildung als Voraussetzung zur entsprechenden Eingruppierung müsse besonderer Nachdruck gelegt werden. Alle höheren Vergütungsgruppen bauten auf dieser Weiterbildung auf. Davon, daß der Arzt/die Ärztin mit sozialmedizinischer Weiterbildung außerdem noch “mit schwierigen Aufgaben” betraut sein müsse, um Vergütung aus Vergütungsgruppe 13 zu erhalten, ist keine Rede. Es heißt lediglich, die sozialmedizinische Weiterbildung sei Voraussetzung für alle höheren Vergütungsgruppen, wobei dahinstehen kann, ob dies im Hinblick auf den Wortlaut, die Obersätze und Beispiele der Vergütungsgruppen 14 – 16, zutreffend ist.

c) Entscheidend ist für den Senat auch folgendes: Aus der Stellungnahme der Verhandlungskommission der Tarifgemeinschaft der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung vom 8. Januar 1993, die als Arbeitgeberseite den MDK-T vom 15. Oktober 1991 nebst Anlagen abgeschlossen hat, wird deutlich, daß zumindest nach Auffassung der Arbeitgeberseite sich nach außen deutlich erkennbare Kenntnisse in der Sozialmedizin auf die Eingruppierung auswirken sollten. Nach den Vorstellungen der Dienste sollen künftig nur noch Ärzte mit Gebietsbezeichnung eingestellt werden, die überdies sogleich die Zusatzbezeichnung “Sozialmedizin” zu erwerben haben, die zur Zeit der Rechtsvorgänger der Medizinischen Dienste nur in sehr eingeschränktem Maße erworben worden war.

Diese Vorstellungen sind nicht nur durch die Ausführungen der Stellungnahme zur Bedeutung der Zusatzbezeichnung “Sozialmedizin” für die Ärzte des Medizinischen Dienstes und die hierfür maßgeblichen Bestimmungen der jeweiligen Weiterbildungsordnungen objektiviert, sondern durch die gesamte Diskussion um die Umorganisation/Umstrukturierung sowie das Aufgabenfeld und die Funktion des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung als medizinischer Beratungsdienst in der Verantwortung der Krankenkassen und um seine Stellung im Gesundheitswesen der Bundesrepublik Deutschland.

Daraus folgt, daß Ärzte/Ärztinnen mit sozialmedizinischer Weiterbildung, die auf ärztlichem Gebiet tätig sind, in Vergütungsgruppe 13 eingruppiert sind, also unter das Beispiel Nr. 3 fallen. Daraus folgt weiter, daß demgegenüber Ärzte ohne sozialmedizinische Weiterbildung “mit schwierigen Aufgaben” betraut sein müssen, um Anspruch auf Vergütung nach Vergütungsgruppe 13 zu haben.

d) Im Hinblick auf die zum Ausdruck gekommene Zielsetzung der Medizinischen Dienste, ärztliche Mitarbeiter mit nach außen durch die Zusatzbezeichnung deutlich kenntlich gemachten Spezialkenntnissen in der Sozialmedizin zu beschäftigen, ist das Beispiel Nr. 3 zur Vergütungsgruppe 13 sonach dahin zu lesen, daß entweder Ärzte mit sozialmedizinischer Weiterbildung oder Ärzte ohne sozialmedizinische Weiterbildung, aber mit schwierigen Aufgaben angesprochen sind, wobei der Senat offen lassen kann, was im Einzelfall schwierige Aufgaben im Lichte der allgemeinen Formulierung der Anforderung der Vergütungsgruppe 13, nämlich “Tätigkeiten, die sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung” aus der Vergütungsgruppe 12 herausheben, sind oder sein können; einen solchen Fall hat der Senat nicht zu entscheiden.

4.a) In dieses Gesamtbild paßt dann auch das Beispiel Nr. 4, dessen Voraussetzungen die Klägerin ebenfalls erfüllt. Nach diesem Beispiel fallen Gebietsärzte/Gebietsärztinnen mit sozialmedizinischer Weiterbildung unter die Vergütungsgruppe 13, wenn sie in mehr als der Hälfte ihrer Arbeitszeit auf ärztlichem Gebiet tätig sind. Das ist bei der Klägerin der Fall. Sie ist Gebietsärztin mit sozialmedizinischer Weiterbildung. Darauf, ob sie auf ihren Fachgebieten oder auf einem ihrer Fachgebiete überwiegend tätig ist, kommt es nicht an. Es reicht aus, daß sie als Gebietsärztin bei dem Beklagten überwiegend auf ärztlichem Gebiet tätig ist, was der Beklagte zu keinem Zeitpunkt in Abrede gestellt hat. Darin liegt keine Abwertung des Gebietsarztes oder Facharztes gegenüber dem “einfachen” Arzt. Denn für die Aufgaben des sozialmedizinischen Dienstes ist es nicht so sehr entscheidend, ob ein Arzt “einfacher” Arzt oder Gebietsarzt/Facharzt ist. Die Sozialmedizin versteht sich fach-, fächerübergreifend. Sie umfaßt Fragen der Krankheitsentstehung, der Krankheitsverhütung, der Gesundheitsbildung, der Rehabilitation, der medizinischen Versorgung, Grundfragen der sozialen Sicherheit sowie ökonomische Probleme in Gesundheit und Krankheit (Gesundheitsökonomie); vgl. z. B. Sozialmedizin, herausgegeben von Maria Blohmke, 2. Aufl., passim. Eine facharztspezifische Betrachtungsweise allein findet gerade nicht statt und soll auch nicht stattfinden. Das ganzheitliche Verständnis von Krankheit und Gesundheit spielt eine wichtige Rolle (vgl. nur Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung des Deutschen Bundestages, BT-Drucks. 11/3480; Hartmann, Medizin, Mensch, Gesellschaft (MMG), 1989, 258 ff.; Tretter, Deutsches Ärzteblatt (DÄ), 1989, B 2214).

b) Die Gleichstellung vom Facharzt und Gebietsarzt ist von den Tarifvertragsparteien ausdrücklich gewollt. Denn wenn im Beispiel Nr. 1 zur Vergütungsgruppe 12 der Arzt/die Ärztin und im Beispiel Nr. 3 zur Vergütungsgruppe 12 der Gebietsarzt/die Gebietsärztin aufgeführt sind, so wird deutlich, daß beide Arztgruppen, der “einfache” und der Gebietsarzt/Facharzt jeweils ohne sozialmedizinische Weiterbildung die gleiche Vergütung aus der Vergütungsgruppe 12 erhalten. Haben sie die sozialmedizinische Weiterbildung, so erhalten sie Vergütung aus Vergütungsgruppe 13; Beispiel Nr. 3 für den Arzt und Beispiel Nr. 4 für den Gebietsarzt. Die fehlende sozialmedizinische Weiterbildung kann der Gebietsarzt “mit entsprechenden beruflichen Erfahrungen” ausgleichen und erhält dann auch Vergütung nach Vergütungsgruppe 13 (Beispiel Nr. 5), worin eine Besserstellung gegenüber dem “einfachen” Arzt gesehen werden kann, der nach Beispiel Nr. 3 “mit schwierigen Aufgaben” betraut sein muß, um Vergütung aus der Vergütungsgruppe 13 zu erhalten.

c) Dem stehen die Ausführungen von Gitter (Gutachten vom 11. Mai 1992, veröffentlicht in ZTR 1992, 407 ff.) nicht entgegen. Gitter wendet sich gegen die Rechtsprechung des Senats zum Verhältnis von Beispielen zum jeweiligen Oberbegriff/Obersatz und führt aus, es sei ersichtlich, daß die Beispiele ohne den Zusammenhang mit den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen nicht justitiabel seien und zum Teil keinen Sinn machten. Dem kann schon deswegen nicht gefolgt werden, weil die Vergütungsgruppen für Ärzte dreimal, jedenfalls aber zweimal an dasselbe Heraushebungsmerkmal anknüpfen, nämlich “Tätigkeiten, die sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung des Aufgabengebietes” aus der vorherigen Vergütungsgruppe “herausheben”. Gitter geht darauf nicht ein. Er bezieht sich vielmehr ständig auf das Urteil des Senats vom 25. September 1991 (– 4 AZR 87/91 – AP Nr. 7 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel = NZA 1992, 273) und will aus diesem Urteil ableiten, daß sich der Senat seiner Auffassung annähere, daß die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale absolut bindend seien und nicht die Tätigkeitsbeispiele. Dabei ist nicht gesehen, daß in dem dieser Entscheidung des Senats zugrunde liegenden Tarifvertrag, nämlich Lohnrahmenabkommen für den Groß- und Außenhandel Nordrhein-Westfalen vom 14. Mai 1980 in dessen § 2 ausdrücklich bestimmt war, daß die Tätigkeitsbeispiele ergänzend und nur beispielhaft zugeordnet werden und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, eine Durchlässigkeit angestrebt wird und in erster Linie die Oberbegriffe ausschlaggebend sind. Diese Entscheidung darf also nicht auf Tarifverträge übertragen werden, in denen eine solche Regelung fehlt, aber, wie hier, ein Heraushebungsmerkmal durch Beispiele erläutert wird (zutreffend Honnen, ZTR 1993, 62, 64). Daher bleibt es bei der ständigen Rechtsprechung des Senats, daß dann, wenn eines dieser Tätigkeitsbeispiele zutrifft, auch das Merkmal des Oberbegriffs erfüllt ist (vgl. die Nachweise unter Ziff. II 2).

d) Dem kann die Revision nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Auffassung, daß ein Arzt ohne Gebietsbezeichnung, aber mit sozialmedizinischer Weiterbildung in Vergütungsgruppe 13 eingruppiert sei, sei unrichtig, weil sie sich ausschließlich auf die Auslegung des Beispiels Nr. 3 zur Vergütungsgruppe 13 beschränke und weder das Tätigkeitsmerkmal dieser Vergütungsgruppe “mit Tätigkeiten, die sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung des Aufgabengebietes aus der Vergütungsgruppe 12 herausheben”, noch die insoweit grundlegende Vorschrift des § 15 MDK-T beachte. Dabei wird nicht gesehen, daß die Beispiele zu den Vergütungsgruppen, die überwiegend Beschäftigte mit bestimmten vorhandenen oder fehlenden Qualifikationen – subjektive Voraussetzungen – nennen, einschließen, daß diese Ärzte auf ärztlichem Gebiet im MDK tätig sind. Das ist der Bezug zu § 15 MDK-T. Daß die Klägerin weit überwiegend “Einzelfallbetrachtung” betreibt, also auf ärztlichem Gebiet im MDK tätig ist, trägt die Revision selbst vor. Das Heraushebungsmerkmal “Beschäftigte mit Tätigkeiten, die sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung des Aufgabengebietes aus der Vergütungsgruppe 12 herausheben” der Vergütungsgruppe 13 braucht nicht mehr geprüft zu werden. Liegen die Voraussetzungen eines Beispiels vor, sind die allgemeinen Merkmale der Vergütungsgruppe als erfüllt anzusehen, von der genannten Ausnahme des Beispiels Nr. 3 in seiner Alternative Arzt ohne sozialmedizinische Weiterbildung, aber mit schwierigen Tätigkeiten abgesehen.

e) Der von der Revision vorgenommene Vergleich der Vergütungsgruppen des MDK-T mit denen des BAT trägt schon deswegen nicht, weil immer wieder betont wurde, die Tarifvertragsparteien hätten eigenständige Wege beschreiten und gerade die bisher geltende Vergütungsordnung des BAT ablösen wollen, weshalb Anlage 1 zum MDK-T 16 Vergütungsgruppen auf der Basis der für den MDK geltenden Besonderheiten vorsehe (G.… Busse, aaO, VI – 13 ff.). Es mag sein, daß die Klägerin mit dem klassischen Massengeschäft des Beklagten im Rahmen von Routinearbeiten zu tun hat und ihr Aufgabengebiet nicht aus dem der Vergütungsgruppe 12 herausragt. Die Vergütung eines Angestellten richtet sich herkömmlicherweise nach Qualifikation und Tätigkeit. Wenn die Tarifvertragsparteien in einem Beispiel zu einer bestimmten Vergütungsgruppe vorsehen, daß ein Beschäftigter über den zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Abschluß einer Ausbildung hinaus eine Weiterbildung aufweist, auf die der Arbeitgeber ersichtlich Wert legt, dann steht ihm die höhere Vergütung auch dann zu, wenn die Tätigkeit die gleiche bleibt und sich nicht aus der Routinearbeit durch bestimmte Merkmale heraushebt.

f) Auch die übrigen Bedenken der Revision greifen nicht. Ärzte und Gebietsärzte ohne medizinische Weiterbildung werden nach Vergütungsgruppe 12 vergütet. Ärzte und Gebietsärzte mit sozialmedizinischer Weiterbildung werden nach Vergütungsgruppe 13 vergütet. Ärzte ohne sozialmedizinische Weiterbildung, aber mit schwierigen Aufgaben und Gebietsärzte ohne sozialmedizinische Weiterbildung, aber mit entsprechender beruflicher Erfahrung werden nach Vergütungsgruppe 13 vergütet. Damit sollte den Ärzten Rechnung getragen werden, die (noch) keine sozialmedizinische Weiterbildung aufweisen (können), etwa weil sie noch in dieser Weiterbildung befangen sind, aber mit schwierigen Aufgaben betraut sind, und den Gebietsärzten, die die sozialmedizinische Weiterbildung nicht mehr durchlaufen können oder wollen, aber der Sache nach ihnen wegen ihrer beruflichen Erfahrung gleichstehen. Den Vergütungsgruppen 14 – 16 sind als Beispiele überwiegend Funktionsbezeichnungen zugeordnet. Diese Funktionsbezeichnungen zeigen an, daß Beschäftigte mit den genannten Funktionen in die betreffende Vergütungsgruppe eingruppiert sein können und eine Eingruppierung in eine andere Vergütungsgruppe, bei denen diese Funktionsbezeichnungen nicht aufgeführt sind, nicht in Betracht kommt.

5. Wenn die Tarifvertragsparteien beabsichtigt haben sollten, daß eine Vergütung nach Vergütungsgruppe 13 nur dann in Betracht kommt, wenn unabhängig von der sozialmedizinischen Weiterbildung schwierige Aufgaben zu erfüllen sind, dann ist dies jedenfalls im Tarifvertrag selbst nicht hinreichend zum Ausdruck gekommen und auf dem Hintergrund der Betonung des Erwerbs der sozialmedizinischen Weiterbildung nicht einsichtig. Ein Indiz für die Auffassung der Revision ist es auch nicht, daß praktisch sämtliche Ärzte spätestens nach vier Jahren in die Vergütungsgruppe 13 eingruppiert sind, folgt man der vorstehenden Auffassung. Für die Eingruppierung von Tarifangestellten ist die Erfüllung der in der Vergütungsordnung aufgestellten Merkmale maßgebend, in der Regel in der Person des Beschäftigten zu erfüllende Anforderungen und die Tätigkeitsmerkmale abdeckende zu verrichtende Aufgaben. Auf die finanziellen Auswirkungen der tarifgerechten Eingruppierung kommt es nicht an.

Damit hat die Klägerin Anspruch auf Vergütung aus Vergütungsgruppe 13 MDK-T ab 1. Januar 1992.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schaub, Bott, Friedrich, Gotsche, Max

 

Fundstellen

Haufe-Index 870835

BAGE, 122

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