Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherungsbeitrag der Rentner

 

Leitsatz (amtlich)

  • Sieht eine betriebliche Versorgungsordnung vor, daß die “Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung” bei der Ermittlung einer Gesamtversorgungsobergrenze berücksichtigt werden soll, so ist damit im Zweifel der Betrag der Bruttorente gemeint.
  • Bei einer solchen Regelung bleibt ein vom Rentner aufzubringender und von der gesetzlichen Rente einzubehaltender Krankenversicherungsbeitrag ohne Einfluß auf die Höhe der Gesamtversorgung.
 

Normenkette

BetrAVG § 5; BGB §§ 133, 157; BetrVG § 99; RAG 1982 Art. 2 Nr. 11b v. 1.12.1981 – BGBl I S. 1205; RVO § 381 Abs. 2, § 1304e

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 29.05.1991; Aktenzeichen 12 Sa 1/91)

ArbG Mannheim (Urteil vom 16.11.1990; Aktenzeichen 11 Ca 80/90)

 

Tenor

  • Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 29. Mai 1991 – 12 Sa 1/91 – wird zurückgewiesen.
  • Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Krankenversicherungsbeitrag, der dem Kläger von seiner Erwerbsunfähigkeitsrente einbehalten wird, bei der Berechnung seiner Betriebsrente berücksichtigt werden darf.

Der Kläger, geboren am 12. September 1932, war vom 20. März 1957 bis zum 28. Februar 1990 bei der R… GmbH beschäftigt. Das Unternehmen gewährte seinen Mitarbeitern Leistungen der betrieblichen Altersversorgung über eine Unterstützungskasse. Die Unterstützungsrichtlinien vom 1. Januar 1960 sahen eine dienstzeit- und gehaltsabhängige Versorgung vor. Es war eine Gesamtversorgungsobergrenze von 80 % des Grundeinkommens vorgesehen. Die Leistungsrichtlinien aus dem Jahre 1960 wurden am 25. Februar 1983 durch Betriebsvereinbarung dahin geändert, daß ein nach Leistungsgruppen gestaffeltes Ruhegeld gezahlt werden sollte. In einer besonderen Betriebsvereinbarung zur Besitzstandswahrung vom 25. Februar 1983 wurde geregelt, daß die bis zum 31. Dezember 1982 nach der Versorgungsordnung vom 1. Januar 1960 erreichten Versorgungsanwartschaften erhalten bleiben und für die Zeit ab 1. Januar 1983 die neue Versorgungsordnung gelten solle. Unter Nr. 3 der Betriebsvereinbarung wurde die Gesamtversorgungsobergrenze neu festgelegt. Dort heißt es:

“Setzt sich eine betriebliche Altersversorgung aus Ansprüchen aus dieser Betriebsvereinbarung und den Leistungsrichtlinien vom 25. Februar 1983 zusammen, so darf sie gemeinsam mit der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bzw. der nach dem Näherungsverfahren ermittelten Rente, der Unfallversicherungsrente, den Leistungen aus der Zusatzversorgungs-Kasse des Baugewerbes sowie den zukünftigen, sonstigen nicht privaten Versorgungsleistungen insgesamt 100 % des zu ermittelnden Nettoeinkommens (Lohn oder Gehalt) des Versorgungsberechtigten nicht übersteigen.

Dieses Nettoeinkommen ist das im Monat vor dem Eintritt des Versorgungsfalles bezogene laufende monatliche Bruttoeinkommen einschließlich dauernd gezahlter übertariflicher Bezüge, jedoch ausschließlich aller sonstigen Zahlungen vermindert um

  • die Lohnsteuer gemäß Steuerklasse III/0, aber unter Nichtberücksichtigung persönlicher Steuerfreibeträge und sonstiger individueller Steuerkartenmerkmale und der Kirchensteuerabzüge
  • die gesetzlichen Arbeitnehmerbeiträge der Renten- und Arbeitslosenversicherung
  • die gesetzlichen Arbeitnehmerbeiträge zur Krankenversicherung. Als Beitragssatz gilt immer der im Monat vor dem Eintritt des Versorgungsfalles gültige Beitragssatz der Techniker-Krankenkassen.”

Am 20. April 1990 wurde die Unterstützungskasse aufgelöst. Die Beklagte übernahm die bestehenden Versorgungsverpflichtungen.

Durch Bescheid der Landesversicherungsanstalt Baden vom 29. Januar 1990 wurde dem Kläger ab 1. August 1989 eine Erwerbsunfähigkeitsrente bewilligt. Diese Rente wurde wie folgt berechnet:

Laufende Rente ab 1. März 1990

1.792,10 DM

Zuschuß zum Krankenversicherungsbeitrag

115,59 DM

insgesamt

1.907,69 DM

Abzug Krankenversicherungsbeitrag

231,18 DM

Zahlungsbetrag

1.676,51 DM

Bei der Berechnung der Betriebsrente ging die Beklagte von dem Bruttorentenbetrag von 1.792,10 DM aus. Damit wurde der Höchstbetrag der betrieblichen Altersversorgung, das letzte Nettovergleichseinkommen des Klägers, berechnet nach den Leistungsrichtlinien vom 25. Februar 1983, überschritten und die vom Kläger erreichbare Betriebsrente von 691,-- DM auf 492,64 DM, aufgerundet auf 495,-- DM, gekürzt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, in die Berechnung dürfe nur die Nettorente einfließen, d.h. der Zahlbetrag nach Abzug des Krankenversicherungsbeitrags. Dies sei das Ziel der Betriebsvereinbarung vom 25. Februar 1983 gewesen. Dieses Ergebnis entspreche auch dem Willen des Gesetzgebers, der bestimmt habe, daß der Zuschuß zum Krankenversicherungsbeitrag nicht Bestandteil der gesetzlichen Rente sei.

Der Kläger hat einen zusätzlichen Betrag von 113,23 DM monatlich verlangt. Diesen Betrag hat er errechnet, indem er von einer Erwerbsunfähigkeitsrente von 1.676,51 DM als anrechnungsfähiger Sozialversicherungsrente ausgegangen ist.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, über die bisher festgesetzte monatliche Betriebsrente in Höhe von 495,-- DM hinaus weitere 113,23 DM jeweils am Monatsende nebst 4 % Zinsen ab dem 1. des Folgemonats, beginnend mit März 1990, zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, in den Versorgungsrichtlinien vom 25. Februar 1983 sei keine Nettogesamtversorgung vorgesehen worden. Maßgebend seien die anrechenbaren Bruttobezüge der Rentner. Lediglich als Maßstab für die Verhinderung einer Überversorgung sei das pauschalierte Nettoeinkommen eines vergleichbaren aktiven Arbeitnehmers festgelegt worden. Gegenteiliges ergebe sich weder aus der Betriebsvereinbarung zur Besitzstandswahrung vom 25. Februar 1983 noch aus den gesetzlichen Regelungen im Zusammenhang mit der Einführung des Krankenversicherungsbeitrags der Rentner.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Der Kläger kann nicht verlangen, daß seine Erwerbsunfähigkeitsrente bei der Berechnung seiner Betriebsrente nur mit dem Netto-(Zahl-)betrag berücksichtigt wird.

I. Der Kläger wendet sich nicht gegen die Ablösung der Versorgungsrichtlinien vom 1. Januar 1960 durch die Betriebsvereinbarung vom 25. Februar 1983. Aufgrund des Vortrags der Parteien sieht auch der Senat keinen Anlaß, die Verschlechterung der ursprünglichen Versorgungsordnung unter den Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes zu beanstanden (vgl. hierzu BAG Urteil vom 11. September 1990 – 3 AZR 380/89 – AP Nr. 8 zu § 1 BetrAVG Besitzstand, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen und Urteil vom 23. Oktober 1990 – 3 AZR 260/89 – AP Nr. 13 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

II. Die Beklagte ist berechtigt, bei der Berechnung der Betriebsrente des Klägers dessen Erwerbsunfähigkeitsrente vor Abzug des Krankenversicherungsbeitrages zugrunde zu legen.

1. Rechtsgrundlage für die Anrechnung anderer Versorgungsbezüge bei der Ermittlung der Obergrenze der Gesamtversorgung ist die Betriebsvereinbarung zur Besitzstandswahrung vom 25. Februar 1983. Danach darf die Betriebsrente “mit der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung” das letzte Nettoeinkommen nicht übersteigen. Mit der “gesetzlichen Rente” wird die Bruttorente bezeichnet. Da auch Versorgungsbezüge gesetzlichen Abgaben unterliegen und zwar in unterschiedlicher Höhe, kann der einschränkungslose Hinweis auf andere Versorgungsbezüge in der Regel nur bedeuten, daß der Bruttobezug gemeint ist. Soll nur die Nettoversorgung – individuell oder pauschal berechnet – maßgebend sein, muß das mindestens sinngemäß Zum Ausdruck kommen. Erst recht gilt dies, wenn nur bestimmte, einzelne Positionen von der Anrechnung ausgenommen sein sollen, etwa, wie vom Kläger beansprucht, sein eigener Krankenversicherungsbeitrag.

Daß die Betriebsvereinbarung vom 25. Februar 1983 die Anrechnung der Bruttorente vorsieht, wird besonders daran deutlich, daß zwischen dem Nettovergleichseinkommen der aktiven Arbeitnehmer und den vollen Bezügen der Versorgungsempfänger unterschieden wird. Die Betriebsvereinbarung vergleicht bei der Obergrenzenermittlung die Nettoeinkünfte der Aktiven und die Bruttoeinkünfte der Rentner. Hätten die Betriebspartner, wie der Kläger meint, eine Nettogesamtversorgung einführen wollen, so hätten sie für die Versorgungsbezüge ebenso wie für die Aktivenbezüge eine Regelung treffen müssen. Sie hätten bestimmen müssen, welche Abzüge, pauschal oder individuell ermittelt, bei der Feststellung der Vergleichseinkünfte zu berücksichtigen sein sollten. Eine solche Regelung haben sie aber nicht getroffen.

2. Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, den Krankenversicherungsbeitrag der Rentner bei der Berechnung der Betriebsrente außer Betracht zu lassen (BAG Urteil vom 22. September 1969 – 3 AZR 113/69 – AP Nr. 140 zu § 242 BGB Ruhegehalt; BAG Urteil vom 23. Februar 1988 – 3 AZR 100/86 – AP Nr. 26 zu § 5 BetrAVG, zu II 1 der Gründe; BAG Urteil vom 14. Februar 1989 – 3 AZR 313/87 – BAGE 61, 102, 105 f. = AP Nr. 23 zu § 16 BetrAVG, zu II 3b der Gründe; vgl. ferner LAG Hamm, Urteil vom 16. Juli 1985 – 6 Sa 907/85 – BB 1985, 2327).

Die Krankenversicherungspflicht der Rentner gibt es in verschiedenen Ausformungen bereits seit rund fünfzig Jahren. Lediglich die Art und Weise der Beitragsleistungen wechselte. Daß der krankenversicherte Rentner die Beiträge selbst trägt – mit der Folge des 50 %igen Zuschusses durch den Rentenversicherungsträger (§ 1304e RVO, § 381 Abs. 2 RVO, Art. 2 Nr. 11b RAG 1982 vom 1. Dezember 1981 – BGBl I S. 1205) – ist mit Wirkung vom 1. Januar 1983 Gesetz geworden. Die Betriebspartner kannten daher diese Vorschrift beim Abschluß der Betriebsvereinbarung. Das Argument des Klägers, die erst später eingeführten Krankenversicherungsbeiträge der Renter müßten außer Betracht bleiben, trifft nicht zu.

 

Unterschriften

Dr. Heither, Griebeling, Dr. Wittek, Dr. Hoppe, Paul

 

Fundstellen

BAGE, 36

NZA 1992, 935

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge