Entscheidungsstichwort (Thema)

Überbrückungsbeihilfe. Lohnsteuerklassenwechsel. Tarifvertragsauslegung. Fortführung von Senat 9. September 2003 – 9 AZR 605/02 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Deutsche Bahn Nr. 18

 

Orientierungssatz

  • Nach § 7 Abs. 1a) VorruheTV hat der ausgeschiedene Arbeitnehmer Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Überbrückungsbeihilfe in Höhe der Differenz zwischen dem Arbeitslosengeld und 85 % seines Nettomonatsentgelts des letzten vollen Kalendermonats vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Gemäß § 7 Abs. 1a) VorruheTV sind für die Berechnung des Nettomonatsentgelts die Steuermerkmale des letzten vollen Kalendermonats vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Bemessungsmonat) maßgebend. Deshalb ist der Arbeitgeber tarifvertraglich nicht verpflichtet, wegen eines nach Ablauf des Bemessungsmonats erfolgten Lohnsteuerklassenwechsels Mehrleistungen zu erbringen.
  • Die Pfändungsfreigrenzen gemäß § 394 BGB, § 850c ZPO finden bei der Bemessung des Nettobetrages der Überbrückungsbeihilfe keine Anwendung. Wenn der Arbeitgeber nach einem Steuerklassenwechsel die Lohnsteuern auf der Grundlage der auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Steuerklasse nach § 38 Abs. 3 EStG einbehält und abführt, ohne den Arbeitnehmer von der Mehrbelastung freizustellen, fehlt es sowohl an einer Aufrechnungslage als auch an einer Aufrechnungserklärung im Sinne von §§ 387, 388 BGB.
 

Normenkette

BGB §§ 242, 126, 388, 394; ZPO § 850 Abs. 2, § 850c; Tarifvertrag zur Förderung von Altersteilzeitarbeit und Vorruhestand für die Arbeitnehmer der DB AG i.d.F. vom 1. September 1996 (VorruheTV) § 7 Abs. 1a), § 8

 

Verfahrensgang

Sächsisches LAG (Urteil vom 22.10.2002; Aktenzeichen 7 Sa 812/01)

ArbG Leipzig (Urteil vom 01.08.2001; Aktenzeichen 11 Ca 4003/01)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 22. Oktober 2002 – 7 Sa 812/01 – aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 1. August 2001 – 11 Ca 4003/01 – unter Zurückweisung der Anschlussberufung des Klägers abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe einer Überbrückungsbeihilfe.

Der 1942 geborene, verheiratete Kläger war bei der Deutsche Bahn AG (DB AG) als Elektriker beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete auf Grund eines Aufhebungsvertrages vom 8. Dezember 1997 zum 31. März 1998. Die Beklagte ist auf Grund einer Gesamtrechtsnachfolge in dieses Rechtsverhältnis eingetreten.

Im Aufhebungsvertrag ist ua. vereinbart:

“1.

Die Vertragsparteien vereinbaren gemäß des Vorruhestandstarifvertrages der DB AG (VorruheTV) in der Fassung vom 01.09.1996 und den ihn ergänzenden oder ändernden Änderungstarifverträgen einvernehmlich aus betriebsbedingten Gründen die Aufhebung des bestehenden Arbeitsvertrages, zuletzt geändert zum 01.07.1991, mit Ablauf des 31.03.1998.

3.

Herr K.… wird eine Überbrückungsbeihilfe gemäß des Vorruhestandstarifvertrages für Arbeitnehmer der DB AG in der Fassung vom 01.09.1996 gewährt.

Als Überbrückungsbeihilfe wird vom ersten Tag nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses längstens bis zum Zeitpunkt des frühestmöglichen Bezugs einer gesetzlichen Rente wegen Alters bzw. der Bewilligung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente) die Differenz zwischen dem Arbeitslosengeld, der Arbeitslosenhilfe bzw. anderen aufgrund gesetzlicher Bestimmungen gezahlter Entgeltersatzleistungen und 85 v.H. des Nettomonatsentgelts gem. § 7 Abs. 1 Buchst. a) VorruheTV gezahlt.”

Nach § 7 Abs. 1a) des Tarifvertrages zur Förderung von Altersteilzeitarbeit und Vorruhestand für die Arbeitnehmer der DB AG idF vom 1. September 1996 (VorruheTV) beträgt die Überbrückungsbeihilfe die Differenz zwischen den dort genannten Lohnersatzleistungen und

“85  des Nettomonatsentgelts (ohne Mehrarbeit) einschließlich der leistungsabhängigen variablen Entgeltbestandteile des letzten vollen Kalendermonats vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder bei einer vorgestellten Altersteilzeitarbeit des auf 100 v.H. im Sinne der Ausführungsbestimmung zu § 5 Abs. 1 erhöhten Bruttomonatsentgelts des letzten vollen Kalendermonats vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses …”

In § 8 des VorruheTV heißt es weiter:

“…

(3) Bei allgemeinen Erhöhungen des Monatstabellenentgelts sowie bei Angleichungen der Entgelte Ost an West werden die Bestandteile der Überbrückungsbeihilfe (MTV, PZÜ und PZÜ-K) entsprechend angepaßt.

Ausführungsbestimmung

Die Berechnung der Überbrückungsbeihilfe (Anpassung) erfolgt nach den im Bemessungsmonat vorliegenden persönlichen und gesetzlichen Verhältnissen (z.B. Teilzeitarbeit, Entgeltgruppe/stufe, Steuerklasse, Beitragssätze zur Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung).”

Bei der Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages wurde dem Kläger ein Merkblatt übergeben. Dort heißt es ua.:

“6. Die Zahlung der Überbrückungsbeihilfe erfolgt gegenüber dem Finanzamt nicht steuerfrei, allerdings wird hiermit der ausgeschiedene Arbeitnehmer nicht belastet. Er erhält in jedem Fall die zum Zeitpunkt des Ausscheidens ermittelten 85 % des Nettomonatsentgeltes bis zum frühestmöglichen Zeitpunkt des Anspruchs auf eine Rente. Die Zahlung der anfallenden Steuer wird von der DB AG übernommen.”

Einen wortgleichen Inhalt enthält auch ein anderes von der DB AG in den Folgejahren verwandtes Merkblatt.

Im Mai 1998 wies die DB AG die Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands (GdED) darauf hin, dass Arbeitnehmer unmittelbar vor dem letzten vollen Kalendermonat vor dem Beginn des Vorruhestands als auch ausgeschiedene Arbeitnehmer im Vorruhestand ihre Steuerklasse ohne sachlichen Grund zu ihrem Nachteil wechselten und über die Einkommenssteuererklärung finanzielle Vorteile erzielten. Derartige Manipulationen sollten durch einen Anwenderhinweis ausgeschlossen werden. Sie leitete der GdED einen entsprechenden Entwurf zu. Im Juni 1998 teilte die GdED hierzu mit:

“… dem von Ihnen uns zugesandten Anwenderhinweis stimmen wir unter der Maßgabe der Streichung im 2. Absatz “zu Ungunsten der DB AG” sowie der mit Ihnen bereits mündlich geforderten Übernahme der Steuernachteile des Arbeitnehmers aufgrund des Progressionsvorbehaltes für das ausgezahlte Arbeitslosengeld zu.”

Im Konzernbereich der DB AG wurde daraufhin folgender Anwenderhinweis erlassen:

“Änderung der Steuerklasse und/oder Freibeträge auf der Lohnsteuerkarte

Eine Änderung der Steuerklasse und/oder Freibeträge durch den Arbeitnehmer im Zeitraum von 12 Monaten vor dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis wird bei der Berechnung der Überbrückungsbeihilfe nicht berücksichtigt, es sei denn, der Arbeitnehmer weist ein berechtigtes Interesse an der von ihm gewählten Steuerklassenwahl und/oder Freibeträge nach. Wechselt der Arbeitnehmer nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis seine Steuerklasse, wird die Höhe der Überbrückungsbeihilfe neu berechnet und so festgesetzt, daß die Belastung der DB AG unter Einbeziehung des Lohnsteuerabzugs unverändert bleibt.”

Der Kläger und dessen ebenfalls bei der DB AG beschäftigten Ehefrau waren bis einschließlich Mai 1998 in den Steuerklassen III (Kläger) und V (Ehefrau). Die Ehefrau schied zum 31. März 1999 auf Grund eines Aufhebungsvertrags mit der Zusage einer Überbrückungsbeihilfe nach Maßgabe des VorruheTV aus dem Arbeitsverhältnis aus. Mit Wirkung zum 1. Juni 1998 wechselten die Ehegatten in die Steuerklassenkombination V (Kläger) und III (Ehefrau). Das Nettoeinkommen des Klägers betrug im letzten Monat vor seinem Ausscheiden nach der Steuerklasse III 3.140,46 DM netto. Nach Ablauf der verhängten Sperrzeit erhielt er ab dem 10. Februar 1999 Leistungen vom Arbeitsamt. Nach dem Steuerklassenwechsel führte die Beklagte zunächst keine erhöhten Steuern ab. Als dies bemerkt wurde, erfüllte sie entsprechende Steuernachforderungen. Nach Vorankündigung mit Schreiben vom 13. September 1999 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ab Oktober 1999 erfolge eine Neuberechnung der Überbrückungsbeihilfe. Dementsprechend führte die Beklagte nunmehr die Steuern auf der Basis der Lohnsteuerklasse V und verminderte wegen der durch den Steuerklassenwechsel entstehenden Mehraufwendungen den Auszahlungsbetrag der Überbrückungsbeihilfe.

Nachdem der Kläger im Vorprozess erfolgreich eine höhere Überbrückungsbeihilfe für die Zeit bis April 2000 einschließlich durchgesetzt hatte, macht er in dem mit der Revision angefallenen Verfahren eine höhere Überbrückungsbeihilfe für die Monate Mai 2000 bis einschließlich Juni 2001 geltend.

Er hat vorgetragen, die Höhe der Überbrückungsbeihilfe sei auf der Grundlage der Steuerklasse III zu berechnen. Sein Steuerklassenwechsel sei nicht rechtsmißbräuchlich gewesen. Er habe mit Recht annehmen dürfen, dass es mit dem Steuerklassenwechsel seine gute Ordnung habe. In einer Betriebsversammlung im Oktober oder November 1997 hätten er und andere Kollegen die damalige Personalchefin des Anlagen- und Hausservices in Leipzig, Frau R… gefragt, ob ein Steuerklassenwechsel möglich sei und ob er Auswirkungen auf die Höhe der Leistung habe. Diese habe geantwortet, dass ein Steuerklassenwechsel keine Rolle spiele, weil die Beklagte in jedem Fall die Steuer tragen würde. Im Übrigen habe die Beklagte bei dem monatlichen Abzug der höheren Lohnsteuern den Pfändungsschutz aus § 394 BGB, § 850 Abs. 2, § 850c ZPO nicht berücksichtigt. Er gewähre seiner Frau kraft Gesetzes Unterhalt.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere Überbrückungsbeihilfe für

– 

Mai 2000

in Höhe

von

824,56 DM netto,

– 

Juni 2000

in Höhe

von

824,56 DM netto,

– 

Juli 2000

in Höhe

von

824,56 DM netto,

– 

August 2000

in Höhe

von

824,56 DM netto,

– 

September 2000

in Höhe

von

873,71 DM netto,

– 

Oktober 2000

in Höhe

von

790,62 DM netto,

– 

November 2000

in Höhe

von

790,62 DM netto,

– 

Dezember 2000

in Höhe

von

1.580,46 DM netto,

– 

Januar 2001

in Höhe

von

1.580,46 DM netto,

– 

Februar 2001

in Höhe

von

1.483,22 DM netto,

– 

März 2001

in Höhe

von

1.483,22 DM netto,

– 

April 2001

in Höhe

von

1.483,22 DM netto,

– 

Mai 2001

in Höhe

von

1.483,22 DM netto, sowie

– 

Juni 2001

in Höhe

von

1.483,22 DM netto,

nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit dem 17. Juli 2001 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, der Lohnsteuerklassenwechsel des Klägers sei rechtsmissbräuchlich. Außerdem sei sie nach § 7 Abs. 1a) VorruheTV berechtigt, den Auszahlbetrag der Überbrückungsbeihilfe um die steuerlichen Mehraufwendungen zu mindern, die durch den unzulässigen Steuerklassenwechsel bedingt seien.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen und das Urteil des Arbeitsgerichts nur im Hinblick auf den Zinsanspruch abgeändert. Die Beklagte wendet sich mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision gegen ihre Verurteilung.

 

Entscheidungsgründe

  • Die Revision ist begründet.

    Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer höheren Überbrückungsbeihilfe. Die Beklagte hat zu Recht die Höhe der Überbrückungsbeihilfe auf der Grundlage der Lohnsteuerklasse III berechnet. Für die sich aus der Anwendung der Lohnsteuerklasse V ergebende höhere Bemessung der Überbrückungsbeihilfe gibt es keine Rechtsgrundlage.

    I. Die Überbrückungsbeihilfe ist nach Nr. 3 des Aufhebungsvertrages iVm. § 7 Abs. 1a), § 8 Abs. 3 VorruheTV auf der Grundlage der Lohnsteuerklasse III zu bemessen.

    1. Gemäß § 7 Abs. 1a) VorruheTV sind für die Berechnung des Nettomonatsentgelts die Verhältnisse und damit auch die Steuermerkmale des letzten vollen Kalendermonats vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses maßgebend (Senat 9. September 2003 – 9 AZR 605/02 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Deutsche Bahn Nr. 18). Letzter voller Beschäftigungsmonat des Klägers vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses war der Februar 1998. Der Kläger ist erst danach zum 1. Juni 1998 von der Steuerklasse III in die Steuerklasse V gewechselt.

    2. Entgegen der Auffassung des Klägers haben die Tarifvertragsparteien in § 7 Abs. 1a) VorruheTV keine “Nettolohnabrede” in der Weise vereinbart, dass die Beihilfe den sich ändernden jeweiligen Verhältnissen stets anzupassen wäre. Gemäß § 8 Abs. 3 VorruheTV wird nur das Bruttomonatsentgelt bei allgemeinen Erhöhungen des Monatstabellenentgelts angepasst. Die Berechnungsgrundlagen bleiben dagegen statisch. Spätere Veränderungen sollen nach der zum Tarifvertrag gehörenden Ausführungsbestimmung ausdrücklich unbeachtlich sein. Damit wollten die Tarifvertragsparteien erkennbar den Lebensstandard des Arbeitnehmers, wie er zum Zeitpunkt seines Ausscheidens bestanden hat, sichern. Andererseits sollten die Kosten des Vorruhestandes für die Beklagte kalkulierbar sein. Dazu war es notwendig, spätere von der Beklagten nicht beeinflussbare Änderungen in den persönlichen Verhältnissen des Arbeitnehmers von der Bemessung der Überbrückungsbeihilfe auszunehmen. Dazu gehört kraft ausdrücklicher Regelung auch die im Bemessungsmonat anzuwendende Lohnsteuerklasse.

    Das hat das Landesarbeitsgericht übersehen. Es hat zu Unrecht die tarifliche Regelung für lückenhaft gehalten, indem es eine Befugnis zur “Kürzung” der Überbrückungsbeihilfe vermisst. Es hat dabei verkannt, dass es nicht um eine Kürzung, sondern um die richtige Bemessung der Überbrückungsbeihilfe und die dem Arbeitgeber nach § 38 Abs. 1 EStG durch Abzug vom Arbeitslohn vorgeschriebene Erhebung der Lohnsteuer geht. Der nach der tariflichen Bemessungsvorschrift fiktiv nach der Lohnsteuerklasse des letzten Beschäftigungsmonats zu berechnende Bruttobetrag der Überbrückungsbeilhilfe ist lohnsteuerpflichtig. Grundsätzlich ist der Arbeitnehmer nach § 38 Abs. 2 Satz 1 EStG Schuldner der Lohnsteuer, jedoch besteht für den Arbeitgeber nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG die Pflicht zum Einbehalt vom Arbeitsentgelt. Die tariflichen Regelungen verpflichten die Beklagte allerdings, den Arbeitnehmer von der Lohnsteuerschuld freizustellen. Diese Verpflichtung bezieht sich jedoch nur auf die Lohnsteuern, die bei Zugrundelegung der tariflich für die Bemessung der Übergangsbeihilfe maßgeblichen Lohnsteuerklasse anfallen. Die infolge des Wechsels der Lohnsteuerklasse von III zu V entstehenden Mehrbelastungen hat die Beklagte nicht zu tragen.

    II. An dieser Rechtslage ändert auch nichts der im Konzern der DB veröffentlichte Anwenderhinweis zu § 7 Abs. 1a) VorruheTV. Nach dem Anwenderhinweis soll die Höhe der Überbrückungsbeihilfe bei einem Wechsel der Steuerklasse so neu festgesetzt werden, dass die Belastung der DB AG unter Einbeziehung des Lohnsteuerabzugs unverändert bleibt. Dem ist die Beklagte bei ihren Abrechnungen nachgekommen.

    Im Übrigen ist der Anwenderhinweis formunwirksam. Er entfaltet schon deshalb keine normative Wirkung. Tarifverträge bedürfen zu ihrer Wirksamkeit nach § 1 Abs. 2 TVG der Schriftform. Sie sind deshalb nach § 126 Abs. 2 BGB von den Tarifvertragsparteien auf derselben Vertragsurkunde zu unterzeichnen (vgl. BAG 23. Oktober 1996 – 4 AZR 262/95 – AP BAT-O § 3 Nr. 1 = EzA TVG § 1 Form Nr. 2). Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat dagegen mit der GdED lediglich korrespondiert; die Tarifvertragsparteien haben keine gemeinsame Vertragsurkunde erstellt (Senat 9. September 2003 – 9 AZR 605/02 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Deutsche Bahn Nr. 18).

    III. Die Beklagte hat sich auch nicht in Form einer Gesamtzusage verpflichtet, die Höhe des Überbrückungsgeldes jedem Steuerklassenwechsel anzupassen. Eine Gesamtzusage ist die an alle Arbeitnehmer in allgemeiner Form gerichtete Erklärung, zusätzliche Leistungen zu erbringen (BAG 10. Dezember 2002 – 3 AZR 671/01 – AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 252). Die Behauptung des Klägers, die Personalleiterin R… habe erklärt, dass ein Wechsel der Steuerklasse jederzeit ohne finanzielle Nachteile für die ausgestiegenen Arbeitnehmer möglich sei, erfüllt nicht die Voraussetzung einer rechtsverpflichtenden Gesamtzusage. Der Kläger hat keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergeben könnte, dass die Personalleiterin mit dieser Erklärung zusätzliche tariflich nicht bestehende Verpflichtungen hat begründen wollen. Ebenso kann die Erklärung lediglich erläuternden Charakter haben. Es spricht schon gegen die Lebenserfahrung, dass eine Personalleiterin auf einer Betriebsversammlung vom geltenden Tarifrecht abweichende und dem Arbeitgeber darüber hinaus verpflichtende Erklärungen abgibt. Dies gilt hier umso mehr, als eine solche Zusage dann für den gesamten DB Konzern gelten müsste.

    IV. Ebenso wenig kann der Kläger aus den Merkblättern der Beklagten einen über den Tarifvertrag hinausgehenden Anspruch herleiten. Merkblätter haben nur die Aufgabe, die Arbeitnehmer über die bestehende Rechtslage aufzuklären, nicht aber die Rechtslage zu verändern.

    V. Die weiteren gegen die tarifgemäße Bemessung der Überbrückungsbeihilfe vorgebrachten Bedenken greifen nicht durch. Soweit sich der Kläger auf Vertrauensschutz beruft, fehlt es bereits an einem Tatbestand der die Annahme rechtfertigen könnte, er werde von der Beklagten nach Zugang des Schreibens vom 13. September 1999 besser behandelt als im Tarifvertrag vorgesehen.

    VI. Auf die Einhaltung der Pfändungsfreigrenzen nach § 394 BGB, § 850c ZPO kann sich der Kläger ebenfalls nicht berufen. Sie sind nicht anwendbar. Denn es fehlt sowohl an einer Aufrechnungslage als auch an einer Aufrechnungserklärung, §§ 387, 388 BGB. Die Beklagte hat nicht mit Gegenansprüchen aufgerechnet, sondern eine tarifgerechte Abrechnung unter Zugrundelegung der tarifvertraglich maßgebenden Steuerklasse III vorgenommen, indem sie zutreffend die Überbrückungsbeihilfe fiktiv nach den steuerlichen Verhältnissen im Bemessungsmonat berechnet hat. Die Beklagte war nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG berechtigt und verpflichtet, von dem unter Berücksichtigung der teilweisen Steuerschuldübernahme ermittelten Bruttobetrag der Überbrückungsbeihilfe die gesetzlich nach der Lohnsteuerklasse V anfallenden Lohnsteuern einzubehalten. Diese Einbehaltungen werden von dem Kläger zu Unrecht als “Lohnkürzungen” angesehen.

    VII. Unerheblich ist auch der Einwand des Klägers, der Beklagten fließe durch den Steuerklassenwechsel der Ehefrau von der Steuerklasse V in die Steuerklasse III im Gegenzug ein Vorteil zu. Dieser etwaige Vorteil hat für die tarifgerechte Berechnung des Überbrückungsgeldanspruchs des Klägers keine Bedeutung.

  • Der Kläger hat gemäß § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
 

Unterschriften

Düwell, Reinecke, Krasshöfer, Ott, Benrath

 

Fundstellen

NWB 2004, 2853

NZA 2004, 1408

ZTR 2004, 591

AP, 0

NJOZ 2004, 4545

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