Entscheidungsstichwort (Thema)

Mutterschutz. Arbeitsausfall. Ausgleich durch Aushilfen

 

Leitsatz (amtlich)

  • Die Arbeitszeit der Musiker in Kulturorchestern wird durch die Zahl der zu leistenden Dienste bestimmt. Gemäß § 15 Abs. 2 des Tarifvertrages für Musiker in Kulturorchestern richtet sich die Zahl der Dienste nach der Größe und den Aufgaben des Kulturorchesters.
  • Zur regelmäßigen Arbeitszeit der Musiker in einem großen Kulturorchester zählen auch die Dienste, die sie infolge mutterschutzbedingten Ausfalls von Musikerinnen zu leisten haben.
  • Angestellte Orchestermusiker können die Leistung solcher Dienste nicht mit der Begründung ablehnen, sie seien hierdurch selbst in ihren Rechten verletzt, weil sie damit zur Diskriminierung der Frauen beitrügen, die ihre Mutterschutzrechte in Anspruch nähmen.
 

Normenkette

Tarifvertrag für Musiker in Kulturorchestern vom 1. Juli 1971 i.d.F. vom 15. Dezember 1992 § 15; BGB §§ 242, 249, 611a Abs. 1, § 823 Abs. 1, §§ 12, 862, 1004; EWGRL 207/76; MuSchG § 3 Abs. 2, § 6 Abs. 1, § 8 Abs. 1; MuSchG Abs. 3 Nr. 3

 

Verfahrensgang

LAG München (Urteil vom 11.02.1994; Aktenzeichen 10 (8) Sa 715/92)

ArbG München (Urteil vom 02.06.1992; Aktenzeichen 21 Ca 14682/91)

 

Tenor

  • Die Revision der Klägerinnen und Kläger gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 11. Februar 1994 – 10 (8) Sa 715/92 – wird zurückgewiesen.
  • Die Klägerinnen und Kläger haben die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Klägerinnen und Kläger sind Orchestermusiker im Bayerischen Staatsorchester. Sie wollen festgestellt wissen, daß mutterschutzbedingt ausgefallene Dienste weder auf sie (Hauptantrag) noch auf die Angehörigen der Gruppe insgesamt verteilt werden dürfen, sondern insoweit Aushilfen heranzuziehen seien (zweiter Hilfsantrag). Auf die Arbeitsverhältnisse der Parteien findet kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit der Tarifvertrag für Musiker in Kulturorchestern (TVK) Anwendung. § 15 regelt den zeitlichen Umfang der Arbeitspflicht durch die Leistung von Diensten. Dienst ist die Mitwirkung des Musikers in Aufführungen und Proben (§ 15 Abs. 1 TVK).

Das Bayerische Staatsorchester zählt zu den großen Kulturorchestern. Der Gruppe der zweiten Geigen gehören 19 Musiker an, u.a. auch die Klägerinnen und Kläger. In dieser Gruppe fielen die Dienste des Geigers K… aufgrund seines Zivildienstes ab Januar 1989 aus und die des Geigers R… aufgrund seines einjährigen unbezahlten Urlaubs ab September 1990. Für deren Dienste wurden Orchesteraushilfen herangezogen.

Anläßlich der Geburt ihres vierten Kindes konnte die Klägerin zu 1) durch die gesetzlichen Schutzfristen in 14 Wochen ab 23. Februar 1991 insgesamt 92 Dienste nicht leisten. Für 45 dieser Dienste setzte der Beklagte Orchesteraushilfen ein, die restlichen 47 Dienste wurden auf die übrigen Angehörigen der zweiten Geigen verteilt. Ab 3. Mai 1993 hatte die Klägerin anläßlich der Geburt ihres fünften Kindes wiederum vor- und nachgeburtlichen Mutterschutz von insgesamt 14 Wochen. Für die hierdurch bedingten Ausfälle wurden keine Orchesteraushilfen eingesetzt, vielmehr wurden diese Dienste auf die übrigen Angehörigen der zweiten Geigen verteilt. Ebenso wurde verfahren, als die Klägerin zu 1) mutterschutzbedingt keine Dienste nach 20.00 Uhr leistete.

Die Klägerinnen und Kläger machen geltend: Zwar sei durch die Verteilung mutterschutzbedingt ausgefallener Dienste auf die übrigen Mitglieder der zweiten Geigen die tarifliche Höchstarbeitszeit nach § 15 TVK nicht überschritten worden. Gleichwohl seien sie nicht verpflichtet, aus diesem Grund ausfallende Dienste ersatzweise zu leisten. Der Beklagte ziehe zwar Aushilfen für Dienstausfälle infolge des Wehr- oder Ersatzdienstes heran, seit kurzem aber nicht mehr bei Dienstausfällen infolge des gesetzlichen Mutterschutzes. Damit sei er von einer jahrelangen Übung abgewichen. Zudem verstoße er gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, handele geschlechtsdiskriminierend und verletze das Persönlichkeitsrecht der schwangeren Frauen. Dies wiederum schlage auf die Orchestermitglieder zurück, die ersatzweise für schwangere Frauen Dienste leisten mußten. Aus diesem Grund seien die Mitglieder der zweiten Geigen nicht verpflichtet, ersatzweise die Dienste zu leisten, die Frauen wegen ihrer Schwangerschaft nicht leisteten. Vielmehr müsse der Beklagte insoweit Aushilfen einstellen.

  • Die Klägerinnen und Kläger haben beantragt:
  • Das beklagte Land wird verurteilt, es zu unterlassen, die Kläger zu 1) bis 5) anstelle einer schwangeren Kollegin der Gruppe der 2. Geigen des Bayerischen Staatsorchesters zum Orchesterdienst einzuteilen.

    Hilfsweise:

  • Es wird festgestellt, daß die Kläger zu 1) bis 5) nicht verpflichtet sind, anstelle einer schwangeren Kollegin der Gruppe der 2. Geigen des Bayerischen Staatsorchesters deren Dienst zusätzlich zu übernehmen.

    Höchst hilfsweise:

  • Es wird festgestellt, daß das beklagte Land verpflichtet ist, bei Dienstausfall eines schwangeren Mitglieds der 2. Geigengruppe im Bayerischen Staatsorchester sowie in der Mutterschutzfrist nach der Geburt und dem Erziehungsurlaub den ausfallenden Dienst nicht auf die übrigen Mitglieder der Gruppe als zusätzlichen Dienst zu verteilen, sondern Aushilfen zu bestellen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat erwidert, die Klägerinnen und Kläger seien verpflichtet, im Rahmen der tariflichen Grenzen alle geschuldeten Dienste zu leisten. Dazu gehörten ausgefallene Dienste auch dann, wenn sie aufgrund gesetzlichen Mutterschutzes nicht geleistet würden.

Eine andere jahrelange Übung gebe es nicht. Solange die tarifliche Arbeitszeitgrenze nicht überschritten werde, beschäftige er Aushilfen nur, soweit dies – vor allem aus künstlerischen Gründen – erforderlich sei. Auch in Zukunft werde er bei mutterschutzbedingten Dienstausfällen von Fall zu Fall entscheiden, inwieweit er Aushilfen beschäftige oder den Dienst auf andere Orchestermitglieder verteile. Allerdings sei aus Kostengründen damit zu rechnen, daß vermehrt der Rahmen des arbeits- und tarifvertraglich Zulässigen ausgeschöpft werden müsse. Der vorliegende Streit beruhe darauf, daß die Arbeitnehmerseite mit ihrem Wunsch nach einer entsprechenden Regelung im Tarifvertrag nicht durchgedrungen sei.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. In der Revision stellen die Klägerinnen und Kläger nur noch den Hauptantrag sowie den zweiten Hilfsantrag, wobei darin die Worte “und dem Erziehungsurlaub” entfallen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.

A. Der Hauptantrag ist zulässig, aber nicht begründet.

I. Mit ihm begehren die Klägerinnen und Kläger vom Beklagten, es zu unterlassen, sie zu Diensten heranzuziehen, durch die mutterschutzbedingte Ausfälle bei den zweiten Geigen ausgeglichen werden. Mit diesem Inhalt ist der Unterlassungsantrag zulässig.

II. Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Für ihn gibt es keine Rechtsgrundlage.

1. Eine ausdrückliche Regelung, nach der der Beklagte zu dem mit dem Hauptantrag verfolgten Begehren der Klägerinnen und Kläger verpflichtet wäre, ist weder im Tarifvertrag für Kulturorchester (TVK) enthalten noch ist behauptet worden, in den Arbeitsverträgen sei dies so vereinbart.

2. Die Inanspruchnahme für Dienste aus dem genannten Anlaß ist auch nicht aus anderen Gründen ausgeschlossen.

a) Die tarifvertragliche Höchstgrenze der Arbeitszeit (§ 15 Abs. 2 Sätze 2 bis 6, Abs. 3 TVK) wird nicht überschritten.

b) Auch die die tarifliche Höchstgrenze nicht überschreitende regelmäßige Arbeitszeit (§ 15 Abs. 2 TVK) der Klägerinnen und Kläger wird durch die umstrittenen Ersatzdienste nicht unzulässig erweitert.

(1) Der zeitliche Umfang der zu leistenden Arbeit, also die Anzahl der Dienste, ist nicht mit den tarifvertraglichen Höchstgrenzen (§ 15 Abs. 2, Sätze 2 bis 6, Abs. 3 TVK) identisch, sondern richtet sich innerhalb dieser Grenzen nach der Größe und Aufgabe des Kulturorchesters (§ 15 Abs. 2 Satz 1 TVK). Diese Vorschrift enthält die Grundregel; die Anzahl der Dienste ist nach ihr individuell zu bestimmen (BAG Urteil vom 27. Mai 1993 – 6 AZR 359/92 – AP Nr. 22 zu § 611 BGB Musiker). Die jeweilige Heranziehung zu Diensten richtet sich nach den fachlichen Erfordernissen, der Eigenart der aufzuführenden Werke, dem Besetzungsplan und dem Spielplan (BAG Urteil vom 18. April 1984 – 4 AZR 121/82 – AP Nr. 7 zu § 611 BGB Musiker).

(2) Ausgehend von der Grundregel des § 15 Abs. 2 Satz 1 TVK sind die Musiker eines Kulturorchesters, jedenfalls eines solchen von der Größe und Bedeutung des Bayerischen Staatsorchesters, auch verpflichtet, andere Musiker zu ersetzen, die an der Wahrnehmung der Dienste gehindert sind, für die sie schon eingeteilt waren oder für die sie, stünden sie zur Verfügung, einzuteilen gewesen wären. Für die Pflicht der Musiker, ausfallende Dienste zu übernehmen, kommt es nicht auf den Anlaß der Verhinderung an, sondern auf den Umfang der “Ersatzdienste” und – eventuell – auf die konkrete zusätzliche Belastung mit schwierigen Aufgaben.

(3) Treten Ausfälle ein, die voraussehbar längere Zeit andauern, wie z.B. in den genannten Fällen des Zivildienstes oder des einjährigen Sonderurlaubs, so wird sich auch in einem großen Kulturorchester der Ersatz regelmäßig nicht mehr durch die zusätzliche Einteilung anderer Orchestermitglieder organisieren lassen. Es liegt nahe anzunehmen, daß dann die herangezogenen Musiker über ihre tarifliche Arbeitspflicht hinaus in Anspruch genommen werden, selbst wenn die tariflich festgelegte Höchstzahl der zu leistenden Dienste nicht überschritten wird.

Diese Erwägungen lassen sich aber entgegen der Auffassung der Klägerinnen und Kläger nicht undifferenziert auf Ausfälle übertragen, die mit der Schwangerschaft oder der Niederkunft einer Frau zusammenhängen. Die durch die gesetzlichen Beschäftigungsverbote ausfallenden Dienste sind überschaubar. Dies betrifft zum einen das Verbot der Nachtarbeit. Nach § 8 Abs. 1 MuschG dürfen werdende und stillende Mütter nicht mit Arbeiten in der Nacht zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr beschäftigt werden; hiervon abweichend dürfen jedoch Mütter in den ersten vier Monaten der Schwangerschaft und stillende Mütter als Künstlerinnen bei Musikaufführungen, Theatervorstellungen und ähnlichen Aufführungen bis 23.00 Uhr beschäftigt werden (§ 8 Abs. 3 Nr. 3 MuschG). Das für ein Kulturorchester schwerwiegendere Nachtarbeitsverbot ab 20.00 Uhr greift mithin erst ab dem fünften Monat der Schwangerschaft. Es umfaßt dann noch fünf Monate, von denen die letzten sechs Wochen ihrerseits in die vorgeburtliche Schutzfrist (§ 3 Abs. 2 MuschG) fallen. Die sechswöchige vorgeburtliche Schutzfrist ist jedoch nur für den Arbeitgeber bindend. Die werdende Mutter darf beschäftigt werden, wenn sie sich ausdrücklich zur Arbeitsleistung bereit erklärt; sie kann ihre Erklärung jedoch jederzeit widerrufen (Gröninger/Thomas, Mutterschutzgesetz, 1994, § 3 Rz 35).

Die mutterschutzbedingten Ausfallzeiten sind danach insgesamt erheblich kürzer als in den von den Klägerinnen und Klägern angeführten Beispielen; sie sind auch im wesentlichen überschaubar. Dementsprechend geringer ist auch die Zahl der Dienste, die Orchestermitgliedern wegen mutterschutzbedingter Ausfälle von Kolleginnen zugewiesen werden. Wenn – wie bei der Klägerin zu 1) – infolge ihrer vor- und nachgeburtlichen Schutzfristen etwa 90 Dienste von ihr nicht zu leisten waren, so hätte dies bei einer Umverteilung auf alle anderen 18 Angehörigen der zweiten Geigen im rechnerischen Durchschnitt zur Folge, daß jeder von ihnen während der insgesamt 14 Wochen fünf “zusätzliche” Dienste hatte, mithin etwa alle drei Wochen etwas mehr als einen Dienst.

c) Es besteht auch keine betriebliche Übung, nach der mutterschutzbedingte Ausfälle von Diensten stets durch Aushilfen ausgeglichen würden.

(1) Unter einer betrieblichen Übung versteht man allgemein die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen seine Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Ob sich der Arbeitgeber derart binden wollte oder nicht, ist danach zu beurteilen, inwieweit die Arbeitnehmer dies aus dem Erklärungsverhalten des Arbeitgebers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und aller Begleitumstände gemäß den §§ 133, 157 BGB schließen durften.

(2) Gemessen hieran kann eine betriebliche Übung des Inhalts, daß im Bayerischen Staatsorchester für mutterschutzbedingt ausgefallene oder nicht zu leistende Dienste stets Aushilfen eingesetzt werden, nicht festgestellt werden.

Die Klägerinnen und Kläger haben zwar behauptet, in den letzten zehn Jahren seien für Schwangere stets Aushilfen herangezogen worden. Der Beklagte hat das aber bestritten. Daher hätte es den Klägerinnen und Klägern oblegen, ihre Behauptung näher zu substantiieren. Dem sind sie nicht nachgekommen. Es fehlt insbesondere an der Darlegung von Umständen, aus denen die Klägerinnen und Kläger schließen durften, der Freistaat Bayern werde auch künftig mutterschutzbedingte Ausfälle im Bayerischen Staatsorchester ungeachtet der Besonderheiten des Einzelfalls nur durch Aushilfen ausgleichen und nicht auch durch zusätzliche Dienste von Orchesterangehörigen.

3. Wie das Landesarbeitsgericht richtig erkannt hat, ist der Hauptantrag auch nicht nach § 611a Abs. 1 BGB begründet. Hiernach darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht wegen seines Geschlechts benachteiligen. Mit ihrem Antrag wollen die Klägerinnen und Kläger erreichen, daß sie nicht zur Leistung mutterschutzbedingt ausgefallener Dienste herangezogen werden. Sie müßten hierzu ihres jeweiligen Geschlechtes wegen herangezogen werden, damit die Grundvoraussetzung des § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB erfüllt ist. Das aber ist nicht der Fall. Geschlechtsspezifisch ist zwar der Grund für die Nichteinteilung der Schwangeren zu einem Dienst. Die Heranziehung der Klägerinnen und Kläger mit dem Ziel, dies aufzufangen, erfolgt dagegen unabhängig von ihrem jeweiligen Geschlecht.

4. Der Hauptantrag ist auch entgegen der Auffassung der Klageparteien nicht entsprechend § 1004 BGB wegen eines Verstoßes gegen die Richtlinie 76/207/EWG (Gleichbehandlungsrichtlinie) begründet, wie das Landesarbeitsgericht ebenfalls zutreffend erkannt hat. Auf die Richtlinie können sich die Klägerinnen und Kläger zwar unmittelbar stützen, denn der Beklagte ist ein dem staatlichen Bereich angehörender öffentlicher Arbeitgeber (EuGH Urteil vom 26. Februar 1986 – Rs 152/84 – NJW 1986, 2178, 2180). Sie werden jedoch, wie vorstehend zu § 611a BGB bereits ausgeführt, mit der Heranziehung zu Diensten, mit denen die mutterschutzbedingte Nichtleistung aufgefangen wird, nicht im Sinne dieser Richtlinie diskriminiert. Es trifft auch nicht zu, daß die Schwangere oder Mutter hierdurch im Sinne dieser Richtlinie diskriminiert wurde.

Die Klägerinnen und Kläger haben ein Gutachten von Däubler vorgelegt und dessen Ausführungen folgend geltend gemacht, die Rechte der Schwangeren und der Mutter seien nach Art der Drittschadensliquidation (vgl. § 249 BGB) zu schützen. Der Senat kann sich diesen Erwägungen nicht anschließen. Eine Schadensliquidation im Drittinteresse ist hier schon deswegen unergiebig, weil Inhaber des Anspruchs auf nichtdiskriminierende Behandlung nicht derjenige ist, bei dem der Schaden (zusätzliche Inanspruchnahme durch Dienste) eingetreten ist, sondern der Inhaber der verletzten Rechtsstellung, also die schwangere Frau oder Mutter. Sie könnten auf Leistung an sich oder den Geschädigten klagen (BGH Urteil vom 19. Oktober 1988 – VIII ZR 22/88 – NJW 1989, 451, 452, zu II 4 der Gründe, m.w.N.). Die zu Ersatzdiensten herangezogenen Musiker sind aber nicht schon deshalb Geschädigte, weil sie – in ihrer Rechtsposition – rechtsfehlerfrei zu Ersatzdiensten herangezogen werden.

5. Den Klägerinnen und Klägern steht der mit dem Hauptantrag verfolgte Unterlassungsanspruch auch nicht deswegen zu, weil der Beklagte die Klägerinnen und Kläger zu Ersatzdiensten eingeteilt hat, in den beiden Fällen des einjährigen unbezahlten Urlaubs und des Zivildienstes dagegen Aushilfen beschäftigt hat. Hierdurch sind Grundsätze der Gleichbehandlung nicht verletzt.

a) Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz ist Gleiches gleich, Ungleiches seiner Unterschiedlichkeit entsprechend verschieden zu behandeln; sachfremde Differenzierungen sind unzulässig (ständige Rechtsprechung, vgl. statt vieler BAG Urteil vom 15. November 1994 – 5 AZR 681/93 – AP Nr. 39 zu § 2 BeschFG 1985, zu II 2 der Gründe; BAG Urteil vom 26. Mai 1993 – 5 AZR 184/92 – BAGE 73, 166 = AP Nr. 42 zu Art. 119 EWG-Vertrag).

b) Es ist bereits nicht möglich, aus den beiden von den Klägerinnen und Klägern zum Vergleich herangezogenen Fällen auf ein regelhaftes Verhalten des Arbeitgebers oder eine Gruppenbildung zu schließen. Ausfälle von Orchesternmitgliedern infolge eines unbezahlten Urlaubs von einem Jahr und wegen Wehr- oder Zivildienstes kennzeichnen im Beruf der festangestellten Musiker eines Orchesters Ausnahmesituationen; junge Musiker haben ihren Wehr- oder Ersatzdienst regelmäßig vor ihrer Anstellung als Orchestermusiker absolviert. Unbezahlte Urlaube von einem Jahr sind äußerst selten. Dagegen sind schwangerschafts- oder mutterschutzbedingte Ausfälle festangestellter Musikerinnen nicht nur kürzer, sondern auch häufiger. Die Gründe und die Auswirkungen auf die Inanspruchnahme der anderen Orchestermitglieder sind nicht vergleichbar. Der Arbeitgeber hat daher im Streitfall nicht gleiche, sondern verschiedene Sachverhalte unterschiedlich behandelt.

6. Der Hauptantrag ist schließlich nicht unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts begründet (§ 823 Abs. 1, § 12, § 862 und § 1004 BGB).

a) Verletzt der Arbeitgeber rechtswidrig das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers, so kann ihn der Arbeitnehmer auf Unterlassung weiterer Eingriffe in Anspruch nehmen (BAG Urteil vom 4. April 1990 – 5 AZR 299/89 – BAGE 64, 308, 312 = AP Nr. 21 zu § 611 BGB Persönlichkeitsrecht, zu III 1 der Gründe, m.w.N.). Voraussetzung ist, daß der Arbeitnehmer in seinem eigenen Persönlichkeitsrecht verletzt ist.

b) Daran fehlt es hier. Die Klägerinnen und Kläger machen zwar geltend, sie seien in ihrem eigenen Persönlichkeitsrecht verletzt, wenn sie durch Schwangerschaft nicht geleistete Dienste auffangen müßten; hierdurch würden bei der Schwangeren oder Mutter Schuldgefühle erzeugt, die wiederum sie selbst psychisch belasten würden.

Diese Argumentation überzeugt nicht: Wer Schuldgefühle hegt, weil eine Schwangere oder Mutter ihrerseits deshalb Schuldgefühle hat, weil ihre Abwesenheit die Kolleginnen und Kollegen zusätzlich belastet, der ist nicht wegen seiner eigenen psychischen Belastung in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. Vor allem aber: Die gesetzlichen Vorschriften über den Mutterschutz sind Ausdruck der staatlichen Grundentscheidung in Art. 6 Abs. 1 und Abs. 4 GG und von jedermann zu respektieren. Wenn Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen und jede Mutter Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft hat, dann hat schon die Schwangere oder Mutter auch keinen rechtlich greifbaren Anlaß, wegen ihrer Schwangerschaft Schuldgefühle im Blick auf zusätzliche Belastungen von Kolleginnen und Kollegen zu entwickeln. Um so weniger läßt sich eine Rechtsverletzung erkennen, wenn eben diese Kolleginnen und Kollegen ihrerseits Schuldgefühle haben. Von einer Persönlichkeitsverletzung der mittelbar Betroffenen kann keine Rede sein.

B. Ihren ersten Hilfsantrag verfolgen die Klägerinnen und Kläger der Revision nicht mehr. Ihren zweiten Hilfsantrag haben sie eingeschränkt. Er betrifft nicht mehr die Frage der Heranziehung von Aushilfen für Dienste, die infolge Erziehungsurlaubs nicht geleistet werden, sondern nur die Fälle, in denen die Nichtleistung der Dienste auf mutterschutzrechtlichen Gründen beruht.

I. Der Hilfsantrag ist jedoch – auch mit diesem eingeschränkten Inhalt – unzulässig, soweit die Klägerinnen und Kläger die Feststellung erreichen wollen, daß die im Antrag beschriebene Verpflichtung des Beklagten nicht nur ihnen gegenüber, sondern gegenüber allen Angehörigen der Gruppe der zweiten Geigen besteht. Sie machen insoweit keine eigenen, sondern Rechte Dritter geltend. Hierzu fehlt den Klägerinnen und Klägern jede prozessuale Berechtigung.

II. Soweit der Antrag auch eigene Rechte der Klägerinnen und Kläger erfaßt, ist er nicht begründet, wie im einzelnen zum Hauptantrag ausgeführt worden ist.

 

Unterschriften

Griebeling, Schliemann, Bröhl, Krogmann, Frey

 

Fundstellen

Haufe-Index 872485

BAGE, 55

NJW 1997, 1182

NZA 1996, 825

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