Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufhebung des Wettbewerbsverbots

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Parteien eines Arbeitsvertrages können ein vereinbartes Wettbewerbsverbot jederzeit auch durch mündliche Vereinbarung aufheben.

2. Unterliegen vertragliche Änderungen einem vereinbarten Schriftformzwang (§ 125 BGB), so sind mündlich vereinbarte Änderungen wirksam, wenn "die Parteien die Maßgeblichkeit der mündlichen Vereinbarung übereinstimmend gewollt haben" (im Anschluß an BGH, Urteil vom 2. Juli 1975 - VIII ZR 223/73 = NJW 1975, 1653).

 

Normenkette

HGB § 74c; BGB § 125 S. 2

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Entscheidung vom 09.04.1987; Aktenzeichen 7 Sa 121/86)

ArbG Berlin (Entscheidung vom 01.10.1986; Aktenzeichen 29 Ca 48/86)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Aufhebung eines Wettbewerbsverbotes.

Die Klägerin war seit dem 1. September 1984 bei der Beklagten, die eine Bauunternehmung sowie ein Gebäudereinigungsunternehmen betreibt, als kaufmännische Angestellte beschäftigt. In dem schriftlich abgeschlossenen Arbeitsvertrag war ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart. Nach diesem verpflichtete sich die Klägerin, für die Dauer eines Jahres nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht für ein Konkurrenzunternehmen tätig zu sein. Die Beklagte war verpflichtet, für die Dauer eines Jahres die Hälfte des im letzten Jahr bezogenen Gehaltes zu zahlen. Ferner heißt es in dem Vertrag:

"Mündliche Abreden oder Nebenabreden sind nicht ge-

troffen. Änderungen oder Ergänzungen dieses Vertra-

ges bedürfen der Schriftform."

Die Klägerin verdiente monatlich 2.300,-- DM. Ihre Bezüge beliefen sich im Kalenderjahr 1985 auf insgesamt 31.248,86 DM. Sie kündigte ihr Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 1985. Vom 1. Januar bis zum 25. März 1986 erhielt sie kein Arbeitslosengeld wegen einer Sperrzeit nach § 119 AFG. Vom 26. März bis zum 30. September 1986 zahlte das Arbeitsamt Arbeitslosengeld in Höhe von 4.584,60 DM. Seit dem 1. Oktober 1986 bezieht sie ein Unterhaltsgeld von 175,20 DM wöchentlich. Die Klägerin verlangt eine monatliche Karenzentschädigung von 1.304,03 DM für die Zeit vom 1. Januar 1986 bis zum 31. Dezember 1986.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, 15.624,43 DM

brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich an

jedem Ersten ergebenden Nettobetrag zu zah-

len.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, die Klägerin habe am 20. Dezember 1985 bei Gelegenheit einer Weihnachtsfeier auf eine Karenzentschädigung verzichtet. Zu diesem Zeitpunkt sei das Wettbewerbsverbot einvernehmlich aufgehoben worden. Außerdem habe die Klägerin einen Zeitungskiosk eröffnen und sich nie mehr auf dem Gebiet der Gebäudereinigung betätigen wollen. Damit sei das Wettbewerbsverbot gegenstandslos geworden. Schließlich habe sie böswillig unterlassen, eine andere Arbeitsstelle anzutreten.

Das Arbeitsgericht hat der Klage für die Zeit vom 1. bis zum 30. September 1986 stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und auf die unselbständige Anschlußberufung der Klägerin die Beklagte weiter zur Zahlung bis zum 31. Dezember 1986 verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie weiterhin anstrebt, die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Es kann noch nicht beurteilt werden, ob der Klägerin ein Anspruch auf Karenzentschädigung zusteht.

I. Es steht noch nicht fest, ob die Parteien das Wettbewerbsverbot einvernehmlich aufgehoben haben.

1. Die Parteien haben ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart. Die Klägerin mußte für die Dauer eines Jahres Wettbewerb unterlassen; die Beklagte war zur Zahlung einer Karenzentschädigung verpflichtet.

Dieses Wettbewerbsverbot ist verbindlich (§ 74 Abs. 2 HGB). Zwar hat sich die Beklagte nur verpflichtet, als Karenzentschädigung "die Hälfte des im letzten Jahr bezogenen Gehaltes zu zahlen". Die Parteien haben unter Gehalt die zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen verstanden, wie sich aus der von der Beklagten nicht beanstandeten Berechnung der Karenzentschädigung durch die Klägerin ergibt.

2. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht nicht festgestellt, ob die Parteien das Wettbewerbsverbot einvernehmlich aufgehoben haben. Die Behauptungen der Beklagten zu den Erklärungen der Klägerin auf der Weihnachtsfeier 1985 sind erheblich.

a) Die Arbeitsvertragsparteien können wegen der bestehenden Vertragsfreiheit jederzeit ein Wettbewerbsverbot einvernehmlich beenden. Das haben sie nach den Behauptungen der Beklagten getan.

b) Der Wirksamkeit dieser Vereinbarung steht Nr. 12 Satz 2 des Arbeitsvertrages in Verbindung mit § 125 Satz 2 BGB nicht entgegen. Nach dem Arbeitsvertrag bedürfen Änderungen oder Ergänzungen der Schriftform. Nach § 125 Satz 2 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form ermangelt, nichtig.

Die Aufhebung des Wettbewerbsverbots ist zwar eine Änderung des Arbeitsvertrages. Das Wettbewerbsverbot beschränkt den Arbeitnehmer bereits während des Arbeitsverhältnisses, weil es die freie Bewerbungsmöglichkeit des Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt einschränkt; es behindert den Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, weil es ihn für einen Wirtschaftsbereich sperrt.

Nach § 125 Satz 2 BGB hat eine rechtsgeschäftlich vereinbarte Formvorschrift im Zweifel auch die Nichtigkeit des mündlich Vereinbarten zur Folge. Die Beklagte hat zwar die Rechtsauffassung vertreten, die vereinbarte Formvorschrift habe nur deklaratorische Bedeutung, wodurch die Rechtsfolgenvermutung entkräftet sei. Diesem Vorbringen ist das Landesarbeitsgericht aber zu Recht nicht gefolgt. Für eine solche Annahme ergeben sich aus dem Arbeitsvertrag keinerlei Anhaltspunkte. Bei der vereinbarten Formvorschrift handelt es sich um eine typische Schriftformklausel, durch die Arbeitsvertragsparteien vor übereilten Änderungsverträgen bewahrt, schleichende Vertragsänderungen vermieden und vorgenommene Vertragsänderungen beweiskräftig festgestellt werden sollen. Die Beklagte hat für eine hiervon abweichende Zwecksetzung des vereinbarten Schriftformzwanges keinerlei Anhaltspunkte angegeben. Für eine vom Regelfall abweichende Annahme ist sie darlegungs- und beweispflichtig.

c) Die Parteien können aber bei einer Vertragsänderung zugleich den Schriftformzwang aufheben (BAG Urteil vom 4. Juli 1963 - 5 AZR 16/63 - AP Nr. 1 zu § 127 BGB). Die Aufhebung braucht nicht ausdrücklich zu geschehen; es genügt auch eine stillschweigende Einigung (BGH Urteile vom 20. Mai 1958 - VIII ZR 329/56 - NJW 1958, 1231; vom 29. November 1973 - VII ZR 205/71 - WM 1974, 105). Das Landesarbeitsgericht weist aber zu Recht darauf hin, daß seit jeher umstritten ist, ob die abändernde Vereinbarung mit dem ausdrücklichen Willen, die mündlich getroffene Abrede solle ungeachtet der Schriftformklausel gelten, verabredet werden muß (vgl. BGH Urteil vom 11. Oktober 1967 - VIII ZR 76/65 - NJW 1968, 32), oder ob es ausreichend ist, daß die Parteien die Maßgeblichkeit der mündlichen Vereinbarung übereinstimmend gewollt haben (BGH Urteile vom 26. November 1964 - VII ZR 111/63 - NJW 1965, 293; vom 29. November 1973 - VII ZR 205/71 - WM 1974, 105; vom 2. Juli 1975 - VIII ZR 223/73 - NJW 1975, 1653, 1654). Dem Landesarbeitsgericht mag zugegeben sein, daß die von ihm vertretene erste Auffassung manche Gründe der Rechtssicherheit für sich hat. Dagegen hat sich die zweite Meinung in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs durchgesetzt (BAG Urteil vom 4. Juli 1963 - 5 AZR 16/63 - AP Nr. 1 zu § 127 BGB; Urteil vom 16. August 1983 - 3 AZR 34/81 - AP Nr. 2 zu § 1 BetrAVG Hinterbliebenenversorgung; BGH Urteile vom 20. Juni 1962 - V ZR 157/60 - NJW 1962, 1908; vom 26. November 1964 - VII ZR 111/63 - AP Nr. 2 zu § 127 BGB = NJW 1965, 293; vom 29. November 1973 - VII ZR 205/71 - WM 1974, 105; vom 2. Juli 1975 - VIII ZR 223/73 - NJW 1975, 1653, 1654). Von dieser Auffassung will der Senat nicht ohne Not abweichen, zumal für sie Gründe der Parteiautonomie (MünchKomm-Förschler, BGB, 2. Aufl., § 125 Rz 76, 77) sowie der Praktikabilität sprechen. Es bedarf daher der Aufhebung und Zurückverweisung des Urteils, damit das Landesarbeitsgericht die von der Beklagten angebotenen Beweise erheben kann.

3. Die Aufhebung und Zurückverweisung läßt sich auch nicht aus anderen Gründen vermeiden.

a) Das Wettbewerbsverbot ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage außer Kraft getreten. Wenn die Klägerin selbst den Willen aufgibt, noch einmal im Wirtschaftsbereich der Beklagten tätig zu werden, so erfüllt sie das Wettbewerbsverbot. Der Verzicht auf Wettbewerb bedeutet aber nicht den Wegfall des vereinbarten Verbots.

b) Die Beklagte kann auch nicht geltend machen, die Klägerin habe böswillig unterlassen, einer anderen Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Nach § 74 c HGB muß sich der Handlungsgehilfe auf die fällige Entschädigung anrechnen lassen, was er während des Zeitraumes, für den die Entschädigung gezahlt wird, durch anderweitige Verwertung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterläßt, soweit die Entschädigung unter Hinzurechnung dieses Betrages den Betrag der zuletzt von ihm bezogenen vertragsmäßigen Leistungen um mehr als ein Zehntel übersteigen würde.

Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war die Klägerin während des Verbotszeitraumes arbeitslos. Das gezahlte Arbeitslosengeld und das Unterhaltsgeld überstiegen zusammen mit der Karenzentschädigung nicht die Einkommensgrenze.

Die Klägerin hat anderweitigen Erwerb nicht böswillig unterlassen. Eine Unterlassung anderweitigen Erwerbs ist nur dann böswillig, wenn der Arbeitnehmer in Kenntnis der objektiven Umstände, also der Möglichkeit, Zumutbarkeit der Arbeit und der Nachteilsfolge für den Arbeitgeber vorsätzlich untätig bleibt oder gegen eine zu geringe Vergütung arbeitet (BAGE 19, 194, 202 = AP Nr. 1 zu § 74 c HGB, zu 5 der Gründe; 6, 306, 308 = AP Nr. 1 zu § 615 BGB Böswilligkeit; Urteil vom 18. Juni 1965 - 5 AZR 351/64 - AP Nr. 2 zu § 615 BGB Böswilligkeit; BAGE 14, 31, 36 = AP Nr. 22 zu § 615 BGB). Die Klägerin brauchte nach der Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses zu der Beklagten nicht mehr zu dieser zurückzukehren, um ihr die Karenzentschädigung einzusparen.

II. Das Landesarbeitsgericht wird im Wege der Beweisaufnahme aufzuklären haben, ob die Parteien das Wettbewerbsverbot und zugleich den Schriftformzwang aufgehoben haben. Nach § 286 ZP0 unterliegt das Beweisergebnis seiner freien richterlichen Überzeugung. Im Rahmen seiner umfassenden Beweiswürdigung wird es aber zu beachten haben, daß keinerlei Anhaltspunkte dafür sprechen, daß die Parteien von der Maßgeblichkeit des mündlich Vereinbarten ausgegangen sind. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist am 20. Dezember 1985 schriftlich abgewickelt worden. Die Weihnachtsfeier ist kaum ein geeigneter Ort, Vereinbarungen über Wettbewerbsverbote zu treffen. Es ist keinerlei Interesse der Klägerin zu erkennen, bei der sich abzeichnenden unsicheren wirtschaftlichen Zukunft auf gesicherte Forderungen zu verzichten.

Dr. Heither Schaub Griebeling

Halberstadt Seyd

 

Fundstellen

Haufe-Index 438602

BB 1989, 1124-1125 (LT1-2)

DB 1989, 1628 (LT1-2)

NJW 1989, 2149

NJW 1989, 2149-2150 (LT1-2)

ARST 1989, 147-148 (LT1-2)

EWiR 1989, 691 (L1-2)

JR 1990, 88

JR 1990, 88 (S)

NZA 1989, 797-798 (LT1-2)

RdA 1989, 196

ZAP, EN-Nr 197/89 (S)

ZIP 1989, 724

ZIP 1989, 724-725 (LT1-2)

ZTR 1989, 322-322 (LT1-2)

AP § 74 HGB (LT1-2), Nr 57

EzA § 74 HGB, Nr 51 (LT1-2)

VersR 1990, 335-336 (LT1-2)

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